Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 7, 5. Auflage 1973, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1960, Berlin/DDR. S. 213-225.

Karl Marx/Friedrich Engels

Revue

[Januar/Februar 1850]


"Neue Rheinische Zeitung.

Politisch-ökonomische Revue",
Zweites Heft, Februar 1850.

<213> A tout seigneur, tout honneur. <Jedem Junker seine Ehre.> Beginnen wir mit Preußen.

Der König von Preußen tut sein mögliches, um den gegenwärtigen Moment der lauwarmen Vereinbarung, der ungenügenden Kompromisse zu einer Krisis fortzutreiben. Er oktroyiert eine Verfassung und bringt nach verschiedenen Unannehmlichkeiten zwei Kammern zustande, die diese Verfassung revidieren. Damit die Verfassung der Krone nur ja recht annehmbar erscheine, streichen die Kammern jeden Artikel, der der Krone irgendwie anstößig sein könnte, und glauben, jetzt werde der König die Verfassung sofort beschwören. Aber im Gegenteil. Um den Kammern einen Beweis seiner "königlichen Gewissenhaftigkeit" zu geben, erläßt Friedrich Wilhelm eine Botschaft, worin er neue Vorschläge zur Verbesserung der Verfassung macht, Vorschläge, deren Annahme dem erwähnten Dokument auch den letzten Schein der geringsten sog. konstitutionellen bürgerlichen Garantien nehmen würde. Der König hofft, die Kammern werden diese Vorschläge verwerfen - im Gegenteil. Hatten sich die Kammern in der Krone getäuscht, so sorgten sie nun dafür, daß die Krone sich in ihnen täuschen muß. Sie nehmen alles an, alles, Pairie und Ausnahmsgericht, Landsturm und Fideikommisse, bloß um nicht auch nach Hause geschickt zu werden, bloß um den König endlich einmal zu einem ernsthaften, "leiblichen" Eide zu zwingen. So rächt sich ein preußischer konstitutioneller Bürger.

Es wird dem Könige schwer werden, eine Demütigung zu erfinden, die diesen Kammern zu hart erscheinen dürfte. Er wird sich zuletzt genötigt sehen zu erklären, "je heiliger er das von ihm abzulegende eidliche Gelöbnis halte, um so mehr treten ihm dabei die Pflichten vor die Seele, die ihm für das teure Vaterland von Gott auferlegt sind", und um so weniger erlaube ihm seine "königliche Gewissenhaftigkeit", eine Verfassung zu beschwören, die ihm alles, dem Lande aber nichts biete.

<214> Die Herren des seligen "Vereinigten Landtags", die jetzt in den Kammern wieder zusammen sind, fürchten deshalb so sehr, auf ihren alten Stand vor dem 18. März zurückgedrängt zu werden, weil sie dann wieder die Revolution vor sich haben, die ihnen aber diesmal keine Rosen bringen wird. Dazu kommt, daß sie 1847 noch die Anleihe für die angebliche Ostbahn verweigern konnten, während sie der Regierung 1849 erst die fragliche Anleihe wirklich bewilligten und dann um das theoretische Recht der Geldbewilligung hintennach demütigst bei ihr einkamen.

Inzwischen macht sich die Bourgeoisie außer den Kammern das Vergnügen, in den Geschwornengerichten die politisch Angeklagten freizusprechen und dadurch ihre Opposition gegen die Regierung an den Tag zu legen. Bei diesen Prozessen kompromittiert sich dann regelmäßig die Regierung auf der einen Seite, die in den Angeklagten und dem Auditorium repräsentierte Demokratie auf der andern. Wir erinnern an den Prozeß des "stets konstitutionellen" Waldeck, den Prozeß in Trier usw.

