Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 12, Berlin/DDR 1961. S. 475-482.

Karl Marx

Ein merkwürdiges Stückchen Geschichte

Aus dem Englischen.


["New-York Daily Tribune" Nr. 5352 vom 16. Juni 1858]

<475> Manchester (England), 18. Mai 1858

Sehr bald nach Beendigung des letzten Krieges mit Rußland, erschien in der Presse die Mitteilung, daß ein gewisser Mechmed Bey, Oberst in der türkischen Armee, alias J. Bangya, Ex-Oberst der ungarischen Armee, Konstantinopel verlassen hätte, um mit einer Anzahl polnischer Freiwilliger nach Tscherkessien zu gehen. Gleich bei seiner Ankunft wurde er so etwas wie ein Stabschef bei Sefer Pascha, dem tscherkessischen Oberhaupt. Wer diesen ungarischen Befreier Tscherkessiens von früher kannte, konnte keinen Zweifel darüber haben, daß er nur zu einem einzigen Zweck in dieses Land gegangen war: es an Rußland zu verkaufen. Es war klar und erkennbar erwiesen, daß der Mann in London und Paris als Spion sowohl im Solde der französischen als auch der preußischen Polizei gestanden hatte. Vor etwa einem Monat enthielten die europäischen Zeitungen denn auch die Nachricht, es wäre aufgedeckt worden, daß Bangya-Mechmed Bey tatsächlich in verräterischer Korrespondenz mit dem russischen General Philipson gestanden habe und von einem Kriegsgericht zum Tode verurteilt worden sei. Bangya erschien jedoch kurze Zeit danach plötzlich in Konstantinopel. Mit seiner üblichen Unverschämtheit erklärte er, alle diese Geschichten über Verräterei, Kriegsgericht etc. wären reine Erfindungen seiner Feinde, und versuchte, sich als das Opfer einer Intrige hinzustellen.

Wir sind zufällig im Besitz der wichtigsten Dokumente über diesen merkwürdigen Zwischenfall des tscherkessischen Krieges und werden nunmehr einige Auszüge daraus mitteilen. Diese Papiere wurden durch Leutnant Franz Stock vom polnischen Bataillon in Tscherkessien, eins der Mitglieder des <476> Kriegsgerichts, das Bangya überführt hatte, nach Konstantinopel gebracht. Die Öffentlichkeit mag danach selbst urteilen.

Auszüge aus den Protokollen des Kriegsrats, abgehalten zu Aderbi, Tscherkessien, über Mechmed Bey, alias J. Bangya von Illosfalva.

(Nr. 1) Sitzung vom 9. Januar 1858. Aussage von Mustapha, geboren in der Provinz Narkhouatz:

" ... Als der Oberst, Mechmed Bey, nach Shepsohour kam, bat er mich, einen Brief an den Kommandeur der Schwarzmeerkosaken, General Philipson, zu befördern. Auf meine Bemerkung, daß ich das nicht tun könnte, ohne Sefer Pascha zu informieren, oder ohne seine Erlaubnis, erklärte mir Mechmed Bey, daß er als Gesandter und Statthalter des Padischah und als Militärkommandant in Tscherkessien das Recht hätte, mit den Russen Briefe zu wechseln, daß Sefer Pascha den Gegenstand kenne und daß seine Absicht wäre, die Russen irrezuführen ... Als Sefer Pascha und die Nationalversammlung mir das Manifest von Tscherkessien schickten, das an den Zaren gerichtet war, gab mir Mechmed Bey auch einen Brief für General Philipson. Ich fand General Philipson nicht in Anapa und lieferte den Brief an den kommandierenden Major in Anapa ab. Der Major versprach mir, das Manifest weiterzusenden, wollte jedoch den Brief, der weder Adresse noch Unterschrift trug, nicht entgegennehmen. Ich brachte den Brief zurück; da ich jedoch wegen der häufigen Korrespondenz Mechmed Beys Verdacht geschöpft hatte und befürchtete, selbst kompromittiert zu werden, teilte ich die ganze Sache den Vorgesetzten mit ..."

