Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 9, S. 67-74
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1960

Karl Marx

Unruhen in Konstantinopel -
Tischrücken in Deutschland -
Das Budget

Aus dem Englischen.


["New-York Daily Tribune" Nr. 3761 vom 6. Mai 1853]

<67> London, Freitag, 22. April 1853

Nach einer telegraphischen Depesche sollen sich am 12. d.M. in Konstantinopel und Umgebung große Tumulte abgespielt haben, bei denen von dem fanatischen türkischen Mob fünfzehn Christen getötet oder verwundet wurden.

"Die Ordnung wurde mit Hilfe des Militärs sofort wiederhergestellt."

Eine andere Depesche aus Kopenhagen meldet, daß die Kammer oder das Folketing die Regierungsbotschaft über die vorgeschlagene Erbfolge der dänischen Krone verworfen habe. Das können wir als einen erheblichen Dämpfer für die russische Diplomatie ansehen, deren Interessen diese Botschaft dem Londoner Protokoll zufolge zum Ausdruck brachte. Dieses Londoner Protokoll erkennt nämlich Rußland als letzten Erben des dänischen Königreichs an.

Aus Den Haag erfahren wir, daß in Holland jetzt große Erregung herrscht - wie ungefähr vor zwei Jahren in England im Zusammenhang mit der "katholischen Aggression". Diese Erregung hat zur Bildung eines ultra-protestantischen Ministeriums geführt. Was Deutschland betrifft, oder besser jenen Teil, der früher unter dem Namen "Reich" bekannt war, so kann für den augenblicklichen Geisteszustand, wie er in der gebildeten Mittelklasse vorherrscht, nichts bezeichnender sein als eine Erklärung des Herausgebers des "Frankfurter Journals" vom 20. April. Zur Erbauung Ihrer Leser bringe ich Ihnen den Wortlaut:

"Die Zuschritten über Tischrücken, die wir mit jeder Post erhalten, nehmen einen Umfang an, wie wir ihn seit dem denkwürdigen 'Lied auf den Rhein' von Nikolaus Becker und den ersten Tagen der Märzrevolution von 1848 nicht erlebt haben. So <68> genugtuend diese Zuschriften sind, denn sie beweisen besser als jedes politische raisonnement, in welch harmlosen und unschuldigen Zeiten wir uns wieder befinden, so bedauern wir doch, ihnen keine weitere Aufmerksamkeit schenken zu können, da wir fürchten müssen, daß sie uns und unsere Leser völlig überbeanspruchen und schließlich den gesamten Raum dieser Zeitung einnehmen würden."

"Ein Engländer" <A. Richards> hat einen Brief an die "Times" und an Lord Palmerston über die letzte Kossuth-Affäre geschrieben, in dem er abschließend feststellt:

"Wenn das Koalitionskabinett zu seinen Vätern oder seinen Onkeln oder seinen Großvätern eingegangen ist, würden wir den edlen Lord höflich auf eine neue Ausgabe des Joe Miller hinweisen. Wir sind allerdings der Meinung, daß der Name Joe nicht mehr genannt werden wird. Palmerston wird der Name sein, der dort figurieren wird. Es ist ein langer Name. Das ist schlecht. Wir glauben jedoch, daß das angelsächsische Pam bereits eine Verbesserung ist. Es paßt auf Vers wie auf Prosa und reimt sich auf 'sham, flam, and cram' <etwa 'Täuschung, Lüge, Betrug'>".

In meinem Artikel vom vergangenen Dienstag gab ich Ihnen eine flüchtige Übersicht über Herrn Gladstones Budget. Jetzt habe ich eine offizielle Veröffentlichung vor mir liegen, die 50 Folioseiten umfaßt: "Die von dem Schatzkanzler gestellten Anträge" und "Ein erläuternder Bericht als Beilage zu den Anträgen". Ich werde jedoch nur die Einzelheiten berühren, welche die ausländischen Leser interessieren könnten, falls die Anträge in Großbritannien zum Gesetz erhoben werden.

