Karl Marx/Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 7, 5. Auflage 1973, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1960, Berlin/DDR. S. 296-298.

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Dietz Verlag, Berlin/DDR 1960

Karl Marx

Louis-Napoleon und Fould


"Neue Rheinische Zeitung. Politisch-ökonomische Revue", Viertes Heft, April 1850.

<296> Unsre Leser erinnern sich, daß wir im vorigen Heft nachwiesen, wie die Finanzaristokratie in Frankreich wieder zur Herrschaft gekommen ist. Wir wiesen bei dieser Gelegenheit hin auf die Assoziation von Louis-Napoleon und Fould zur Durchführung einträglicher Börsencoups. Es ist schon aufgefallen. daß seit dem Eintritt Foulds ins Ministerium die unaufhörlichen Geldforderungen Louis-Napoleons an die gesetzgebende Versammlung plötzlich aufhörten. Seit den letzten Wahlen sind aber Tatsachen verlautet, die auf die Erwerbsquellen des Präsidenten Bonaparte ein sehr grelles Licht werfen. Nur ein Beispiel.

Wir werden uns bei unsrer Erzählung hauptsächlich auf die "Patrie" beziehn, das honette Blatt der Union électorale, dessen Besitzer, der Bankier Delamarre, selbst einer der bedeutendsten Pariser Börsenspieler ist.

Auf die Wahlen vom 10. März hin wurde eine große Spekulation à la hausse <auf das Steigen der Börsenkurse> organisiert. Herr Fould stand an der Spitze der Intrige, die ersten Ordnungsfreunde beteiligten sich dabei, die Kamarilla des Herrn Bonaparte sowie er selbst waren mit bedeutenden Summen interessiert.

Am 7. März stiegen die 3% um 5 Centimen und die 5% um 15 Centimen; die "Patrie" hatte nämlich das Resultat der vorläufigen Wahl der Ordnungsfreunde bekanntgemacht. Dieser Aufschlag war unsern Spekulanten indes zu gering; es mußte "eingeheizt" werden. Die "Patrie" am 8. März, den Abend vorher ausgegeben, zeigt also in ihrem Börsenbulletin an, daß an dem Siege der Ordnungspartei nicht der entfernteste Zweifel sei. Sie sagt u.a.:

"Wir werden sicher nicht die Zurückhaltung der Kapitalisten tadeln; indessen, wenn es Umstände gibt, wo der Zweifel nicht erlaubt ist, so ist es hier, nach dem in der Vorwahl erhaltenen Resultat."

<297> Um den Einfluß des Börsenbulletins und der Mitteilungen der "Patrie" überhaupt auf die Börse zu würdigen, muß man wissen, daß sie der eigentliche Moniteur der gegenwärtigen Regierung ist und die offiziellen Nachrichten vor dem "Moniteur" mitgeteilt erhält. Indessen mißlingt der Coup diesmal.

Am 8. werden einige der roten Partei günstige Abstimmungen der Armee bekannt, und sofort fallen die Kurse. Ein panischer Schrecken scheint sich der Spekulanten zu bemächtigen; es gilt jetzt alle Mittel aufzubieten. Das Börsenbulletin der "Patrie" behauptet seinen Posten; sämtliche Journale der Union électorale werden ins Feuer kommandiert; einige Unrichtigkeiten in unbedeutenden Abstimmungen werden mit Emphase debattiert; ein Journal veröffentlicht an seiner Spitze die Abstimmungen eines Regiments, welches monarchisch gewählt hat; die republikanischen Journale endlich bringen gezwungen einige offizielle Dementis, die sich ein paar Tage später als ebenso viele Lügen erweisen.

