Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 10, S. 433-485
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1961

Karl Marx

Das revolutionäre Spanien

Geschrieben von August bis Dezember 1854 für die "New-York Daily Tribune". Aus den Notizbüchern von Marx geht hervor, das er an die "New-York Daily Tribune" elf Artikel sandte, die die Periode der ersten bürgerlichen Revolution (1808 - 1814), der zweiten (1820-1823) und der dritten bürgerlichen Revolution in Spanien (1834-1843) umfaßten. Von diesen Artikeln wurden in der "New-York Daily Tribune" nur die ersten acht (bis 1820) veröffentlicht. Die übrigen Artikel, den Ereignissen von 1820-1822 und 1833 gewidmet, blieben unveröffentlicht. Von diesen letzteren Artikeln blieb nur ein Fragment der Handschrift über die Ursachen der Niederlage der zweiten bürgerlichen Revolution erhalten.


I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
Spanien - Intervention [Aus der Artikelreihe "Das revolutionäre Spanien"]


I

["New-York Daily Tribune" Nr. 4179 vom 9. September 1854]

<433> Die Revolution in Spanien hat nun schon so sehr einen Dauercharakter angenommen, daß, so meldet unser Londoner Korrespondent, die besitzenden und konservativen Klassen auszuwandern beginnen und sich nach Frankreich in Sicherheit bringen. Das überrascht uns keineswegs. Spanien hat sich nie die moderne französische Manier angeeignet, die 1848 so allgemein beliebt war, innerhalb von drei Tagen eine Revolution zu beginnen und zu beenden. Spaniens Bemühungen in dieser Richtung sind verwickelter und andauernder. Drei Jahre scheinen der kürzeste Zeitraum zu sein, auf den es sich beschränkt, und sein revolutionärer Zyklus erstreckt sich bisweilen auf neun. So dauerte seine erste Revolution in diesem Jahrhundert von 1808 bis 1814, die zweite von 1820 bis 1823 und die dritte von 1834 bis 1843. Wie lange die jetzige andauern und wie sie enden wird, das vermag der gewiegteste Politiker unmöglich vorauszusagen. Wohl aber sagt man nicht zuviel, wenn man behauptet, daß kein anderer Teil Europas, nicht einmal die Türkei und der russische Krieg, dem aufmerksamen Beobachter so tiefes Interesse einzuflößen vermag wie das Spanien von heute.

Aufrührerische Erhebungen sind in Spanien so alt wie die Macht der höfischen Günstlinge, gegen die sie sich meistens richten. So revoltierte um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts die Aristokratie gegen König Juan II. und seinen Günstling Don Alvaro de Luna. Noch ernster war dann der Aufstand im fünfzehnten Jahrhundert gegen König Heinrich IV. und das Haupt seiner Kamarilla, Don Juan de Pacheco, Marquis de Villena. Im siebzehnten Jahrhundert riß das Volk in Lissabon Vasconcellos in Stücke, den Sartorius des spanischen Vizekönigs in Portugal, und so erging es auch Santa Coloma in Saragossa, dem Günstling Philipps IV. Zu Ende desselben Jahrhunderts erhob sich unter der Regierung Carlos' II. das Volk von Madrid gegen die <434> Kamarilla der Königin, bestehend aus der Gräfin von Berlepsch und den Grafen Oropesa und Melgar, die für alle nach Madrid gebrachten Lebensmittel einen drückenden Zoll erhoben, den sie unter sich teilten. Das Volk zog vor den königlichen Palast, zwang den König, auf dem Balkon zu erscheinen und selbst die Kamarilla der Königin zu brandmarken. Dann zog es zu den Palästen der Grafen Oropesa und Melgar, plünderte sie, zerstörte sie durch Feuer und versuchte, die Besitzer zu ergreifen, die aber das Glück hatten, zu entwischen, wenn auch auf Kosten eines lebenslänglichen Exils. Das Ereignis, das die revolutionären Erhebungen im fünfzehnten Jahrhundert verursachte, war der verräterische Vertrag, den der Marquis von Villena, der Günstling Heinrichs IV., mit dem König von Frankreich geschlossen hatte und dem zufolge Katalonien an Ludwig XI. ausgeliefert werden sollte. Drei Jahrhunderte später verursachte der Vertrag von Fontainebleau vom 27. Oktober 1807 - in dem der Günstling Carlos' IV. und der Liebling seiner Königin, Don Manuel Godoy, der Friedensfürst, mit Bonaparte die Teilung Portugals und den Einmarsch der französischen Truppen in Spanien vereinbarte - einen Volksaufstand in Madrid gegen Godoy, die Abdankung Carlos' IV., die Thronbesteigung seines Sohnes Ferdinands VII., den Einmarsch der französischen Truppen in Spanien und den sich anschließenden Unabhängigkeitskrieg. Der spanische Unabhängigkeitskrieg begann also mit einer Volkserhebung gegen die Kamarilla, damals personifiziert durch Don Manuel Godoy, ebenso wie der Bürgerkrieg des fünfzehnten Jahrhunderts mit einem Aufstand gegen die Kamarilla begann, zu jener Zeit personifiziert durch den Marquis von Villena, und so begann auch die Revolution von 1854 mit einer Empörung gegen die Kamarilla, die in der Person des Grafen San Luis verkörpert ist.

Trotz dieser stets wiederkehrenden Aufstände hat es in Spanien bis in das jetzige Jahrhundert keine ernsthafte Revolution gegeben, abgesehen von dem Krieg der Heiligen Junta zur Zeit Carlos' I. oder Karls V., wie ihn die Deutschen nennen. Den unmittelbaren Vorwand lieferte, wie gewöhnlich, eine Clique, die unter dem Schutz des Vizekönigs Kardinal Adrian, eines Flamen, die Kastilianer durch ihre habgierige Frechheit zur Verzweiflung brachte, indem sie öffentliche Ämter an die Meistbietenden verkaufte und offenen Schacher mit Gerichtsprozessen trieb. Die Opposition gegen die flämische Kamarilla berührte jedoch nur die Oberfläche der Bewegung. Was ihr zugrunde lag, das war die Verteidigung der Freiheiten des mittelalterlichen Spaniens gegen die Übergriffe des modernen Absolutismus.

Die materielle Basis der spanischen Monarchie war durch die Vereinigung von Aragonien, Kastilien und Granada unter Ferdinand dem Katholischen <437> und Isabella I. gelegt worden. Diese noch feudale Monarchie versuchte Karl I. in eine absolute umzuwandeln. Er attackierte gleichzeitig die beiden Stützpfeiler der spanischen Freiheit, die Cortes und die Ayuntamientos - die ersteren sind eine Modifikation der alten gotischen Concilia, die letzteren, die eine Mischung des erblichen und wählbaren Charakters der römischen Munizipalitäten darstellen, bestanden fast ohne Unterbrechung seit den Zeiten der Römer. Im Hinblick auf die städtische Selbstverwaltung weisen die Städte Italiens, der Provence, Nordgalliens, Großbritanniens und eines Teils von Deutschland eine unverkennbare Ähnlichkeit mit dem damaligen Zustand der spanischen Städte auf. Mit den spanischen Cortes aber kann man weder die französischen Generalstände noch die britischen Parlamente des Mittelalters vergleichen. Die Bildung des spanischen Königreichs vollzog sich unter Bedingungen, die für die Begrenzung der königlichen Machtsphäre besonders günstig waren. Einerseits wurden kleine Teile der Halbinsel zu einer Zeit wiedererobert und in selbständige Königreiche verwandelt, als noch die langwierigen Kämpfe mit den Arabern tobten. In diesen Kämpfen entstanden neue Volkssitten und Gesetze. Die einander folgenden Eroberungen, die hauptsächlich von den Adligen gemacht wurden, erhöhten deren Macht außerordentlich, während sie die königliche Machtsphäre einschränkten. Andrerseits erlangten die Städte und Gemeinden im Innern des Landes immer größere Bedeutung, denn die Menschen sahen sich gezwungen, in befestigten Plätzen beisammenzuwohnen, um sich gegen die fortgesetzten Einfälle der Mauren zu schützen. Die günstige Form einer Halbinsel, die das Land besitzt, wie auch der stete Verkehr mit der Provence und Italien schufen wiederum hervorragende Handels- und Hafenstädte an der Küste. Schon im vierzehnten Jahrhundert bildeten die Städte den mächtigsten Bestandteil der Cortes, die sich aus ihren Repräsentanten und aus denen der Geistlichkeit und des Adels zusammensetzten. Auch darf man nicht außer acht lassen, daß die langsame Überwindung der maurischen Herrschaft, die einen achthundert Jahre dauernden hartnäckigen Kampf erforderte, der Halbinsel nach ihrer vollen Emanzipation einen Charakter verlieh, der von dem des übrigen Europa der damaligen Zeit gänzlich verschieden war; im Norden Spaniens herrschten zur Zeit der europäischen Renaissance die Sitten und Gebräuche der Goten und Vandalen und im Süden die der Araber.

Als Karl I. aus Deutschland zurückgekehrt war, wo man ihm die Kaiserwürde verliehen hatte, versammelten sich die Cortes in Valladolid, um seinen Eid auf die alten Gesetze entgegenzunehmen und ihn mit der Krone zu belehnen. Karl weigerte sich zu erscheinen und sandte Bevollmächtigte, die, <438> wie er forderte, von den Cortes den Untertaneneid entgegenzunehmen hätten. Die Cortes weigerten sich, die Bevollmächtigten vor sich erscheinen zu lassen, und bedeuteten dem Monarchen, daß er, wenn er nicht erschiene und auf die Landesgesetze schwöre, niemals als König von Spanien anerkannt werden würde. Karl gab daraufhin nach; er erschien vor den Cortes und schwor den Eid - wie die Geschichtsschreiber berichten, sehr unwillig. Bei dieser Gelegenheit sagten ihm die Cortes: "Señor, Ihr müßt wissen, daß der König bloß der bezahlte Diener der Nation ist." Das war der Beginn der Feindseligkeiten zwischen Karl I. und den Städten. Infolge seiner Intrigen brachen in Kastilien zahlreiche Aufstände aus, die Heilige Junta von Avila wurde gebildet, und die vereinigten Städte beriefen die Versammlung der Cortes nach Tordesillas ein, von wo aus am 20. Oktober 1520 ein "Protest gegen die Mißbräuche" an den König gerichtet wurde, der diesen Protest damit beantwortete, daß er alle in Tordesillas versammelten Abgesandten ihrer persönlichen Rechte beraubte. Damit war der Bürgerkrieg unvermeidlich geworden. Die Bürger riefen zu den Waffen, und ihre Soldaten bemächtigten sich unter Padillas Führung der Festung Torrelobaton; sie wurden aber schließlich durch überlegenere Kräfte in der Schlacht von Villalar am 23. April 1521 entscheidend geschlagen. Die Häupter der vornehmsten "Verschwörer" fielen auf dem Schafott, und die alten Freiheiten Spaniens verschwanden.

Mehrere Umstände vereinigten sich zugunsten der wachsenden Macht des Absolutismus. Der Mangel an Einigkeit unter den verschiedenen Provinzen zersplitterte ihre Kräfte; vor allem aber nützte Karl den tiefen Klassengegensatz zwischen Adel und Stadtbürgern dazu aus, sie beide niederzudrücken. Wir erwähnten schon, daß seit dem vierzehnten Jahrhundert der Einfluß der Städte in den Cortes vorherrschte. Seit Ferdinand dem Katholischen war die Heilige Bruderschaft (Santa Hermandad) ein mächtiges Werkzeug in den Händen der Städte gegen die kastilischen Adligen geworden, die die Städte der Übergriffe auf ihre alten Privilegien und Rechtstitel anklagten. Der Adel brannte deshalb darauf, Carlos I. bei seinem Vorhaben beizustehen, die Heilige Junta zu unterdrücken. Nachdem er den bewaffneten Widerstand der Städte gebrochen hatte, ging Carlos daran, ihre städtischen Privilegien einzuschränken; die Städte verloren schnell an Bevölkerung, Reichtum und Bedeutung und gingen daher auch bald ihres Einflusses in den Cortes verlustig. Jetzt wandte sich Carlos gegen die Adligen, die ihm geholfen hatten, die Freiheiten der Städte zu zerstören, die aber selbst noch großen politischen Einfluß behielten. Meuterei in seiner Armee wegen rückständiger Löhnung zwang ihn 1539, die Cortes einzuberufen, um Gelder bewilligt zu <439> erhalten. Die Cortes, darüber empört, daß frühere Bewilligungen zu Zwecken verwendet worden waren, die mit spanischen Interessen nichts zutun hatten, verweigerten alle Hilfsmittel. Carlos entließ sie in heller Wut, und da die Adligen auf dem Privileg der Steuerfreiheit bestanden hatten, erklärte er, alle, die ein solches Vorrecht für sich beanspruchten, hätten das Recht verwirkt, in den Cortes zu erscheinen, und schloß sie infolgedessen von dieser Versammlung aus. Das bedeutete für die Cortes den Todesstoß, und ihre Zusammenkünfte waren von nun an auf die Ausübung einer bloßen Hofzeremonie beschränkt. Das dritte Element der alten Institution der Cortes, die Geistlichkeit, hatte sich seit Ferdinand dem Katholischen um das Banner der Inquisition geschart und längst aufgehört, seine Interessen mit denen des feudalen Spaniens zu identifizieren. Durch die Inquisition war die Kirche vielmehr in das furchtbarste Werkzeug des Absolutismus umgewandelt worden.

Wenn nach der Regierung Carlos' I. Spaniens politischer und gesellschaftlicher Niedergang alle Symptome jener unrühmlichen und langwierigen Fäulnis aufwies, die uns in den schlimmsten Zeiten des Türkischen Reichs so sehr abstößt, so waren unter dem Kaiser die alten Freiheiten wenigstens glanzvoll zu Grabe getragen worden. Dies war die Zeit, da Vasco Nuñez de Balboa an der Küste von Darien, Cortez in Mexiko und Pizarro in Peru das Banner Kastiliens aufpflanzten, da spanischer Einfluß in ganz Europa vorherrschend war und ihre südliche Phantasie den Iberern Visionen von Eldorados, ritterlichen Abenteuern und Weltmonarchie vorgaukelte. Damals verschwand die spanische Freiheit unter Waffengeklirr, unter einem wahren Geldregen und beim schrecklichen Schein der Autodafés.

Wie aber können wir uns das sonderbare Phänomen erklären, daß nach einer fast dreihundertjährigen Herrschaft der habsburgischen Dynastie, der noch die Dynastie der Bourbonen folgte - von denen jede einzelne genügt hätte, ein Volk zugrunde zu richten -, dennoch die städtischen Freiheiten Spaniens mehr oder weniger noch vorhanden waren? Daß gerade in dem Land, wo vor allen anderen Feudalstaaten die absolute Monarchie in ihrer brutalsten Form zuerst entstand, sich die Zentralisation niemals einwurzeln konnte? Die Antwort ist nicht schwer. Überall bildeten sich im sechzehnten Jahrhundert die großen Monarchien auf den Trümmern der kämpfenden feudalen Klassen: der Aristokratie und der Städte. In den anderen großen Staaten Europas tritt jedoch die absolute Monarchie als ein zivilisierendes Zentrum, als der Urheber gesellschaftlicher Einheit auf. Dort war sie das Laboratorium, in dem die verschiedenen Elemente der Gesellschaft so gemischt und bearbeitet wurden, daß es den Städten möglich wurde, ihre <440> lokale Unabhängigkeit und Selbständigkeit des Mittelalters gegen die allgemeine Herrschaft der Bourgeoisie und gegen die gemeinsame Herrschaft der bürgerlichen Gesellschaft einzutauschen. Im Gegensatz dazu versank jedoch in Spanien die Aristokratie in die tiefste Erniedrigung, ohne ihre schlimmsten Privilegien zu verlieren, während die Städte ihre mittelalterliche Macht einbüßten, ohne moderne Bedeutung zu gewinnen.

Seit der Errichtung der absoluten Monarchie vegetierten die Städte in einem Zustand andauernden Verfalls. Es ist nicht unsere Sache, hier die politischen oder ökonomischen Verhältnisse zu erörtern, die den Handel. die Industrie, die Schiffahrt und die Landwirtschaft Spaniens zugrunde richteten. Für den jetzigen Zweck genügt es, auf diese Tatsache einfach hinzuweisen. In dem Maße, wie das kommerzielle und industrielle Leben der Städte abnahm, wurde der Austausch im Inland geringer, der Verkehr zwischen den Bewohnern der einzelnen Provinzen spärlicher, wurden die Verkehrsmittel vernachlässigt, und die großen Straßen verödeten allmählich. Das lokale Leben Spaniens, die Unabhängigkeit seiner Provinzen und Gemeinden, die mannigfaltigen Unterschiede der Gesellschaft - die ursprünglich auf der natürlichen Gestaltung des Landes beruhte und die sich historisch je nach der Art entwickelt hatte, wie sich die einzelnen Provinzen von der maurischen Herrschaft emanzipiert und kleine unabhängige Gemeinwesen gebildet hatten - wurden nun schließlich durch die ökonomische Umwälzung bestärkt und bekräftigt, die die Quellen nationaler Tätigkeit austrocknete. Die absolute Monarchie, die in Spanien ein Material vorfand, das seiner ganzen Natur nach der Zentralisation widerstrebte, tat denn auch alles, was in ihrer Macht stand, das Wachstum gemeinsamer Interessen - wie sie die nationale Arbeitsteilung und die Vielfältigkeit des Inlandsverkehrs mit sich bringen - zu verhindern, und zerstörte so die Basis, auf der allein ein einheitliches Verwaltungssystem und eine allgemeine Gesetzgebung geschaffen werden kann. Daher ist die absolute Monarchie in Spanien eher auf eine Stufe mit asiatischen Herrschaftsformen zu stellen, als mit anderen absoluten Monarchien in Europa zu vergleichen, mit denen sie nur geringe Ähnlichkeit aufweist. Spanien blieb, wie die Türkei, ein Konglomerat schlechtverwalteter Provinzen mit einem nominellen Herrscher an der Spitze. In den verschiedenen Provinzen nahm der Despotismus verschiedene Formen an, entsprechend der verschiedenen Art, in der königliche Statthalter und Gouverneure die allgemeinen Gesetze willkürlich auslegten. So despotisch aber die Regierung war, so verhinderte sie doch die einzelnen Provinzen nicht, mit verschiedenartigen Gesetzen und Gebräuchen, verschiedenartigen Münzen, militärischen Fahnen von verschiedenen Farben und verschiedenartigen <441> Steuersystemen zu operieren. Der orientalische Despotismus wendet sich gegen die munizipale Selbstregierung nur dann, wenn sie seinen unmittelbaren Interessen zuwiderläuft, ist aber nur zu geneigt, die Fortexistenz dieser Einrichtungen zu gestatten, solange diese ihm die Pflicht abnehmen, selbst etwas zu tun und ihm die Mühen einer geordneten Verwaltung ersparen.