Die wichtigsten Anträge betreffen die Zölle. Es gibt einen Vorschlag, die Zölle für 123 Artikel von untergeordneter Bedeutung aufzuheben, die jährlich ungefähr 55.000 Pfd.St. einbringen; darin enthalten sind alle Möbelhölzer - mit vier Ausnahmen - sowie Balken und Rahmen, Mauersteine und Dachziegel einbezogen. Herabgesetzt werden sollen die Zölle: erstens, auf Tee von 2 sh. 23/4 d. auf 1 sh. 10 d. bis zum 5. April 1854; zweitens, auf zwölf verschiedene Nahrungsmittel. Der gegenwärtige Zoll auf Mandeln soll auf 2 sh. 2 d. pro Zentner herabgesetzt werden; auf Käse von 5 sh. auf 2 sh, 6 d. pro Zentner; auf Kakao von 2 d. auf 1 d. pro Pfund; auf Nüsse von 2 sh. auf 1 sh. pro Bushel; auf Eier von 10 d. auf 4 d. pro Hundert; auf Apfelsinen und Zitronen auf 8 d. pro Bushel; auf Butter von 10 sh. auf 5 sh. pro Zentner; auf Rosinen von 15 sh. 9 d. auf 10 sh, pro Zentner und auf Äpfel von 2 sh. auf 3 d. pro Bushel. Alle diese Artikel ergeben gegenwärtig eine Einnahme von 2.621.000 Pfd.St. Drittens sollen die Abgaben für noch 133 verschiedene <69> Nahrungsmittel herabgesetzt werden, die eine Einnahme von 70.000 Pfd.St. bedeuten. Außerdem soll die Besteuerung für eine Anzahl von Artikeln durch Erhebung fester Zölle statt der Zölle ad valorem <dem Wert nach> vereinfacht werden.

Was die Akzise betrifft, so habe ich bereits von der vorgeschlagenen Abschaffung der Seifentaxe und der Erhöhung der Lizenzgebühren für Brauer, Tee-, Kaffee-, Tabak- und Seifenhändler berichtet.

Was die Stempelsteuer betrifft, so soll neben der Herabsetzung der Gebühren für Anwaltszertifikate und der Annoncensteuer eine Herabsetzung der Gebühren für Lebensversicherungen, für die Stempel auf Quittungen, für Lehrlingsverträge und für Mietdroschken erfolgen.

Was die direkten Steuern betrifft, so soll eine Herabsetzung der Steuern für Diener, Privatkutschen, Pferde, Ponies und Hunde sowie eine 171/2%ige Ermäßigung der Abgaben für die Tilgung der Bodensteuer erfolgen.

Die Postgebühren für die Kolonien sollen auf den einheitlichen Satz von 6 d. herabgesetzt werden.

Ein wesentliches Merkmal des Budgets, das Beachtung verdient, ist der Umstand, daß die meisten Maßnahmen dem Koalitionsministerium nach hartnäckigem Widerstand im Verlauf der gegenwärtigen Parlamentssession aufgezwungen wurden.

Jetzt schlägt Herr Gladstone vor, die Erbschaftssteuer auf das Grundeigentum auszudehnen; doch noch am 1. März bekämpfte er Herrn Williams' Antrag, daß das Grundeigentum "dieselben Erbschaftsstempel- und Erbschaftssteuern zahlen solle, wie sie jetzt für persönliches Eigentum gezahlt werden müssen"! Gladstone bekräftigte bei dieser Gelegenheit, wie es im gegenwärtigen Augenblick die Toryblätter tun, daß die Steuerfreiheit nur eine scheinbare sei; sie würde sich mit andern Steuern die Waage halten, die für das Grundeigentum typisch sind. Es trifft ebenfalls zu, daß Herr Williams an demselben März Herrn Gladstone drohte, daß "er durch Herrn Disraeli ersetzt werden wird, wenn er in diesem Punkt nicht nachgibt".

