Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 7, 5. Auflage 1973, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1960, Berlin/DDR. S. 302-304.
Nach dem Manuskript.
Gekürzt veröffentlicht in:"Neue Deutsche Zeitung" Nr. 102 vom 28. April 1850.
<302> Die Berliner "Abend-Post" vom 14. April enthält, de dato Stettin, 11. April, folgendes:
"In bezug auf die Londoner Flüchtlinge ist die Anordnung getroffen worden, daß die Gelder an Bucher geschickt sind, der sich mit Schramm (Striegau) in Verbindung setzen wird, da die andern beiden Komitees in Uneinigkeit leben und in parteiischer Weise die Gelder verteilen."
Es besteht hier in London faktisch nur ein Flüchtlingskomitee, das unterzeichnete, das im September v.J., mit dem Anfang der Emigration nach London, gegründet wurde. Es sind seitdem Versuche gemacht worden, andre Flüchtlingskomitees zu errichten; sie blieben erfolglos. Das unterzeichnete Komitee war bisher imstande, die hier ankommenden hülfsbedürftigen Flüchtlinge - die sich, mit Ausnahme von vier oder fünf, alle an uns wandten - zu unterstützen. Die jetzt infolge der schweizerischen Ausweisungen hierherströmenden Massen von Flüchtlingen haben allerdings endlich auch die Fonds dieses Komitees beinahe erschöpft. Diese Fonds sind durchaus gleichmäßig an alle verteilt worden, welche nachwiesen, daß sie sich an den revolutionären Bewegungen in Deutschland beteiligt hatten und hülfsbedürftig waren, gleichviel welcher Parteifraktion sie angehörten. Wenn das unterzeichnete Komitee die Bezeichnung "sozial-demokratisch" annahm, so geschah dies nicht, weil es bloß Flüchtlinge dieser Partei unterstützte, sondern, weil es hauptsächlich an die Geldmittel dieser Partei appellierte - wie es dies auch schon in seinem Aufruf vom November v.J. erklärt hat.
Das Gerücht, daß hier in London Massen Geldes für die Flüchtlinge lägen - ein Gerücht, das offenbar durch die in der Schweiz vorgeschlagene Flüchtlingslotterie hervorgerufen wurde - ließ Ansprüche an unser Komitee erheben, die nicht zu erfüllen waren. Andrerseits verhinderten die gleich- <303> zeitig absichtlich in den Zeitungen verbreiteten Gerüchte von Mißhelligkeiten zwischen konkurrierenden Komitees, die Einsendung genügender Gelder nach London. Das unterzeichnete Komitee, um sich über die Existenz anderweitiger Mittel und anderweitiger Komitees zur Unterstützung der Flüchtlinge aufzuklären, forderte die Flüchtlinge auf, Deputationen an die Bürger Struve, Rudolf Schramm und Louis Bauer (aus Stolpe) zu schicken. Dies geschah. Die Flüchtlinge brachten folgende Antworten zurück:
Der Bürger Schramm (Striegau) erklärte, keinem Flüchtlingskomitee anzugehören, sondern eine Anzahl Lose von Galeer aus Genf erhalten zu haben mit dem Auftrage, das Geld nach Genf zu schicken. Das andre Komitee figuriere bloß.
Der Bürger Struve erklärte, er habe kein Geld, sondern nur eine Anzahl Lose, die er noch nicht untergebracht habe.
Der Bürger Bauer gab folgende schriftliche Erklärung:
"Auf Anfrage des Flüchtlings Kleiner wird hierdurch attestiert, daß das diesseitige Flüchtlingskomitee des demokratischen Vereins sich nicht in der Lage befinde, auch nur einen politischen Flüchtling zu unterstützen, und daß die Kasse der Gesellschaft, nachdem sie £ 2.15.- zu diesem Zwecke hergegeben, dergleichen Beihülfen ebensowenig fernerweit ertragen kann. London, 8. April 1850. Dr. Bauer, Präsident des Unterstützungskomitees des demokratischen Vereins."
Die Herren Struve und Schramm hatten den Flüchtlingen geraten, unter sich oder aus politisch neutralen Leuten ein Flüchtlingskomitee zu bilden. Das unterzeichnete Komitee stellte den Flüchtlingen anheim, über diesen Vorschlag selbst einen Beschluß zu fassen. Die Antwort war folgende Erklärung der Flüchtlinge:
"An das sozial-demokratische Flüchtlingskomitee.
London, 7. April 1850. - Die unterzeichneten Flüchtlinge finden sich veranlaßt, nach den vorhergegangnen Verhandlungen, die Sorge für uns einem vielleicht unter uns zu bildenden Komitee zu überlassen, den Mitgliedern des jetzt bestehenden Komitees nach der festen Überzeugung sowohl der älteren als auch der zuletzt angekommenen Flüchtlinge, unsern innigsten Dank für ihre Tätigkeit und ihre Mühwaltung bei dieser Verwaltung auszudrücken, da dieselben die zu verwaltenden Gelder stets zu unsrer Zufriedenheit verteilt haben. Es bleibt uns nur noch der Wunsch übrig, daß nur diese Mitglieder für uns sorgen möchten, bis eine von uns allen gewünschte baldige Revolution sie von dieser Sorge enthebt.
Gruß und Brüderlichkeit!"
(Folgen die Unterschriften.)
Dies von den Flüchtlingen selbst abgefaßte Aktenstück ist die beste Antwort auf den obigen Artikel und andre ähnliche Insinuationen in der Presse.
<304> Wir würden übrigens nicht geantwortet haben, wenn es nicht im Interesse der unterstützungsbedürftigen Flüchtlinge selbst nötig wäre, das Publikum über solche Behauptungen aufzuklären.
London, 20. April 1850
Das sozial-demokratische Flüchtlingskomitee:
Fr. Engels - H. Bauer - K. Pfänder - August Willich - K. Marx