Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 12, Berlin/DDR 1961. S. 5-14.

Karl Marx

Das Oberhaus und das Denkmal des Herzogs von York

Aus dem Englischen.


["The People's Paper" Nr. 208 vom 26. April 1856]

<5> Gerade zu dem Zeitpunkt, da Lord John Russell,

"The minimus of hind'ring knot-grass made",
<"Du Knirps, aus lästigem Vogelknöterich geflochten",
(abgewandelt aus Shakespeare, "Ein Mittsommernachtstraum", III. Aufzug, 2. Szene)>

das Unterhaus mit einem seiner zwerghaften Narrenpläne ergötzte, die jenen Riesen, genannt das Volk, erziehen sollen, stellten seine Kollegen im Oberhaus ein praktisches Exempel der Erziehung zur Schau, die die gottbegnadeten Herrscher Großbritanniens genossen haben. Gegenstand ihrer Debatte war der Bericht eines Komitees des Unterhauses, der aus örtlich bedingten Interessen empfahl, das Denkmal des Herzogs von York vom Waterloo Place zu entfernen. Bei jener Gelegenheit sagte der Marquis von Clanricarde,

"der Herzog von York war nicht nur erhaben durch seine erlauchte Geburt, er hatte auch große militärische Dienste Krone und Vaterland erwiesen ... Die Trauer bei seinem Hinscheiden beschränkte sich nicht allein auf seinen Freundeskreis, sondern wurde allgemein empfunden. Der Eifer, den er bei der Erfüllung der ihm übertragenen Pflichten zeigte, wurde übereinstimmend von allen Seiten bezeugt."

Nach den Ausführungen des Marquis von Lansdowne

"sollte ein Gedenkstein, der vor einigen Jahren zu Ehren einer erlauchten, von allen geachteten Persönlichkeit errichtet worden ist, nicht so leichtfertig beiseite geschafft oder weggeräumt werden"

Aberdeen, der weitgereiste Than, bezeichnete das Monument als "gewissermaßen geweiht". Der Graf von Malmesbury

"stimmte im Hinblick darauf, was man die gefühlsmäßige Seite der Angelegenheit nennen könnte, mit den Äußerungen des edlen Grafen völlig überein."

Betrachten wir einmal rückblickend das Leben dieses königlichen Helden, der so von den Lords heilig gesprochen worden ist.

<6> Das denkwürdigste Ereignis im Leben des Herzogs von York - seine Geburt - geschah im Jahre 1763. Sechsundzwanzig Jahre später verstand er es, die Aufmerksamkeit der Welt auf seine Person zu lenken, indem er dem glückseligen Junggesellenstand entsagte und Ehemann wurde. Der Anti-Jakobiner-Krieg bot dem königlichen Prinzen die Gelegenheit, königlicher Befehlshaber zu werden. Wenngleich die englische Armee bei seinem ewig rühmlichen Unternehmen in Flandern und bei dem nicht minder rühmlichen Unternehmen zu Helder regelmäßig geschlagen wurde, so hatte sie dennoch die stete Genugtuung, ihren königlichen Befehlshaber wieder mit heiler Haut heimkehren zu sehen. Es ist bekannt, wie geschickt er bei Hondschoot vor Houchard davonlief und wie seine Belagerung von Dünkirchen gewissermaßen die Belagerung von Troja an Possen übertraf, So groß war der vorzügliche Ruhm, den er in seinem flandrischen Feldzug erwarb, daß Pitt, um seinen Ruf besorgt, den Kriegsminister Dundas veranlaßte, seiner königlichen Hoheit auf schnellstem Wege die dringliche Mitteilung zukommen zu lassen, daß er heimkehren, daß er die Bezeugung persönlicher Tapferkeit für Zeiten größerer Gefahr aufsparen und sich auf die alte fabianische Maxime: "famae etiam iactura facienda est pro patria" <"Selbst den Ruhm muß man für's Vaterland opfern"> besinnen möge. Ein Offizier namens Cochrane Johnstone, auf den wir später noch zurückkommen werden, wurde als Überbringer dieser Depeschen auserkoren und - so berichtet ein Autor jener vergangenen Zeiten -

"Johnstone leistete diesen Dienst mit einem Maß an Geschwindigkeit und Entschlossenheit, das ihm zu Recht die Bewunderung der Armee einbrachte".