Auf die Frage des alten Arndt: "Was ist des Deutschen Vaterland?" antwortete Friedrich Wilhelm IV.: Erfurt. Es war nicht so schwer, die Iliade im Froschmäuslerkrieg zu travestieren, aber an eine Travestie des Froschmäuslerkrieges hat bis jetzt noch niemand zu denken gewagt. Dem Plan Erfurt gelingt es, den Froschmäuslerkrieg der Paulskirche selbst noch zu travestieren. Es ist natürlich vollständig gleichgültig, oh die unglaubliche Versammlung in Erfurt wirklich zusammenkommt oder ob der rechtgläubige Zar sie verbietet, ebenso gleichgültig wie der Protest gegen ihre Kompetenz, zu dessen Erlaß Herr Vogt sich ohne Zweifel mit Herrn Venedey vereinbaren wird. Die ganze Erfindung hat bloß Interesse für jene tiefsinnigen Politiker, für deren Leitartikel die "großdeutsche" und "kleindeutsche" Frage eine ebenso ergiebige wie unentbehrliche Fundgrube war, und für die preußischen Bourgeois, die des seligmachenden Glaubens leben, der König von Preußen werde in Erfurt alles bewilligen, eben weil er in Berlin alles abgeschlagen hat.

Wenn die Frankfurter "Nationalversammlung" in Erfurt mehr oder weniger getreu widergespiegelt werden soll, so wird der alte Bundestag im "Interim" wiedergeboren und zugleich auf seinen einfachsten Ausdruck, auf eine ostreichisch-preußische Bundeskommission zurückgeführt. Das Interim ist bereits in Württemberg eingeschritten und wird demnächst in Mecklenburg und Schleswig-Holstein einschreiten.

Während Preußen lange Zeit mit Emissionen von Papiergeld, mit verstohlenen Anleihen der Seehandlung und mit den Resten des Staatsschatzes sein Budget kümmerlich zustande brachte und erst jetzt auf die Bahn der Anleihen gedrängt ist, steht in Östreich der Staatsbankerott in voller Blüte. <215> Ein Defizit von 155 Mill. Gulden in den ersten neun Monaten des Jahres 1849, das bis Ende Dezember auf 210-220 Mill. gestiegen sein muß; der vollständige Ruin des Staatskredits im In- und Auslande nach dem mit Eklat gescheiterten Versuch einer neuen Anleihe; die totale Erschöpfung der inländischen Finanzressourcen, der gewöhnlichen Steuern, der Brandschatzungen, der Papiergeldemission; die Notwendigkeit, dem ausgesognen Lande neue Verzweiflungssteuern aufzuoktroyieren, die voraussichtlich gar nicht einkommen werden - das sind die Hauptzüge, in denen die blasse Finanznot in Östreich zutage tritt. Gleichzeitig damit geht die Verfaulung des östreichischen Staatskörpers immer rascher vor sich. Vergebens stellt die Regierung ihr eine krampfhafte Zentralisation entgegen; die Desorganisation hat bereits die äußersten Extremitäten des Staatskörpers erreicht, den barbarischsten Stämmen, den Hauptstützen des alten Östreich, den Südslawen in Dalmatien, Kroatien und dem Banat, den "getreuen" Grenzern selbst wird Östreich unerträglich. Nur ein Verzweiflungscoup bleibt noch übrig und bietet eine geringe Chance der Rettung - ein Krieg nach außen; dieser Krieg nach außen, zu dem Östreich unaufhaltsam getrieben wird, muß seine vollständige Auflösung rasch zu Ende führen.

Auch Rußland war nicht reich genug, seinen Ruhm zu bezahlen, den es noch dazu mit barem Gelde erkaufen mußte. Trotz der vielgerühmten Goldbergwerke des Ural und Altai, trotz der unerschöpflichen Schätze in den Gewölben von Petropawlowsk, trotz der angeblich aus purem Überfluß an Geld hervorgegangenen Rentenankäufe in London und Paris sieht der rechtgläubige Zar sich genötigt, nicht nur 5.000.000 Silberrubel unter allerlei falschen Vorwänden aus den zur Deckung des Papiergeldes in Petropawlowsk liegenden Barvorräten zu entnehmen und den Verkauf seiner Renten an der Pariser Börse zu befehlen, sondern auch die ungläubige City von London um einen Vorschuß von 30 Millionen Silberrubel anzusprechen.