So konnte es geschehen, daß Napoleon, der gleich allen seinen Zeitgenossen in Spanien nichts als einen leblosen Leichnam sah, höchst peinlich überrascht wurde, als er die Entdeckung machen mußte, daß wohl der spanische Staat tot sei, aber die spanische Gesellschaft voll gesunden Lebens stecke und in allen ihren Teilen von Widerstandskraft strotze. Gemäß dem Vertag von Fontainebleau hatte Napoleon seine Truppen nach Madrid dirigiert; nachdem er die königliche Familie zu einer Unterredung nach Bayonne gelockt, hatte er Carlos IV. gezwungen, seine Abdankung zurückzunehmen, damit ihm dieser dann sein Reich abtreten könne; von Ferdinand VII. hatte er eine ähnliche Erklärung erpreßt. Als nun Carlos IV., seine Gemahlin und der Friedensfürst nach Compiègne gebracht worden und Ferdinand VII. mit seinen Brüdern im Schloß von Valençay gefangengesetzt war, übertrug Bonaparte die Krone von Spanien seinem Bruder Joseph, versammelte in Bayonne eine spanische Junta und versah sie mit einer seiner bereitgehaltenen Konstitutionen. Da er in der spanischen Monarchie sonst nichts Lebendiges sah als die elende Dynastie, die er unter sicherem Verschluß hielt, so fühlte er sich bei dieser Konfiskation Spaniens seiner Sache ganz sicher. Nur wenige Tage jedoch nach seinem coup de main <Handstreich> bekam er die Nachricht von einem Aufstand in Madrid. Murat unterdrückte zwar diesen Aufruhr, indem er etwa 1.000 Menschen tötete. Als sich aber die Nachricht von dieser Metzelei verbreitete, brach in Asturien der Aufstand los, der bald die ganze Monarchie ergriff. Bemerkenswert ist, daß diese erste spontane Erhebung im Volke entstand, während die "besseren" Klassen sich ruhig dem fremden Joch gebeugt hatten.

In dieser Weise wurde also Spanien für seine jüngste revolutionäre Laufbahn vorbereitet und in die Kämpfe hineingetrieben, die für seine Entwicklung in diesem Jahrhundert bezeichnend sind. Kurz und bündig haben wir hier die Tatsachen und Einflüsse verzeichnet, die noch heute seine Geschicke bestimmen und die Impulse seines Volkes leiten. Wir haben jedoch nicht nur auf sie hingewiesen, weil sie zum Verständnis der heutigen Krisis notwendig sind, sondern auch zum Verständnis alles dessen, was Spanien seit der napoleonischen Usurpation leistete und litt. Dieser Zeitraum von nun <442> bald fünfzig Jahren - reich an tragischen Episoden und heldenmütigen Anstrengungen - ist eines der ergreifendsten und lehrreichsten Kapitel der modernen Weltgeschichte.

II

["New-York Daily Tribune" Nr. 4192 vom 25. September 1854]

Wir haben unseren Lesern eine Darstellung der früheren revolutionären Geschichte Spaniens gegeben, damit sie die Entwicklung, die diese Nation jetzt vor den Augen der Welt durchmacht, verstehen und würdigen können. Noch interessanter und vielleicht ebenso wertvoll als Quelle zur augenblicklichen Information ist die große nationale Bewegung, die die Vertreibung der Bonapartes begleitete und durch die die spanische Krone jener Familie zurückerstattet wurde, in deren Besitz sie noch heute ist. Will man aber diese Bewegung voll würdigen, die so reich an heldenmütigen Episoden ist und in der ein Volk, das man schon sterbend glaubte, die größte Lebenskraft entwickelte, so muß man bis zum Beginn des napoleonischen Angriffs auf die spanische Nation zurückgehen. Der wirkliche Grund der Vorgänge wurde vielleicht zum ersten Male im Vertrag von Tilsit dargelegt, der am 7. Juli 1807 abgeschlossen wurde und der durch eine Geheimkonvention ergänzt worden sein soll, die Fürst Kurakin und Talleyrand unterzeichneten. Der Vertrag wurde am 25. August 1812 in der Madrider "Gazeta" veröffentlicht und enthielt unter anderem folgende Abmachungen:

"Artikel I. Rußland soll von der europäischen Türkei Besitz ergreifen und seinen Besitz in Asien so weit ausdehnen, als es für gut befindet.

Artikel II. Die Dynastie der Bourbonen in Spanien und das Haus Braganza in Portugal hören auf zu regieren. Die Kronen dieser Länder werden auf Fürsten des Hauses Bonaparte übergehen."

Angenommen also, dieser Vertrag ist authentisch - und seine Authentizität wird kaum bestritten, nicht einmal von König Joseph Bonaparte in seinen jüngst veröffentlichten Memoiren -, so bildet er den wahren Grund der französischen Invasion in Spanien im Jahre 1808, und die spanischen Erhebungen jener Zeit scheinen durch geheime Fäden an die Schicksale der Türkei geknüpft.

Als nach dem Massaker in Madrid und den Verhandlungen in Bayonne gleichzeitig in Asturien, Galicien, Andalusien und Valencia Aufstände aus- <443> brachen und eine französische Armee Madrid okkupierte, waren die vier nördlichen Festungen Pamplona, San Sebastian, Figueras und Barcelona von Bonaparte unter fadenscheinigen Vorwänden in Besitz genommen worden; ein Teil der spanischen Armee war nach der Insel Fünen verschickt worden, um gegen Schweden vorzugehen; alle eingesetzten Behörden endlich, militärische, kirchliche, gerichtliche und administrative, im Verein mit der Aristokratie ermahnten das Volk, sich dem fremden Eindringling zu unterwerfen. Da war jedoch ein Umstand, der alle Schwierigkeiten der Situation aufwog. Dank Napoleon war das Land seinen König, seine königliche Familie und seine Regierung losgeworden. So waren die Fesseln zerbrochen, die sonst vielleicht das spanische Volk daran gehindert hätten, seine ihm angeborene Kraft zu entfalten. Wie wenig es unter der Herrschaft seiner Könige und unter gewöhnlichen Verhältnissen imstande gewesen, den Franzosen Widerstand zu leisten, das hatte sich in den schmählichen Feldzügen von 1794 und 1795 gezeigt.

Napoleon hatte die hervorragendsten Persönlichkeiten Spaniens berufen, damit sie in Bayonne mit ihm zusammenträfen und aus seinen Händen einen König und eine Konstitution entgegennähmen. Mit sehr wenigen Ausnahmen erschienen sie alle dort. Am 7. Juni 1808 empfing König Joseph in Bayonne eine Deputation der Granden von Spanien, in deren Namen der Herzog von Infantado, der intimste Freund Ferdinands VII., ihn folgendermaßen ansprach:

"Sire, die Granden von Spanien sind jederzeit ob ihrer Loyalität gegen ihren Souverän berühmt gewesen, und auch Eure Majestät wird bei ihnen dieselbe Treue und Anhänglichkeit finden."

Die Königliche Ratskammer von Kastilien gab dem armen Joseph die Versicherung, "er sei der hervorragendste Abkömmling einer Familie, die vom Himmel zum Herrschen bestimmt sei". Nicht minder demütig lautete die Huldigung, die der Herzog del Parque an der Spitze einer Deputation darbrachte, die die Armee vertrat. Am nächsten Tage veröffentlichten dieselben Leute eine Proklamation, in der sie allgemeine Unterwerfung unter die Dynastie Bonaparte forderten. Am 7. Juli 1808 wurde die neue Konstitution von 91 Spaniern aus den allerhöchsten Kreisen unterzeichnet; darunter waren Herzoge, Grafen, Marquis und mehrere Häupter religiöser Orden. Bei den Diskussionen über die Konstitution war die Abschaffung ihrer alten Privilegien und Steuerbefreiungen alles, was sie zu beanstanden hatten. Das erste Ministerium und der erste königliche Hofstaat Josephs bestand aus denselben Personen, die Ministerium und Hofstaat Ferdinands VII. <444> gebildet hatten. Einige Vertreter der oberen Klassen betrachteten Napoleon als den von der Vorsehung gesandten Erneuerer Spaniens, andere wieder sahen in ihm das einzige Bollwerk gegen die Revolution; niemand glaubte an die Möglichkeit eines nationalen Widerstandes.

Von Anfang an hatten also im Spanischen Unabhängigkeitskrieg der hohe Adel und die alte Verwaltung ihre ganze Gewalt über Bourgeoisie und Volk eingebüßt, denn schon zu Beginn des Kampfes hatten sie sie im Stich gelassen. Auf der einen Seite standen die Afrancesados (die Franzosenfreunde), und auf der anderen stand die Nation. In Valladolid, Cartagena, Granada, Jaén, San Lucar, Carolina, Ciudad Rodrigo, Cadiz und Valencia fielen die bedeutendsten Mitglieder der alten Verwaltung - Gouverneure, Generale und andere hervorragende Persönlichkeiten, die als französische Agenten und Hindernisse für die nationale Bewegung galten - der Volkswut zum Opfer. Überall wurden die bestehenden Behörden abgesetzt. Schon mehrere Monate vor der Erhebung vom 19. März 1808 hatten die Volksbewegungen, die in Madrid stattfanden, es darauf abgesehen, El Chorizero (den Wurstmacher, ein Spitzname für Godoy) und seine verhaßten Spießgesellen von ihren Posten zu entfernen. Dieses Ziel wurde jetzt im nationalen Maßstab erreicht, und damit war die innere Revolution vollendet, soweit sie von den Massen beabsichtigt und nicht mit Widerstand gegen den fremden Eindringling verbunden war. Im ganzen schien die Bewegung mehr eine konterrevolutionäre zu sein als eine revolutionäre. National, weil sie die Unabhängigkeit Spaniens von Frankreich proklamierte, war sie gleichzeitig dynastisch, da sie den "geliebten" Ferdinand VII. Joseph Bonaparte entgegenstellte, war sie reaktionär, da sie die alten Einrichtungen, Gewohnheiten und Gesetze den rationellen Neuerungen Napoleons entgegensetzte, war sie abergläubisch und fanatisch, denn sie verfocht die "heilige Religion" gegenüber dem, was französischer Atheismus hieß oder Beseitigung der besonderen Privilegien der römischen Kirche. Die Priester, die durch das Schicksal ihrer Brüder in Frankreich erschreckt waren, nährten im Interesse der Selbsterhaltung noch die Volksleidenschaften.

"Das patriotische Feuer", sagt Southey, "flammte noch höher auf unter dem Einfluß des heiligen Öles des Aberglaubens."

Alle gegen Frankreich geführten Unabhängigkeitskriege tragen den gemeinsamen Stempel einer Regeneration, die sich mit Reaktion paart; nirgends aber in solchem Maße wie in Spanien. Der König erschien der Phantasie des Volkes im Lichte eines romantischen Prinzen, den ein gigantischer Räuber schimpflich mißhandelte und gefangenhielt. Die eindrucksvollsten und volks- <445> tümlichsten Epochen der Vergangenheit wurden mit den geheiligten und wundersamen Traditionen der Kreuzzüge gegen den Halbmond verknüpft; und ein großer Teil der niederen Klassen war es gewohnt, die Kutte der Bettelmönche zu tragen und auf Kosten des Kirchenvermögens zu leben. Ein spanischer Schriftsteller, Don Josef Clemente Carnicero, veröffentlichte 1814 und 1816 folgende Reihe von Arbeiten: "Napoleon, der wahre Don Quixote Europas", "Die hauptsächlichsten Ereignisse der glorreichen Revolution Spaniens", "Die rechtlich wiedereingesetzte Inquisition". Es genügt, auf die Titel dieser Bücher hinzuweisen, um diese einseitige Auffassung der spanischen Revolution zu begreifen, die uns auch in den verschiedenen Manifesten der Provinzialjuntas entgegentritt, die sämtlich für den König, die heilige Religion und das Vaterland eintreten und von denen einige dem Volke sogar verkünden, daß "seine Hoffnungen auf eine bessere Welt auf dem Spiele stünden und in höchster Gefahr seien".

Wenn nun aber auch die Bauernschaft, die Bewohner der Kleinstädte im Innern des Landes und die zahlreiche Armee der Bettelmönche mit und ohne Mönchskutten, die alle von religiösen und politischen Vorurteilen tief durchdrungen waren, die große Mehrheit der nationalen Partei bildeten, so enthielt sie doch auf der anderen Seite eine rührige und einflußreiche Minderheit, die die Volkserhebung gegen die französische Invasion als das Signal zur politischen und sozialen Erneuerung Spaniens betrachtete. Diese Minderheit setzte sich aus den Bewohnern der Hafen- und Handelsstädte und einem Teil der Provinzhauptstädte zusammen, wo sich unter der Regierung Karls V. die materiellen Bedingungen der modernen Gesellschaft bis zu einem gewissen Grade entwickelt hatten. Sie wurde verstärkt durch den gebildeteren Teil der oberen Klassen und der Bourgeoisie, Schriftsteller, Ärzte, Rechtsanwälte und sogar Priester, für die die Pyrenäen keine genügende Barriere gegen das Eindringen der Philosophie des 18. Jahrhunderts gebildet hatten. Als das wahre Programm dieser Partei kann man das berühmte Memorandum Jovellanos' über die Verbesserung der Landwirtschaft und das Agrargesetz ansehen, das 1795 erschien und auf Befehl des Königlichen Rats von Kastilien abgefaßt worden war. Schließlich war da noch die Bourgeoisjugend, zum Beispiel die Universitätsstudenten, die die Bestrebungen und Grundsätze der Französischen Revolution mit glühendem Eifer in sich aufgenommen und einen Moment sogar erwartet hatten, ihr Vaterland durch Frankreichs Hilfe wiederaufleben zu sehen.

Solange es sich nur um die gemeinsame Verteidigung des Vaterlands handelte, blieben die beiden großen Elemente der nationalen Partei vollkommen einig. Ihre Gegnerschaft trat erst zutage, als sie sich in den Cortes <446> begegneten, auf dem Kampfplatz, wo die neue Konstitution entworfen werden sollte. Die revolutionäre Minderheit hatte, um den patriotischen Geist des Volkes zu nähren, ihrerseits keine Bedenken getragen, an die nationalen Vorurteile des alten Volksglaubens zu appellieren. So günstig nun diese Taktik für die unmittelbaren Zwecke des nationalen Widerstands erschienen sein mochte, so mußte sie doch für diese Minderheit verhängnisvoll werden, als die Zeit gekommen war, wo die konservativen Interessen der alten Gesellschaft sich hinter eben diesen Vorurteilen und Volksleidenschaften verschanzten, um sich gegen die eigentlichen und weiteren Pläne der Revolutionäre zu verteidigen.

Als Ferdinand, der Aufforderung Napoleons gehorchend, Madrid verließ, hatte er eine oberste Regierungsjunta unter der Präsidentschaft des Infanten Don Antonio eingesetzt. Aber schon im Mai war diese Junta verschwunden. Eine Zentralregierung gab es nicht, und die aufrührerischen Städte bildeten ihre eigenen Juntas, die von denen der Provinzhauptstädte geleitet wurden. Diese Provinzialjuntas bildeten also ebenso viele unabhängige Regierungen, von denen jede eine Armee auf die Füße stellte. Die Junta der Vertreter von Oviedo erklärte, daß sie in den Besitz der vollen Souveränität gelangt sei, proklamierte den Krieg gegen Bonaparte und schickte Abgesandte nach England, um einen Waffenstillstand zu schließen. Dasselbe tat später die Junta von Sevilla. Es ist eine merkwürdige Erscheinung, daß diese fanatischen Katholiken durch die bloße Gewalt der Tatsachen zu einem Bündnis mit England gedrängt wurden, einer Macht, auf die die Spanier sonst als auf die Inkarnation der verdammenswertesten Ketzerei herabsahen und die sie nicht viel höher einschätzten als den Großtürken selber. Bedrängt vom französischen Atheismus, flüchteten sie jedoch in die Arme des englischen Protestantismus. Kein Wunder daher, daß Ferdinand VII. bei seiner Rückkehr nach Spanien in einem Dekret zur Wiederherstellung der Heiligen Inquisition erklärte, daß einer der Gründe,

"der die Reinheit der Religion in Spanien beeinträchtigt habe, in dem Aufenthalt fremder Truppen von verschiedenen Sekten zu suchen sei, die alle von dem gleichen Haß gegen die heilige römische Kirche beseelt seien".

Die so plötzlich und völlig unabhängig voneinander entstandenen Provinzialjuntas billigten der obersten Junta von Sevilla eine gewisse, wenn auch nur sehr geringe und unbestimmte Autorität zu; denn Sevilla wurde als Hauptstadt Spaniens betrachtet, solange Madrid sich in den Händen der Fremden befand. So entstand eine Art sehr anarchischer Bundesregierung, die durch das Aufeinanderprallen gegensätzlicher Interessen, lokaler Eifersüchteleien <447> und rivalisierender Einflüsse zu einem recht untauglichen Instrument wurde, um Einheitlichkeit in die militärische Befehlsgewalt zu bringen und die Operationen eines Feldzugs zu koordinieren.

Die Proklamationen, die diese verschiedenen Juntas an das Volk erließen, waren wohl alle von dem heldenmütigen Geist eines Volks erfüllt, das plötzlich aus langer Lethargie erweckt und durch einen elektrischen Schlag in einen Zustand fieberhafter Tätigkeit versetzt ward, waren aber doch nicht frei von jener schwulstigen Übertreibung, jenem Stil, gemischt aus Windbeutelei und Bombast, und jener hochtönenden Großsprecherei, die Sismondi veranlaßten, der spanischen Literatur den Beinamen einer orientalischen zu geben. Auch die kindische Eitelkeit des spanischen Charakters drückte sich in ihnen aus; die Mitglieder der Juntas legten sich zum Beispiel den Titel Hoheit bei und überluden sich mit prunkenden Uniformen.

Zweierlei beobachten wir bei diesen Juntas: erstens das niedrige Niveau des Volks zur Zeit seiner Erhebung, zweitens die dadurch hervorgerufene schädliche Rückwirkung auf den Fortschritt der Revolution. Die Juntas waren durch das allgemeine Stimmrecht gewählt; aber "die unteren Klassen betätigten sogar ihren freiheitlichen Drang nur in unterwürfiger Weise". Sie wählten gewöhnlich nur ihre natürlichen Vorgesetzten, den höheren und niederen Adel der Provinz, hinter denen die Geistlichkeit und sehr wenige Notabilitäten aus der Bourgeoisie standen. Das Volk war sich seiner eigenen Schwäche so sehr bewußt, daß es seine Initiative darauf beschränkte, die höheren Klassen zum Widerstand gegen den Eindringling zu zwingen, ohne daran zu denken, an der Leitung dieses Widerstandes teilzunehmen. In Sevilla zum Beispiel "dachte das Volk zuerst daran, daß sich die Pfarrgeistlichkeit und die Klostervorsteher zusammentun sollten, um die Mitglieder der Junta zu wählen". So wurden die Juntas mit Leuten gefüllt, die auf Grund ihrer früheren Stellung gewählt und weit davon entfernt waren, revolutionäre Führer zu sein. Andrerseits dachte das Volk bei der Ernennung dieser Behörden weder daran, ihre Macht zu beschränken noch der Dauer derselben ein bestimmtes Ziel zu setzen. Die Juntas wieder dachten selbstverständlich nur daran, die erstere auszudehnen und die letztere zu verlängern. So erwiesen sich diese heim Beginn der Revolution ins Leben gerufenen ersten Schöpfungen des Volksimpulses während deren ganzer Dauer als ebenso viele Dämme, die sich der revolutionären Strömung entgegenstellten, wenn sie überzufließen drohte.

Am 20. Juli 1808, als Joseph Bonaparte in Madrid einzog, wurden bei Baylen 14.000 Franzosen unter den Generalen Dupont und Vedel von Castaños gezwungen, ihre Waffen niederzulegen, und Joseph mußte sich einige <448> Tage später von Madrid nach Burgos zurückziehen. Noch zwei andere Ereignisse waren geeignet, den Mut der Spanier aufs höchste zu steigern: erstens die Vertreibung Lefebvres aus Saragossa durch General Palafox und zweitens die Ankunft der 7.000 Mann starken Armee des Marquis de la Romana in La Coruña, die sich den Franzosen zum Trotz auf der Insel Fünen eingeschifft hatten, um dem bedrängten Vaterland zu Hilfe zu eilen.

Nach der Schlacht von Baylen war es, daß die Revolution ihren Aufschwung nahm und daß der Teil des hohen Adels, der die Dynastie Bonnparte akzeptiert oder sich klug im Hintergrund gehalten hatte, hervortrat, um sich der Sache des Volks anzuschließen - ein höchst zweifelhafter Gewinn für diese Sache.