Noch größer als seine militärischen Heldentaten während dieses Feldzugs erwiesen sich die, welche der Herzog auf finanziellem Gebiet vollbrachte; ein zweckdienlicher Brand in jedem Depot beglich ein für allemal die Rechnungen seiner sämtlichen Intendanturoffiziere, Lieferanten und Aufsichtsbeamten. Ungeachtet dieser Erfolge finden wir seine königliche Hoheit im Jahre 1799 erneut an der Spitze der Helder-Expedition, die in den britischen Zeitungen, welche ganz offen Pitts Protektion unterstanden, als eine reine Sonntagswanderung dargestellt wurde, da man die Vorstellung als recht unnatürlich empfand, daß eine Armee von 45.000 Mann, mit einer Eskader im Rücken, die den Zuider-See beherrschte, und geführt von einem Sproß des königlichen Hauses von Braunschweig, nicht imstande sein sollte, durch ihr bloßes Erscheinen einen Pöbelhaufen von etwa 20.000 Mann Franzosen

<7> "unter dem Kommando eines Druckerjungen aus Limousin, eines gewissen Brune, der seine militärische und politische Ausbildung auf den Tennisplätzen der Französischen Revolution erhalten hatte",

in alle Winde zu zerstreuen. Der Druckerjunge aus Limousin aber hatte die Unverschämtheit - mit dem plumpen Zynismus, der jenen Jakobiner-Generalen eigen war -, seine königliche Hoheit bei jedem Zusammenstoß kurz und klein zu schlagen, und als seine königliche Hoheit sich bemühte, nach Helder zurückzugelangen, weil sie es für verdienstvoller hielt, für ihr Vaterland zu leben als dafür zu sterben, da war dieser Brune unhöflich genug, sie nicht durchzulassen, bevor sie die berühmte Kapitulation von Alkmaar unterzeichnet hatte, welche die Auslieferung von achttausend französischen und holländischen Matrosen vorsah, die sich damals in englischer Kriegsgefangenschaft befanden.

Der Herzog von York hatte vorerst einmal von den Feldzügen genug und, gewitzt, ließ er sich für eine Weile dazu herab, seine Person in dem Dunkel zu verbergen, das von Haus aus den commander-in-chief at the Horse Guards umgibt. Doch sah er sich auf diesem Posten an die Spitze eines Departements gestellt, das das Volk 23.000.000 Pfd.St. im Jahr kostete, und mit der absoluten, nur noch vom König überwachten Vollmacht betraut, jede beliebige Anzahl von insgesamt 12.000 Berufs- und Stabsoffizieren zu befördern oder zu entlassen.

