Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 11, S. 113-115
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1961

Karl Marx

Untersuchungskomitee


["Neue Oder-Zeitung" Nr. 117 vom 10. März 1855]

<113> London, 7. März. Das Gerücht von einer bevorstehenden Auflösung des Parlaments auf den Vorwand, daß das Untersuchungskomitee die französische Allianz kompromittiere, scheint sich zu bestätigen. Ein Korrespondent des "Morning Advertiser" bemerkt darüber:

"Wer machte das Komitee zu einem öffentlichen? Lord Palmerston, der, wie es heißt, das Haus auflösen will. Roebuck, der Untersuchung verlangt und erzwungen hatte, verlangte Geheimnis. Lord Palmerston, der sie verweigert und dazu gezwungen worden, war für Öffentlichkeit. Er zwingt erst das Komitee, die für unseren fremden Alliierten anstößigste Bahn einzuschlagen, und dann wird diese Anstößigkeit ein Grund für den Minister, das Haus aufzulösen, die Untersuchung auszulöschen und über beide sich in die Faust zu lachen."

"Morning Herald sagt in einem Leitartikel über denselben Gegenstand u.a.:

"Als die alliierten Armeen vor Sewastopol ihre Stellungen einnahmen, war das englische Kontingent das stärkere von den beiden, und die nachfolgende Zerstörung unserer Armee ist gänzlich dem Mangel an Reserven im Mittelländischen Meere und einer organisierten Miliz zu Hause zuzuschreiben, da diese Ursachen der englischen Armee die notwendigen Verstärkungen abschnitten. Der Versuch, den Namen unserer Alliierten in die Debatte zu verwickeln, ist ein kaum bemänteltes Strategem verzweifelter und gewissenloser Männer, sich selbst vor einer Untersuchung zu schirmen, von der sie wissen, daß sie für ihre künftige politische Existenz fatal sein muß. Lord Clarendon hat in unkonstitutioneller Weise eine Zusammenkunft mit dem Kaiser der Franzosen gesucht, zu dem einzigen Behuf, ihm eine Erklärung oder Meinung abzupressen, die in eine Mißbilligung des Untersuchungskomitees gefoltert werden könne. Dies einmal erreicht, ist es der Zweck dieser patriotischen Minister, zu versuchen, das Haus einzuschüchtern durch die Drohung der Auflösung und an das Land zu appellieren mit der Parole: Die französische Allianz ist in Gefahr!"

<114> Es ist klar, daß, wenn dieser Vorwand der englischen Regierung dazu dient, sich des Untersuchungskomitees zu entledigen, er nicht minder dazu dient, die französische Allianz zu gefährden und so gerade das vorzubereiten, was er zu verhüten vorgibt. Mit der Überzeugung, daß das Komitee aufgegeben, weil es "delikate und gefährliche" Mysterien aufgraben würde, kompromittierend für den französischen Alliierten, ist der französische Alliierte kompromittiert. Die Unterdrückung des Komitees spräche lauter gegen ihn, als das Komitee selbst tun könnte. Außerdem muß die geringste Bekanntschaft mit den Ebben und Fluten der öffentlichen Meinung in England überzeugen, daß das Bewußtsein einer so großen Konzession an das Ausland, wie das Unterdrücken eines parlamentarischen Komitees oder eine Auflösung des Parlaments auf angebliches Verlangen Bonapartes wäre, bei der nächsten Gelegenheit in einer furchtbaren Reaktion gegen den französischen Einfluß sich auszugleichen suchen würde.