Durch die Bewegungen der Jahre 1848 und 1849 ist Rußland so tief in die europäische Politik verwickelt worden, daß es seine alten Pläne auf die Türkei, auf Konstantinopel, "den Schlüssel zu seinem Hause", jetzt schleunigst durchführen muß, wenn sie nicht für immer unausführbar werden sollen. Die Fortschritte der Kontrerevolution und die täglich wachsende Macht der revolutionären Partei in Westeuropa, die eigne innere Lage Rußlands und der schlechte Zustand seiner Finanzen zwingen es zu raschem Handeln. Wir sahen vor kurzem das diplomatische Vorspiel dieser neuen orientalischen Haupt- und Staatsaktion; wir werden in wenigen Monaten die Aktion selbst erleben.

Der Krieg gegen die Türkei ist notwendig ein europäischer Krieg. Um so besser für das heilige Rußland, das dadurch Gelegenheit bekommt, festen Fuß <216> in Deutschland zu fassen, die Kontrerevolution dort energisch zu Ende zu führen, den Preußen Neuchâtel erobern zu helfen und in letzter Instanz auf das Zentrum der Revolution, auf Paris zu marschieren.

Bei einem solchen europäischen Kriege kann England nicht neutral bleiben. Es muß sich gegen Rußland entscheiden. Und England ist für Rußland der allergefährlichste Gegner. Wenn die Landarmeen des Kontinents sich immer mehr durch Ausbreitung schwächen müssen, je weiter sie in Rußland vordringen, wenn ihr Vordringen, bei Strafe der Wiederholung von 1812, von den Ostgrenzen des alten Polens an fast ganz aufhören muß, so hat England die Mittel, Rußland bei seinen verwundbarsten Seiten zu fassen. Abgesehen davon, daß es die Schweden zur Wiedereroberung Finnlands zwingen kann, stehen seiner Flotte Petersburg und Odessa offen. Die russische Flotte ist bekanntlich die schlechteste der Welt, und Kronstadt und Schlüsselburg sind ebensogut einnehmbar wie Saint-Jean d'Acre und San Juan de Ulua. Ohne Petersburg und Odessa aber ist Rußland ein Riese mit abgehauenen Händen. Dazu kommt, daß Rußland weder für den Absatz seiner Rohprodukte noch für den Einkauf von Industrieprodukten England auch nur auf sechs Monate lang entbehren kann, was schon zur Zeit der Napoleonischen Kontinentalsperre klar hervortrat, was aber jetzt in noch viel höherem Grade der Fall ist. Die Abschneidung des englischen Marktes würde Rußland in wenig Monaten in die heftigsten Konvulsionen versetzen. England kann dagegen nicht nur den russischen Markt auf einige Zeit entbehren, sondern auch alle russischen Rohprodukte von andern Märkten beziehen. Man sieht, daß das gefürchtete Rußland keineswegs so gefährlich ist. Es muß aber dem deutschen Bürger in einer so schreckenerregenden Gestalt erscheinen, weil es direkt seine Fürsten beherrscht und weil er sehr richtig ahnt, daß die Barbarenhorden Rußlands binnen kurzem Deutschland überschwemmen und dort gewissermaßen eine messianische Rolle spielen werden.

Die Schweiz verhält sich zu der Heiligen Allianz im allgemeinen wie die preußischen Kammern zu ihrem König im besondern. Nur daß die Schweiz hinter sich noch einen Sündenbock stehn hat, dem sie alle Schläge doppelt und dreifach wiedergeben kann, die sie von der Heiligen Allianz erhält, einen obendrein wehrlosen, ihr auf Gnade und Ungnade überlieferten Sündenbock - die deutschen Flüchtlinge. Es ist wahr, daß ein Teil der "radikalen" Schweizer in Genf, im Waadtland, in Bern gegen die feige Politik des Bundesrats - feig sowohl gegen die Heilige Allianz wie gegen die Flüchtlinge - protestiert hat; es ist aber auch ebenso wahr, daß der Bundesrat recht hatte, wenn er behauptete, daß seine Politik "die der ungeheuren Majorität des Schweizer Volks" sei. Dazwischen fährt die Zentralgewalt fort, im Innern ganz ruhig <217> kleine bürgerliche Reformen, Zentralisierung der Douanen, der Münzen, der Posten, der Maße und Gewichte, durchzuführen, Reformen, die ihr den Applaus der Kleinbürgerschaft sichern. Den Beschluß wegen der Aufhebung der Militärkapitulationen durchzuführen, wagt sie freilich nicht, und noch täglich gehn die Urkantönler haufenweise nach Como, um sich dort für den neapolitanischen Dienst anwerben zu lassen. Aber trotz aller Demut und Zuvorkommenheit gegen die Heilige Allianz droht der Schweiz doch ein fatales Gewitter. Im ersten Übermut nach dem Sonderbundskrieg und vollends nach der Februarrevolution haben sich die sonst so ängstlichen Schweizer zu Unbesonnenheiten verführen lassen. Sie haben das Ungeheure gewagt, einmal unabhängig sein zu wollen; sie haben sich anstatt der von den Mächten garantierten Verfassung von 1814 eine neue gegeben, sie haben die Unabhängigkeit Neuchâtels gegen die Verträge anerkannt. Dafür werden sie gezüchtigt werden, trotz aller Bücklinge und Gefälligkeiten und Polizeidienste. Und einmal in den europäischen Krieg verwickelt, ist die Lage der Schweiz nicht die angenehmste; hat die Schweiz die heiligen Alliierten beleidigt, so hat sie die Revolution auf der andern Seite verraten.