Jetzt schlägt Herr Gladstone vor, die Schutzzölle für 268 Artikel von untergeordneter Bedeutung aufzuheben oder herabzusetzen; doch noch am 3. März bekämpfte er Herrn Humes Antrag, "die auf ungefähr 285 Artikeln liegenden reinen Schutzzölle unverzüglich aufzuheben". Es trifft auch zu, daß Herr Disraeli an jenem Tag erklärte, daß

"wir nicht an den Lumpen und Fetzen des Schutzzollsystems festhalten können".

Jetzt schlägt Herr Gladstone vor, die Annoncensteuer um die Hälfte herabzusetzen; aber ganze vier Tage, bevor er mit seinem Budget an die <70> Öffentlichkeit trat, wandte er sich gegen den Antrag Herrn Milner Gibsons, diese Steuer aufzuheben. Allerdings erlitt er bei der Abstimmung im Parlament eine Niederlage.

Diese Aufzählung der von dem Koalitionsministerium der Manchesterschule gemachten Konzessionen könnte mit Leichtigkeit erweitert werden. Was beweisen diese Konzessionen? Sie beweisen, daß die industrielle Bourgeoisie, so schwach sie auch im Parlament vertreten ist, der eigentliche Herr der Lage ist, und daß jede Regierung, ob Whig, Tory oder Koalition, sich nur dadurch im Amt und die Bourgeoisie aus dem Amt heraushalten kann, daß sie für die Bourgeoisie die Vorarbeit leistet. Man gehe nur die Akten der britischen Gesetzgebung seit 1825 durch, und man wird finden, daß der Bourgeoisie politisch immer nur Widerstand geleistet wurde, indem man ihr finanziell eine Konzession nach der anderen machte. Was die Oligarchie nicht begreifen kann, ist die einfache Tatsache, daß die politische Macht nur das Kind der ökonomischen Macht ist und daß die Klasse, der die Oligarchie die ökonomische Macht überlassen muß, unweigerlich auch die politische Macht erobern wird. Selbst als Ludwig XIV. durch Colbert Gesetze im Interesse der Fabrikanten erließ, bereitete er dadurch nur die Revolution von 1789 vor, als sein "l'état c' est moi" <"der Staat bin ich"> durch die Worte von Sieyès "le tiers état est tout" <"der dritte Stand ist alles"> beantwortet wurde.

Ein weiteres wesentliches Merkmal des Budgets ist die genaue Aneignung der Politik des Herrn Disraeli, "dieses leichtsinnigen Abenteurers", der im Unterhause zu behaupten wagte, daß die unerläßliche Folge des ökonomischen Systems des Freihandels eine finanzielle Revolution sei, das soll heißen, die allmähliche Umwandlung der indirekten in direkte Steuern. In der Tat! Was schlägt Herr Gladstone vor? Er stärkt und erweitert das System der direkten Besteuerung, um das System der indirekten Besteuerung zu schwächen und einzuengen.

Einerseits verlängert er die Einkommensteuer unverändert auf sieben Jahre. Er dehnt sie auf ein ganzes Volk, die Iren, aus. Er dehnt sie, indem er Herrn Disraeli kopiert, auf eine ganze Klasse aus, auf Personen mit einem Einkommen von 100 bis 150 Pfd.St. Er akzeptiert teilweise die von Disraeli vorgeschlagene Ausdehnung der Häusersteuer, indem er ihr den Namen einer geänderten Lizenzsteuer verleiht und die Gebühren für Lizenzen im Verhältnis zur Größe der Baulichkeiten erhöht. Schließlich erhöht er die direkte Besteuerung um 2.000.000 Pfd.St., indem er das Grundeigentum mit der Erbschaftssteuer belastet, was auch Herr Disraeli versprochen hatte.

<71> Andererseits bekämpft er die beiden Formen der indirekten Besteuerung: den Zoll und die Akzise; was die erste betrifft, so übernimmt er Disraelis Vorschlag über Herabsetzung des Teezolls und über Abschaffung, Herabsetzung bzw. Vereinfachung der Zollgebühren für 286 Artikel; was die zweite betrifft, so schlägt er die völlige Abschaffung der Seifentaxe vor.