III

["New-York Daily Tribune" Nr. 4214 vom 20. Oktober 1854]

Die Verteilung der Macht unter die einzelnen Provinzialjuntas hatte Spanien vor dem ersten Anprall der französischen Invasion unter Napoleon gerettet. Nicht nur weil sie die Hilfsquellen des Landes vervielfältigte, sondern weil sie es auch dem Eindringling unmöglich machte, auf ein bestimmtes Ziel loszuschlagen; die Franzosen waren höchst erstaunt, daß das Zentrum des spanischen Widerstandes überall und nirgends war. Nichtsdestoweniger machte sich, kurz nachdem Baylen kapituliert und Joseph Madrid geräumt hatte, die Notwendigkeit, eine Art Zentralregierung zu schaffen, allgemein fühlbar. Nach den ersten Erfolgen waren die Uneinigkeiten zwischen den Provinzialjuntas so heftig geworden, daß Sevilla zum Beispiel nur mit Mühe durch General Castaños davon abgehalten werden konnte, gegen Granada vorzurücken. Die französische Armee, die - mit Ausnahme der unter Marschall Bessières stehenden Truppen - sich in größter Verwirrung auf die Linie am Ebro zurückgezogen hatte, wäre bei kraftvoller Verfolgung mit Leichtigkeit zu zerstreuen gewesen, oder sie hätte mindestens wieder die Grenze überschreiten müssen, so aber gelang es ihr, sich zu erholen und eine starke Position einzunehmen. Besonders die blutige Unterdrückung des Aufstandes in Bilbao durch General Merlin löste in der ganzen Nation einen Schrei der Empörung gegen die Eifersüchteleien der Juntas und gegen das unbekümmerte laissez faire <Treibenlassen> der Befehlshaber aus. Die Dringlichkeit eines <449> gemeinsamen militärischen Vorgehens; die Gewißheit, daß Napoleon bald wieder an der Spitze eines siegreichen Heeres erscheinen würde, das von den Ufern des Njemen, der Oder und den Küsten der Ostsee zusammengezogen war; das Fehlen einer allgemeinen Autorität zum Abschluß von Bündnisverträgen mit Großbritannien oder anderen auswärtigen Mächten und zur Aufrechterhaltung der Verbindung mit Spanisch-Amerika und zur Erhebung der Abgaben von ihm; das Bestehen einer französischen Zentralgewalt in Burgos und die Notwendigkeit, dem fremden Altar seinen eigenen gegenüberzustellen - alle diese Umstände zusammengenommen zwangen die Junta von Sevilla, auf ihr nur unbestimmtes, eigentlich nur nominelles Übergewicht, wenn auch ungern, zu verzichten und den verschiedenen Provinzialjuntas vorzuschlagen, aus ihren eigenen Körperschaften je zwei Deputierte zu wählen, deren Vereinigung eine Zentraljunta bilden sollte, während die Provinzialjuntas mit der inneren Verwaltung ihrer betreffenden Gebiete betraut bleiben sollten, "jedoch mit gebührender Subordination unter die Zentralregierung". So trat am 25. September 1808 in Aranjuez die Zentraljunta zusammen, die sich aus 35 Deputierten der Provinzialjuntas (34 für die spanischen Juntas und einer für die Kanarischen Inseln) zusammensetzte - gerade einen Tag, ehe die Potentaten von Rußland und Deutschland sich in Erfurt vor Napoleon demütigten.

In revolutionären Verhältnissen - mehr noch als in normalen Zeiten - spiegeln die Geschicke der Armeen die wahre Natur der zivilen Regierung wider. Die mit der Vertreibung der Eindringlinge vom spanischen Boden betraute Zentraljunta wurde durch den Erfolg der feindlichen Waffen von Madrid nach Sevilla und von Sevilla nach Cadiz getrieben, um dort ein ruhmloses Ende zu finden. Ihre Herrschaft war durch eine Kette schmachvoller Niederlagen gekennzeichnet, durch die Vernichtung der spanischen Armeen und schließlich durch die Auflösung der regulären Kriegführung in Guerillakämpfe. Urquijo, ein spanischer Edelmann, äußerte am 3. April 1808 zu Cuesta, dem Generalkapitän von Kastilien:

"Unser Spanien ist ein gotisches Gebäude, das aus den heterogensten Stückchen zusammengesetzt ist, mit ebenso vielen Gewalten, Privilegien, Gesetzgebungen und Gebräuchen, als es Provinzen gibt. In Spanien existiert nichts von dem, was man in Europa Sinn für das öffentliche Wohl nennt. Diese Gründe werden bei uns stets die Errichtung einer Zentralgewalt verhindern, die mächtig genug wäre, unsere nationalen Kräfte zu vereinen."

Wenn schon der Zustand, in dem Spanien sich zur Zeit der französischen Invasion befand, der Bildung eines revolutionären Zentrums die größten Schwierigkeiten bereitete, so machte gerade die Zusammen- <450> setzung der Zentraljunta das Land vollends unfähig, sich aus der furchtbaren Krise zu retten, in der es sich befand. Zu zahlreich und zu wahllos zusammengewürfelt, um als Exekutivgewalt auftreten zu können, waren es doch wieder zu wenig Delegierte, um die Autorität eines Nationalkonvents beanspruchen zu können. Allein die Tatsache, daß sie von Provinzialjuntas delegiert waren, machte sie dazu untauglich, die ehrgeizigen Neigungen, den bösen Willen und den eigensinnigen Egoismus dieser Körperschaften zu überwinden. Diese Juntas, deren Mitglieder, wie wir schon in einem früheren Artikel erwähnten, im großen und ganzen auf Grund ihrer Stellung in der alten Gesellschaft gewählt waren und nicht in Anbetracht ihrer Fähigkeiten, eine neue Gesellschaft ins Leben zu rufen, sandten nun ihrerseits in die "Zentrale" spanische Granden, Prälaten, Würdenträger von Kastilien, ehemalige Minister, hohe Zivil- und Militärbeamte, anstatt Personen, die aus der Revolution hervorgingen. Die spanische Revolution ging schon in ihren ersten Anfängen an dem Bestreben zugrunde, legitim und anständig zu sein.

Die beiden hervorragendsten Mitglieder der Zentraljunta, um deren Banner sich ihre beiden großen Parteien scharten, waren Floridablanca und Jovellanos, beide Märtyrer der Godoyschen Verfolgung, frühere Minister, beide kränklich und alt geworden in den regelmäßigen und pedantischen Gepflogenheiten des saumseligen spanischen Regimes, dessen steife, umständliche Langsamkeit schon zu Bacons Zeiten sprichwörtlich geworden war, der einst ausrief: "Wenn der Tod mich holt, dann möge er von Spanien kommen, er kommt dann zu einer späteren Stunde."

Floridablanca und Jovellanos repräsentierten einen Gegensatz, der noch jener Epoche des achtzehnten Jahrhunderts angehörte, die dem Zeitalter der französischen Revolution voranging; der erstere ein plebejischer Bürokrat, der letztere ein aristokratischer Philanthrop. Floridablanca war ein Anhänger und Vertreter des aufgeklärten Despotismus, den ein Pombal, ein Friedrich II., ein Joseph II. vertrat. Jovellanos, ein "Volksfreund", hoffte das Volk durch ein sorgfältig ausgeklügeltes System ökonomischer Gesetze und durch die literarische Propagierung großherziger Theorien zur Freiheit zu führen. Beide waren Gegner der Traditionen des Feudalismus; der eine suchte die Monarchie, der andere die bürgerliche Gesellschaft von ihren Fesseln zu befreien. Die Rolle, die jeder von ihnen in der Geschichte ihres Vaterlandes spielte, entsprach der Verschiedenheit ihrer Ansichten. Floridablanca regierte an höchster Stelle als Premierminister Karls III., und seine Herrschaft wurde in dem Maße despotisch, wie er auf Widerstand stieß. Jovellanos, dessen Ministerlaufbahn unter Karl IV. nur kurz war, gewann seinen Einfluß auf das spanische Volk nicht als Minister, sondern als Gelehrter, nicht durch <451> Dekrete, sondern durch Essays. Floridablanca war ein Achtzigjähriger, als ihn der Sturm der Zeiten an die Spitze einer revolutionären Regierung trug; was bei ihm unerschüttert geblieben, war nur sein Glaube an den Despotismus und sein Unglaube an die schöpferischen Kräfte des Volkes. Als er nach Madrid delegiert wurde, hinterließ er dem Gemeinderat von Murcia einen geheimen Protest, worin er erklärte, daß er nur der Gewalt und der Furcht vor Attentaten des Volkes nachgebe und daß er dieses Protokoll zu dem ausdrücklichen Zwecke unterzeichne, daß König Joseph es ihm niemals verüble, wenn er das Mandat aus den Händen des Volkes annehme. Nicht zufrieden damit, zu den Traditionen seines Mannesalters zurückzukehren. widerrief er auch noch jene Schritte aus seiner ministeriellen Vergangenheit, die ihm jetzt als übereilt erschienen. Er, der die Jesuiten aus Spanien verbannt hatte, war kaum in die Zentraljunta eingesetzt, als er die Erlaubnis zu ihrer Rückkehr "als Privatleute" beantragte. Die einzige Veränderung, die sich seiner Meinung nach seit seiner Zeit vollzogen hatte, bestand lediglich darin, daß Godoy, der ihn verbannt und den mächtigen Grafen von Floridablanca seiner ministeriellen Allmacht beraubt hatte, nun durch denselben Grafen Floridablanca ersetzt und seinerseits vertrieben wurde. So war der Mann beschaffen, den die Zentraljunta zu ihrem Präsidenten wählte und den ihre Mehrheit als unfehlbaren Führer anerkannte.

Jovellanos, der die einflußreiche Minderheit in der Zentraljunta leitete, war auch alt geworden und hatte während der ihm von Godoy auferlegten langen, schweren Kerkerhaft viel von seiner Energie eingebüßt. Aber selbst in seiner besten Zeit war er kein Mann der revolutionären Aktion, sondern eher ein wohlmeinender Reformer gewesen, der aus lauter Bedenklichkeit in der Wahl seiner Mittel nie gewagt hätte, seinen Endzweck zu erreichen. In Frankreich wäre er vielleicht so weit wie Mounier oder Lally-Tollendal gegangen, jedoch keinen Schritt weiter. In England wäre er ein populäres Mitglied des Oberhauses geworden. Im aufrührerischen Spanien taugte er wohl dazu, die strebsame Jugend mit Ideen zu erfüllen, in der Praxis aber war er nicht einmal der servilen Zähigkeit eines Floridablanca gewachsen. Nicht ganz frei von aristokratischen Vorurteilen und daher stark zur Anglomanie eines Montesquieu neigend, schien dieser untadelige Charakter den Beweis dafür zu liefern, daß, wenn Spanien einmal ausnahmsweise einen wissenschaftlichen Geist hervorbrachte, dies nur auf Kosten der persönlichen Energie geschehen konnte, die das Land nur zur Erfüllung seiner lokalen Aufgaben zu besitzen schien.

Wohl gehörten der Zentraljunta einige Männer an - an deren Spitze Don Lorenzo Calvo de Rozas, der Delegierte von Saragossa, stand -, die <452> Anhänger von Jovellanos Reformansichten waren und gleichzeitig eine lebhaftere revolutionäre Aktion anstrebten. Ihre Zahl war aber zu klein und ihre Namen zu unbekannt, als daß sie die schwerfällige Staatskutsche der Junta aus dem ausgefahrenen Geleise des spanischen Zeremoniells hätten schieben können.

Diese Gewalt, so plump zusammengefügt, so schwächlich organisiert, an deren Spitze solche überlebten Reliquien standen, war dazu berufen, eine Revolution zu vollbringen und Napoleon zu schlagen. Wenn ihre Proklamationen ebenso kraftvoll waren, wie ihre Taten kraftlos, so verdankte sie dies Don Manuel Quintana, einem spanischen Dichter; denn die Junta hatte so viel Geschmack besessen, ihn als ihren Sekretär anzustellen und mit der Abfassung ihrer Manifeste zu betrauen.

Gleich den prunkenden Helden Calderons, die nicht müde werden, alle ihre Titel aufzuzählen, weil sie konventionelle Auszeichnung mit echter Größe verwechseln, war es auch die erste Sorge der Junta, die Ehren und Auszeichnungen zu dekretieren, die ihrer gehobenen Stellung gebührten. Ihr Präsident bekam das Prädikat "Hoheit", die anderen Mitglieder den Titel "Exzellenz" und die Junta in corpore <als Körperschaft> erhielt die Bezeichnung "Majestät". Sie versahen sich mit einer Art Phantasieuniform, die der eines Generals ähnelte, schmückten ihre Brust mit Abzeichen, die Alte und die Neue Welt darstellend, und genehmigten sich ein Jahresgehalt von 120.000 Realen. Es entsprach ganz den Ideen der alten spanischen Schule, daß sich die Führer des aufständischen Spaniens erst in theatralische Kostüme stecken müßten, damit sich ihr Einzug auf die historische Bühne Europas großartig und würdevoll gestalte.

Wir würden den Rahmen dieser Skizzen überschreiten, wollten wir auf die innere Geschichte der Junta und die Einzelheiten ihrer Verwaltung eingehen. Für unsere Zwecke genügt es, zwei Fragen zu beantworten. Welchen Einfluß hatte sie auf die Entwicklung der spanischen revolutionären Bewegung und auf die Verteidigung des Vaterlands? Sind diese beiden Fragen beantwortet, so wird vieles, was bis jetzt an den spanischen Revolutionen des neunzehnten Jahrhunderts geheimnisvoll und unerklärlich erschien, seine Aufklärung gefunden haben.

Ihre Hauptpflicht sah die Mehrheit der Zentraljunta gleich zu Beginn ihrer Tätigkeit in der Unterdrückung des ersten revolutionären Überschwangs. Sie knebelte daher die Presse aufs neue und ernannte einen neuen Großinquisitor, der glücklicherweise durch die Franzosen verhindert wurde, seine <453> Funktionen wieder aufzunehmen. Obzwar der größte Teil des spanischen Grundbesitzes in der toten Hand festgelegt war - teils in adligen Fideikommissen, teils in unveräußerlichen Kirchengütern -, befahl die Junta, den bereits begonnenen Verkauf der Güter der toten Hand einzustellen, sie drohte sogar, die Privatverträge abzuändern, die sich auf die bereits verkauften Kirchengüter bezogen. Sie erkannte die Staatsschuld an, traf aber keinerlei finanzielle Maßnahmen, weder um das Budget von dem Berg von Lasten zu befreien, den eine jahrhundertelange Aufeinanderfolge von korrupten Regierungen aufgehäuft hatte, noch um das sprichwörtlich gewordene ungerechte, sinnlose und drückende Steuersystem zu reformieren, noch um der Nation neue Produktionsmöglichkeiten zu eröffnen, indem sie die Fesseln des Feudalismus sprengte.

IV

["New-York Daily Tribune" Nr. 4220 vorn 27. Oktober 1854]

Bereits zur Zeit Philipps V. hatte Francisco Benito de la Soledad gesagt: "Alles Übel in Spanien kommt von den Togados (Juristen)." An der Spitze der verderblichen obrigkeitlichen Hierarchie Spaniens stand der Consejo Real <königlicher Rat> von Kastilien. Entstanden in den bewegten Zeiten der Don Juans und Enriques, verstärkt durch Philipp II., der in ihm eine würdige Ergänzung des Santo officio <heiligen Amtes (der Inquisition)> sah, hatte er die Not der Zeit und die Schwäche der Könige auszunutzen verstanden, sich die verschiedenartigsten Vollmachten angeeignet und seiner früheren Funktion als Oberstes Gericht noch die des Gesetzgebers und einer obersten Verwaltungsbehörde für sämtliche Königreiche Spaniens hinzugefügt. So übertraf er an Macht sogar das französische Parlament, dem er in vielen Punkten ähnelte, ausgenommen darin, daß er nie auf seiten des Volkes zu finden war. Als mächtigste Autorität des alten Spaniens war der Consejo Real natürlich der geschworene Feind eines neuen Spaniens und aller neu aufgetauchten volkstümlichen Autoritäten, die seinen überragenden Einfluß zu lähmen drohten. Als höchste Spitze des Juristenstandes und als lebendige Verkörperung aller seiner Mißbräuche und Privilegien verfügte der Consejo selbstverständlich über alle die zahlreichen und bedeutsamen Vorteile, die mit der spanischen Rechtsprechung verknüpft waren. Er war daher eine Macht, mit der kein Kompromiß möglich war - entweder die Revolution fegte sie hinweg, oder sie fegte ihrerseits die Revo- <454> lution über Bord. Wie wir in einem früheren Artikel gesehen, hatte sich der Consejo vor Napoleon gedemütigt und durch diesen verräterischen Akt alles Ansehen beim Volke verloren. Die Zentraljunta beging jedoch am Tage ihres Zusammentritts die Torheit, dem Consejo anzuzeigen, sie habe sich konstituiert und sie fordere nun den Treueid von ihm; hätte er diesen abgelegt, erklärte sie, so wolle sie dieselbe Eidesformel allen anderen Autoritäten im Königreich vorlegen. Dieser unüberlegte Schritt, der von der ganzen revolutionären Partei mit Nachdruck mißbilligt wurde, gab dem Consejo die Überzeugung, die Zentraljunta bedürfe seiner Unterstützung. Er erholte sich daher rasch von seiner Verzagtheit und bot nach mehrtägigem heuchlerischem Zögern der Junta eine übelwollende Unterwerfung an. Seinem Eid fügte er seine eigenen reaktionären Bedenken hinzu, die in der Empfehlung Ausdruck fanden, die Junta möge auseinandergehen, ihre Stärke auf drei oder fünf Mitglieder beschränken, gemäß Ley 3, Partida 2, Titulo 15; ferner solle sie die zwangsweise Auflösung der Provinzialjuntas anordnen. Nachdem die Franzosen nach Madrid zurückgekehrt waren und den Consejo Real auseinandergejagt hatten, war die Zentraljunta, nicht zufrieden mit ihrer ersten Dummheit, so einfältig, den Consejo wiederzuerwecken, indem sie den Consejo Reunido schuf, eine Vereinigung des Consejo Real mit all den anderen Überbleibseln der alten königlichen Räte. So schuf die Junta aus eigener Initiative für die Konterrevolution eine Zentralgewalt, die, eine nimmermüde Rivalin für sie selbst, keinen Augenblick aufhörte, sie zu beunruhigen, ihr durch Intrigen und Verschwörungen entgegenzuarbeiten, sie zu den unpopulärsten Schritten zu drängen, um sie dann mit der Miene tugendhafter Entrüstung der leidenschaftlich erregten Verachtung des Volkes preiszugeben. Es versteht sich von selbst, daß die Zentraljunta, als sie den Consejo Real erst wieder anerkannt und dann wiederhergestellt hatte, nicht imstande war, irgendeine Reform durchzuführen, sei es an der Organisation der spanischen Gerichtshöfe, sei es an der ganz und gar untauglichen Zivil- und Strafgesetzgebung Spaniens.