(Nr. 2) - Aussage des Achufet Effendi, des ehemaligen türkischen Sekretär bei Mechmed Bey:

" ... Mechmed Bey war sehr erzürnt über Tefik Bey" (Oberst Lapinski) "und sprach sehr abfällig von ihm, wobei er hinzufügte, daß dieser ihm schon seit langem den Weg zu versperren suche. In der zweiten Nacht nach unserer Ankunft in Aderbi ... wurde ich gegen Morgen von Mechmed Beys Reitknecht geweckt. Mechmed Bey selbst teilte mir mit, man hätte starken Kanonendonner aus der Richtung von Gelendschik gehört. Er war aufgestanden und schien unruhig ... Der Bericht, daß Oberst Lapinski mit seiner ganzen Begleitung gefangengenommen worden war, gelangte, ich weiß nicht wie, nach Aderbi, bevor noch das Donnern der Kanonen aufgehört hatte. Ich hörte Mechmed Bey davon sprechen. Als später die Nachricht eintraf, daß weder der Oberst noch seine Leute zu Gefangenen gemacht worden waren, sagte Mechmed Bey sehr ärgerlich, 'daß er wahrscheinlich seine Kanonen an die Russen verkauft hätte'."

(Nr. 3) - Aussage der polnischen Offiziere und Soldaten, die in Aderbi stationiert waren:

"Einen Tag, bevor Gelendschik überrumpelt wurde, kam Mechmed Bey ins Lager und sagte, er hätte Briefe aus Konstantinopel erhalten, die ihm mitteilten, daß es ganz <477> und gar Oberst Lapinskis Fehler wäre, wenn sie nirgends Hilfe fänden ... Er veranlaßte, daß Spirituosen an die Soldaten verteilt wurden, und machte ihnen allerlei Versprechungen, wenn sie ihren Obersten verließen und ihm folgten ... Als sich später die Nachricht" (Lapinski sei gefangengenommen) "als falsch erwies, kam Mechmed Bey persönlich ins Lager und hielt eine Ansprache an die Abteilung, um sie zu bewegen, dem Obersten den Gehorsam zu verweigern. Als aber der Oberst zurückkam, behauptete er, nichts davon zu wissen. Er gab mehrere Leute preis, die sich ihm angeschlossen hatten, und ließ zu, daß sie bestraft wurden, ohne für sie einzutreten. Später, während der Abwesenheit des Obersten, bemühte sich Mechmed Bey, die Truppen mit Hilfe mehrerer Ungarn zur Meuterei zu veranlassen. Die Ungarn setzten ein Schriftstück mit Anklagen gegen den Obersten auf und versuchten, die Männer zum Unterschreiben zu bewegen. Mit Ausnahme von drei Männern, die zugaben, daß sie dazu verleitet worden waren, erklärten alle anderen unter Eid, daß ihre Unterschriften gefälscht seien ... Diese Fälschung war um so leichter, als in der Abteilung nur wenige Soldaten schreiben können."

(Nr. 4) - Geständnis des Bangya vor dem Kriegsgericht:

"Ermüdet von dem langen Verhör lege ich der Kommission dieses Geständnis vor, das von meiner Hand geschrieben und von mir unterzeichnet ist. Ich hoffe, daß meine Richter, denen ich dadurch eine langwierige und schwierige Aufgabe erspare, um so mehr geneigt sein werden, daran zu denken, daß mit meinem Schicksal auch das Schicksal meiner unschuldigen Familie (1) verknüpft ist. Früher war mein Name Janos Bangya von Illosfalva; jetzt heiße ich Mechmed Bey; ich bin vierzig Jahre alt; meine Religion war die römisch-katholische, aber 1853 trat ich zum Islam über ... Meine politische Tätigkeit ... wurde mir von dem ehemaligen Führer meines Landes, Lajos Kossuth, diktiert ... Mit Einführungsbriefen meines politischen Chefs versehen, kam ich am 22. Dezember 1853 nach Konstantinopel ... Ich trat in die türkische Armee mit dem Range eines Obersten ein. Zu dieser Zeit erhielt ich häufig von Kossuth Briefe und Instruktionen, die die Interessen meines Landes betrafen. Zu gleicher Zeit richtete Kossuth eine Botschaft an die Ottomanische Regierung, in der er den Türken dringend nahelegte, sich vor einer Allianz mit Frankreich, England oder Österreich in acht zu nehmen, und ihnen den Rat erteilte, sich eher mit den revolutionären Italienern und Ungarn zu verbinden ... Meine Instruktionen rieten mir, mich in irgendeiner Weise den Truppen anzuschließen, die dazu ausersehen waren, an den Küsten Tscherkessiens zu agieren ... In Tscherkessien angekommen, begnügte ich mich eine Zeitlang damit, die Lage im Lande zu studieren und meine Beobachtungen meinen politischen Freunden mitzuteilen ... Ich versuchte, mich Sefer Pascha anzuschließen ... Meine Instruktionen rieten mir, irgendwelche offensiven Schritte von der Seite der Tscherkessen zu verhindern und mich allem ausländischen Einfluß im Lande entgegenzustellen. Kurze Zeit vor meiner Abreise aus Konstantinopel erhielt Oberst Türr, der seine Instruk- <478> tionen von derselben Stelle empfängt wie ich und mit dem ich jahrelang in politischer Verbindung gestanden habe, den Auftrag, sich dem griechischen Aufstand anzuschließen. General Stein" (Ferhad Pascha), "der auch zu unserer Gruppe gehört, wurde angewiesen, nach Anatolien zu gehen. Was den Plan anbelangt, Sefer Pascha attachiert zu werden, so gelang er, und sehr bald gewann ich sein volles Vertrauen. Als ich sein Vertrauen erst einmal besaß, war es leicht für mich, meine Instruktionen zu befolgen und auszuführen ... Ich überzeugte Sefer Pascha, daß Tscherkessien nach dem Kriege wieder der Herrschaft des Sultans unterworfen werden würde ... Den türkischen Kommandeuren gab ich zu bedenken, daß alle offensiven Maßnahmen ihrer Truppen gefährlich sein würden, da die Tscherkessen ... sie in der Stunde der Gefahr verlassen würden. Die Umstände waren für mich günstig, und obgleich die Russen ihre Truppen auf den Kriegsschauplatz geschickt hatten und ihre Grenzen ungeschützt ließen, hatten sie nicht unter ernstlichen feindlichen Einfällen der Tscherkessen zu leiden ... Ich schickte regelmäßig Berichte über meine geheime Tätigkeit an meine politischen Vorgesetzten ... Zur gleichen Zeit stieß ich auf meinem Wege auf Männer und Umstände, die meinen Plänen völlig entgegengesetzt waren. Ich meine die Ankunft des Herrn Longworth, des britischen Konsuls in Anapa. Herrn Longworths Instruktionen wiesen ihn an, Sefer Pascha zu veranlassen, 6.000 Tscherkessen auf Kosten Großbritanniens zu organisieren und nach der Krim zu schicken ... Ich erhielt ähnliche Befehle von den türkischen Vorgesetzten, aber zu gleicher Zeit erteilten mir meine geheimen Vorgesetzten den bestimmtesten Befehl, alles zu tun, was in meiner Macht stünde, um die Mission des Konsuls zu vereiteln ... In einer Unterhaltung mit Herrn Longworth ... bat ich um einen Posten in der britischen Armee mit dem Range eines Obersten oder um die Geldsumme von 10.000 Pfd.St. ... Herr Longworth dachte, mich durch ein Angebot von 50.000 Piaster zu gewinnen ... Meine Intrige glückte. Fürst Sefer, so oft durch leere Versprechungen getäuscht, wurde argwöhnisch und verweigerte dem Konsul rundheraus, was er von seinen Leuten wünschte... Zu dieser Zeit machte ich mir den Prinzen Ibrahim Karabatir, den Sohn Sefer Paschas, zum Feind, der dazu ernannt worden war, die 6.000 Tscherkessen zu befehligen ...

Am 21. März 1856 teilte mir Sefer Pascha mit, daß in der Volksversammlung beschlossen worden wäre, eine Abordnung an die türkische, französische und britische Regierung zu entsenden, um diese Mächte zu bitten, Tscherkessien wieder der Türkei einzuverleiben. Ich erreichte bei Sefer Pascha, daß ich mich dieser Abordnung anschließen konnte ... Bei meiner Ankunft in Konstantinopel ... sandte ich an meine politischen Freunde und an Kossuth einen detaillierten Bericht über die Lage in Tscherkessien ... Ich erhielt als Erwiderung Instruktionen, die mir befahlen, mit Oberst Türr und General Stein Verbindung aufzunehmen und die Angelegenheiten gemeinsam mit ihnen zu führen und so viele Ungarn wie möglich daran zu beteiligen. Gleichzeitig trat ich mit Ismail Pascha in Verbindung, dem Postmeister des Ottomanischen Reiches, einem Tscherkessen von Geburt, der mir patriotisch und fähig erschien, Opfer für sein Land zu bringen. Ich beriet mit ihm die Art und Weise, in der es uns möglich wäre, nach Tscherkessien Waffen, Munition, Geräte für Waffenmeister sowie gute Offiziere und Handwerker zu senden. Aber der tatsächliche Plan der Expedition wurde zwischen <479> General Stein, Oberst Türr und mir abgesprochen. Hauptmann Franchini, Militärsekretär des russischen Gesandten, war bei mehreren unserer Beratungen anwesend. Das Ziel war, Tscherkessien in einer friedlichen, langsamen, aber sicheren Art und Weise für russische Interessen zu gewinnen ... Wenn Tscherkessien sich erst einmal den Weisungen von General Stein und mir gefügt hätte, sollte unser Plan folgender sein:

I. Irgendeinen eingeborenen Fürsten auszuwählen, der das ganze Land unter seine Herrschaft bringen würde;

II. die Tscherkessen davon zu überzeugen, daß sie weder vorn Sultan noch von irgendeiner anderen Macht irgendwelche Unterstützung zu erwarten hätten;

III. die Bergbewohner durch Niederlagen auf dem Schlachtfeld zu demoralisieren - Niederlagen, die vorher sorgfältig berechnet und vorbereitet werden sollten;

IV. sie dahin zu bringen, den Zaren als ihren nominellen Souverän anzuerkennen, ohne irgendeinen Tribut zu zahlen, aber Garnisonen im Lande zuzulassen ... Die nach Tscherkessien gebrachten Ungarn würden in der Umgebung des Fürsten untergebracht werden, die fähigeren würden mit den wichtigen Posten betraut werden ... Hauptmann Franchini versicherte mir, daß Rußland nicht mehr fordere als augenscheinliche Unterordnung ... die Zeichen kaiserlicher Gunst, Geld und russische Befehle würden das übrige tun ...

Am 22. September 1856 empfahl mir Ismail Pascha, für Tscherkessien mehrere hundert Polen zu verpflichten, die in Skutari kaserniert waren und einen Teil der Legion unter Zamoyski gebildet hatten ... Dieser Vorschlag stimmte mit unseren Plänen nicht überein, aber es war schwierig, ihn zurückzuweisen. Ich war ehedem mit Herrn Lapinski bekannt gewesen, der mit Erfolg in Ungarn gedient hatte ... Er lebte jetzt in Skutari ... Wir kamen mit General Stein darin überein, daß es am besten wäre, Oberst Lapinski zu gewinnen, der absolutes Vertrauen zu mir hatte ... Am 24. September gab ich Oberst Lapinski schriftlich bekannt, daß die tscherkessischen Patrioten an ihn appellierten, ein polnisches Korps in Tscherkessien zu bilden. Der Oberst verlangte als Erwiderung Waffen und Ausrüstung für 700 Polen ... Wir berieten später zusammen - General Stein, Türr, Franchini und ich -, und es wurde beschlossen, daß Türr sich nach England begeben sollte, um Werkzeuge und Maschinen zur Herstellung von Patronen zu kaufen, daß er aber irgendwelche Waffenlieferungen verzögern sollte. Wir wollten uns erst der Polen versichern, ehe wir ihnen Waffen gaben ... Die ernsten Vorstellungen von Oberst Lapinski ... nötigten mich, die Abreise zu beschleunigen, obwohl ich nicht die Mittel hatte, die ungarischen Offiziere, die ich engagiert hatte, mit mir zu nehmen ... Im Januar 1857 erhielt ich Briefe und Instruktionen von Kossuth und meinen anderen politischen Freunden. Mein Plan wurde gebilligt ... Kurze Zeit vor meiner Abreise wurde eine deutliche Abkühlung in den Beziehungen zwischen mir und General Stein vorgetäuscht. Ich wollte meine Abreise immer noch verzögern, damit einige Ungarn mit mir reisen könnten, aber Hauptmann Franchini erklärte, daß kein Tag verloren werden dürfte. Die Expedition sei das Gespräch von ganz Konstantinopel geworden, und wenn die russische Botschaft nicht dazwischen trete, könnte sie wegen Mittäterschaft angeklagt werden. Am 15. Februar schiffte sich Oberst Lapinski an Bord des englischen Dampfers 'Kangaroo' ein. Ich ging gleichfalls an Bord ... Bei <480> meiner Ankunft in Dob" (dem russischen Kabardinsk) "richtete ich Briefe an Sefer Pascha, an den Naib und an die anderen Stammesoberhäupter; in diesen Briefen kündigte ich mich als Abgesandten Seiner Kaiserlichen Majestät des Sultans an, der die Militärstreitkräfte von Tscherkessien befehligen sollte ... Das Verhalten von Oberst Lapinski war nicht sehr beruhigend für mich ... Einige Wochen nach der Ankunft des polnischen Detachements in Shapsucho" (dem russischen Fort Tenginsk), "der Residenz Sefer Paschas, traf Herr Römer auf der mit Waffen und Munition beladenen Brigg, die wir im Bosporus zurückgelassen hatten, in Dob ein ... Der plötzliche Einfall der Russen bei Attakum im Mai brachte Tausende von tscherkessischen Kriegern aus allen Teilen des Landes zusammen. Zum ersten Mal sahen die Tscherkessen, wie ihre eigene Artillerie mit Erfolg die russische Artillerie angriff. Dieses Gefecht, an sich recht unwichtig, gab mir und dem polnischen Detachement Bedeutung ... Ich nahm den Vorteil der Stimmung der Leute für mich wahr, um meine Rolle zu spielen; ich stellte mich öffentlich als den Gesandten des Sultans vor; ich forderte unbedingten Gehorsam ... Später erfuhr ich, daß Oberst Lapinski mit ganzer Kraft daran arbeitete, meine Pläne zunichte zu machen ... Ich bemühte mich, Anhänger unter den Offizieren und Leuten seines Detachements zu gewinnen, und da die Situation des Korps prekär war, schrieb ich das dem Versagen ihres Kommandeurs zu ... Die Beschlagnahme einiger Sandalen <schmale zweimastige Boote> durch ein russisches Schiff in den Häfen Sudjak und Gelendschik gab mir Gelegenheit, den Oberst in eine gewisse Entfernung vom Kriegsschauplatz bei Attakum zu versetzen und ihn vollständig zu isolieren ... Einige Tage später erhielt ich von Oberst Lapinski einen Brief, in dem er mir mitteilte, daß in Gelendschik keine Truppen seien und daß seine Stellung nicht zu halten wäre ... Ich ging selbst nach Gelendschik, und an Ort und Stelle legte mir Oberst Lapinski die Gefährlichkeit seiner Position und die drohende Gefahr eines Angriffes der Russen dar. Neun Tage später wurde seine Voraussage Wirklichkeit ...