Der einzige Unterschied zwischen Gladstones Budget und dem seines Vorgängers ist der, daß Disraeli der Urheber und Gladstone der Plagiator ist; daß Disraeli die Akzisen und Steuern zugunsten des Grundbesitzes beseitigte, während Gladstone sie zugunsten der städtischen Bourgeoisie beseitigt; daß Disraeli das Prinzip verkündete, doch durch seine außergewöhnliche Position gezwungen war, es in der Praxis zu brechen, während Gladstone, dem Prinzip feindlich gesinnt, dank dem Koalitionscharakter des Ministeriums, dem er angehört, in der Lage ist, es teilweise durch eine Reihe von Kompromissen zu verwirklichen.

Welches Schicksal wird das Koalitionsbudget voraussichtlich erleiden, und wie werden sich die entsprechenden Parteien voraussichtlich dazu verhalten?

Es gibt im großen und ganzen nur drei Fragen. um die der Kampf entbrennen kann: die Einkommensteuer, die Erbschaftssteuer und Irland.

Die Manchesterschule hat feierlich versprochen, sich jeder Verlängerung der gegenwärtigen Einkommensteuer, jener "schrecklichen Ungleichheit" zu widersetzen. Das Orakel von Printing House Square, die "Times", hat seit zehn Jahren gegen dieselbe "Ungeheuerlichkeit" gedonnert, und die öffentliche Meinung Großbritanniens hat allgemein das gegenwärtige System, jede Art Einkommen auf gleiche Weise zu besteuern, entschieden verurteilt. Doch in dieser einen Frage weist Herr Gladstone jeden Kompromiß zurück. Als Herr Disraeli, damals in seiner Eigenschaft als Schatzkanzler, vorschlug, die Einkommensteuer durch die Festlegung von Unterscheidungsmerkmalen zwischen unsicheren Einkommen und sicheren Einkommen zu mildern, wobei erstere mit 5 d. und letztere mit 7 d. pro Pfd.St. besteuert werden sollte, schien die Einkommensteuer der Sammelpunkt zu werden für die gemeinsame Opposition der Konservativen, der Manchesterschule und der "öffentlichen Meinung", vertreten durch die "Times".

Doch werden die Manchesterleute ihr Versprechen einlösen? Das ist sehr zu bezweifeln. Sie haben die kommerzielle Gewohnheit, die ständigen Profite einzustecken und die Grundsätze Grundsätze sein zu lassen. Und die sich aus Herrn Gladstones Budget ergebenden ständigen Profite sind keineswegs zu verachten. Der Ton der Manchesterblätter ist, was die Einkommensteuer anbetrifft, schon viel gemäßigter und konzilianter geworden. Sie fangen an, sich <72> mit der von Herrn Gladstone dargebotenen Aussicht zu beruhigen, daß "die ganze Einkommensteuer in sieben Jahren zu Ende gehen soll", wobei sie im geeigneten Augenblick vergessen, daß der verstorbene Sir Robert Peel sie 1842 einführte und ihre Beendigung für 1845 versprach; sie vergessen, daß die Ausdehnung einer Steuer auf breitere Schichten ein sehr unbequemer Weg zu ihrer endgültigen Abschaffung ist.

Was die "Times" betrifft, so ist sie das einzige Blatt, das aus Herrn Gladstones Vorschlag zur Aufhebung des Stempels für Zeitungsbeilagen Nutzen ziehen wird. Sie muß im Laufe der Woche für jeden Tag, an dem sie Doppelbeilagen herausbringt, 40.000 Pence oder 166 Pfd.St. 13 sh. und 4 d. zahlen. Die ganzen 40.000 Pence, die Herr Gladstone ihr erlassen hat, werden in ihre Kassen wandern. Wir können uns also vorstellen, daß sich der Zerberus besänftigen läßt und zu einem Lamm wird, ohne daß Herr Gladstone sich in einen Herkules verwandelt. Es dürfte schwerfallen, in der langen Geschichte des englischen Parlaments eine schmählichere Tat zu entdecken als die des Herrn Gladstone, der sich die Unterstützung einer Zeitung dadurch erkauft, daß er für sie eine besondere Provision in das Budget aufnimmt. Die Aufhebung der "Besteuerung des Wissens" wurde vor allem deshalb gefordert, um das Monopol der Zeitungsgiganten zu brechen. Der "salbungsvolle" Herr Gladstone übernimmt von dieser Maßnahme genausoviel als nötig ist, um das Monopol der "Times" zu verdoppeln.