Waren in der spanischen Erhebung auch die nationalen und religiösen Elemente vorherrschend, so existierte doch in den ersten zwei Jahren eine sehr entschiedene Tendenz zu sozialen und politischen Reformen; das beweisen sämtliche Manifestationen der Provinzialjuntas aus der damaligen Zeit, die, wenn sie auch meist von Mitgliedern der privilegierten Klassen verfaßt waren, dennoch nie versäumten, das alte Regime zu verdammen und radikale Reformen zu versprechen. Diese Tatsache ist ferner durch die Manifeste der Zentraljunta bewiesen. In dem ersten Aufruf an die Nation vom 10. November 1808 heißt es:

<455> "Eine zwanzigjährige Tyrannei, ausgeübt von den unfähigsten Köpfen, hat uns hart an den Rand des Abgrundes gebracht. Die Nation ist ihrer Regierung durch Haß und Verachtung entfremdet. Unterdrückt und entwürdigt, ihre eigene Kraft nicht kennend und vergebens Hilfe suchend gegen die eigene Regierung in den Einrichtungen und Gesetzen, hat sie vor kurzem sogar noch die Herrschaft von Fremden als weniger verhaßt empfunden als die verderbliche Tyrannei, die ihr Mark verzehrt. Die Herrschaft des Willens eines einzelnen, der immer launenhaft und meistens ungerecht war, hat schon zu lange gedauert; zu lange hat man ihre Geduld, ihre Gesetzestreue, ihre großmütige Loyalität mißbraucht; es war Zeit, daß gemeinnützige Gesetze in Kraft treten. Reformen auf allen Gebieten waren daher notwendig. Die Junta werde verschiedene Kommissionen ins Leben rufen, von denen jede mit einem bestimmten Gebiet betraut würde und an die dann alle Zuschriften in Regierungs- und Verwaltungsangelegenheiten gerichtet werden könnten."

In ihrem Aufruf, datiert Sevilla, 28. Oktober 1809, heißt es:

"Ein geistesschwacher, abgelebter Despotismus hat der französischen Tyrannei die Wege geebnet. Den Staat in den alten Mißbräuchen verkommen zu lassen, wäre ein ebenso ungeheuerliches Verbrechen, wie wenn wir uns in die Hände Bonapartes auslieferten."

In der Zentraljunta scheint eine originelle Arbeitsteilung geherrscht zu haben - die Partei Jovellanos' durfte die revolutionären Bestrebungen der Nation proklamieren und protokollieren, und die Partei Floridablancas behielt sich das Vergnügen vor, sie direkt Lügen zu strafen und der revolutionären Dichtung konterrevolutionäre Wahrheit entgegenzustellen. Uns aber gilt es hier als besonders wichtig, gerade aus den Bekenntnissen der Provinzialjuntas gegenüber der Zentrale die oft geleugnete Tatsache zu beweisen, daß zur Zeit der ersten spanischen Erhebung revolutionäre Bestrebungen wirklich existierten.

Die Art und Weise, in der die Zentraljunta die Gelegenheiten zu Reformen ausnützte, die ihr der Wille der Nation, die Macht der Ereignisse und die unmittelbar drohende Gefahr darboten, kann man nach dem Einfluß beurteilen, den ihre Kommissare in den verschiedenen Provinzen ausübten, in die sie gesandt wurden. Ein spanischer Schriftsteller <Toreno> gesteht ganz offen, daß die Zentraljunta, die nicht gerade Überfluß an fähigen Köpfen hatte, wohl darauf bedacht war, ihre hervorragenden Mitglieder im Zentrum zurückzubehalten und nur die Untauglichen nach draußen zu schicken. Diese Kommissare waren ermächtigt, den Provinzialjuntas zu präsidieren und die Zentrale in ihrer ganzen Herrlichkeit zu vertreten. Wir wollen nur einige <456> Beispiele ihres Wirkens verzeichnen: General Romana, den die spanischen Soldaten den Marquis de las Romerias <der Wallfahrten> zu nennen pflegten, weil er stets Märsche und Gegenmärsche unternahm und Gefechte nur dann stattfanden, wenn er nicht dabei war, dieser Romana also kam als Kommissar der Zentrale nach Asturien, nachdem er von Soult aus Galicien herausgetrieben worden war. Seine erste Beschäftigung bestand darin, einen Streit mit der Provinzialjunta von Oviedo vom Zaune zu brechen, die sich durch ihre energischen und revolutionären Maßnahmen den Haß der privilegierten Klassen zugezogen hatte. Er ging daran, sie aufzulösen und ihre Mitglieder durch seine eigenen Kreaturen zu ersetzen. Als General Ney Kunde davon erhielt, daß solche Uneinigkeiten in einer Provinz herrschten, in der der Widerstand gegen die Franzosen so allgemein und ein mütig gewesen, rückte er sofort mit seinem Heere in Asturien ein, vertrieb den Marquis de las Romerias, besetzte Oviedo und plünderte es drei Tage lang. Als die Franzosen Ende 1809 Galicien geräumt hatten, zog unser Marquis und Kommissar der Zentraljunta in La Coruña ein, vereinigte in seiner Person die ganze öffentliche Autorität, unterdrückte die Distriktjuntas, die sich während des Aufstandes vermehrt hatten, und ersetzte sie durch Militärgouverneure, er bedrohte die Mitglieder dieser Juntas mit Verfolgung und verfolgte auch tatsächlich die Patrioten, behandelte dafür aber alle diejenigen, die die Sache des Eindringlings verfochten hatten, mit größtem Wohlwollen und erwies sich überhaupt in jeder Hinsicht als ein boshafter, unfähiger und launenhafter Dummkopf. Und was hatten die Distrikt- und Provinzialjuntas von Galicien sich zuschulden kommen lassen? Sie hatten eine allgemeine Rekrutierung ohne Unterschied der Klassen und Personen angeordnet; sie hatten den Kapitalisten und Grundbesitzern Steuern auferlegt; sie hatten die Gehälter der Staatsbeamten herabgesetzt; sie hatten von den kirchlichen Körperschaften verlangt, sie sollten ihnen die Einkünfte, die sie in ihren Truhen verschlossen hielten, zur Verfügung stellen. Sie hatten, mit einem Wort, revolutionäre Maßnahmen getroffen. Von der Zeit des glorreichen Marquis de las Romerias an enthielten sich die Provinzen Asturien und Galicien, die sich bis dahin durch ihren allgemeinen Widerstand gegen die Franzosen besonders ausgezeichnet hatten, jeder Teilnahme an dem Unabhängigkeitskriege, wenn ihnen nicht unmittelbar die Gefahr einer Invasion drohte.

Auch in Valencia, wo sich neue Aussichten zu eröffnen schienen, solange das Volk sich selbst überlassen war und seine eigenen Führer wählte, wurde der revolutionäre Geist durch den Einfluß der Zentralregierung unterdrückt. <457> Nicht zufrieden damit, daß die Provinz dem Befehl eines Don José Caro unterstellt wurde, entsandte die Zentraljunta auch noch als "ihren eigenen" Kommissar den Baron Labazora. Dieser Baron verübelte es der Provinzialjunta, daß sie manche Befehle von oben nicht befolgt hatte, und kassierte ihre Verfügung, die klugerweise die Besetzung vakanter Stellen an Domkapiteln, geistlichen Pfründen und Komtureien eingestellt und deren Einkünfte zum Besten von Militärspitälern bestimmt hatte. Daher erbitterte Feindschaft zwischen der Zentraljunta und der von Valencia, daher die spätere Lethargie Valencias unter der liberalen Verwaltung des Marschalls Suchet, daher seine Bereitwilligkeit, Ferdinand VII. bei seiner Rückkehr gegen die damalige revolutionäre Regierung zum König zu proklamieren.

In Cadiz, dem revolutionärsten Orte des damaligen Spaniens, verursachte am 22. und 23. Februar 1809 die Anwesenheit eines Kommissars der Zentraljunta, des dummen und eingebildeten Marquis de Villel, den Ausbruch einer Empörung, die die verhängnisvollsten Folgen hätte haben können, wenn sie nicht rechtzeitig in das Fahrwasser des Unabhängigkeitskrieges geleitet worden wäre.

Es gibt kein besseres Beispiel für die Umsicht, die die Zentraljunta bei der Ernennung ihrer Kommissare walten ließ, als die Delegation des Señor Lozano de Torres zum Herzog von Wellington. Während er in serviler Schmeichelei vor dem englischen General katzbuckelte, berichtete er heimlich an die Junta, die Beschwerden des Generals über mangelhafte Versorgung seien völlig unbegründet. Wellington kam dieser Doppelzüngigkeit des Schurken auf die Spur und jagte ihn mit Schimpf und Schande aus seinem Lager.

Die Zentraljunta wäre in der günstigsten Lage gewesen, das durchzuführen, was sie in einer ihrer Proklamationen an das spanische Volk verheißen hatte:

"Es hat der Vorsehung gefallen, daß ihr in dieser schrecklichen Krise keinen Schritt vorwärts und der Unabhängigkeit entgegen tun könnt, der euch nicht gleichzeitig auch einen Schritt näher der Freiheit bringt."

Als die Junta ihre Tätigkeit begann, hatten die Franzosen noch nicht einmal ein Drittel von Spanien in Besitz genommen. Von den bisherigen Autoritäten fand sie entweder überhaupt nichts mehr vor, oder was von ihnen noch vorhanden, war durch ihr Einverständnis mit dem Eindringling ihm entweder völlig unterworfen oder auf sein Geheiß zerstreut. Die Junta hätte die Macht gehabt, jede sozialreformerische Maßnahme, die die Güter und den Einfluß von der Kirche und der Aristokratie auf die Bourgeoisie und die <458> Bauern übertrug, im Namen der guten Sache der Vaterlandsverteidigung ohne weiteres durchzusetzen. Sie stand unter demselben Glücksstern wie das französische Comité du salut public - die innere Umwälzung wurde gefördert durch die Notwendigkeit, äußere Angriffe abzuwehren; überdies hatten sie das Beispiel einer kühnen Initiative vor sich, wozu bereits einige Provinzen unter dem Druck der Verhältnisse gezwungen worden waren. Aber nicht genug damit, daß sie der spanischen Revolution als Bleigewicht anhing, wirkte sie im Sinne der Konterrevolution, indem sie die alten Autoritäten wiederherstellte, die schon zerbrochenen Ketten neu schmiedete, das revolutionäre Feuer erstickte, wo immer es aufloderte, indem sie selbst nichts tat und andere hinderte, etwas zu tun. Am 20. Juli 1809, als sie in Sevilla tagte, hielt sogar die englische Tory-Regierung es für notwendig, eine scharfe Protestnote wegen ihres konterrevolutionären Vorgehens an sie zu richten "aus Besorgnis, die allgemeine Begeisterung würde durch sie unterdrückt werden". Es ist einmal irgendwo die Bemerkung gemacht worden, Spanien hätte alle Übel der Revolution erdulden müssen, ohne dadurch an revolutionärer Kraft zu gewinnen. Wenn daran etwas Wahres ist, so bedeutet es nichts anderes als eine vollständige Verurteilung der Zentraljunta.

Wir hielten es für um so notwendiger, bei diesem Punkt zu verweilen, weil kein europäischer Historiker bis jetzt seine entscheidende Bedeutung erfaßt hat. Nur unter dem Regime der Zentraljunta war es möglich, die Forderungen und Bedürfnisse der nationalen Verteidigung mit der Umwandlung der spanischen Gesellschaft und der Emanzipation des nationalen Geistes zu vereinigen, ohne die jede politische Verfassung zerstieben muß wie ein Phantom bei dem geringsten Zusammenstoß mit dem wirklichen Leben. Die Cortes befanden sich in ganz anderen Verhältnissen - zurückgedrängt auf einen abgelegenen Punkt der Pyrenäischen Halbinsel, zwei Jahre lang durch eine belagernde französische Armee von dem Hauptteil der Monarchie abgeschnitten, repräsentierten sie ein ideelles Spanien, während das wirkliche Spanien erobert war oder kämpfte. Zur Zeit der Cortes war Spanien in zwei Teile geteilt. Auf der Isla de León - Ideen ohne Taten, im übrigen Spanien - Taten ohne Ideen. Im Gegensatz dazu mußte zur Zeit der Zentraljunta die oberste Regierung ein besonders großes Maß von Schwäche, Unfähigkeit und Unwilligkeit entfalten, um einen Unterschied zwischen spanischem Krieg und spanischer Revolution zu schaffen. Die Cortes scheiterten daher nicht, wie französische und englische Schriftsteller behaupten, weil sie revolutionär waren, sondern weil ihre Führer reaktionär waren und den richtigen Zeitpunkt zur revolutionären Aktion versäumten. Moderne spanische Schriftsteller, die sich durch die englisch-französischen Kritiker verletzt fühlten, <459> waren dennoch nicht imstande, sie zu widerlegen, und heute noch empfinden sie schmerzhaft das Bonmot des Abbé de Pradt: "Das spanische Volk gleicht dem Weibe Sganarells, das geprügelt sein wollte."

V

["New-York Daily Tribune" Nr. 4222 vom 30. Oktober 1854]

Die Zentraljunta versagte in der Verteidigung ihres Vaterlands, weil sie in ihrer revolutionären Mission versagt hatte. Im Bewußtsein der eigenen Schwäche, der unsicheren Grundlage ihrer Macht und ihrer außerordentlichen Unpopularität, wie konnte sie da wagen, den allen revolutionären Epochen eigentümlichen Rivalitäten, Eifersüchteleien und anmaßenden Prätensionen ihrer Generale anders entgegenzutreten als durch unwürdige Tricks und kleinliche Intrigen? Da sie ständig in Furcht und Argwohn gegen ihre eigenen militärischen Befehlshaber lebte, so dürfen wir Wellington vollen Glauben schenken, wenn er seinem Bruder, dem Marquis von Wellesley, am 1. September 1809 schreibt:

"Ich fürchte sehr, daß, soweit ich das Vorgehen der Zentraljunta beobachten konnte, sie viel weniger ihr Augenmerk auf militärische Verteidigung und militärische Operationen richtet als auf politische Intrigen und auf Erreichung kleinlicher politischer Ziele."

In revolutionären Zeiten, wo alle Bande der Subordination gelockert sind, kann die militärische Disziplin nur aufrechterhalten werden, wenn die Generale unter strengster bürgerlicher Disziplin gehalten werden. Weil die Zentraljunta infolge ihrer disharmonischen Zusammensetzung es niemals fertig brachte, ihre Generale im Zaum zu halten, so vermochten die Generale auch wieder nicht, ihre Soldaten zu bändigen, und bis zum Schluß des Kriegs erreichte die spanische Armee niemals ein Durchschnittsmaß an Disziplin und Subordination. Diese Insubordination wurde noch verstärkt durch den Mangel an Nahrung, Kleidung und allen anderen materiellen Bedürfnissen einer Armee - denn die moralische Verfassung einer Armee hängt, wie Napoleon sich ausdrückte, ganz von ihrer materiellen Verfassung ab. Die Zentraljunta war nicht imstande, die Armee regelmäßig zu versorgen; dazu reichten die Manifeste des armen Poeten Quintana nicht aus, und um ihren Dekreten den nötigen Nachdruck zu verleihen, hätte sie zu denselben revolutionären Maßnahmen greifen müssen, die sie in den Provinzen verurteilt hatte. Sogar <460> die allgemeine Wehrpflicht ohne Ausnahmen und ohne Rücksicht auf Privilegien und die jedem geborenen Spanier garantierte Möglichkeit, in der Armee jede Rangstufe erklimmen zu können, waren das Werk der Provinzjuntas und nicht der Zentraljunta. Waren also einerseits die Niederlagen der spanischen Armee hervorgerufen durch die konterrevolutionäre Unfähigkeit der Zentraljunta, so drückten diese Mißgeschicke andrerseits wieder diese Regierung noch mehr herab, und in dem Maße, als sie zum Gegenstand der öffentlichen Mißachtung und des öffentlichen Mißtrauens wurde, wuchs ihre Abhängigkeit von unfähigen, aber anmaßenden militärischen Befehlshabern.

Obzwar überall geschlagen, tauchte die spanische stehende Armee dennoch immer wieder überall auf. Mehr als zwanzigmal zerstreut, war sie stets wieder bereit, dem Feind entgegenzutreten, und erschien oft nach einer Niederlage wieder in erneuter Stärke. Es hatte keinen Zweck, sie zu schlagen, denn bei ihrer raschen Flucht war ihr Verlust an Menschen meistens gering, und aus dem Verlust an Gebiet machte sie sich nichts. Nachdem sie sich hastig auf die Sierras zurückgezogen, konnte man sicher sein, daß sie sich wieder sammeln und, verstärkt durch neuen Zuzug, wieder auftauchen würde, wenn man sie am wenigsten erwartete, und war sie auch nicht fähig, den Franzosen Widerstand zu leisten, so war sie doch imstande, sie in steter Bewegung zu halten und zu zwingen, ihre Kräfte zu zersplittern. Glücklicher als die Russen, hatten sie es nicht einmal nötig, erst zu sterben, um von den Toten auferstehen zu können.

Die verhängnisvolle Schlacht von Ocaña am 19. November 1809 war die letzte große reguläre Schlacht, die die Spanier ausfochten; von dieser Zeit an beschränkten sie sich auf den Guerillakrieg. Schon die Tatsache, daß sie die regelrechte Kriegführung aufgaben, beweist die Verdrängung der nationalen durch lokale Regierungszentren. Als die Mißerfolge der stehenden Armee sich regelmäßig wiederholten, wurde die Erhebung der Guerillas allgemein, und die Masse des Volkes dachte kaum mehr an die nationalen Niederlagen, sondern berauschte sich an den lokalen Erfolgen seiner Helden. In diesem einen Punkt wenigstens teilte die Zentraljunta die allgemeinen Illusionen. "Von einer Guerillaaffäre wurden in der 'Gaceta' genauere Berichte gebracht als von der Schlacht von Ocaña."

So wie Don Quixote mit seiner Lanze gegen das Schießpulver protestiert hatte, so protestierten die Guerillas gegen Napoleon, nur war der Erfolg ein anderer.

"Diese Guerillas", sagt die "Oestreichische militärische Zeitschrift", (Band I, 1821) "trugen sozusagen ihre Basis in sich selbst, und jede Unternehmung gegen sie endete mit einem verschwundenen Objekte."

<461> Man muß in der Geschichte des Guerillakrieges drei Perioden unterscheiden. In der ersten griff die Bevölkerung ganzer Provinzen zu den Waffen und führte einen Freischärlerkrieg, wie in Galicien und Asturien. In der zweiten betrieben Guerillabanden, die sich aus den Resten der spanischen Armeen, aus spanischen Deserteuren der französischen Armeen, aus Schmugglern etc. gebildet hatten, den Krieg als ihre eigene Sache, unabhängig von jedem fremden Einfluß und nur, soweit er ihren unmittelbaren Interessen diente. Durch glückliche Zufälle und Umstände machten sie sich häufig zu Herren ganzer Bezirke. Solange die Guerillas sich in dieser Weise zusammenfanden, flößten sie als Ganzes wohl keinen Schrecken ein, waren aber nichtsdestoweniger den Franzosen äußerst gefährlich. Sie bildeten die Grundlage einer tatsächlichen Volksbewaffnung. Bot sich die Gelegenheit zu einem Beutezug, oder plante man ein gemeinsames Unternehmen, so fanden sich die rührigsten und verwegensten Elemente der Bevölkerung ein, und diese vereinigten sich dann mit den Guerillas. Mit äußerster Schnelligkeit stürzten sie sich auf ihre Beute oder stellten sich in Schlachtordnung auf, je nachdem es das Unternehmen erheischte. Häufig kam es vor, daß sie einen ganzen Tag einem wachsamen Feind gegenüberstanden, nur um einen Kurier abzufangen oder Vorräte zu ergattern. Auf diese Art hatte der jüngere Mina den Vizekönig von Navarra abgefangen, der von Joseph Bonaparte eingesetzt war, und ebenso hatte Julian den Kommandanten von Ciudad Rodrigo zum Gefangenen gemacht. War ihr Vorhaben ausgeführt, so ging jeder einzelne wieder seines Weges, und man konnte bewaffnete Männer sich nach allen Richtungen zerstreuen sehen; die Bauern aber, die sich angeschlossen hatten, kehrten ruhig wieder zu ihrer gewohnten Beschäftigung zurück, "ohne daß ihre Abwesenheit auch nur bemerkt worden wäre". Dadurch war der Verkehr auf allen Wegen unterbunden. Tausende von Feinden waren zur Stelle, und dabei wurde kein einziger sichtbar. Kein Kurier konnte abgesandt, ohne abgefaßt, kein Proviant verschickt, ohne abgefangen, kurz, keine Bewegung unternommen, ohne von Hunderten von Augen beobachtet zu werden. Dabei aber gab es keine Mittel, eine derartige Verbindung an der Wurzel zu fassen. Die Franzosen mußten unaufhörlich gerüstet sein gegen einen Feind, der, obwohl unausgesetzt auf der Flucht, doch immer wieder auftauchte, der überall war, ohne daß man ihn je zu Gesicht bekam, da ihm die Berge als Schlupfwinkel dienten. Abbé de Pradt sagt:

"Es waren weder Schlachten noch Zusammenstöße, die die Franzosen erschöpften, sondern die unaufhörlichen Quälereien eines unsichtbaren Feindes, der sich im Volk verlor, wenn man ihn verfolgte, um aus demselben alsbald wieder mit erneuter Kraft <462> emporzutauchen. Der Löwe in der Fabel, den die Mücke zu Tode peinigt, gibt ein getreues Bild der französischen Armee."