Die Agitation, die ich unter den Offizieren und Soldaten in Aderbi während und nach der Katastrophe von Gelendschik betrieb, war einfach die Folge meines Entschlusses, Zwiespalt zwischen dem Detachement und Oberst Lapinski zu säen ... Durch Emissäre ließ ich unter den Tscherkessen Gerüchte verbreiten, daß er die Kanonen an die Russen verkauft hätte ... Ich ließ mich durch die gespielte Aufrichtigkeit des Obersten hinters Licht führen, der mich in Wahrheit mit größerer Wachsamkeit als je beobachtete ...

In Übereinstimmung mit meinen Instruktionen sollte ich Beziehungen zu dem russischen General herstellen ... Mein anonymer Brief, der gegenwärtig in den Händen der Kommission ist, sollte einen regulären Briefwechsel einleiten, aber durch die Dummheit des russischen Kommandeurs ist er in Ihre Hände gefallen ...

Ganz plötzlich warf Oberst Lapinski die Maske ab und erklärte mir bei Sefer Pascha schroff, daß er mich weder als seinen Vorgesetzten noch als Militärkommandanten in Tscherkessien anerkenne, brach jeden Verkehr mit mir ab ... richtete auch einen <481> Tagesbefehl in diesem Sinne an das polnische Detachement. Ich versuchte, ihn durch einen anderen Tagesbefehl abzusetzen, der an die Soldaten gerichtet war, aber meine Bemühungen waren vergeblich ...

gez.: Mechmed Bey."

