Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 7, 5. Auflage 1973, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1960, Berlin/DDR. S. 320-322.

Karl Marx

[Brief an den Redakteur des "Globe"]

Geschrieben Mitte Juni 1850.
Nach dem Manuskript.
Aus dem Englischen.


An den Redakteur des "Globe"

<320> Sir,

erlauben Sie mir mit Hilfe Ihrer Zeitung die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf eine Tatsache zu lenken, die, wie man annehmen kann, mehr oder weniger die Ehre der britischen Nation berührt.

Sie wissen, daß es den verschiedenen kontinentalen Regierungen nach den Niederlagen der Bewegungspartei im Jahre 1849 gelungen ist, die zahlreichen politischen Flüchtlinge, insbesondere Deutsche, Ungarn, Italiener und Polen, von einem Zufluchtsort zum anderen zu jagen, bis sie hier in England Schutz und Ruhe gefunden haben.

Es gibt auf dem Kontinent gewisse Regierungen, deren Feindschaft gegen ihre politischen Gegner mit diesem Ergebnis nicht zufriedengestellt zu sein scheint. Die preußische Regierung gehört auch zu ihnen. Nachdem es ihr gelungen war, die meisten preußischen Flüchtlinge in England zu konzentrieren, bemüht sich die Berliner Regierung offensichtlich, sie auf die eine oder andere Weise zur Abreise nach Amerika zu bewegen. Dieselben Parteien, die in ihrer Heimat in ihren eigenen Zeitungen (Zeugnis dafür die "Neue Preußische Zeitung" und die "Assemblée Nationale" die englische Regierung als einen Ausschuß von Jakobinern und Verschwörern gegen die Konservativen ganz Europas darstellen, dieselben Parteien zeigen eine höchst verdächtige Besorgnis um die Ruhe dieses Landes, indem sie die ausländischen Flüchtlinge der britischen Regierung dahingehend denunzieren, daß diese sich in die englische Politik einmischten und mit dem Versuch etwas zu tun hätten, den König von Preußen zu ermorden.

Ich habe die Ehre, zu jenen zu gehören, die überall, wohin sie gingen, von der preußischen Regierung verfolgt wurden. Als Redakteur der "Rheinischen <321> Zeitung"(von Köln) im Jahre 1842 und der "Neuen Rheinischen Zeitung" in den Jahren 1848 und 1849, die beide durch die gewaltsame Einmischung der preußischen Regierung direkt oder indirekt eingestellt wurden, wurde ich in den Jahren 1845 und 1849 aus Frankreich und im Jahre 1848 aus Belgien auf Grund der direkten Forderung und des Drucks der preußischen Gesandtschaft ausgewiesen; und während meines Aufenthalts in Preußen in den Jahren 1848 und 1849 erhob man etwa ein Dutzend politische Anklagen gegen mich, die jedoch alle aufgegeben wurden, nachdem mich das Schwurgericht zweimal freigesprochen hatte.

Daß die preußische Regierung mich selbst in diesem Lande nicht aus den Augen verloren hat, wurde mir durch zahlreiche Warnungen bestätigt, die ich kürzlich erhielt und aus denen hervorgeht, daß die englische Regierung auf Grund ähnlicher Denunziationen die Absicht habe, Schritte gegen mich zu unternehmen; dies wird auch durch die Tatsache bestätigt, daß seit mehreren Tagen einige Individuen sich direkt vor meine Tür gestellt haben, um jedesmal, wenn jemand das Haus betritt oder verläßt, Notizen zu machen. Es wird ferner durch die "Neue Preußische Zeitung" bewiesen, die vor einiger Zeit erklärte, daß ich durch Deutschland gereist und zwei Wochen lang in Berlin gewesen wäre, während ich durch meine Hauswirte und andere Engländer beweisen kann, daß ich London, seitdem ich hier im vergangenen Jahr angekommen bin, auch nicht einen Augenblick verlassen habe. Dieselbe ultraroyalistische Zeitung brachte, nach dem Attentat des Irren Sefeloge, meine angebliche Reise nach Berlin in Verbindung mit jenem Attentat; und doch sollte gerade diese Zeitung am besten wissen, wer, wenn überhaupt jemand, mit dieser Angelegenheit in Verbindung steht, da Sefeloge ein Mitglied der Sektion 2 des Treubunds, einer ultraroyalistischen Gesellschaft, ist und niemals mit anderen als Stabsoffizieren, die im Berliner Kriegsministerium beschäftigt sind, in Verbindung stand. Es wird darüber hinaus durch die Anwesenheit preußischer agents provocateurs <Lockspitzel> hier in London erwiesen, die vierzehn Tage vor dem Attentat Sefeloges mich und einige meiner Freunde aufsuchten und die Notwendigkeit eines solchen Attentats predigten und sogar andeuteten, daß in Berlin eine Verschwörung existiert, die zu diesem Zweck gebildet wurde. Nachdem sie herausgefunden hatten, daß es unmöglich ist, uns zu übertölpeln, besuchen sie jetzt ständig Chartistenversammlungen, damit in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, die ausländischen Flüchtlinge nähmen aktiven Anteil an der englischen Chartistenbewegung.

Abschließend gestatten Sie mir, Sir, Sie und durch Sie die Öffentlichkeit <322> zu fragen, ob es wünschenswert wäre, daß die britische Regierung auf Grund solcher Einflüsse dazu gebracht würde, Schritte zu unternehmen, welche die überall verbreitete Überzeugung mehr oder weniger beeinträchtigen könnten, daß das britische Gesetz jedem, der britischen Boden betritt, den gleichen Schutz gewährt?

Ich verbleibe etc.