Aus den Berichten über die zwei ersten Sitzungen des Untersuchungskomitees stellen wir die Aussagen des Generals Sir de Lacy Evans zusammen. Zu Malta, wohin ein Kommissär gesandt worden, einige Zeit bevor die Armee England verließ, habe er zu seinem Erstaunen gefunden, daß keine Maultiere aufgekauft worden. Zu Skutari seien keine hinreichenden Vorbereitungen getroffen worden für Schlachten von Vieh und für Backen von Getreide. Schon damals hätten sich einige Schatzkammer-Regulationen als sehr störend herausgestellt. Er glaube fest, daß der Krieg begonnen worden in der Illusion, daß die Angelegenheiten sich ordnen würden ohne eine Explosion von Schießpulver und daß für Magazine irgendeiner Art keine Notwendigkeit vorhanden. Obgleich das Kommissariat unter der Kontrolle des kommandierenden Generals stehe, so sei es doch auch eng verbunden mit der Schatzkammer (also dem Premierminister), und die Beamten des Kommissariats müßten mit der Meinung inspiriert worden sein, daß es Extravaganz sei, die für einen wirklichen Krieg nötigen Geldauslagen zu machen. Zu Varna seien fast gar keine Anstalten zur Verpflegung von Verwundeten getroffen worden. Der Eindruck habe offenbar vorgeherrscht, daß dies ein Krieg ohne Wunden sein werde. Keine Vorbereitungen hätten stattgefunden, um die Armee sofort zum Felddienst zu befähigen. Als die Russen die Donau überschritten, habe Omer Pascha sie <die Engländer> um Beistand angegangen, und die Antwort sei gewesen, daß die Armee ohne die nötigen Transportmittel sei, wofür lange vorher hätte gesorgt werden müssen. Die Regierung habe stets noch auf Noten und Protokolle von Wien gewartet und keine großen Anstrengungen <115> gemacht, die Armee in marschfähigen Zustand zu setzen. Für Verzögerungen dieser Art sei natürlich die Regierung und nicht das Kommissariat verantwortlich. Die Russen waren schon mit der Belagerung von Silistria beschäftigt und immer noch die Armee nicht marschfertig. Die zwei Departements, mit der Besorgung der Lebensmittel betraut, seien das Kommissariat und das des Generalquartiermeisters. Konflikte mit dem Kommissariat seien an der Tagesordnung gewesen. Seine Beamten möchten gute Schreiber in der Schatzkammer sein. Sie seien in der Tat beständig mit Briefen an die Schatzkammer beschäftigt gewesen. Im Felde hätten sie sich untauglich erwiesen. Sogar 18 Meilen vor Varna habe die größte Schwierigkeit geherrscht, Lebensmittel beizutreiben. Das Personal des Kommissariats habe sich dort so numerisch mangelhaft erwiesen, daß er 100 Unteroffiziere zum Dienst für es habe detachieren müssen. Die Sterblichkeit der Truppen zu Varna sei größtenteils aus der Niedergedrücktheit, Folge ihrer aufreibenden und langen Inaktivität, entsprungen.

In bezug auf die Lage der Truppen in der Krim wiederholt de Lacy zum Teil das Bekannte - Mangel an Lebensmitteln, Kleidung, hölzernen Hütten etc. etc. Wir führen in bezug auf das Detail nur noch folgende Äußerungen an:

"Filder, steinalt, schon während des pyrenäischen Feldzugs mit dem Kommissariat betraut, jetzt Generalquartiermeister, habe ihn nie konsultiert über die Bedürfnisse seiner" (des Evans) "Division; es sei seine Pflicht, das zu tun, er" (Evans) "habe ihn dazu aufgefordert, Filder es aber abgeschlagen. Filder stehe allerdings unter Raglans Ordres, habe aber daneben direkte Korrespondenz mit der Schatzkammer." "Die Verwendung der Artillerie- und Kavalleriepferde zum Fouragieren sei sehr unpassend gewesen. Die Folge war, daß seine" (des Evans) "Kanonen in der letzten Zeit nur halb mit Pferden versehen waren." "Der Weg vom Hafen von Balaklawa nach dem Lager sei schrecklich aufgeweicht und naß gewesen. Wären 1.000 Mann darauf während 10 Tagen verwandt worden, so würden sie ihn fahrbar gemacht haben; er glaube aber, daß alle Leute, die gespart werden konnten, in den Laufgräben verwandt wurden."

Schließlich erklärt Evans über das Zusammenschmelzen der englischen Armee vor Sewastopol:

"Es ist meine Überzeugung, daß weder der Mangel an Zufuhr von Kleidung oder Nahrung und Brennmaterial die erstaunliche Sterblichkeit und Krankheit in der Armee erzeugt haben würden, wären die Truppen in den Laufgräben nicht überarbeitet worden. Die Erschöpfung der Leute erwies sich sehr schädlich. Von Anfang an war die ihnen zugewiesene Arbeit durchaus im Mißverhältnis zu ihrer numerischen Stärke. Die Überanstrengung während der Nächte war zweifelsohne der Hauptgrund der Leiden der Armee."