(Nr. 5) - Brief des Janos Bangya an den General Philipson:

"Läge es nicht im Interesse Rußlands, Tscherkessien zu befriedigen? Es ist vielleicht möglich, die Ebenen von Tscherkessien für kurze Zeit mit enormen Opfern zu erobern, aber die Berge und die natürlichen Befestigungen werden niemals erobert werden. Die russischen Kanonen haben ihre Wirkung verloren. Die tscherkessische Artillerie wird der russischen mit genügendem Erfolg antworten. Die Tscherkessen sind nicht mehr, was sie vor fünf Jahren waren; unterstützt durch eine kleine reguläre Streitmacht, kämpfen sie genau so gut wie die russischen Truppen, und für ihre Religion und ihr Land werden sie bis zum letzten Mann kämpfen. Wäre es nicht besser, den Tscherkessen eine Art Scheinfreiheit zu gewähren, Tscherkessien einem nationalen Fürsten zu unterstellen und diesen Fürsten unter die Schirmherrschaft des russischen Zaren zu stellen? Mit einem Wort, aus Tscherkessien ein anderes Georgien oder etwas in dieser Art zu machen? Ist Tscherkessien erst einmal eng an Rußland gebunden, dann stehen die Straßen Anatoliens und Indiens den Russen offen. Sapienti sat. <Genug für den Verständigen.> Es wäre möglich, Verhandlungen auf dieser Basis zu eröffnen. Überlegen und antworten Sie."

(Nr. 6) Urteil, 20. Januar 1858:

"Nach Verlesen des Geständnisses von Oberst Mechmed Bey auf den Sitzungen vom 2., 3., 4., 5., 6., 7. und 11. Januar; nach Anhören der Zeugenaussagen auf der Sitzung vom 9. Januar erklärt das Kriegsgericht auf seiner heutigen Sitzung Mechmed Bey auf Grund seines Geständnisses und der Zeugenaussagen des Landesverrats und der Geheimkorrespondenz mit dem Feinde für überführt; erklärt ihn für ehrlos, seines Ranges in diesem Lande verlustig und verurteilt ihn zum Tode - einstimmig.

Gez.: Jacob Beckert, Soldat; Philipp Terteltaub, Kanonier; Mathias Bedneizek, Sergeant; Otto Linovski, Artillerist; Franz Stock, Unterleutnant; Anton Krysciewicz, Unterleutnant; Michael Marecki, Leutnant; Leon Zawadski, Artillerist; Stanislas Tanckowski, Gefreiter; John Hamaniski, Sergeant; Alexander Michicki, Feldwebel; Casimir Wystocki, Unterleutnant; Josef Aranoski, Leutnant; Peter Stankiewicz, Hauptmann; Theophil Lapinski, Oberst."

Den obigen Dokumenten haben wir lediglich hinzuzufügen, daß Sefer Pascha nicht geneigt war, das Todesurteil an einem Mann vollstrecken zu lassen, der den Rang eines Obersten in der Armee des Sultans innehatte, und daß er ihn daher nach Trapezunt eskortieren ließ. Die Ungarn in Konstantinopel erklärten Mechmed Beys Verräterei für eine reine Verleumdung, aber <482> die polnischen Offiziere protestierten sofort gegen diese Behauptung und drohten mit einer eventuellen Veröffentlichung der Dokumente, die sich auf diese Affäre beziehen. Wir veröffentlichen sie nun im Auszug, da sie den bei weitem interessantesten Beitrag zur Geschichte des tscherkessischen Krieges bilden.

Hinsichtlich des Verhaltens der russischen Botschaft während dieser Affäre können wir folgende Tatsachen hinzufügen: Es war in Konstantinopel allgemein bekannt, daß die "Kangaroo" gemietet war, um Truppen und Vorräte nach Tscherkessien zu bringen. Die russische Botschaft ließ jedoch nicht ein Wort in bezug auf diese Expedition gegenüber der Pforte fallen; aber am gleichen Tage, als die "Kangaroo" den Bosporus hinter sich ließ, richtete der russische Botschafter einen Protest an die Pforte und veranlaßte, daß eine Untersuchung eingeleitet wurde, um die Anstifter der Expedition ausfindig zu machen. Man machte alle Anstrengungen, um Graf Zamoyski, der zu dieser Zeit in Konstantinopel war, in die Angelegenheit hineinzuziehen; aber das mißlang gründlich. Dann wurden, anscheinend auf Verlangen Rußlands, General Stein und Ismail Pascha in die Verbannung geschickt, weil sie in die Sache verwickelt waren. Nach einer Verbannung von einigen Monaten wurde anläßlich eines Festtages in der russischen Zarenfamilie, wieder auf Verlangen der russischen Botschaft, General Stein und Ismail Pascha gestattet, nach Konstantinopel zurückzukehren.


Fußnoten

(1) Hiermit spielt er auf die Bangya-Familie Nr. 3 an. Er hat außer seiner islamitischen Familie in Konstantinopel eine Frau in Ungarn und eine andere in Paris. <=