In ihrer dritten Periode äfften die Guerillas ein regelrechtes stehendes Heer nach, verstärkten ihre Korps auf 3.000 bis 6.000 Mann, hörten auf, die Sache ganzer Bezirke zu sein, und gerieten in die Hände einiger weniger Führer, die sie für ihre eigenen Zwecke mißbrauchten. Diese Änderung des Systems verschaffte den Franzosen bei ihren Kämpfen mit den Guerillas beträchtliche Vorteile. Durch ihre große Zahl wurde es den Guerillas unmöglich, sich wie bisher zu verstecken und plötzlich zu verschwinden, ohne sich zum Kampf stellen zu müssen; sie wurden jetzt häufig eingeholt, geschlagen, zerstreut und für einige Zeit außerstande gesetzt, weitere Beunruhigung zu verursachen.

Vergleicht man die drei Perioden des Guerillakriegs mit der politischen Geschichte Spaniens, so findet man, daß sie die entsprechenden Grade darstellen, bis zu denen der konterrevolutionäre Geist der Regierung die Begeisterung des Volkes nach und nach abgekühlt hatte. Im Anfang hatte sich die ganze Bevölkerung erhoben, dann wurde von Guerillabanden der Freischärlerkrieg geführt, dessen Reserven ganze Bezirke bildeten, und schließlich endeten sie in losen Korps, die stets auf dem Punkt standen, zu Banditen zu werden oder auf das Niveau stehender Regimenter herabzusinken.

Entfremdung von der obersten Regierung, gelockerte Disziplin, unaufhörliches Mißgeschick, beständige Formierung, Auflösung und Wiederformierung - und das sechs Jahre lang in allen Kadern - mußten der Gesamtheit der spanischen Armee das Gepräge des Prätorianertums geben und sie gleichermaßen zum Werkzeug oder zur Peitsche ihrer Führer werden lassen. Die Generale selbst hatten notwendigerweise entweder an der Zentralregierung teilgenommen, oder sie hatten sich mit ihr gestritten oder gegen sie konspiriert; stets aber hatten sie das Gewicht ihres Schwerts in die politische Waagschale geworfen. So hatte Cuesta, der später das Vertrauen der Zentraljunta in dem selben Maße zu gewinnen schien, wie er ihre Schlachten verlor, mit dem Consejo Real zu konspirieren begonnen und die Abgeordneten der Zentraljunta für León gefangengesetzt. General Morla, selbst Mitglied der Zentraljunta, ging in das bonapartistische Lager über, nachdem er Madrid den Franzosen ausgeliefert hatte. Der geckenhafte Marquis de las Romerias, ebenfalls ein Mitglied der Junta, konspirierte gegen sie mit dem aufgeblasenen Francisco Palafox, mit dem nichtswürdigen Montijo und mit der aufrührerischen Junta von Sevilla. Die Generale Castaños, Blake, La Bisbal (ein O'Donnell) figurierten nacheinander als Regenten zur Zeit der Cortes und intrigierten ununterbrochen. Der Generalkapitän von Valencia, Don Xavier <463> Elio, lieferte Spanien schließlich auf Gnade und Ungnade an Ferdinand VII. aus. Das prätorianische Element war sicher unter den Generalen stärker vertreten als unter ihren Truppen.

Auf der anderen Seite bildeten die Armee und die Guerilleros - die während des Kriegs einen Teil ihrer Führer, wie Porlier, Lacy, Eroles und Villacampa, aus den Reihen der hervorragendsten Linienoffiziere genommen hatten, während die Linie wiederum später Guerillaführer, wie Mina, Empecinado und andere, aufnahm - den revolutionärsten Teil der spanischen Gesellschaft; sie rekrutierten sich aus allen Kreisen, eingeschlossen die ganze feurige, strebsame und patriotische Jugend, alle, die dem einschläfernden Einfluß der Zentralregierung nicht zugänglich waren und sich von den Fesseln des ancien régime befreit hatten; ein Teil von ihnen, darunter Riego, kehrte nach mehrjähriger Gefangenschaft aus Frankreich zurück. Wir brauchen daher durchaus nicht überrascht zu sein über den Einfluß, den die spanische Armee in späteren Bewegungen ausübte; weder wenn sie die revolutionäre Initiative ergriff, noch wenn sie durch ihr Prätorianertum die Revolution schädigte.

Die Guerillas selbst mußten, das ist klar, nachdem sie so viele Jahre auf dem Schauplatz blutiger Kampfe agiert, die Gewohnheiten von Landstreichern angenommen und allen ihren Leidenschaften des Hasses, der Rache und der Plünderungswut freien Lauf gelassen hatten, in Friedenszeiten einen höchst gefährlichen Mob bilden, der stets auf jeden Wink bereit war, im Namen irgendeiner Partei oder irgendeines Prinzips für denjenigen aufzutreten, der gut bezahlte oder den willkommenen Vorwand zu einem Plünderungsstreifzug bot.

VI

["New-York Daily Tribune" Nr. 4244 vom 24. November 1854]

Am 24. September 1810 versammelten sich die außerordentlichen Cortes auf der Isla de León; am 20. Februar 1811 verlegten sie ihre Sitzungen von da nach Cadiz; am 19. März 1812 verkündeten sie die neue Konstitution, und am 20. September 1813 schlossen sie ihre Sitzungen, drei Jahre nach deren Eröffnung.

Die Umstände, unter denen dieser Kongreß zusammentrat, sind ohnegleichen in der Geschichte. Kein gesetzgebender Körper hatte je zuvor seine Mitglieder aus so verschiedenen Teilen der Weltkugel zusammenberufen, keiner hatte je zuvor über so gewaltige Gebiete in Europa, Amerika und Asien, über so verschiedene Rassen und so verwickelte Interessen zu bestimmen <464> gehabt wie dieser; und das zu einer Zeit, wo fast ganz Spanien von den Franzosen okkupiert war und der Kongreß selbst, von Spanien buchstäblich durch feindliche Armeen abgeschnitten und auf einen schmalen Landstreifen verbannt, angesichts einer ihn umgebenden und belagernden Armee seine Gesetze erlassen mußte. Von dem entfernten Winkel der Isla Caditana aus wollten diese Männer die Grundlage zu einem neuen Spanien legen, wie ihre Vorväter dies von den Bergen von Cavadonga und Sobrarbe aus getan hatten. Wie sollen wir das merkwürdige Phänomen dieser Konstitution von 1812 erklären, die später die gekrönten Häupter Europas in ihrer Versammlung zu Verona als die aufwieglerischste Ausgeburt des Jakobinismus brandmarkten, wie erklären, weshalb diese Konstitution dem Kopfe des alten mönchischen und absolutistischen Spaniens gerade zu einer Zeit entsprang, wo es ganz in einem heiligen Krieg gegen die Revolution aufzugehen schien? Wie sollen wir es andrerseits erklären, daß diese selbe Konstitution plötzlich einem Schatten gleich verschwand - gleich dem "sueño de sombra", sagen die spanischen Historiker -, als sie mit einem lebenden Bourbonen in Berührung kam? Wenn schon die Entstehung dieser Konstitution ein Rätsel ist, so ist es ihr Verschwinden nicht minder. Um das Rätsel zu lösen, wollen wir mit einem kurzen Kommentar eben dieser Konstitution von 1812 beginnen, die die Spanier später noch zweimal verwirklichen wollten - zuerst in dem Zeitraum von 1820 bis 1823 und dann im Jahre 1836.

Die Konstitution von 1812 besteht aus 384 Artikeln und umfaßt folgende zehn Abschnitte: 1. Die spanische Nation und die Spanier; 2. das Territorium Spaniens, seine Religion und Regierung und die spanischen Bürger; 3. die Cortes; 4. der König; 5. die Gerichtshöfe und die Verwaltung der Zivil- und Kriminaljustiz; 6. die innere Regierung der Provinzen und Städte; 7. die Steuern; 8. die Nationalkriegsmacht; 9. der öffentliche Unterricht; 10. die Beobachtung der Konstitution und die Art, wie man verfährt, um Veränderungen darin vorzunehmen.

Ausgehend von dem Grundsatz, daß

"die Souveränität ihrem Wesen nach im Volke wohnt, dem deshalb ausschließlich das Recht zusteht, seine Grundgesetze aufzustellen",

proklamiert die Konstitution nichtsdestoweniger eine Teilung der Gewalten; hiernach

"wird die gesetzgebende Gewalt in die Cortes in Gemeinschaft mit dem König verlegt", "ist die Ausführung der Gesetze dem König anvertraut"; kommt die Gewalt, die Gesetze in Zivil- und Kriminalsachen in Anwendung zu bringen, ausschließlich den Gerichtshöfen zu. Weder die Cortes noch der König können in irgendeinem Falle <465> richterliche Funktionen ausüben, die schon anhängigen Prozesse zurücknehmen oder schon entschiedene noch einmal vornehmen lassen."

Die Basis der Nationalrepräsentation ist allein die Bevölkerung; auf je 70.000 Seelen kommt ein Deputierter. Die Cortes bestehen aus einem Haus, dem der Gemeinen, und die Wahl der Deputierten erfolgt in allgemeinen Wahlen. Das Wahlrecht genießen alle Spanier mit Ausnahme von Hausgesinde, Bankrotteuren und Verbrechern. Nach dem Jahre 1830 darf kein Bürger diese Recht ausüben, der nicht lesen und schreiben kann. Die Wahl erfolgt jedoch indirekt, sie muß die drei Stufen der Kirchspiel-, Bezirks- und Provinzialwahlen passieren. Eine bestimmte Vermögensqualifikation gibt es nicht für einen Deputierten. Wohl muß laut Artikel 92 "ein Deputierter der Cortes, um erwählt werden zu können, ein verhältnismäßiges jährliches Einkommen von eigentümlich einem zugehörenden Gütern besitzen", aber Artikel 93 hebt den vorhergehenden für so lange auf, bis die Cortes bei ihrem späteren Zusammentreten erklären werden, es sei die Zeit gekommen, wo er in Wirksamkeit tritt. Der König hat weder das Recht, die Cortes aufzulösen noch sie zu vertagen; sie versammeln sich alljährlich in der Hauptstadt am 1. März, ohne einberufen zu werden, und tagen mindestens drei Monate hintereinander.

Alle zwei Jahre werden neue Cortes gewählt, und kein Deputierter kann nacheinander in zwei Cortes sitzen, d.h., er kann erst nach Ablauf der nächsten Cortes nach zwei Jahren wiedergewählt werden. Kein Deputierter darf Belohnungen, Pensionen oder Würden vom König fordern oder annehmen. Minister, Staatsräte und diejenigen, die beim königlichen Hofe ein Amt bekleiden, sind als Deputierte für die Cortes nicht wählbar. Kein Regierungsbeamter darf als Deputierter in die Cortes von der Provinz gewählt werden, in der er sein Amt ausübt. Um die Deputierten für ihre Ausgaben zu entschädigen, sollen die betreffenden Provinzen ein Tagegeld zahlen, das die Cortes im zweiten Jahre jeder Generaldeputation für die Deputation aussetzen werden, die ihnen folgen wird. Die Cortes können nicht in Gegenwart des Königs beratschlagen. In den Fällen, wo die Minister im Namen des Königs den Cortes einige Vorschläge machen, sollen sie auf so lange und in der Art, wie die Cortes es bestimmen werden, den Diskussionen beiwohnen und sprechen, aber bei der Abstimmung nicht zugegen sein. Der König, der Prinz von Asturien und die Regenten müssen vor den Cortes auf die Konstitution schwören; diese entscheiden über jede faktische oder rechtliche Frage, die sich anläßlich der Thronfolge ergeben mag, und haben, wenn nötig, eine Regentschaft zu wählen. Die Cortes müssen alle Verträge über Offensivbündnisse oder über Subsidien und den Handel vor ihrer Ratifikation genehmigen, haben den Zutritt fremder Truppen ins Königreich zu gestatten <466> oder zu verhindern, verfügen die Errichtung oder Abschaffung von Stellen bei den durch die Konstitution errichteten Tribunalen und ebenso die Errichtung oder Abschaffung von Staatsämtern; ferner haben sie alle Jahre auf Vorschlag des Königs die Stärke der Land- und Seestreitkräfte in Friedens- und Kriegszeiten zu bestimmen; für die Armee, die Flotte und Nationalmiliz, wie alle verschiedenen Zweige, woraus sie bestehen, Verordnungen zu erlassen; die Ausgaben der Staatsverwaltung festzusetzen; jährlich die Steuern zu bestimmen, im Fall es notwendig ist, auf den Kredit der Nation Anleihen aufzunehmen; das Geldwesen sowie Gewichts- und Maßsystem zu regeln; einen allgemeinen Plan für den öffentlichen Unterricht zu entwerfen, die politische Preßfreiheit zu schützen, die Verantwortlichkeit der Minister wirklich und wirksam herzustellen usw. Dem König steht bloß ein aufschiebendes Veto zu, das er während zweier aufeinanderfolgender Sessionen ausüben darf; wird aber derselbe Gesetzentwurf ein drittes Mal vorgelegt und von den Cortes des nächsten Jahres angenommen, so gilt die Zustimmung des Königs als gegeben, und er muß sie wirklich erteilen. Bevor die Cortes eine Session schließen, setzen sie einen aus sieben ihrer Mitglieder bestehenden permanenten Ausschuß ein, der in der Hauptstadt bis zum nächsten Zusammentritt der Cortes tagt und ermächtigt ist, die strikte Einhaltung der Konstitution und die genaue Ausführung der Gesetze zu überwachen, den nächsten Cortes über jede Gesetzesverletzung zu berichten, die er wahrgenommen hat, und in kritischen Zeiten außerordentliche Cortes zusammenzuberufen. Der König darf das Land ohne Zustimmung der Cortes nicht verlassen. Zur Eingehung einer Ehe braucht er die Einwilligung der Cortes. Die Cortes setzen für den Hofhalt des Königs jährlich eine Summe aus.

Der einzige Geheime Rat des Königs ist der Staatsrat, dem kein Minister angehören darf und der aus vierzig Personen besteht - aus vier Geistlichen, vier Granden von Spanien sowie aus hervorragenden Verwaltungsbeamten; sie alle werden vom König aus einer von den Cortes aufgestellten Liste von hundertzwanzig Personen ausgewählt; kein Deputierter kann Mitglied des Staatsrats werden, und kein Ratsmitglied darf Ämter, Würden oder Anstellungen vom König annehmen. Die Staatsräte dürfen nicht entlassen werden ohne ausreichende Gründe, die vor dem Obersten Gerichtshof zu erweisen sind. Die Cortes bestimmen das Gehalt dieser Räte, die der König in allen wichtigen Fragen hören muß und die die Kandidaten für geistliche und gerichtliche Ämter ernennen. In den Paragraphen, die sich mit der Gerichtsbarkeit befassen, werden alle alten Consejos abgeschafft, eine neue Organisation der Gerichtshöfe wird eingeführt, ein Oberster Gerichtshof errichtet, <467> der die Minister im Anklagefall zu verhören hat, sich mit allen Fällen der Entlassung oder Amtssuspendierung von Staatsräten und Gerichtsbeamten befassen muß usw. Kein Prozeß darf begonnen werden, ohne daß ein Versöhnungsversuch nachgewiesen ist. Tortur, Zwang und Vermögenskonfiskation werden abgeschafft. Auch alle Ausnahmegerichte sind abgeschafft, bis auf die militärischen und die geistlichen, gegen deren Entscheidungen jedoch an den Obersten Gerichtshof appelliert werden kann.

Für die innere Verwaltung der Städte und Gemeinden (Gemeinden sollen, wo sie noch nicht existieren, in allen Bezirken mit einer Bevölkerung von tausend Seelen gebildet werden) sollen Ayuntamientos geschaffen werden aus einem oder mehreren Magistratsbeamten, Ratsherren und öffentlichen Räten, über die der Polizeipräsident (corregidor) den Vorsitz führt und die in allgemeinen Wahlen gewählt werden. Kein im Amt befindlicher oder durch den König angestellter öffentlicher Beamter ist als Magistratsperson, Ratsherr oder öffentlicher Rat wählbar. Die städtische Tätigkeit soll öffentliche Pflicht sein, von der niemand ohne zwingende rechtliche Ursache befreit sein soll. Die munizipalen Körperschaften sollen alle ihre Pflichten unter der Aufsicht der Provinzialdeputation ausüben.

Die politische Regierung der Provinzen soll dem Gouverneur (jefe politico) anvertraut sein, den der König ernennt. Dieser Gouverneur ist verbunden mit einer Deputation, deren Vorsitzender er ist und die von den Bezirken gewählt wird, sobald sie sich zu den allgemeinen Wahlen der Mitglieder für die neuen Cortes versammeln. Diese Provinzialdeputationen bestehen aus sieben Mitgliedern, denen ein von den Cortes besoldeter Sekretär assistiert. Die Sitzungen dieser Deputationen sollen höchstens neunzig Tage im Jahre dauern. Gemäß den ihnen übertragenen Pflichten und Vollmachten, können sie als ständige Kommissionen der Cortes betrachtet werden. Alle Mitglieder der Ayuntamientos und der Provinzialdeputationen schwören beim Amtsantritt den Treueid auf die Konstitution. Was die Steuern anbelangt, sind alle Spanier ohne Unterschied verpflichtet, im Verhältnis zu ihren Mitteln zu den Staatsausgaben beizutragen. Sämtliche Zollämter sollen abgeschafft werden, mit Ausnahme derjenigen in den Seehäfen oder an der Grenze. Alle Spanier sind ausnahmslos militärpflichtig, und neben der stehenden Armee sollen in allen Provinzen Korps der Nationalmiliz errichtet werden, die aus den Einwohnern derselben, nach Verhältnis ihrer Bevölkerung und ihres Zustandes, gebildet werden. Endlich darf die Konstitution von 1812 auch nicht in irgendwelchen Einzelheiten angetastet, verändert oder korrigiert werden, ehe nicht acht Jahre seit ihrer Einführung verstrichen sind.

<468> Als die Cortes dem spanischen Staate diese neue Grundlage gehen wollten, waren sie sich natürlich klar, daß eine solche moderne politische Konstitution völlig unvereinbar mit dem alten sozialen System sei, und sie verkündeten daher eine Anzahl von Dekreten, die eine organische Veränderung der staatlichen Ordnung zum Ziele hatten. So schafften sie die Inquisition ab. Sie beseitigten die herrschaftliche Gerichtsbarkeit mit ihren exklusiven, verbietenden und räuberischen feudalen Privilegien, z.B. Jagd-, Fischerei-, Wald- und Mühlenrecht etc., wobei sie solche ausnahmen, die gegen Entgelt erworben worden waren und die daher entschädigt werden sollten. Sie schafften in der ganzen Monarchie den Zehnten ab, stellten die Besetzung aller geistlichen Stellen ein, soweit diese nicht zur Ausübung des Gottesdienstes notwendig waren, und unternahmen Schritte zur Aufhebung der Klöster und zur Sequestration des klösterlichen Vermögens.

