Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 13, 7. Auflage 1971, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 350-352.
1. Korrektur.
Erstellt am 04.08.1998
Geschrieben um den 24. Mai 1859.
Aus dem Englischen.
["New-York Daily Tribune" Nr. 5659 vom 16. Juni 1859, Leitartikel]
<350> Die Post, die mit der "Africa" eingetroffen ist, vergrößert kaum unser bisheriges Wissen über diese berühmte Schlacht, von der die bonapartistische Presse beiderseits des Atlantiks so viel Wesens gemacht hat. Von Gyulays Bericht haben wir bis jetzt nur einen kurzen telegraphischen Auszug, und die meisten französischen und sardinischen Darstellungen sind lediglich Turiner und Pariser Geschwätz und können nur geringe Ansprüche auf Genauigkeit erheben, da sie noch nicht einmal die Nummern der beteiligten Regimenter richtig angeben. Dieser Mangel wird zwar einigermaßen ausgeglichen durch General Foreys Bericht, den wir durch die "City of Washington" am Montag abend erhielten, aber Forey vermeidet es, die Stärke oder die Verluste der Österreicher anzugeben. Von Baraguay d'Hilliers erfuhren wir leider gar nichts; sein Bericht würde bestimmt einige unklare Fragen aufhellen, da neben Foreys Division auch Truppen seines Korps eingesetzt waren. Während wir also ausführlichere und authentischere Nachrichten abwarten, können wir doch einige Betrachtungen anstellen, die sich auf ein sorgfältiges Studium des gesamten uns vorliegenden Materials stützen und die nicht ohne Wert sein mögen. Als die Österreicher die Nachricht erhielten, daß die Franzosen eine Bewegung auf die Po-Linie, zwischen Pavia und Piacenza, in Erwägung gezogen hätten, schlugen sie bei Vaccarizza in der Nähe von Pavia eine Brücke über den Po. Das Korps von General Stadion wurde hinübergeschickt, um die Lage und die Absichten des Feindes zu rekognoszieren. Stadion besetzte die Position der Stradella, einem Engpaß nahe am Fluß, wo sich ein Ausläufer der Apenninen, über den es keine chaussierten Straßen gibt, dem Po nähert, und schickte drei Brigaden (15 Bataillone mit ungefähr 18 Geschützen und vielleicht etwas Kavallerie) <351> gegen Voghera. Die Österreicher, die zweifellos starke Abteilungen auf ihrer Marschroute zurückließen, um sich den Rückzug zu sichern, stießen vor Casteggio auf die Vorposten des Feindes, die sie durch diese Stadt und durch das Dorf Montebello trieben. Sie drangen zum nächsten Dorf, Genestrello, vor, trafen dort aber auf eine Brigade der Division General Foreys (Brigade Beuret, 17. Jägerbataillon, 74. und 84. Linienregiment), und das Gefecht wurde stationär. Zu diesem Zeitpunkt waren offensichtlich nur wenige österreichische Truppen am Kampf beteiligt - ungefähr eine Brigade. Die Franzosen wurden unverzüglich durch vier Bataillone der anderen Brigade Foreys verstärkt (98. Regiment unter Blanchard und ein Bataillon des 91. Linienregiments). Das gab ihnen die zahlenmäßige Überlegenheit. Beurets Brigade formierte sich zum Angriff, nahm Genestrello und darauf nach hartnäckigem Kampf Montebello, aber bei Casteggio, jenseits des kleinen Flusses, an dem es liegt, verstärkten die Österreicher ihren Widerstand. Hier erhielten sie höchstwahrscheinlich frischen Nachschub, denn sie trieben die in Unordnung geratenden Franzosen nach Montebello zurück und waren gerade dabei, wieder in das Dorf einzudringen, als sie auf einen Teil der Division General Vinoys, bestehend aus dem 6. Jägerbataillon und dem 52. Linienregiment, stießen. Das gab wiederum den Ausschlag zugunsten der Franzosen, und die Österreicher zogen sich wohlgeordnet nach Casteggio zurück, wo sie eine Nachhut ließen, bis sie ihre Truppen wieder in Marschordnung gebracht hatten. Nachdem sie so ihren Auftrag erfüllt und sich vergewissert hatten, wo das Korps Baraguay d'Hilliers (das den äußersten rechten Flügel der Franzosen bildete) stand, zogen sie sich unbelästigt über den Po zurück, mit der Gewißheit, daß die Alliierten bis dahin nicht die Absicht hatten, auf Piacenza zu marschieren.
Die Österreicher können nicht mehr als etwa zwei Brigaden auf dem Schlachtfeld gehabt haben, denn mindestens drei Bataillone mußten auf der Straße zurückgelassen werden und weitere zwei waren erforderlich, um zwei Bataillone des französischen 91. Regiments bei Oriolo abzuwehren, von dem also nur ein Bataillon bei Montebello focht. Von diesen zwei Brigaden oder zehn Bataillonen kann nur ein Teil engagiert gewesen sein, denn der österreichische General, der seine letzten Reserven bei einer Rekognoszierung eingesetzt haben würde, hätte dafür bestimmt einen sehr strengen Verweis erhalten.
Auf französischer Seite standen drei Regimenter (das 74., 84. und 98.) und ein Linienbataillon (des 91.), außerdem ein Jägerbataillon - insgesamt elf Bataillone, die gegen Ende der Schlacht durch zwei Bataillone des 52. und eines der 6. Jäger verstärkt wurden. So haben wir, alles in allem, fünf- <352> zehn französische Bataillone gegen rund zehn österreichische Bataillone, und obwohl diese sicher stärker waren, war die zahlenmäßige Überlegenheit dennoch auf französischer Seite, als der Kampf eine andere Wendung nahm. Außerdem sollte man bedenken, daß die Österreicher nicht so sehr um einen Sieg kämpften, sondern vielmehr ihre Gegner zwingen wollten, zu zeigen, welche Kräfte sie an einer bestimmten Stelle zur Verfügung hatten. Dieses Ziel hatten sie voll und ganz erreicht. Es ist daher absurd, dieses unbedeutende Gefecht als einen bedeutenden Sieg zu betrachten. Bei solchen riesigen Armeen, wie sie sich jetzt auf den italienischen Ebenen gegenüberstehen, ist eine Affäre wie die von Montebello von keiner größeren Bedeutung als ein bloßer Zusammenstoß von Vorposten in Kriegen geringen Ausmaßes. Und wenn dies schon ein Sieg sein soll, wo sind dann seine Früchte? Die Franzosen berichten, daß sie 40 Verwundete und 60 Unverwundete gefangennahmen; das ist nicht mehr, als sie billigerweise nach einem mehrstündigen Kampf um ein Dorf erwarten konnten. Sie erbeuteten auch einen Munitionswagen und verloren einen. Aber keine Verfolgung, kein Versuch, die Früchte des Sieges zu ernten, obwohl die Franzosen über genügend piemontesische Kavallerie verfügten. Die Österreicher erteilten offensichtlich den letzten Schlag und marschierten dann in tadelloser Ordnung und unbelästigt zurück,