Diesen vereinigten Versuchen gelingt es am 9. bei Beginn der Börse ein kleines Steigen der Staatspapiere hervorzubringen, das indes nicht lange vorhält. Der Kurs ist ziemlich niedrig bis um 21/4 Uhr; von diesem Moment an steigt er fortwährend bis zum Schluß der Börse. Die Ursachen dieses plötzlichen Umschwungs plaudert die "Patrie" selbst aus wie folgt:

"Man versichert, daß einige sehr bei dem Aufschlag interessierte Spekulanten beträchtliche Ankäufe gegen Schluß der Börse gemacht haben, um die Gemüter in der Provinz beim Augenblick der Wahl gut zu stimmen und durch das Vertrauen, das sich der Provinz bemächtigen würde, neue Ankäufe hervorzurufen, die die Kurse noch mehr in die Höhe treiben mußten."

Diese Operation belief sich auf mehrere Millionen, ihr Erfolg war, daß die 3% um 40 Centimes stiegen und die 5% um 60 Centimes.

Soviel also klar: Es gab Spekulanten, die beim Aufschlag interessiert waren und die daher im entscheidenden Moment neue bedeutende Ankäufe machten, um ein neues Steigen hervorzurufen. Wer waren diese Spekulanten? Die Tatsachen mögen antworten.

Am 11. März Sinken auf der Börse. Alle Versuche der Spekulanten sind ohnmächtig gegenüber dem Schwanken des Wahlresultats.

Am 12. März neues, bedeutendes Sinken, da das Wahlresultat beinahe bekannt ist, und es so gut wie feststeht, daß die drei sozialistischen Kandidaten eine imposante Majorität haben. Die Spekulanten à la hausse machen nun einen verzweifelten Versuch. Die "Patrie" und der "Moniteur du Soir" veröffentlichen, unter dem Titel von offiziellen telegraphischen Depeschen, Wahlresultate aus den Provinzen, die rein erfunden waren. Das Manöver <298> gelingt. Den Abend, bei Tortoni, leichtes Steigen der Kurse. Es handelt sich also nur noch darum, weiter zu "heizen". Die "Patrie" druckt folgende Nachricht:

"Nach den bis jetzt bekannten Abstimmungen trägt der Bürger de Flotte nur eine Majorität von 34 Stimmen über den Bürger J. Foy davon. Dies Wahlresultat kann noch durch die Abstimmungen der mobilen Gendarmerie zugunsten unsres Kandidaten entschieden werden. - Man versichert, daß die Regierung morgen der Versammlung zwei Gesetze über die Presse und über die Wahlversammlungen vorlegen und die Dringlichkeit dafür verlangen wird."

Die zweite Nachricht war falsch; erst nach langem Zögern, nach langwierigen Beratungen mit den Chefs der Ordnungspartei und nach einer ministeriellen Veränderung entschloß sich die Regierung, diese Gesetze vorzulegen. Die erste Nachricht war eine noch unverschämtere Lüge; in demselben Augenblick, wo sie in der "Patrie" veröffentlicht wurde, schickte die Regierung eine telegraphische Depesche in die Departements, daß de Flotte gewählt sei.

Indessen, der Coup gelang; die Papiere stiegen um 1 fr. 35 cts., und die Herren Spekulanten realisierten zwischen 3 und 4 Millionen. Man kann es den "Freunden des Eigentums" sicherlich nicht verübeln, wenn sie ihres Fetisches im Interesse der Ordnung und der Gesellschaft soviel wie möglich habhaft zu werden suchen.

Infolge dieses gelungenen dodge <Kniffs> wurden die Herren Spekulanten so übermütig, daß sie sofort neue Ankäufe im großartigsten Maßstab unternahmen und dadurch eine Menge andrer Kapitalisten ebenfalls zum Kaufen veranlaßten. Der Anschlag war so prononciert, daß selbst die mutmaßlichen Profite auf diese Transaktion auf der Börse schon wieder verhandelt wurden. Da kam am Morgen des 15. der niederschmetternde Schlag, die Proklamierung Carnots, de Flottes und Vidals zu Volksrepräsentanten; die Kurse fielen plötzlich und unaufhaltsam, und die Niederlage unsrer Spekulanten war durch keine erlogenen Nachrichten und telegraphischen Erfindungen mehr aufzuhalten.