In Frankreich, wo die Bourgeoisie selbst die Reaktion in ihrem eignen Interesse leitet und wo die republikanische Regierungsform dieser Reaktion die freieste und konsequenteste Entwicklung gestattet, wird die Unterdrückung der Revolution am schamlosesten und am gewaltsamsten durchgeführt. In der kurzen Frist eines Monats folgten Schlag auf Schlag die Wiederherstellung der Getränkesteuer, die den Ruin der halben Landbevölkerung direkt vollendet, das Zirkular d'Hautpoul, das die Gendarmen zu Spionen selbst über die Beamten ernennt, das Gesetz über die Schullehrer, das alle Elementarlehrer für willkürlich durch die Präfekten absetzbar erklärt, das Unterrichtsgesetz, das die Schulen den Pfaffen überliefert, das Transportationsgesetz, in dem die Bourgeoisie ihre ganze ungesühnte Rachlust an den Juniinsurgenten ausläßt und sie, in Ermangelung eines andern Henkers, dem tödlichsten Klima von ganz Algerien überantwortet. Von den zahllosen Ausweisungen selbst der unschuldigsten Fremden, die seit dem 13. Juni gar nicht mehr aufgehört haben, wollen wir gar nicht reden.

Das Ziel dieser heftigen Bourgeoisreaktion ist natürlich die Herstellung der Monarchie. Die monarchische Restauration findet aber ein bedeutendes Hindernis in den verschiedenen Prätendenten selbst und in den Parteien, die sie im Lande haben. Die Legitimisten und Orleanisten, die beiden stärksten monarchischen Parteien, wiegen sich ungefähr auf; die dritte Partei, die bonapartistische, ist bei weitem die schwächste. Louis-Napoleon hat trotz seiner sieben Millionen Stimmen nicht einmal eine wirkliche Partei, er hat nur eine <218> Koterie. Er, der in der allgemeinen Handhabung der Reaktion stets von der Majorität der Kammer unterstützt wird, findet sich von ihr verlassen, sobald seine besondern Interessen als Prätendent hervortreten, verlassen nicht nur von der Majorität, sondern auch von seinen Ministern, die ihn jedesmal Lügen strafen und ihn schriftlich zwingen, trotz alledem den nächsten Tag zu erklären, daß sie sein Vertrauen besitzen. Die Zerwürfnisse, in die er so mit der Majorität gerät, zu so ernsthaften Folgen sie vielleicht führen können, sind daher bis jetzt nur komische Episoden, in denen der Präsident der Republik jedesmal die Rolle des Geprellten spielt. Es versteht sich dabei von selbst, daß jede monarchische Sektion auf ihre eigne Faust mit der Heiligen Allianz konspiriert. Die "Assemblée nationale" ist unverschämt genug, dem Volke öffentlich mit den Russen zu drohen; daß Louis-Napoleon mit Nikolaus kabaliert, darüber liegen schon jetzt Tatsachen genug vor.