Sie beabsichtigten, die unermeßlichen unbebauten Ländereien, die königlichen Domänen und die Gemeindegüter Spaniens in Privateigentum umzuwandeln; eine Hälfte davon sollte zur Tilgung der Staatsschuld verkauft werden, ein Teil als patriotische Entschädigung durch das Los an die demobilisierten Teilnehmer aus dem Unabhängigkeitskrieg verteilt und ein dritter Teil, ebenfalls gratis durch das Los, der armen Bauernschaft, die Grundbesitz haben wollte, aber nicht imstande war, ihn zu kaufen, zugewiesen werden. Sie gestatteten die Umzäunung des Weidelands und anderen Grundbesitzes, was vordem verboten war. Sie schafften die absurden Gesetze ab, die verhinderten, daß Weideland in Ackerland und Ackerland in Weideland umgewandelt wird, und befreiten den Ackerbau allgemein von den alten willkürlichen und lächerlichen Bestimmungen. Sie hoben alle feudalen Gesetze bezüglich der Pachtverträge auf; ebenso das Gesetz, das den Nachfolger auf einem Erblehen von der Verpflichtung befreite, die Pachtverträge zu bestätigen, die sein Vorgänger abgeschlossen hatte, diese Verträge erloschen mit dem Tode desjenigen, der sie eingegangen war. Sie kassierten das Voto de Santiago, worunter ein alter Tribut verstanden wurde, der in einem bestimmten Quantum des besten Brotes und des besten Weines bestand, den die Arbeiter bestimmter Provinzen hauptsächlich zur Erhaltung des Erzbischofs und Kapitels von Santiago zu entrichten hatten. Sie verfügten die Einführung einer großen progressiven Steuer etc.

Da sie eine ihrer Hauptaufgaben in der Erhaltung ihrer amerikanischen Kolonien sahen, die sich schon zu erheben begonnen hatten, erkannten sie den amerikanischen Spaniern volle Gleichberechtigung mit denen Europas zu, proklamierten eine allgemeine Amnestie ohne jede Ausnahme, erließen Dekrete gegen die Unterdrückung, unter der die Eingeborenen von Amerika <469> und Asien seufzten, hoben die Mitas, die Repartimientos etc. auf, schafften das Quecksilbermonopol ab und waren die ersten in Europa bei der Unterdrückung des Sklavenhandels.

Der Konstitution von 1812 wurde einerseits nachgesagt - zum Beispiel von Ferdinand VII. (siehe sein Dekret vom 4. Mai 1814) -, sie sei nichts anderes als eine bloße Nachahmung der französischen Konstitution von 1791 und ohne Rücksicht auf die historischen Traditionen Spaniens von schwärmerischen Phantasten auf spanischen Boden verpflanzt worden. Andrerseits behauptete man - zum Beispiel Abbé de Pradt ("De la Révolution actuelle de l'Espagne") -, die Cortes hätten sich ganz unvernünftig an überlebte Formeln angeklammert, die sie den alten Fueros entlehnt hätten und die noch den Feudalzeiten angehörten, wo die königliche Macht durch die außerordentlichen Privilegien der Granden in Schach gehalten wurde.

Die Wahrheit ist, daß die Konstitution von 1812 eine Reproduktion der alten Fueros ist, jedoch im Lichte der französischen Revolution gesehen und den Bedürfnissen der modernen Gesellschaft angepaßt. Das Recht zur Rebellion wird zum Beispiel allgemein als eine der kühnsten Neuerungen der jakobinischen Konstitution von 1793 angesehen; man stößt aber auf dieses selbe Recht in den alten Fueros von Sobrarbe, wo es das "Privilegio de la Union" genannt ist. Auch in der alten Konstitution von Kastilien findet man es. Die Fueros von Sobrarbe erlauben dem König, weder Frieden zu schließen, noch Krieg zu erklären, noch Verträge abzuschließen, ohne vorher die Einwilligung der Cortes einzuholen. Der permanente Ausschuß, bestehend aus sieben Mitgliedern der Cortes, der über die strikte Einhaltung der Konstitution während der Vertagung der gesetzgebenden Körperschaft zu wachen hat, bestand von alters her in Aragonien und wurde in Kastilien eingeführt zu der Zeit, als die bedeutendsten Cortes der Monarchie zu einer einzigen Körperschaft vereint wurden. Zur Zeit der französischen Invasion existierte eine ähnliche Einrichtung noch im Königreich Navarra. Eine merkwürdige Schöpfung der Konstitution von 1812 war der Staatsrat, der aus einer dem König von den Cortes vorgelegten Liste von 120 Personen gebildet und von ihnen bezahlt wurde. Er verdankt seine Entstehung der Erinnerung an den verhängnisvollen Einfluß, den die Kamarilla zu allen Zeiten auf die spanische Monarchie ausübte. Der Staatsrat sollte an die Stelle dieser Kamarilla treten. Übrigens finden sich derartige Einrichtungen schon in früheren Zeiten. So war zum Beispiel zur Zeit Ferdinands IV. der König stets von zwölf Bürgern umgeben, die von den kastilischen Städten dazu ausersehen waren, als seine geheimen Räte zu fungieren; 1419 beklagten <470> sich die Abgesandten der Städte, daß ihre Beauftragten nicht mehr zum Königlichen Rat zugelassen wurden. Die Ausschließung der höchsten Würdenträger und der Mitglieder des königlichen Hofstaats von den Cortes sowie das Verbot für die Deputierten, vom König Ehren oder Ämter anzunehmen, scheint auf den ersten Blick der Konstitution von 1791 entlehnt und ganz natürlich der modernen Teilung der Gewalten zu entspringen, wie sie durch die Konstitution von 1812 sanktioniert wurde. Tatsächlich aber stoßen wir nicht nur in der alten Konstitution von Kastilien auf Präzedenzfälle, sondern wir wissen auch, daß sich das Volk zu verschiedenen Zeiten erhob und die Deputierten erschlug, die Ehren oder Ämter von der Krone angenommen hatten. Was das Recht der Cortes betrifft, im Fall von Minderjährigkeit Regentschaften einzusetzen, so war dieses von den alten kastilischen Cortes während der oft lange währenden Minderjährigkeiten im vierzehnten Jahrhundert ständig praktiziert worden.

Es ist wahr, die Cortes von Cadiz entzogen dem König die von jeher geübte Gewalt, die Cortes einzuberufen, aufzulösen oder zu vertagen; aber da sie gerade durch die Art, in der die Könige von ihren Privilegien Gebrauch machten, an Einfluß verloren hatten, so war die Notwendigkeit für sie sonnenklar, dieses Recht zu beseitigen. Die angeführten Tatsachen genügen wohl, zu zeigen, daß die äußerst sorgfältige Begrenzung der königlichen Macht - der auffallendste Zug in der Konstitution von 1812-, wenn sie auch in anderer Hinsicht durch die noch frische und empörende Erinnerung an Godoys verächtlichen Despotismus vollkommen erklärt wäre, ihren Ursprung aus den alten Fueros Spaniens herleitet. Die Cortes von Cadiz übertrugen bloß die Herrschaft von den privilegierten Ständen auf die nationale Vertretung. Wie sehr die spanischen Könige die alten Fueros fürchteten, kann man daraus ersehen, daß, als 1805 eine neue Sammlung der spanischen Gesetze notwendig geworden war, eine königliche Verfügung erschien, der zufolge aus ihr alle Überbleibsel des Feudalismus auszumerzen waren, die die frühere Gesetzsammlung noch enthielt und die einer Zeit entstammten, in der die Schwäche der Monarchie die Könige gezwungen hatte, mit ihren Vasallen Kompromisse einzugehen, die der souveränen Gewalt Abbruch taten.

Bedeutete die Wahl der Deputierten durch das allgemeine Stimmrecht auch eine Neuerung, so darf doch nicht vergessen werden, daß die Cortes von 1812 selbst durch das allgemeine Stimmrecht gewählt waren und ebenso alle Juntas; daß eine Beschränkung des allgemeinen Wahlrechts also eine Verletzung eines vom Volke bereits eroberten Rechts gewesen wäre; und daß endlich eine Wahlberechtigung nach Maßgabe des Besitzes zu einer Zeit, wo <471> fast aller Grundbesitz Spaniens in der toten Hand aufgespeichert war, die große Masse der Bevölkerung ausgeschlossen hätte.

Der Zusammentritt der Vertreter in einem einzigen Hause ist keineswegs der französischen Konstitution von 1791 nachgeahmt, wie es die verdrießlichen englischen Tories darstellen. Unsere Leser wissen bereits, daß seit der Zeit Carlos I. (Kaiser Karls V.) die Aristokratie und die Geistlichkeit ihre Sitze in den Cortes von Kastilien verloren hatten. Aber selbst zu den Zeiten, als die Cortes in Brazas (Zweige) geteilt waren, die die verschiedenen Stände repräsentierten, versammelten sie sich in einem einzigen Saale, nur durch die Sitzordnung getrennt, und gaben gemeinsam ihre Stimmen ab. Von allen Provinzen, in denen zur Zeit der französischen Invasion die Cortes überhaupt noch wirkliche Macht besaßen, hatte nur Navarra die alte Gepflogenheit beibehalten, die Cortes nach Ständen einzuberufen; in den Vascongadas <baskischen Provinzen> aber ließen die ganz und gar demokratischen Körperschaften nicht einmal die Geistlichkeit zu. Außerdem hatten Adel und Geistlichkeit, wenn sie ihre verhaßten Privilegien zu wahren gewußt hatten, längst aufgehört, selbständige politische Körperschaften zu bilden, deren Existenz die Grundlage der Zusammensetzung der alten Cortes bildete.

Die Trennung der Gerichts- von der Exekutivgewalt, die die Cortes von Cadiz verfügt hatten, wurde schon seit dem achtzehnten Jahrhundert von den hervorragendsten Staatsmännern Spaniens gefordert; und der allgemeine Haß, den sich der Consejo Real seit dem Beginn der Revolution zugezogen hatte, machte die Notwendigkeit, die Gerichtshöfe auf ihre eigentliche Aktionssphäre zurückzuführen, allgemein spürbar.

Der Teil der Konstitution, der sich auf die Munizipalverwaltung der Gemeinden bezieht, ist echt spanischen Ursprungs, wie wir schon in einem früheren Artikel zeigten. Die Cortes stellten nur das alte Munizipalsystem wieder her, indem sie es gleichzeitig seines mittelalterlichen Charakters entkleideten. Die Provinzialdeputationen, die für die innere Verwaltung der Provinzen mit derselben Gewalt ausgestattet waren wie die Ayuntamientos für die Verwaltung der Gemeinden, waren von den Cortes nach dem Muster ähnlicher Institutionen gebildet worden, wie sie zur Zeit der Invasion noch in Navarra, Biskaya und Asturien bestanden. Als sie die Befreiung vom Militärdienst abschafften, sanktionierten die Cortes nur das, was während des Unabhängigkeitskrieges allgemein üblich geworden war. Die Abschaffung der Inquisition bedeutete ebenfalls nichts anderes als die Sanktionierung einer Tatsache; das Heilige Amt, obgleich von der Zentraljunta wieder eingesetzt, hatte den- <472> noch nicht gewagt, seine Tätigkeit wiederaufzunehmen, und seine heiligen Mitglieder waren ganz zufrieden, ihre Gehälter einzustreichen und klugerweise auf bessere Zeiten zu warten. Bei der Abschaffung der feudalen Mißbräuche gingen die Cortes nicht einmal so weit wie die Reformvorschläge der berühmten Denkschrift Jovellanos', die er 1795 dem Consejo Real im Namen der Ökonomischen Gesellschaft von Madrid überreichte.

Schon zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts hatten die Minister des aufgeklärten Despotismus - Floridablanca und Campomanes - begonnen Schritte in dieser Richtung zu unternehmen. Auch darf man nicht vergessen, daß gleichzeitig mit den Cortes eine französische Regierung in Madrid saß, die in sämtlichen durch die Armeen Napoleons unterworfenen Provinzen alle klerikalen und feudalen Einrichtungen hinweggefegt und das moderne Verwaltungssystem eingeführt hatte. Die bonapartistischen Blätter stellten es so dar, als sei der ganze Aufstand allein durch die Machenschaften und Bestechungen Englands hervorgerufen worden, unterstützt durch die Mönche und die Inquisition. Wie sehr jedoch der Wetteifer mit der Regierung des Eindringlings die Entscheidungen der Cortes heilsam beeinflußte, geht daraus hervor, daß die Zentraljunta selbst in ihrem Dekret vom September 1809, das die Einberufung der Cortes ankündigt, die Spanier mit folgenden Worten anredet:

"Unsere Verleumder sagen, wir kämpften, um die alten Mißbräuche und die eingewurzelten Laster unserer korrupten Regierung zu verteidigen. Beweist ihnen, daß euer Kampf dem Glück und der Unabhängigkeit eures Landes gilt; daß ihr von nun an nicht mehr von dem unbestimmten Willen oder der wechselnden Laune eines Einzelnen abhängen wollt" etc.

Andrerseits finden sich in der Konstitution von 1812 unverkennbar die Symptome eines Kompromisses zwischen den liberalen Ideen des achtzehnten Jahrhunderts und den finsteren Traditionen der Pfaffenherrschaft. Es genügt, Artikel 12 zu zitieren, der besagt,

"die Religion der spanischen Nation ist für immer die römisch-katholische, apostolische, die einzig wahre Religion. Die Nation schützt sie durch weise und gerechte Gesetze und verbietet die Ausübung jeder anderen."

Oder Artikel 173, der dem König befiehlt, bei seiner Thronbesteigung folgenden Eid vor den Cortes abzulegen:

"N., durch die Gnade Gottes und die Konstitution der spanischen Monarchie König von Spanien, schwöre ich beim Allmächtigen und den heiligen Evangelisten, daß ich die römisch-katholische, apostolische Religion verteidigen und erhalten werde, ohne eine andere im Königreich zu dulden."

<473> Wir kommen also bei einer sorgfältigen Prüfung der Konstitution von 1812 zu dem Schluß, daß sie, weit entfernt davon, eine sklavische Nachahmung der französischen Konstitution von 1791 zu sein, vielmehr als eine ursprüngliche und originelle Schöpfung spanischen geistigen Lebens anzusprechen ist, die alte nationale Einrichtungen wiederherstellte, Reformen einführte, die von den berühmtesten Schriftstellern und Staatsmännern des achtzehnten Jahrhunderts laut gefordert wurden und den Vorurteilen des Volkes unvermeidliche Konzessionen machte.

VII

["New-York Daily Tribune" Nr. 4250 vom 1. Dezember 1854]

Verschiedenen günstigen Umständen war es zu verdanken, daß in Cadiz die fortschrittlichsten Männer Spaniens zusammenkamen. Als die Wahlen stattfanden, hatte die Bewegung noch nicht nachgelassen, und gerade der Unwille, den die Zentraljunta herausgefordert hatte, kam ihren Gegnern zugute, die zu einem großen Teil der revolutionären Minderheit des Landes angehörten. Beim ersten Zusammentritt der Cortes waren fast ausschließlich die demokratischsten Provinzen Katalonien und Galicien vertreten; die Deputierten von León, Valencia, Murcia und den Balearen kamen erst drei Monate später. Die reaktionärsten Provinzen im Innern des Landes hatten, abgesehen von wenigen Orten, keine Erlaubnis, Wahlen für die Cortes vorzunehmen. Für die verschiedenen Königreiche, Städte und Orte des alten Spaniens, die durch die französischen Armeen gehindert wurden, Deputierte zu wählen, und für die überseeischen Provinzen Neuspaniens, deren Deputierte nicht rechtzeitig eintreffen konnten, wurden Ersatzvertreter gewählt aus der zahlreichen Schar derer, die durch die Kriegswirren aus den Provinzen nach Cadiz verschlagen worden waren, und aus den zahlreichen Südamerikanern, Kaufleuten, Eingeborenen und anderen, die Neugierde oder Geschäfte dorthin getrieben hatten. So kam es, daß die Vertreter dieser Provinzen Leute waren, die mehr Interesse an Neuerungen hatten und von den Ideen des achtzehnten Jahrhunderts mehr durchdrungen waren, als das der Fall gewesen wäre, wenn die Provinzen selbst gewählt hätten. Schließlich war der Umstand von entscheidender Bedeutung, daß die Cortes gerade in Cadiz zusammentraten, denn diese Stadt galt damals als die radikalste im ganzen Königreich und glich mehr einer amerikanischen als einer spanischen Stadt. Ihre Bevölkerung füllte die Galerien des Saales, <474> in dem die Cortes tagten, und hielt die Reaktionäre durch ein System von Einschüchterung und Druck von außen im Zaum, wenn deren Opposition sich allzu widerwärtig breit machte.

Es wäre indes ein großer Irrtum, anzunehmen, daß die Mehrheit der Cortes aus Reformern bestand. Die Cortes waren in drei Parteien geteilt - die Serviles, die Liberales (diese Parteibezeichnungen gingen von Spanien auf ganz Europa über) und die Americanos, die mit der einen oder der anderen Partei stimmten, je nachdem ihr eigenes Interesse es erforderte. Die Serviles, an Zahl weit überlegen, wurden von der Tatkraft, dem Eifer und dem Enthusiasmus der liberalen Minderheit mitgerissen. Die geistlichen Deputierten, die die Mehrheit der Serviles bildeten, waren stets bereit, die königlichen Vorrechte preiszugeben, teils in Erinnerung an den alten Gegensatz zwischen Kirche und Staat, teils weil sie nach Popularität haschten, um sich dadurch die Privilegien und Vorrechte ihrer Kaste zu erhalten. Während der Debatten über das allgemeine Stimmrecht, das Einkammersystem, die Aufhebung des Vermögenszensus und über das aufschiebende Veto hielt sich die geistliche Partei stets zum demokratischeren Teil der Liberales gegen die Anhänger der englischen Konstitution. Einer von ihnen, der Kanonikus Cañedo, später Erzbischof von Burgos, ein unerbittlicher Verfolger der Liberales, wandte sich an Senor Muñoz Torrero" gleichfalls Kanonikus, aber Anhänger der Liberales, mit folgenden Worten:

"Ihr willigt darein, daß der König im Besitz einer ungeheuren Macht verbleibt, aber als Priester müßtet ihr doch viel eher die Sache der Kirche als die des Königs verfechten."

Zu diesen Kompromissen mit der kirchlichen Partei sahen sich die Liberales gezwungen, wie wir schon an einigen Artikeln der Konstitution von 1812 gezeigt haben. Als über die Preßfreiheit verhandelt wurde, erklärten die Pfaffen sie als "religionsfeindlich". Nach ungemein stürmischen Debatten, in denen erklärt wurde, alle Personen hätten die Freiheit, ohne besondere Erlaubnis ihre Meinung zu äußern, nahmen die Cortes doch einstimmig ein Amendement an, das durch die Einführung des Wortes politisch diese Freiheit auf die Hälfte reduzierte und alle Schriften über religiöse Angelegenheiten der Zensur der geistlichen Autoritäten unterstellte gemäß den Beschlüssen des Konzils von Trient. Als am 18. August 1811 ein Gesetz gegen alle diejenigen votiert wurde, die sich gegen die Konstitution verschwören würden, wurde ein weiteres Gesetz angenommen, wonach jeder, der eine Verschwörung anzettelte, um die spanische Nation zum Abfall vom katholischen Glaubensbekenntnis zu veranlassen, als Verräter verfolgt <475> werden und den Tod erleiden sollte. Als das Voto de Santiago abgeschafft war, wurde als Entschädigung eine Resolution durchgesetzt, in der die heilige Teresa de Jesus zur Schutzpatronin von Spanien ernannt wurde. Die Liberalen hüteten sich auch, die Dekrete zur Abschaffung der Inquisition, der Zehnten, der Klöster usw. vorzuschlagen und durchzusetzen, ehe nicht die Konstitution verkündet war. Von diesem Augenblick an wurde jedoch die Opposition der Serviles innerhalb und die der Geistlichkeit außerhalb der Cortes unerbittlich.