Wir sind im Prinzip der Ansicht, daß Herr Gladstone recht hat, wenn er es ablehnt, irgendwelche Unterschiede zwischen Einkommen nach ihren Quellen zu machen. Wenn man nach der Qualität der Einkommen unterscheidet, muß man auch nach der Quantität unterscheiden, da in 99 von 100 Fällen die Quantität eines Einkommens seine Qualität ist. Wenn man sie quantitativ unterscheidet, so gelangt man unvermeidlich zur progressiven Besteuerung, und von der progressiven Besteuerung taumelt man direkt in jene sehr radikale Spielart von Sozialismus, die ohne Zweifel den Opponenten Herrn Gladstones Abscheu einflößen würde. Mit der engen und eigennützigen Auslegung des Unterschiedes zwischen sicherem und unsicherem Einkommen, wie sie die Manchesterschule macht, kommen wir zu dem lächerlichen Schluß, daß das Einkommen der reichsten Klasse Englands, der Industrie- und Handelsklasse, nur ein unsicheres Einkommen ist. Unter dem Vorwand der Philanthropie zielen die Manchesterleute auf die Abwälzung eines Teils der öffentlichen Lasten von ihren eigenen Schultern auf die Schultern der Landbesitzer und der Besitzer von Staatspapieren ab.

Der Ausdehnung der Erbschaftssteuer auf das Grundeigentum wird die Partei der Grundbesitzer ohne Zweifel heftigen Widerstand entgegensetzen. <73> Sie wünschen natürlich wie bisher ihre Erbschaft unversteuert anzutreten. Doch hat schon Herr Disraeli, als er noch Schatzkanzler war, die Ungerechtigkeit dieser Ausnahme anerkannt und die Manchesterleute werden in dieser Frage wie ein Mann mit den Ministern stimmen. Der "Morning Advertiser" von gestern warnt die Partei der Grundbesitzer, daß sie, wenn sie so unbedachtsam sein sollte, in der Erbschaftssteuer hartnäckig auf ihrem Standpunkt zu beharren, sie jeden Gedanken auf Unterstützung von den Liberalen aufgeben müßte. Es gibt kaum ein anderes Privileg, gegen das die englische Bourgeoisie in schärferer Opposition wäre, und es besteht auch kein schlagenderes Beispiel oligarchischer Gesetzgebung. Pitt brachte 1796 zwei Bills ein, wovon die eine das persönliche Eigentum mit der Erbschaftsstempel- und mit der Erbschaftssteuer belastet und die andere dem Grundeigentum dieselben Steuern auferlegte. Beide Maßnahmen wurden getrennt behandelt, da Pitt eine erfolgreiche Opposition der Mitglieder beider Häuser gegen die Belastung ihrer Güter mit solchen Steuern fürchtete. Die erste Bill kam fast ohne Opposition durch. Es fand eine einzige Abstimmung statt, bei der nur 16 Mitglieder dagegen stimmten. Die zweite Bill wurde durch alle Stadien gebracht, bis sie bei der dritten Lesung mit einem Abstimmungsergebnis von 30 gegen 30 Stimmen unterlag. Pitt, der keine Möglichkeit sah, die Bill in einem der Häuser durchzubringen, war gezwungen, sie zurückzuziehen. Wenn die Erbschaftsstempel- und Erbschaftssteuer seit 1796 für Grundbesitz gezahlt worden wäre, so hätte der bei weitem größere Teil der öffentlichen Schuld bezahlt werden können. Der einzige gewichtige Einwand, den die Partei der Grundbesitzer jetzt geltend machen könnte, wäre der Vorwand, daß sich die Besitzer von Staatspapieren einer ähnlichen Ausnahmestellung erfreuen; doch sie möchte natürlich ihre Position nicht dadurch stärken, daß sie die Besitzer von Staatspapieren, die mit einer besonderen Gabe für Steuerimmunität bedacht sind, gegen sich aufbringen.