In demselben Maße wie die Reaktion fortschreitet, wachsen natürlich auch die Kräfte der revolutionären Partei. Die große Masse der Landbevölkerung, ruiniert durch die Folgen der Parzellierung, durch die Steuerlast und den rein fiskalischen, selbst vom bürgerlichen Standpunkt aus schädlichen Charakter der meisten Steuern, enttäuscht über die Versprechungen Louis-Napoleons und der reaktionären Deputierten, die Masse der Landbevölkerung hat sich der revolutionären Partei in die Arme geworfen und bekennt sich zu einem freilich meist noch sehr rohen und bürgerlichen Sozialismus. Wie revolutionär selbst die legitimistischsten Departements gestimmt sind, beweist die letzte Wahl im Departement du Gard, dem Zentrum des Royalismus und des "weißen Schreckens" von 1815, wo ein Roter gewählt wurde. Die Kleinbürgerschaft, gedrückt durch das große Kapital, das im Handel wie in der Politik wieder ganz die Stellung einnimmt wie unter Louis-Philippe, ist der Landbevölkerung gefolgt. Der Umschwung ist so gewaltig, daß selbst der Verräter Marrast und das Journal der Épiciers, der "Siècle", sich für Sozialisten haben erklären müssen. Die Stellung der verschiedenen Klassen gegeneinander, für die die gegenseitige Stellung der politischen Parteien nur ein andrer Ausdruck ist, ist fast ganz wieder dieselbe wie am 22. Februar 1848. Nur daß es sich jetzt um andre Dinge handelt, daß die Arbeiter sich viel klarer sind und daß namentlich eine bisher politisch tote Klasse, die der Bauern, in die Bewegung hineingerissen und für die Revolution gewonnen ist.

Darin liegt die Notwendigkeit für die herrschende Bourgeoisie, die Beseitigung des allgemeinen Stimmrechts so rasch wie möglich zu versuchen; und in dieser Notwendigkeit liegt wieder die Gewißheit eines baldigen Sieges der Revolution, selbst abgesehen von den auswärtigen Verhältnissen.

Wie gespannt überhaupt die Situation ist, geht schon aus dem komischen <219> Gesetzesvorschlag des Volksrepräsentanten Pradié hervor, der in etwa 200 Artikeln den Versuch macht, den Staatsstreichen und Revolutionen durch ein Dekret der Nationalversammlung vorzubeugen. Und wie wenig die hohe Finanz hier sowohl wie in andern Hauptstädten der scheinbar hergestellten "Ordnung" traut, kann man daraus sehen, daß die verschiedenen Stämme des Hauses Rothschild ihren Gesellschaftsvertrag vor einigen Monaten nur auf ein Jahr verlängerten - ein Zeitraum von unerhörter Kürze in den Annalen des Großhandels.