Seine königliche Hoheit verfehlte nicht, reichlich öffentlichen Dank zu ergattern für seine erleuchteten Tagesbefehle, die solche Maßnahmen vorsahen, wie die Abschaffung der Zöpfe bei allen Soldaten und Unteroffizieren, die Ergänzung ihrer Ausrüstung durch einen Schwamm zum Sauberhalten ihrer Köpfe, das Ausrichten nach rechts und links, den Marsch- und den Paradeschritt, das Schließen und Öffnen der Reihen, das Schwenken und Wenden, das Zurückwerfen des Zündschlosses, das Haareschneiden und das Gamaschenreinigen, das Polieren von Waffen und Ausrüstungen sowie die Anordnung, daß John Bull seinen weiten Brustkorb in ein enges Wams zwängen, seinen Dummkopf mit einer österreichischen Kappe krönen und seinen breiten Rücken mit einem Mantel ohne Aufschlag bedecken muß - und all die anderen bedeutungsvollen Dinge, aus denen die Wissenschaft eines Rekrutenunteroffiziers besteht. Gleichzeitig wies er die höheren Qualitäten eines Strategen und Taktikers auf bei seinem privaten Feldzug gegen Oberst Cochrane Johnstone, den Offizier, der von Pitt beauftragt worden war, seinen siegreichen Unternehmungen in Flandern ein jähes Ende zu setzen. Im Jahre 1801 wurde Johnstone, damals Oberst des 8. West-Indien-Regiments (Neger) und Gouverneur der Insel Dominique, infolge einer in seinem <8> Regiment ausgebrochenen Meuterei zurückberufen. Er reichte Klage ein gegen den Major seines Regiments, John Gordon, dem zur Zeit der Meuterei das unmittelbare Kommando darüber oblag. Dieser Major Gordon sowie ein Oberst Gordon, Sekretär des Herzogs, gehörten jener vorzüglichen Familie an, die die Welt mit großen Männern gesegnet hat, wie mit dem Verhandlungskrämer Gordon von Adrianopel sowie mit Aberdeen, dem weitgereisten Than, und seinem nicht minder erlauchten Sohn Oberst Gordon, an dessen Namen man sich im Zusammenhang mit dem Krimkrieg erinnert. Der Herzog von York mußte also seine Rache nicht allein an einem Verleumder der Gordons, sondern vor allem an dem Überbringer jener heiklen Depesche üben. Trotz allem Drängen des Oberst Johnstone wurde John Gordon erst im Januar 1804 vor ein Militärgericht gestellt. Obgleich das Gericht sein Verhalten als regelwidrig, sträflich pflichtvergessen und äußerst tadelnswert beurteilte, gestattete ihm der Herzog von York, daß er seinen Rang und ungekürzten Sold beibehielt, während er es unterließ, den Namen des Oberst Johnstone in die Liste der Offiziere einzutragen, die im Oktober 1803 zum Brevet-Generalmajor zu befördern waren. So mußte dieser zusehen, wie Offiziere mit niedrigerem Rang ihm vorgezogen wurden. Auf seine Beschwerde an den Herzog erhielt Johnstone nach neun Wochen, am 10. Dezember 1803, von seiner königlichen Hoheit Bescheid, daß er bei der allgemeinen Titularbeförderung nicht dabeigewesen wäre, weil "Anschuldigungen gegen ihn vorlägen, deren Hauptpunkt noch nicht geklärt worden sei". Es gelang ihm auch nicht, weitere Genugtuung zu erlangen, bis er am 28. Mai 1804 in Erfahrung brachte, daß Major Gordon sein Ankläger war. Sein Prozeß wurde von einem Termin auf den nächsten vertagt; das Militärgericht, das seinen Fall prüfen sollte, wurde einmal nach Canterbury und ein andermal nach Chelsea beordert und eröffnete erst im März 1805 den Prozeß. Johnstone wurde restlos und in allen Ehren freigesprochen, beantragte die Wiederzuerkennung seines ehemaligen Ranges, stieß jedoch am 16. Mai auf die Weigerung seiner königlichen Hoheit. Am 28. Juni kündigte General Fitzpatrick - einer aus der Koterie Fox - im Parlament an, daß er in Johnstones Interesse zu Beginn der kommenden Sitzungsperiode des Parlaments die Aufnahme eines besonderen Verfahrens beantragen würde, da das Johnstone zugefügte Unrecht in "der ganzen Armee größte Beunruhigung hervorgerufen" habe. Die nächste Sitzungsperiode wurde eröffnet, aber Fitzpatrick hatte sich inzwischen in den Kriegsminister verwandelt und erklärte von der Regierungsbank aus, daß er den angedrohten Antrag nicht einbringen würde. Einige Zeit später übergab der Herzog von York diesem Kriegsminister - einem Salonlöwen, der sein Lebtag keinem Feind ins Auge gesehen, der <9> zwanzig Jahre früher seine Gardekompanie verkauft und seitdem keinen einzigen Tag mehr gedient hatte - ein Regiment; so mußte Fitzpitrick, der Kriegsminister, die Geschäfte Fitzpatricks, des Obersten, ins reine bringen. Vermöge solcher Kunstgriffe gelang es dem Herzog von York, Oberst Johnstone zu zermalmen und sein Talent als Stratege zu behaupten.