Es bleibt also nur eine Chance mit einigermaßen Aussicht auf Erfolg, gegen das Budget der Koalition aufzutreten, und das ist eine Koalition der Partei der Grundbesitzer mit der Irischen Brigade. Es ist richtig, Herr Gladstone hat sein möglichstes getan, die Iren zu bewegen, sich der Ausdehnung der Einkommensteuer auf Irland zu unterwerfen, indem er ihnen das Geschenk von vier und einer halben Million konsolidierter Annuitäten machte. Doch die Iren behaupten, daß drei von diesen vierundeinhalb Millionen, die sie in Verbindung mit der Hungersnot von 1846/1847 erhielten, niemals als Staatsschuld angesehen und niemals vom irischen Volk als solche anerkannt worden sind.

Die Regierung scheint sich des Erfolges selbst nicht ganz sicher zu sein, denn sie droht mit einer vorfristigen Auflösung des Parlaments, wenn das <74> Budget nicht als Ganzes angenommen wird. Eine furchtbare Zumutung für die Mehrzahl der Parlamentsmitglieder, deren "Taschen durch die gesetzlichen Unkosten während des letzten Wahlkampfes erheblich angegriffen wurden", und für jene Radikalen, die sich so eng wie möglich an die alte Definition einer Opposition gehalten haben, nämlich, daß die Opposition in der Regierungsmaschine die gleiche Funktion zu erfüllen habe wie das Sicherheitsventil in einer Dampfmaschine. Das Sicherheitsventil hemmt den Lauf des Motors nicht, sondern sichert ihn, indem es die Kraft, die sonst die ganze Angelegenheit sprengen wurde, als Dampf abläßt. So lassen die Radikalen die Forderungen des Volkes in Dampf aufgehen. Sie scheinen nur deshalb Anträge einzubringen, damit sie sie hinterher zurückziehen und sich dabei ihrer überströmenden Beredsamkeit entledigen können.

Eine Auflösung des Parlaments würde nur die Auflösung der alten Parteien offenbaren. Von dem Augenblick an, als das Koalitionsministerium die Regierung antrat, spaltete sich die Irische Brigade in zwei Fraktionen: in eine regierungstreue und in eine unabhängige. Die Partei der Grundbesitzer ist ebenfalls in zwei Lager gespalten: das eine wird von Disraeli geführt, das andere von Sir John Pakington; jetzt allerdings, in der Stunde der Gefahr, scharen sie sich wieder um Disraeli. Sogar die Radikalen sind in zwei Gruppen gespalten - die Mayfairleute und die Manchesterleute. Es gibt in den alten Parteien keine innere Bindung mehr, doch zugleich gibt es auch keine Kraft eines wirklichen Antagonismus. Parlamentsneuwahlen würden diesen Zustand nicht ändern, sondern ihn nur bestätigen.

Die Wahlenthüllungen haben die Autorität des Unterhauses auf einen Tiefstand gebracht, der nicht mehr zu unterbieten ist. Doch hat es dadurch, daß es gleichzeitig Woche für Woche die Fäulnis seines eigenen Fundaments bloßlegte, auch die völlige Korruption in den Wahlbezirken enthüllt. Wird das Ministerium jetzt, nach all diesen Enthüllungen es wagen, einen Appell an diese gebrandmarkten Wahlbezirke zu richten? Dem Lande als Ganzes hat das Ministerium nichts zu bieten; denn in einer Hand hält es die Ablehnung der Parlamentsreform - in der anderen ein österreichisches Patent, das ihm die Würde verleiht, Denunziant für die Polizei in Europa zu sein.

Karl Marx