Nun, da die Umstände auseinandergesetzt worden sind, denen die Konstitution von 1812 ihren Ursprung und ihre besonderen Merkmale verdankte, bleibt noch immer das Problem: wieso sie bei Ferdinands VII. Rückkehr so plötzlich und ohne Widerspruch verschwinden konnte. Selten hat die Welt ein kläglicheres Schauspiel gesehen. Als Ferdinand am 16. April 1814 in Valencia einfuhr,

"spannte sich das freudig erregte Volk vor seinen Wagen und gab auf jede nur mögliche Art und Weise durch Wort und Tat zu verstehen, daß es das alte Joch wieder auf sich zu nehmen wünschte, indem es rief: 'Lang lebe der absolute König!' 'Nieder mit der Konstitution!'"

In allen großen Städten hatte man die Plaza Mayor, den Hauptplatz, "Plaza de la Constitución" genannt und daselbst einen Stein errichtet, der diese Inschrift trug. In Valencia wurde dieser Stein entfernt und eine provisorische Holzsäule an seine Stelle gesetzt, auf der zu lesen stand: "Real Plaza de Fernando VII". Die Bevölkerung von Sevilla setzte sämtliche bestehenden Behörden ab, wählte andere an ihrer Stelle für alle Ämter, die unter dem alten Regime bestanden hatten, und verlangte von diesen dann die Wiedereinsetzung der Inquisition. Der Wagen des Königs wurde von Aranjuez bis Madrid vom Volke gezogen. Als er ausstieg, nahm ihn der Mob auf die Arme, zeigte ihn im Triumph der ungeheuren Menschenmenge, die vor dem Palast versammelt war, und trug ihn dann in seine Gemächer. Das Wort Freiheit stand in großen bronzenen Lettern über dem Eingang zum Saal der Cortes in Madrid. Der Pöbel eilte hin, um es zu entfernen. Man setzte Leitern an, brach einen Buchstaben nach dem andern gewaltsam aus den Mauern heraus, und so oft einer davon auf das Straßenpflaster geschleudert wurde, erneuerte sich das Triumphgeheul der Zuschauer. Was an Akten der Cortes und an Zeitungen und Flugschriften der Liberales erreichbar war, wurde gesammelt, eine Prozession wurde gebildet, in der die geistlichen Bruderschaften und die weltliche und Ordensgeistlichkeit die Führung übernahmen, die Papiere wurden auf einem der öffentlichen Plätze <476> aufgestapelt und mit ihnen eine Art politisches Autodafé veranstaltet, worauf die heilige Messe zelebriert und als Ausdruck der Dankbarkeit für den erlebten Triumph das Tedeum gesungen wurde. Bemerkenswerter als diese schamlosen Demonstrationen des städtischen Pöbels, der zum Teil für seine Ausschreitungen bezahlt war, zum Teil gleich den neapolitanischen Lazzaroni die liederliche Herrschaft der Könige und Mönche dem nüchternen Regiment des Bürgertums vorzog, erscheint die Tatsache, daß bei den zweiten allgemeinen Wahlen die Serviles einen entscheidenden Sieg davontrugen. Die konstituierenden Cortes wurden am 20. September 1813 durch die ordentlichen Cortes ersetzt, die ihre Sitzungen am 15. Januar 1814 von Cadiz nach Madrid verlegten.

In früheren Artikeln zeigten wir, wie die revolutionäre Partei selbst dazu beitrug, die alten Volksvorurteile wieder zu erwecken und zu stärken, in der Annahme, daß sich aus ihnen ebenso viele Waffen gegen Napoleon würden schmieden lassen. Wir sahen ferner, wie die Zentraljunta gerade in der Zeit, die es gestattet hätte, soziale Veränderungen Hand in Hand mit Maßregeln zur nationalen Verteidigung vorzunehmen, alles tat, was in ihrer Macht stand, um solche zu verhindern und die revolutionären Bestrebungen der Provinzen zu unterdrücken. Die Cortes von Cadiz hinwiederum, die fast während der ganzen Dauer ihres Bestehens von jeder Verbindung mit Spanien abgeschlossen waren, konnten infolgedessen ihre Konstitution und ihre organischen Dekrete erst dann in die Öffentlichkeit bringen, als die französischen Armeen sich zurückzogen. Die Cortes kamen also sozusagen post factum. Die Gesellschaft, an die sie sich wendeten, war ermüdet, erschöpft, leidend. Wie wäre es auch anders möglich gewesen nach einem so langwierigen, ausschließlich auf spanischem Boden geführten Krieg, einem Krieg, in dem die Armeen unausgesetzt in Bewegung waren, indes die Regierung von heute auf morgen beständig wechselte, und in dem es während sechs voller Jahre in ganz Spanien, von Cadiz bis Pamplona, von Granada bis Salamanca auch nicht einen Tag gab, an dem nicht Blut vergossen worden wäre. Es war kaum zu erwarten, daß eine so erschöpfte Gesellschaft sich für die abstrakten Schönheiten einer wie immer beschaffenen Konstitution besonders begeistern würde. Nichtsdestoweniger wurde die neue Konstitution als sie zuerst in Madrid und in den von den Franzosen geräumten Provinzen proklamiert wurde, mit "überströmendem Jubel" begrüßt, denn die Massen erwarten bei einem Regierungswechsel stets ein plötzliches Verschwinden ihrer sozialen Übel. Als sie nun entdeckten, daß die Konstitution nicht die ihr zugeschriebenen Wunderkräfte besaß, verwandelten sich die übertriebenen Erwartungen, mit denen man sie bewillkommnet hatte, in die <477> bitterste Enttäuschung, und bei diesen leidenschaftlichen Südländern ist es nur ein Schritt von der Enttäuschung zum Haß.

Es gab auch sonst noch manche besondere Umstände, die hauptsächlich dazu beitrugen, die Sympathien des Volkes dem konstitutionellen Regime zu entfremden. Die Cortes hatten gegen die Afrancesados oder Josephites die strengsten Dekrete erlassen. Teilweise waren sie dazu durch das Rachegeschrei der Bevölkerung und der Reaktionäre veranlaßt worden, die sich aber sofort gegen die Cortes wandten, als die Dekrete, die sie von ihnen erpreßt hatten, zur Ausführung gelangen sollten. Mehr als zehntausend Familien wurden dadurch in die Verbannung geschickt. Eine Horde kleiner Tyrannen überflutete die von den Franzosen geräumten Provinzen; sie spielten sich als Prokonsuln auf und begannen Untersuchungen, Verfolgungen, Verhaftungen und inquisitorische Maßregeln gegen alle einzuleiten, die sich kompromittiert hatten durch ihre Parteinahme für die Franzosen, durch Annahme von Ämtern oder Ankauf von Nationaleigentum aus deren Händen etc. Statt den Übergang von der französischen zur nationalen Regierung in versöhnlicher und zurückhaltender Weise zu gestalten, tat die Regentschaft alles, was in ihrer Macht stand, um die Leidenschaften aufzupeitschen und die Schwierigkeiten zu verschärfen, die mit einem solchen Wechsel der Herrschaft untrennbar verknüpft sind. Warum aber tat sie das? Um von den Cortes die Suspendierung der Konstitution von l 812 verlangen zu können, die nach ihrer Behauptung diese aufreizenden Wirkungen hervorrief. En passant sei noch bemerkt, daß alle Regentschaften, diese von den Cortes eingesetzten obersten Exekutivbehörden, regelmäßig von den entschiedensten Gegnern der Cortes und ihrer Konstitution gebildet wurden. Diese merkwürdige Tatsache erklärt sich einfach dadurch, daß die Amerikaner stets mit den Serviles zusammengingen, wenn es sich um die Einsetzung der Exekutivgewalt handelte, deren Schwächung sie für notwendig hielten, um die amerikanische Unabhängigkeit vom Mutterland durchzusetzen; eine bloße Disharmonie zwischen der Exekutive und den souveränen Cortes hielten sie hierfür nicht ausreichend. Die Einführung einer einzigen direkten Steuer auf die Einkünfte aus Grundbesitz sowie aus Industrie und Handel erregte ebenfalls die größte Unzufriedenheit des Volkes gegen die Cortes, noch mehr aber die absurden Dekrete, die die Zirkulation von spanischen Geldsorten, die Joseph Bonaparte hatte prägen lassen, verboten und deren Besitzern befahlen, sie gegen nationale Münzen einzutauschen. Gleichzeitig wurde die Zirkulation von französischem Geld verboten und ein Tarif festgesetzt, zu welchem es in nationale Münze eingewechselt werden sollte. Da sich dieser Tarif sehr von demjenigen unterschied, den die Franzosen 1808 für den <478> relativen Wert des spanischen und französischen Geldes aufgestellt hatten, so erlitten viele Privatpersonen große Verluste. Diese sinnlose Verfügung trug auch dazu bei, den Preis der wichtigsten Bedarfsartikel zu erhöhen, der ohnehin schon hoch über dem Durchschnitt stand.

Die Klassen, die an der Abschaffung der Konstitution von 1812 und an der Wiederherstellung des alten Regimes am meisten interessiert waren - die Granden, die Geistlichkeit, die Mönchsorden und die Juristen -, ließen es an nichts fehlen, die Unzufriedenheit des Volkes aufs äußerste zu schüren, welche ihre Ursache in den unglückseligen Verhältnissen hatte, die die Einführung des konstitutionellen Regimes in Spanien kennzeichneten. Daher der Sieg der Serviles bei den allgemeinen Wahlen von 1813.

Nur von seiten der Armee konnte der König ernsthaften Widerstand erwarten; doch General Elio und seine Offiziere brachen den auf die Konstitution geleisteten Eid, proklamierten Ferdinand VII. in Valencia zum König, ohne die Konstitution auch nur zu erwähnen. Dem Beispiel Elios folgten bald die anderen militärischen Befehlshaber.

In dem Dekret vom 4. Mai 1814, mit dem Ferdinand VII. die Cortes von Madrid auflöste und die Konstitution von 1812 aufhob, gab er gleichzeitig seinem Haß gegen jeglichen Despotismus Ausdruck, versprach, die Cortes unter den alten gesetzlichen Formen wieder einzuberufen, eine vernünftige Preßfreiheit einzuführen etc. Sein Versprechen hielt er auf die einzige Art und Weise, die dem spanischen Volk für den Empfang gebührte, den es ihm bereitet hatte: er schaffte alle Gesetze der Cortes wieder ab, stellte den vorherigen Stand der Dinge wieder her, setzte die heilige Inquisition wieder ein, rief die Jesuiten zurück, die sein Großvater verbannt hatte, verhängte über die hervorragendsten Mitglieder der Juntas, der Cortes und ihre Anhänger Galeerenstrafen, afrikanisches Gefängnis oder Exil und verurteilte schließlich die berühmtesten Guerillaführer Porlier und de Lacy zum Tode durch Erschießen.

VIII

["New-York Daily Tribune" Nr. 4251 vom 2. Dezember 1854]

Während des Jahres 1819 wurde in der Umgegend von Cadiz eine Expeditionsarmee zum Zwecke der Wiedereroberung der aufrührerischen amerikanischen Kolonien ausgerüstet. Enrique O'Donnell, Graf La Bisbal, der Onkel von Leopoldo O'Donnell, dem jetzigen spanischen Minister, wurde mit dem Kommando betraut. Die früheren Expeditionen gegen <479> Spanisch-Amerika hatten in den fünf Jahren seit 1814 14.000 Mann verschlungen und waren auf so widerliche und leichtfertige Art in Szene gesetzt worden, daß sie in der Armee sehr verhaßt waren und in dem Ruf standen, eigentlich nur ein heimtückisches Mittel zu sein, um unzufriedene Regimenter loszuwerden. Einige Offiziere, darunter Quiroga, Lopez Baños, San Miguel (der jetzige spanische Lafayette), O'Daly und Arco Aguero, beschlossen, die Unzufriedenheit der Soldaten zu benutzen, um das Joch abzuschütteln und die Konstitution von 1812 zu proklamieren. Als La Bisbal in den Plan eingeweiht wurde, versprach er, sich an die Spitze der Bewegung zu stellen. Die Häupter der Verschwörung bestimmten im Einverständnis mit ihm, daß am 9. Juli 1819, dem Tag der großen Heerschau der Expeditionstruppen, mitten in diesem feierlichen Akt der große Schlag erfolgen sollte. La Bisbal erschien wohl pünktlich bei der Heerschau, statt aber sein Wort zu halten, gab er Befehl, die verschworenen Regimenter zu entwaffnen, schickte Quiroga und die anderen Anführer ins Gefängnis und sandte eilends einen Kurier nach Madrid, sich rühmend, er habe eine überaus schreckliche Katastrophe abgewendet. Beförderung und Orden waren sein Lohn; als aber der Hof später genauere Informationen erhielt, entzog man ihm das Kommando und beorderte ihn in die Hauptstadt zurück. Dies ist derselbe La Bisbal, der 1814, zur Zeit der Rückkehr des Königs nach Spanien, einen seiner Stabsoffiziere mit zwei Briefen zu Ferdinand schickte. Da er örtlich zu weit entfernt war, um des Königs Verhalten beobachten zu können und sein Benehmen danach einzurichten, so verherrlichte La Bisbal in einem der Briefe die Konstitution von 1812 in hochtrabenden Worten, für den Fall, daß der König den Eid auf sie ablegen werde. In dem anderen Briefe stellte er im Gegenteil das konstitutionelle System als einen anarchischen, konfusen Zustand dar, beglückwünschte Ferdinand dazu, es ausgetilgt zu haben, und stellte sich und seine Armee zur Verfügung, um gegen die Rebellen, Demagogen und Feinde von Thron und Altar vorzugehen. Der Offizier lieferte den zweiten Brief ab, der von dem Bourbonen huldvollst entgegengenommen wurde.

Ungeachtet dieser Symptome der Rebellion, die sich in der Expeditionsarmee zeigten, verharrte die Madrider Regierung, an deren Spitze der Herzog von San Fernando, damaliger Minister des Auswärtigen und Präsident des Kabinetts, stand, in unerklärlicher Apathie und Untätigkeit und tat nichts, um die Expedition zu beschleunigen oder die Armee auf verschiedene Seehafenstädte zu verteilen. Unterdessen einigten sich Don Rafael del Riego, der das zweite Bataillon von Asturien kommandierte, das damals in Las Cabezas de San Juan stationiert war, Quiroga, San Miguel und andere militärische <480> Führer von der Isla de León, denen es gelungen war, aus dem Gefängnis zu fliehen, zu einem gleichzeitigen Vorstoß. Riegos Position war die bei weitem schwierigste. Die Gemeinde Las Cabezas lag im Mittelpunkt dreier der wichtigsten Quartiere der Expeditionsarmee, dem der Kavallerie in Utrera, dem der zweiten Infanteriedivision in Lebrija und dem eines Guidenbataillons in Arcos, wo sich der Oberbefehlshaber und der Stab befanden. Obwohl das in Arcos stationierte Bataillon die doppelte Stärke des asturischen hatte, gelang es Riego doch am 1. Januar 1820, Befehlshaber und Stab zu überrumpeln und gefangenzunehmen. Er proklamierte noch am selben Tage in dieser Gemeinde die Konstitution von 1812, wählte einen provisorischen Alkalden, und nicht zufrieden damit, die ihm übertragene Aufgabe gelöst zu haben, brachte er die Guiden auf seine Seite, überrumpelte das aragonische Bataillon in Bornos, marschierte von Bornos nach Jeres, von Jeres nach Puerto de Santa Maria, proklamierte überall die Konstitution, bis er am 7. Januar Isla de León erreichte, wo er die von ihm gemachten Militärgefangenen in der Festung St. Petri einlieferte. Entgegen der früheren Abmachung hatten Quiroga und seine Anhänger sich nicht durch einen Handstreich der Brücke von Suazo und dann der Isla de León bemächtigt, sondern waren bis zum 2. Januar untätig geblieben, bis ihnen Oltra, der Bote Riegos, offizielle Nachricht von der Überrumpelung Arcos und der Gefangennahme des Stabs überbrachte.

Die Gesamtmacht der Revolutionsarmee, deren Oberbefehl Quiroga übergeben wurde, belief sich auf nicht mehr als 5.000 Mann, die sich, als ihre Angriffe auf die Tore von Cadiz abgeschlagen waren, auf der Isla de León eingeschlossen sahen.

"Unsere Situation", sagt San Miguel, "war eine außergewöhnliche; diese Revolution, die 25 Tage lang stillstand, ohne einen Zollbreit an Boden zu gewinnen oder zu verlieren, stellte eine der merkwürdigsten politischen Erscheinungen dar."

Die Provinzen schienen in einen lethargischen Schlummer verfallen. Das dauerte den ganzen Januar. Am Ende des Monats bildete Riego, der befürchtete, das Feuer der Revolution könnte in Isla de León ausgelöscht werden, gegen den Rat Quirogas und der anderen Führer eine bewegliche Kolonne von 1.500 Mann, marschierte durch einen Teil Andalusiens angesichts einer ihn verfolgenden Macht, die zehnmal stärker war als er, und proklamierte die Konstitution in Algeciras, Ronda, Malaga, Cordoba und anderen Orten. Er wurde überall von den Bewohnern freundlich empfangen, rief aber nirgends ein ernsthaftes Pronunziamiento hervor. Inzwischen schien seinen Verfolgern, die unterdessen einen vollen Monat in nutzlosen Märschen und <481> Kontermärschen vergeudet hatten, nichts mehr am Herzen zu liegen, als soviel wie möglich jedes nähere Zusammentreffen mit seiner kleinen Armee zu vermeiden. Das Verhalten der Regierungstruppen war völlig unbegreiflich. Riegos Expedition, die am 27. Januar 1820 begonnen hatte, endete am 11. März, wo er sich gezwungen sah, die wenigen Leute zu entlassen, die ihm noch gefolgt waren. Sein kleines Korps wurde nicht in einer entscheidenden Schlacht auseinandergesprengt, es verschwand vielmehr teils aus Erschöpfung, teils infolge unaufhörlicher kleiner Zusammenstöße mit dem Feind, teils infolge Krankheit und Desertion. Die Situation der Aufständischen auf der Isla [de León] war unterdessen keineswegs hoffnungsvoll. Sie waren nach wie vor zu Wasser und zu Lande eingeschlossen, und in der Stadt Cadiz selbst wurde jede Parteinahme für ihre Sache von der Garnison unterdrückt. Wie also konnte es geschehen, daß, nachdem doch Riego am 11. März in der Sierra Morena seine verfassungstreuen Truppen hatte auflösen müssen, Ferdinand VII. am 9. März in Madrid gezwungen war, auf die Konstitution zu schwören, so daß Riego tatsächlich sein Ziel erreichte, genau zwei Tage bevor er endgültig an seiner Sache verzweifelt war?

Der Vormarsch von Riegos Kolonne hatte aufs neue die allgemeine Aufmerksamkeit wachgerufen; die Provinzen waren voll Erwartung und beobachteten gespannt jede Bewegung. Die Gemüter, erregt durch Riegos kühnen Ausfall, durch die Schnelligkeit seines Vormarsches, seine kräftige Abwehr des Feindes, sahen Triumphe, wo keine waren, und glaubten an Verstärkungen und an eine Anhängerschaft, die nie gewonnen worden war. Als die Nachrichten von Riegos Unternehmen die entfernteren Provinzen erreichten, waren sie schon ins Ungeheuerliche gewachsen, und die vom Schauplatz entferntesten waren die ersten, die sich für die Konstitution von 1812 erklärten. So reif war Spanien für eine Revolution, daß selbst falsche Nachrichten genügten, sie hervorzurufen. Auch 1848 waren es falsche Nachrichten, die den revolutionären Orkan entfesselten.