Daß der Herzog, ungeachtet einer bestimmten Schwerfälligkeit des Geistes, mit der das erlauchte Haus Braunschweig erblich belastet ist, auf seine Art ein schlauer Kerl war, wurde genügend dadurch bewiesen, daß er als Chef der Geheimkanzlei und des Familienrats Georgs III., des sog. Hauskabinetts, und als Oberhaupt der Hofpartei, genannt Freunde des Königs, figurierte. Genauso offenbarte es sich darin, daß er es fertigbrachte, bei einem jährlichen Einkommen von 61.000 Pfd.St. eine Anleihe in Höhe von 54.000 Pfd.St. aus dem Ministerium herauszupressen und trotz dieses öffentlichen Kredits seine Privatschulden nicht zu bezahlen. Man braucht schon einen recht wendigen Geist, um derartige Kunststücke zu vollbringen. Da sich bekanntlich "viele Blicke auf Position und Größe richten", wird man unschwer verstehen, daß sich die Regierung Grenvilles nicht genierte, seiner königlichen Hoheit die Entlastung von einigen seiner Nebenämter vorzuschlagen, wodurch der Herzog - wie ein von ihm bezahltes Pamphlet klagte - vom Oberbefehlshaber zur bloßen Null reduziert worden wäre. Es sei bemerkt, daß Lansdowne unter dem Namen Lord Henry Petty in demselben Kabinett diente. Jene gleiche Regierung drohte, dem glanzvollen Kriegsmann ein Militärkollegium vor die Nase zu setzen, wobei sie heuchlerisch vorgab, "die Nation" wäre verloren, wenn nicht der Oberbefehlshaber in seiner Unerfahrenheit durch ein Kollegium von Offizieren unterstützt würde. Soweit wurde der Herzog durch diese unwürdige Kabale bedrängt, daß sogar eine Untersuchung über seine Tätigkeit in den Horse Guards gefordert wurde. Glücklicherweise wurde diese Intrige der Grenville-Partei durch ein sofortiges Eingreifen - besser gesagt, durch einen Befehl Georgs III. - vereitelt, der zwar ein notorischer Idiot war, aber dennoch genug Verstand besaß, um das Genie seines Sohnes zu erkennen.

Im Jahre 1808 verlangte der königliche Feldherr - von mutigen und patriotischen Gefühlen bewogen - das Kommando der britischen Truppen in Spanien und Portugal, doch da kam das allgemeine Entsetzen der Massen, England in so schwerer Stunde seines Heimatkommandeurs beraubt zu sehen, in äußerst lärmenden, taktlosen und beinahe unanständigen Demonstrationen zum Ausbruch. Man mahnte ihn, sich seines früheren Mißgeschicks im Ausland zu erinnern, man riet ihm, sich für Begegnungen mit dem Feind im eigenen Lande aufzusparen und sich vor öffentlichem Fluch zu hüten. Durch- <10> aus nicht entmutigt ließ der großmütige Herzog ein Pamphlet veröffentlichen, um seinen erblichen Anspruch zu beweisen, in Portugal und Spanien genauso geschlagen zu werden, wie er in Flandern und Holland geschlagen worden war. Doch ach! Der "Morning Chronicle" jener Tage stellte fest, daß

"es im gegebenen Fall offenkundig ist, daß Minister und Volk, Regierung und Opposition in ihrer Meinung vollends übereinstimmen".

Ja, das Gerücht über die Ernennung des Herzogs schien England mit einem regelrechten Krawall zu bedrohen. So liest man beispielsweise in einer Londoner Wochenzeitschrift jener Tage:

"Das Gespräch über dieses Thema ist nicht auf Kneipen, Kaffeehäuser, Märkte, Promenaden und übliche Klatschzentralen beschrankt geblieben. Es ist in alle privaten Kreise eingedrungen; es ist zu einem Stammgericht der Mittags- und Teetische geworden; die Menschen bleiben auf der Straße stehen, um sich darüber zu unterhalten, ob der Herzog von York nach Spanien gehen wird; selbst der geschäftige Londoner bleibt auf dem Wege zur Börse stehen, um sich zu erkundigen, ob es wirklich wahr ist, daß der Herzog von York nach Spanien gehe. Ja, sogar vor den Kirchenportalen auf dem Lande kann man sehen, wie die Dorfpolitiker, deren Unterhaltung über öffentliche Angelegenheiten selten über die Frage der Steuerveranlagung hinausging, ihre Köpfe zusammenstecken, so daß sie sich fast berühren, um sich genauestens zu vergewissern, ob der Herzog von York tatsächlich nach Spanien entsandt wird."