Während der Kontinent sich in den zwei letzten Jahren mit Revolutionen, Kontrerevolutionen und dem davon unzertrennlichen Redefluß beschäftigte, machte das industrielle England in einem ganz andern Artikel: in Prosperität. Hier war die im Herbst 1845 in due course <zum fälligen Zeitpunkt> ausgebrochene Handelskrisis zweimal - Anfang 1846 durch die Freihandelsbeschlüsse des Parlaments und Anfang 1848 durch die Februarrevolution - unterbrochen worden. Eine Menge der die überseeischen Märkte niederdrückenden Waren hatte in der Zwischenzeit allmählich Debouchés gefunden. Die Februarrevolution beseitigte nun noch auf eben diesen Märkten die Konkurrenz der kontinentalen Industrie, während die englische Industrie an dem gestörten Kontinentalmarkt nicht viel mehr verlor, als sie durch den weiteren Verlauf der Krisis ohnehin verloren haben würde. Die Februarrevolution, die die kontinentale Industrie momentan fast ganz still setzte, half so den Engländern auf eine ganz erträgliche Weise durch ein Jahr der Krisis zu kommen, trug zur Aufräumung der gehäuften Vorräte auf den überseeischen Märkten wesentlich bei und machte einen neuen industriellen Aufschwung mit dem Frühjahr 1849 möglich. Dieser Aufschwung, der sich übrigens auch auf einen großen Teil der kontinentalen Industrie erstreckte, hat in den letzten drei Monaten einen solchen Grad erreicht, daß die Fabrikanten behaupten, noch nie eine so gute Zeit gehabt zu haben - eine Behauptung, die jedesmal am Vorabend der Krise gemacht wird. Die Fabriken sind mit Aufträgen überladen und arbeiten mit beschleunigter Geschwindigkeit; man sucht jedes Mittel auf, um die Zehnstundenbill zu umgehen und neue Arbeitsstunden zu gewinnen; neue Fabriken werden in allen Teilen der Industriebezirke in Menge gebaut und die alten werden erweitert. Das bare Geld drängt sich auf den Markt, das unbeschäftigte Kapital will den Moment des allgemeinen Profits benutzen; der Diskonto füllt die Spekulation, wirft sich in die Produktion oder auf den Rohproduktenhandel, und fast alle Artikel steigen absolut, alle steigen relativ im Preise. Kurz, die "Prosperität" in ihrer schönsten Blüte beglückt England, <220> und es fragt sich nur, wie lange dieser Rausch dauern wird. Sehr lange jedenfalls nicht. Mehrere der größten Märkte, namentlich Ostindien, sind schon fast überführt; die Ausfuhr begünstigt schon jetzt weniger die wirklichen großen Märkte als die Entrepots des Welthandels, von denen aus die Waren nach den günstigsten Märkten dirigiert werden können. Bald werden bei den kolossalen Produktivkräften, die die englische Industrie von 1843 bis 1845, in den Jahren 1846 und 1847 und besonders 1849 den bisherigen hinzugefügt hat und die sie noch täglich hinzufügt, die noch bleibenden, besonders nord- und südamerikanischen und australischen Märkte ebenfalls überführt sein, und mit den ersten Nachrichten von dieser Überführung wird der "panic" in der Spekulation und Produktion gleichzeitig eintreten - vielleicht schon gegen Ende des Frühjahrs, spätestens im Juli oder August. Diese Krisis wird aber dadurch, daß sie mit großen Kollisionen auf dem Kontinent zusammenfallen muß, ganz andre Früchte tragen als alle bisherigen. War bisher jede Krisis das Signal zu einem neuen Fortschritt, einem neuen Siege der industriellen Bourgeoisie über den Grundbesitz und die Finanzbourgeoisie, so wird diese den Anfang der modernen englischen Revolution bezeichnen, einer Revolution, in der Cobden die Rolle des Necker übernehmen wird.

Wir kommen nun zu Amerika. Das wichtigste Faktum, das sich hier ereignet hat, wichtiger noch als die Februarrevolution, ist die Entdeckung der kalifornischen Goldgruben. Schon jetzt, nach kaum achtzehn Monaten, läßt es sich voraussehen, daß diese Entdeckung viel großartigere Resultate haben wird als selbst die Entdeckung Amerikas. Dreihundertdreißig Jahre lang ist der ganze Handel von Europa nach dem Stillen Ozean mit der rührendsten Langmut um das Kap der Guten Hoffnung oder das Kap Horn geführt worden. Alle Vorschläge zur Durchstechung des Isthmus von Panama scheiterten an der bornierten Eifersucht der handeltreibenden Völker. Achtzehn Monate lang sind die kalifornischen Goldminen entdeckt, und schon haben die Yankees eine Eisenbahn, eine große Landstraße, einen Kanal vom Mexikanischen Busen in Angriff genommen, schon sind Dampfschiffe von New York bis Chagres, von Panama bis San Franzisco in regelmäßiger Fahrt, schon konzentriert sich der Handel des Stillen Meeres in Panama, und die Fahrt um Kap Horn ist veraltet. Eine Küste von 30 Breitengraden Länge, eine der schönsten und fruchtbarsten der Welt, bisher so gut wie unbewohnt, verwandelt sich zusehends in ein reiches, zivilisiertes Land, dicht bevölkert von Menschen aller Stämme, vom Yankee zum Chinesen, vom Neger zum Indianer und Malaien, vom Kreolen und Mestizen zum Europäer. Das kalifornische Gold ergießt sich in Strömen über Amerika und die asiatische Küste des Stillen Ozeans und reißt die widerspenstigsten Barbarenvölker in den Welt- <221>