In Galicien, Valencia, Saragossa, Barcelona und Pamplona brachen nacheinander Aufstände aus. Enrique O'Donnell alias Graf von La Bisbal, den der König zum bewaffneten Widerstand gegen Riegos Expedition aufrief, erbot sich nicht nur, ihm entgegenzutreten, sondern auch seine kleine Armee zu vernichten und sich seiner Person zu bemächtigen. Er verlangte nichts als das Kommando über die Truppen, die in der Provinz von La Mancha lagen, und Geld für seine eigenen Bedürfnisse. Der König selbst gab ihm eine Börse voll Gold und die nötigen Befehle für die Truppen von La Mancha. Bei seiner Ankunft in Ocaña stellte sich La Bisbal jedoch an die Spitze der Truppen und proklamierte die Konstitution von 1812. Als die Nachricht von <482> diesem Abfall nach Madrid gelangte, wurden die Gemüter so erregt, daß sofort die Revolution ausbrach. Die Regierung begann nun mit der Revolution zu unterhandeln. In einem Dekret, datiert vom 6. März, erbot sich der König, die alten Cortes zusammenzuberufen, die nach Estamentos (Ständen) versammelt waren; damit war jedoch keine der Parteien einverstanden, weder die der alten Monarchie, noch die der Revolution. Bei seiner Rückkehr aus Frankreich hatte der König sie mit demselben Versprechen ködern wollen und war dann wortbrüchig geworden. Als nun in der Nacht des 7. März in Madrid revolutionäre Demonstrationen stattfanden, veröffentlichte die "Gaceta" vom 8. ein Dekret, worin Ferdinand VII. versprach, auf die Konstitution von 1812 zu schwören. In diesem Dekret sagt er:

"Laßt uns alle, mich voran, von nun ab aufrichtig den Weg der Konstitution beschreiten."

Als sich das Volk am 9. seines Palastes bemächtigte, vermochte er sich nur dadurch zu retten, daß er das Madrider Ayuntamiento von 1814 wiedereinsetzte und vor demselben den Eid auf die Konstitution leistete. Was machte er sich schon aus einem Meineid? Hatte er doch immer einen Beichtvater zur Hand, stets bereit, ihm vollste Absolution von jeder nur möglichen Sünde zu gewähren. Gleichzeitig wurde eine beratende Junta eingesetzt, deren erstes Dekret die politischen Gefangenen befreite und die politischen Flüchtlinge zurückrief. Aus den nun geöffneten Gefängnissen zog das erste konstitutionelle Ministerium in den königlichen Palast ein. Castro, Herreros und A. Argüelles, die dieses erste Ministerium bildeten, waren Märtyrer von 1814 und Deputierte von 1812. Die eigentliche Ursache des Enthusiasmus bei Ferdinands Thronbesteigung war die Freude über die Entfernung Karls IV., seines Vaters. Und so auch war die Ursache der allgemeinen Begeisterung über die Proklamation der Konstitution von 1812 Freude über die Beseitigung Ferdinands VII. Was die Konstitution selbst betrifft, so wissen wir, daß, als sie vollendet war, es keine Gebiete gab, wo sie hätte verkündet werden können. Für die Mehrheit des spanischen Volks glich sie dem unbekannten Gott, den die alten Athener anbeteten.

Die englischen Schriftsteller unserer Tage behaupten mit deutlicher Anspielung auf die jetzige spanische Revolution einerseits, die Bewegung von 1820 sei bloß eine Militärverschwörung, andrerseits, sie sei nur eine russische Intrige gewesen. Beide Behauptungen sind gleich lächerlich. Wir sahen, daß trotz des Mißlingens des Militäraufstandes die Revolution siegte. Das Rätselhafte liegt nicht in der Verschwörung der 5.000 Soldaten, sondern darin, daß diese Verschwörung sanktioniert wurde von einer Armee von <483> 35.000 Mann und von einer höchst loyalen Nation von zwölf Millionen. Warum die Revolution zuerst gerade innerhalb der Reihen der Armee ausbrach, erklärt sich leicht dadurch, daß die Armee die einzige unter allen Körperschaften der spanischen Monarchie war, die durch den Unabhängigkeitskrieg von Grund aus verändert und revolutioniert war. Was die russische Intrige betrifft, so läßt es sich nicht leugnen, daß Rußland seine Hände bei der spanischen Revolution mit im Spiele hatte; daß von allen europäischen Mächten Rußland zuerst die Konstitution von 1812 im Vertrag von Welikije Luki vom 20. Juli 1812 anerkannte, daß Rußland es war, das zuerst die Revolution von 1820 entfachte, das sie zuerst an Ferdinand VII. verriet, das zuerst die Fackel der Konterrevolution an verschiedenen Punkten der Halbinsel entzündete, das zuerst feierlich vor Europa gegen die Revolution protestierte und das endlich Frankreich zum bewaffneten Einschreiten gegen sie zwang. Herr von Tatischtschew, der russische Gesandte, war sicherlich die hervorragendste Persönlichkeit am Hof von Madrid - das unsichtbare Haupt der Kamarilla. Es war ihm gelungen, Antonio Ugarte, einen Wicht von niedriger Herkunft, bei Hofe einzuführen und ihn zum Haupt der Ordensbrüder und Lakaien zu machen, die in ihren Hintertreppenkonferenzen das Zepter im Namen Ferdinands VII. schwangen. Tatischtschew machte Ugarte zum Generaldirektor der Expeditionen gegen Südamerika, und Ugarte ernannte den Herzog von San Fernando zum Minister des Auswärtigen und Präsidenten des Kabinetts. Ugarte vermittelte den Ankauf morscher Schiffe von Rußland für die Südamerika-Expedition, wofür er mit dem St. Annenorden ausgezeichnet wurde. Ugarte hinderte Ferdinand und seinen Bruder Don Carlos daran, im ersten Augenblick der Krise vor der Armee zu erscheinen. Er war der geheimnisvolle Urheber der unbegreiflichen Apathie des Herzogs von San Fernando und der Maßnahmen, über die sich ein spanischer Liberaler in Paris 1836 mit den Worten äußerte:

"Man kann sich kaum der Überzeugung verschließen, daß die Regierung selbst die Mittel dazu lieferte, die bestehende Ordnung der Dinge über den Haufen zu werfen."

Wenn wir daneben noch auf die merkwürdige Tatsache verweisen, daß der Präsident der Vereinigten Staaten in seiner Botschaft Rußland dafür dankte, weil es ihm versprochen habe, zu verhindern, daß Spanien sich mit den südamerikanischen Kolonien befasse, so bleibt wohl kaum ein Zweifel über die Rolle, die Rußland in der spanischen Revolution spielte. Was beweist aber dies alles? Etwa, daß Rußland die Revolution von 1820 machte? Keineswegs. Es beweist nur, daß Rußland die spanische Regierung hinderte, ihr <484> entgegenzutreten. Daß die Revolution früher oder später die absolute, mönchische Monarchie Ferdinands VII. gestürzt hätte, beweist: 1. die Reihe von Verschwörungen, die seit 1814 einander folgten; 2. das Zeugnis des Herrn de Martignac, des französischen Kommissars, der den Herzog von Angoulême zur Zeit der legitimistischen Invasion in Spanien begleitete; 3. das unwiderleglichste Zeugnis - das von Ferdinand selbst.

Im Jahre 1814 beabsichtigte Mina eine Erhebung in Navarra, gab das erste Zeichen zum Widerstand durch einen Aufruf zu den Waffen und marschierte in die Festung von Pamplona ein; dann aber mißtraute er seinen eigenen Anhängern und floh nach Frankreich. 1815 proklamierte General Porlier, einer der berühmtesten Guerilleros aus dem Unabhängigkeitskrieg, in La Coruña die Konstitution. Er wurde enthauptet. 1816 wollte Richard den König in Madrid gefangennehmen. Er wurde gehängt. 1817 büßten der Advokat Navarro und vier seiner Mitschuldigen in Valencia auf dem Schafott ihr Leben ein, weil sie die Konstitution von 1812 proklamiert hatten. In demselben Jahre wurde der unerschrockene General Lacy in Majorca erschossen, weil er sich desselben Vergehens schuldig gemacht hatte. 1818 wurden Oberst Vidal, Kapitän Sola und andere, die in Valencia die Konstitution von 1812 öffentlich proklamiert hatten, ergriffen und dem Schwert ausgeliefert. Die Verschwörung von Isla de León bildete dann nur das letzte Glied in der Kette, die aus den blutigen Häuptern so manches tapferen Mannes in den Jahren 1808 bis 1814 entstanden war.

Herr de Martignac, der 1833, kurz vor seinem Tode, sein Werk "L'Espagne et ses Révolutions" veröffentlichte, spricht sich folgendermaßen aus:

"Zwei Jahre waren vergangen, seit Ferdinand VII. sein absolutes Regime wieder aufgenommen hatte, und noch immer dauerten die Verfolgungen an, welche von einer Kamarilla ausgingen, die sich aus dem Abschaum der Menschheit zusammensetze. Die ganze Staatsmaschinerie war von unterst zu oberst gekehrt. Unordnung. Stumpfsinn, Verwirrung herrschten überall. Die Steuern waren höchst ungleich verteilt, der Zustand der Finanzen war erbärmlich, für die Anleihen gab es keinen Kredit, und keine Möglichkeit war vorhanden, die dringendsten Erfordernisse des Staates zu decken. Die Armee blieb ohne Sold, die Beamten entschädigten sich durch Bestechung, die korrupte und untätige Verwaltung war außerstande, etwas zu verbessern oder auch nur das Vorhandene zu erhalten. Daher die allgemeine Unzufriedenheit des Volkes. Das neue konstitutionelle System wurde von den großen Städten, den Handels- und Gewerbetreibenden, den Angehörigen der freien Berufe. der Armee und dem Proletariat mit Enthusiasmus begrüßt. Es widersetzten sich ihm die Mönche, und es verblüffte die Landbevölkerung."

So lauten die Bekenntnisse eines sterbenden Mannes, der als Hauptwerkzeug bei der Zerstörung dieses neuen Systems diente. Ferdinand VII. <485> bestätigt in seinen Dekreten vom 1. März 1817, vom 11. April 1817, vom 1. Juni 1817, vom 24. November 1819 etc. wörtlich die Behauptungen des Herrn de Martignac und faßt seine Klagen in die Worte zusammen:

"Der Jammer des klagenden Volkes, der zu den Ohren unserer Majestät dringt, nimmt kein Ende."

Daraus geht hervor, daß es keines Tatischtschews bedurfte, um eine spanische Revolution zuwege zu bringen.

Spanien - Intervention

Geschrieben am 21. November 1854.
Aus dem Englischen.

<631> ... <Der Anfang der Handschrift fehlt> Banner der Revolution die Armee Ballesteros', die nach der Kapitulation seines Stabes immer noch bei Priego, zehn Seemeilen nördlich von Malaga, konzentriert war. Auf dieser, seiner zweiten Cadiz-Expedition wurde er <Riego> von einer Truppenabteilung General Molitors gefangengenommen, der apostolischen Bande ausgeliefert und nach Madrid gebracht, um dort am 7. November, vier Tage vor Ferdinands Rückkehr in die Hauptstadt, hingerichtet zu werden.

"Non por su culpa caía Riego:
por traición
de un vil Borbón."
("Nicht durch eigene Schuld fiel Riego, sondern
durch den Verrat eines schändlichen Bourbonen.")

Als Ferdinand bei seiner Ankunft in Madrid von den Offizieren der Glaubensbanden begrüßt und beglückwünscht wurde, rief er, nachdem sie sich zurückgezogen hatten, inmitten seines Hofes aus: "Es sind die gleichen Hunde, nur mit anderen Halsbändern."

Die Anzahl der Mönche, die im Jahre 1822 16.310 Personen betrug, belief sich 1830 auf 61.727, was ein Anwachsen um 45.417 im Laufe von 8 Jahren bedeutet. Aus der Madrider "Gaceta" ersehen wir, daß allein in einem Monat, vom 24. August bis zum 24. September 1824, 1.200 Personen erschossen, gehängt und gevierteilt wurden; und damals war das barbarische Dekret gegen Comuneros, Freimaurer usw. noch nicht veröffentlicht. Die Universität von Sevilla wurde auf Jahre hinaus geschlossen, doch statt dessen wurde eine staatliche Stierkampfschule errichtet.

Friedrich der Große fragte in einer Unterhaltung mit seinem Kriegsminister, welches Land Europas nach seiner Meinung am schwersten zu <632> vernichten sei. Als er bemerkte, daß sein Minister ziemlich verwirrt war, antwortete er für ihn:

"Das ist Spanien, da dessen eigene Regierung sich seit vielen Jahren bemüht, es zu ruinieren - doch alles umsonst."

Friedrich der Große scheint die Regierung Ferdinands VII. vorausgesehen zu haben.

Die Niederlage der Revolution von 1820-1823 kann leicht erklärt werden. Es war eine bürgerliche Revolution, genauer, eine Stadtrevolution, während das Land - unwissend, träge, den pompösen Zeremonien der Kirche ergeben - passiver Beobachter des Parteistrebens blieb, welches es kaum verstand. In den wenigen Provinzen, in denen es ausnahmsweise aktiv am Kampf teilnahm, geschah es eher auf der Seite der Konterrevolution - eine Tatsache, über die man sich in Spanien nicht zu wundern braucht, "diesem Lagerhaus alter Gebräuche, diesem Verwahrungsort all dessen, was anderswo vergessen und vergangen ist", ein Land, in dem während des Unabhängigkeitskrieges Bauern gesehen wurden, die Sporen aus dem Waffenarsenal der Alhambra benutzten und mit Hellebarden und Piken merkwürdiger und uralter Handwerkskunst bewaffnet waren, welche in den Kriegen des 15. Jahrhunderts benutzt worden waren. Außerdem war es eine spanische Eigentümlichkeit, daß jeder Bauer, der über der Tür seiner armseligen Hütte eine in Stein gehauene edle Inschrift hatte, sich für einen Edelmann hielt, und daß deshalb die Landbevölkerung im allgemeinen, wenngleich arm und ausgeplündert, niemals unter jenem Bewußtsein gemeiner Erniedrigung ächzte, das sie in dem übrigen feudalen Europa verbitterte. Daß die revolutionäre Partei nicht wußte, wie die Interessen der Bauernschaft mit der städtischen Bewegung zu verbinden waren, wird durch zwei Männer bestätigt, die beide eine wesentliche Rolle in der Revolution spielten, durch General Morillo und durch San Miguel. Morillo, der keiner revolutionären Sympathien verdächtigt werden kann, schrieb aus Galicien an den Herzog von Angoulême:

"Wenn die Cortes das Gesetz über die Rechte der Señores angenommen hätten und damit die Granden ihres Besitzes zugunsten des Pöbels beraubt hätten, wäre Eure Hoheit auf zahlreiche, patriotische und furchtbare Armeen gestoßen, die sich selbst organisiert hätten, wie sie es unter ähnlichen Verhältnissen in Frankreich getan haben."

Andrerseits erzählt uns San Miguel (siehe seinen "Bürgerkrieg in Spanien", Madrid 1836):

"Der größte Irrtum der Liberalen bestand in der Nichtbeachtung der Tatsache, daß der weitaus größte Teil der Nation den neuen Gesetzen gleichgültig oder feindlich <633> gegenüberstand. Die zahlreichen von den Cortes erlassenen Dekrete zur Verbesserung der materiellen Lage des Volkes waren nicht imstande, so unmittelbare Ergebnisse hervorzubringen, wie sie die Umstände erforderten. Weder die Senkung der Zehnten um die Hälfte, noch der Verkauf der Klostergüter trugen dazu bei, die materiellen Bedingungen der unteren Schichten der Landbevölkerung zu verbessern. Im Gegenteil, die letzte Maßnahme, durch die das Land aus den Händen der nachsichtigen Mönche in die der berechnenden Kapitalisten überging, verschlechterte die Lage der alten Farmer, indem ihnen höhere Pachtsummen auferlegt wurden, so daß der Aberglaube dieser zahlreichen Klasse, der bereits durch die Veräußerung geheiligten Kirchenvermögens verletzt war, durch die Berührung materieller Interessen noch vergrößert wurde."

Die revolutionäre Stadtbevölkerung, damit von der Masse der Nation isoliert, war deshalb in ihrem Kampf gegen die Granden, die Landgeistlichkeit, die Klostermacht und die Krone, die alle diese überlebten Elemente der Gesellschaft vertrat, gezwungen, sich ganz und gar auf die Armee und ihre Führer zu verlassen. Gerade diese Stellung, die die Armee im revolutionären Lager einnahm, nebst ihrer Isolierung von den Massen, machte sie zu einem gefährlichen Instrument für diejenigen, die es benutzten, doch harmlos für den Feind, den es schlagen sollte. Schließlich wurden die oberen Schichten der Bourgeoisie, die sogenannten Moderados, schnell gleichgültig gegenüber der Revolution, um sie später zu verraten, wobei sie sich in der Hoffnung wiegten, sie könnten ihre Macht durch eine französische Intervention errichten und somit ohne Mühe die Früchte einer neuen Gesellschaft genießen und ohne die Plebejer an ihnen teilhaben zu lassen.

Das positive Resultat der Revolution von 1820-1823 war nicht auf die große Gärung beschränkt, welche den Gesichtskreis einiger großer Klassen der Nation erweiterte und ihren Charakter erneuerte. Die zweite Restauration, durch welche die überlebten Elemente der Gesellschaft derartige Formen annahmen, daß sie unerträglich und mit der nationalen Existenz Spaniens unvereinbar wurden, war selbst ein Produkt der Revolution. Ihr Hauptwerk bestand darin, den Antagonismus bis zu einem solchen Punkt zu steigern, daß jeder Kompromiß unmöglich und ein Krieg bis aufs Messer unvermeidlich wurde. Lord Liverpool zufolge wurde eine größere politische Veränderung niemals mit weniger Gewalt oder Blutvergießen durchgeführt als die spanische Revolution der Jahre 1820-1823. Wenn wir daher den Bürgerkrieg von 1833-1843 betrachten, der die überlebten Elemente der spanischen Gesellschaft mit Feuer und Schwert ausrottete und sich durch kannibalische Akte erniedrigte, dürfen wir die wilde Unerbittlichkeit dieser Epoche nicht dem besonderen Charakter der spanischen Nation zuschreiben, <634> sondern derselben Macht der Umstände, welche Frankreich die Herrschaft des Terrors aufgezwungen hat. Während die Franzosen zentralisierten und damit die Herrschaft des Terrors abkürzten, dezentralisierten die Spanier ihren Traditionen getreu, und verlängerten sie dadurch. Der spanischen Tradition entsprechend konnte die revolutionäre Partei schwerlich siegreich sein, indem sie den Thron stürzte. Um in Spanien erfolgreich zu sein, mußte die Revolution selber als Mitbewerber für den Thron auftreten. Der Kampf der beiden Gesellschaften mußte die Form eines Kampfes entgegengesetzter dynastischer Interessen annehmen. Das Spanien des 19. Jahrhunderts führte seine Revolution mit Leichtigkeit durch, als es ihr die Form der Bürgerkriege des 14. Jahrhunderts geben konnte. Es war Ferdinand der Siebente, der der Revolution einen königlichen Namen gab - den der Isabella; während er sich mit der Konterrevolution verband, mit dem Don Quixote des Autodafé, Don Carlos. Ferdinand VII. erwies sich seinem Charakter treu bis zum Ende. Wenn er während seines ganzen Lebens die Liberales durch falsche Versprechungen getäuscht hatte, sollte er sich nicht den Spaß erlauben, auf seinem Totenbett die Serviles zu betrügen? In religiösen Dingen war er immer ein Skeptiker gewesen. Ihn konnte nichts davon überzeugen, daß irgend jemand - nicht einmal der Heilige Geist - so einfältig sein könnte, die Wahrheit zu sagen.