Es ist also augenfällig, daß es trotz aller Anstrengungen seiner neidischen Schmäher nicht gelang, die früheren Heldentaten des Herzogs vor der Welt zu verbergen. Welch eine Genugtuung für einen einzelnen Menschen, diese einmütige Besorgnis eines ganzen Volkes, ihn daheim zu halten! Der Herzog konnte natürlich nicht anders, als sein tapferes Gemüt gröblichst zu verletzen, indem er seinen kriegerischen Eifer abkühlte und still in den Horse Guards verharrte.

Bevor wir uns der glanzvollsten Periode dieses monumentalen Lebens zuwenden, müssen wir noch einen Augenblick bei seinen jungen Jahren verweilen, um zu zeigen, daß der Herzog bereits 1806 von seines Vaters ergebenen Untertanen hoch und öffentlich geschätzt wurde. In seinem "Political Register" jenes Jahres schrieb Cobbett:

"Berühmt machte er sich nur durch Davonlaufen und durch die Schande, die er über Englands Waffen brachte; er war ein halber Trottel und zugleich ein Meister der gemeinsten Tücke; er stach gleichermaßen hervor durch weibische Schwäche wie durch teuflische Grausamkeit, durch Hochmut wie durch Kriecherei, durch Verschwendungssucht wie durch Habgier. Solange er das Kommando über die Truppen innehatte, mißbrauchte er diese Vertrauensstellung zu niederträchtigen Geschäften und benutzte sie, um das Volk, das zu verteidigen er reichlich bezahlt wurde, schänd- <11> lich zu berauben. Nachdem er jeden, von dem er eine eventuelle Bloßstellung zu befürchten hatte, von vornherein bestochen oder eingeschüchtert hatte, ließ er seinen zahlreichen und widersprüchlichen Lastern freien Lauf und gab sich den allgemeinen, wenngleich geflüsterten Verwünschungen der Öffentlichkeit preis."

Am 27. Januar 1809 erhob sich Oberst Wardle im Unterhaus, um einen Antrag

"auf Ernennung eines Ausschusses zur Untersuchung der Verhaltensweise des Oberbefehlshabers hinsichtlich der Beförderungen und Auswechselungen in der Armee"

zu stellen.

In einer Rede, die jeglichen Zartgefühls ermangelte, in der bis ins einzelne alle Fälle dargelegt wurden, die er zur Bekräftigung seines Antrages beizubringen hatte, und in der die Namen aller Zeugen aufgeführt waren, die er zur Bestätigung seiner Anklagen aufzufordern gedachte, beschuldigte der Oberst den vom jetzigen Oberhaus vergötterten Helden, daß seine Konkubine, eine gewisse Mrs. Clarke, die Vollmacht hätte, militärische Beförderungen zu verfügen, daß auch der Tausch der Kommandostellen in der Armee ihrer Disposition unterstände, daß sich ihr Einfluß bis zu Ernennungen im Armeestab erstreckte, daß sie mit dem Privileg ausgestattet wäre, die Streitmacht des Landes zu vergrößern, daß sie aus all diesen Quellen geldliche Zuwendungen erhalte, daß der Oberbefehlshaber nicht nur ein stiller Teilhaber all ihrer Transaktionen wäre, daß er nicht nur seine eigene Börse vermöge ihrer Bezüge schone, sondern sogar versucht habe, durch ihre Vermittlung finanzielle Vergünstigungen für sich selbst herauszuschlagen, unabhängig von denen der Mrs. Clarke. Mit einem Wort, er behauptete, daß der königliche Feldherr nicht nur seine Mätresse auf Kosten der britischen Armee aushalte, sondern ihr auch gestatte, ihn ihrerseits auszuhalten. Auf diesen Antrag hin beschloß das Haus, die Zeugen vernehmen zu lassen. Diese Vernehmungen, die sich bis zum 17. Februar hinzogen, bestätigten Punkt für Punkt die unangenehme Schmährede des Oberst Wardle. Es wurde bewiesen, daß der echte Offizier in den Horse Guards nicht in Whitehall lebte, sondern in Mrs. Clarkes Wohnsitz in der Gloucester Street, einem Etablissement, das aus einem prachtvollen Haus, einer Auswahl an Equipagen und einem langen Gefolge von Dienern, Musikanten, Sängern, Schauspielern, Tänzern, Parasiten, Zuhältern und Kupplerinnen bestand. Diese persönliche Horse Guard hatte der königliche Feldherr 1803 aufgestellt. Obgleich ein Haushalt dieser Art mit 20.000 Pfd.St. jährlich nicht geführt werden konnte - zumal noch ein Landsitz in Wybridge dazu gehörte - wurde durch Zeugenaussagen bewiesen, daß Mrs. Clarke niemals mehr als 12.000 Pfd.St. jährlich aus der Tasche des <12> Herzogs erhalten hatte, eine Summe, die kaum ausgereicht hätte, die Gehälter und Livreen zu bezahlen. Das übrige Geld wurde durch den allgemeinen Liebeshandel mit Offizierspatenten beschafft. Dem Parlament wurde eine schriftliche Liste von Mrs. Clarkes Preisen vorgelegt. Der reguläre Preis einer Majorstelle betrug 2.600 Pfd.St., während Mrs. Clarke sie für 900 Pfd.St. verkaufte; eine Kompanie konnte man bei ihr für 700 Pfd.St. an Stelle des vorschriftsmäßigen Preises von 1.500 Pfd.St. haben, etc. Ja, es gab sogar in der City ein staatliches Büro, wo Offizierspatente zu den gleichen verbilligten Preisen verkauft und dessen leitende Beamte als die Kommissionäre der Favoritin bezeichnet wurden. Jedesmal, wenn sie sich über pekuniäre Verlegenheiten beklagte, sagte ihr der Herzog, sie hätte "größeren Einfluß als die Königin und solle Gebrauch davon machen". In einem Fall bestrafte der eifrige Oberbefehlshaber einen Menschen wegen Nichterfüllung eines mit seiner Mätresse eingegangenen ruchlosen Vertrages, indem er ihn auf halben Sold setzte. In einem anderen Fall behielt er eine Gratifikation in Höhe von 5.000 Pfd.St. einfach für sich. In einem weiteren Fall besetzte er auf Veranlassung seiner Mätresse Leutnantsposten mit Schuljungen und berief Ärzte zum Militärdienst ein, die niemals den Befehl erhalten hatten, ihre Praxis zu verlassen. Ein gewisser Oberst French erhielt von Mrs. Clarke ein Rekrutierungspatent, d.h. die Befugnis zur Aushebung von 5.000 Mann für die Armee. Es wurde dem Unterhaus berichtet, daß folgendes Gespräch zwischen dem Herzog und seiner Mätresse aus diesem Anlaß stattgefunden habe:

Herzog: Ich werde von Herrn French ständig wegen dieser Aushebung belästigt. Er verlangt immer neue Gefälligkeiten. Wie benimmt er sich zu dir, Liebling?

Mrs. Clarke: Mittelmäßig, nicht sehr gut.

Herzog: Der junge Herr French soll sich wohl überlegen, was er tut, sonst werde ich ihn bald erledigen und auch seine Aushebung.

Es wurden des weiteren einige Liebesbriefe des erlauchten Herzogs präsentiert, die sich auch mit geschäftlich-militärischen Transaktionen befaßten. Einer dieser Briefe, datiert vom 4. August 1803, beginnt folgendermaßen:

"Wie kann ich nur meinem süßesten, meinem liebsten Schätzchen das Entzücken befriedigend ausdrücken, das ihr lieber, ihr hübscher Brief mir bereitet hat, oder wie sehr ich all die artigen Dinge empfinde, die sie mir darin sagt; dafür aber millionenfachen Dank, mein Engel."

Nach dieser Kostprobe des literarischen Stils seiner königlichen Hoheit wird es wohl kaum mehr in Erstaunen setzen, daß die gelehrten Gentlemen des St. John's College zu Oxford seiner königlichen Hoheit das Diplom eines <13> Doktors der Rechte zusprachen. Nicht zufrieden mit Offizierspatenten, verfiel das Liebespärchen auch noch auf den Handel mit Bistümern und Dekanaten.

Andere Sachen tauchten auf, nicht minder rühmlich für den erlauchten Sproß des Hauses Brunswick. Zum Beispiel war ein Offizier namens Dowler viele Jahre hindurch Mrs. Clarkes Liebhaber gewesen, in dessen Gesellschaft sie Entschädigung für den Widerwillen, den Ekel und Abscheu gesucht hatte, den sie im Verkehr mit dem Herzog empfunden.

Die Freunde des Herzogs, die seinen Engel "ein niederträchtiges Frauenzimmer, ein unverschämtes Weibstück" schalten, machten für ihren zarten Jüngling von rund 50 Jahren, für den Mann, der zwanzig Jahre im würdigen Stand der Ehe verbracht, die allgewaltige Macht der Leidenschaft geltend. Welche Leidenschaft ganz nebenbei den Herzog nicht daran hinderte, Mrs. Clarke 7 Monate nach ihrer Trennung die zwischen ihnen vereinbarte Jahresrente vorzuenthalten und sie, als ihre Forderungen dringlich wurden, mit Pranger und Turm zu bedrohen. Gerade diese Drohung wurde der unmittelbare Anlaß für Mrs. Clarkes Enthüllungen an Oberst Wardle.

Es wäre zu ermüdend, die gesamte Prozedur im Unterhaus mit allen schmutzigen Einzelheiten zu durchwaten oder auf das Bittschreiben des wackeren Herzogs (vom 23. Februar 1809) näher einzugehen, worin er dem Unterhaus "bei seiner Fürstenehre" feierlich erklärte, daß er von nichts wüßte, nicht einmal von Dingen, die durch Briefe von seiner Hand erwiesen wurden. Möge es genügen, darauf hinzuweisen, daß General Ferguson im Unterhaus erklärte, es "gereiche der Armee nicht zur Ehre, falls der Herzog das Kommando behalten sollte"; daß der Schatzkanzler Herr Perceval am 20. März den Rücktritt des Herzogs aus seinem Amt verkündete und daß daraufhin das Haus den Antrag Lord Althorps annahm, nach dem "das Haus es nicht für notwendig halte, nun, da seine königliche Hoheit der Herzog von York sein Amt als Befehlshaber der Armee niedergelegt habe, weitere Schritte zu unternehmen" etc. Lord Althorp begründete seinen Antrag mit dem Wunsch,

"den Rücktritt des Herzogs in das Protokoll des Hauses aufzunehmen, um zu beurkunden, daß der Herzog das Vertrauen des Landes für allezeit verwirkt habe und daß er folglich jede Hoffnung aufgeben müsse, jemals wieder auf jenen Posten zurückzukehren."

In Anerkennung seines mutigen Vorgehens gegen den Herzog wurde Oberst Wardle mit Dankschreiben aus allen Grafschaften, Städten, Dörfern und Gemeinden in Großbritannien überflutet.

<14> Eine der ersten Regierungshandlungen des Prinzen von Wales - des späteren Georg IV. - im Jahre 1811 war die Wiedereinsetzung des Herzogs von York als Oberbefehlshaber - ein einleitender Schritt, der völlig der gesamten Herrschaft jenes königlichen Kaliban entsprach, der, weil der letzte aller Menschen, der erste Gentleman Europas genannt wurde.

Dieser Herzog von York aber, dessen Monument einen Misthaufen zieren würde, ist also des Marquis von Clanricarde "hervorragender Befehlshaber", des Lords Lansdowne "erlauchte, allgemein geachtete Persönlichkeit" und eben derselbe Mann, der durch des Grafen von Aberdeen "geweihtes Monument" dargestellt wird - mit einem Wort, der Schutzengel des Oberhauses. Die Anbeter sind ihres Heiligen wert.