handel, in die Zivilisation. Zum zweiten Male bekommt der Welthandel eine neue Richtung. Was im Altertum Tyrus, Karthago und Alexandria, im Mittelalter Genua und Venedig waren, was bisher London und Liverpool gewesen sind, die Emporien des Welthandels, das werden jetzt New York und San Franzisco, San Juan de Nicaragna <Greytown> und Leon, Chagres und Panama. Der Schwerpunkt des Weltverkehrs, im Mittelalter Italien, in der neueren Zeit England, ist jetzt die südliche Hälfte der nordamerikanischen Halbinsel. Die Industrie und der Handel des alten Europa müssen sich gewaltig anstrengen, wenn sie nicht in denselben Verfall geraten wollen wie die Industrie und der Handel Italiens seit dem 16. Jahrhundert, wenn nicht England und Frankreich dasselbe werden soll, was Venedig, Genua und Holland heute sind. In wenig Jahren werden wir eine regelmäßige Dampfpaketlinie haben von England nach Chagres, von Chagres und San Franzisco nach Sydney, Kanton und Singapore. Dank dem kalifornischen Golde und der unermüdlichen Energie der Yankees werden beide Küsten des Stillen Meers bald ebenso bevölkert, ebenso offen für den Handel, ebenso industriell sein, wie es jetzt die Küste von Boston bis New Orleans ist. Dann wird der Stille Ozean dieselbe Rolle spielen wie jetzt das Atlantische und im Altertum und Mittelalter das Mittelländische Meer - die Rolle der großen Wasserstraße des Weltverkehrs; und der Atlantische Ozean wird herabsinken zu der Rolle eines Binnensees, wie sie jetzt das Mittelmeer spielt. Die einzige Chance, daß die europäischen zivilisierten Länder dann nicht in dieselbe industrielle, kommerzielle und politische Abhängigkeit fallen, in der Italien, Spanien und Portugal sich jetzt befinden, liegt in einer gesellschaftlichen Revolution, die, solange es noch Zeit ist, die Produktions- und Verkehrsweise nach den aus den modernen Produktivkräften hervorgehenden Bedürfnissen der Produktion selbst umwälzt und dadurch die Erzeugung neuer Produktivkräfte möglich macht, welche die Superiorität der europäischen Industrie sichern und so die Nachteile der geographischen Lage ausgleichen.

Zum Schluß noch ein charakteristisches Kuriosum aus China, das der bekannte deutsche Missionär Gützlaff mitgebracht hat. Die langsam aber regelmäßig steigende Übervölkerung des Landes machte die dortigen gesellschaftlichen Verhältnisse schon lange sehr drückend für die große Majorität der Nation. Da kamen die Engländer und erzwangen sich den freien Handel nach fünf Häfen. Tausende von englischen und amerikanischen Schiffen segelten nach China, und in kurzer Zeit war das Land mit wohlfeilen britischen und amerikanischen Maschinenfabrikaten überfüllt. Die chinesische, auf der Hand- <222> arbeit beruhende Industrie erlag der Konkurrenz der Maschine. Das unerschütterliche Reich der Mitte erlebte eine gesellschaftliche Krise. Die Steuern gingen nicht mehr ein, der Staat kam an den Rand des Bankerotts, die Bevölkerung sank massenweise in den Pauperismus hinab, brach in Empörungen aus, mißkannte, mißhandelte und tötete des Kaisers Mandarine und Fohis Bonzen. Das Land kam an den Rand des Verderbens und ist bereits bedroht mit einer gewaltigen Revolution. Aber noch schlimmer. Unter dem aufrührerischen Plebs traten Leute auf, die auf die Armut der einen, auf den Reichtum der andern hinwiesen, die eine andere Verteilung des Eigentums, ja die gänzliche Abschaffung des Privateigentums forderten und noch fordern. Als Herr Gützlaff nach 20jähriger Abwesenheit wieder unter zivilisierte Leute und Europäer kam, hörte er von Sozialismus sprechen und frug, was das sei? Als man ihm dies erklärt hatte, rief er erschreckt aus:

"Ich soll also dieser verderblichen Lehre nirgends entgehn? Grade dasselbe wird ja seit einiger Zeit von vielen Leuten aus dem Mob in China gepredigt!"

Der chinesische Sozialismus mag sich nun freilich zum europäischen verhalten wie die chinesische Philosophie zur Hegelschen. Es ist aber immer ein ergötzliches Faktum, daß das älteste und unerschütterlichste Reich der Erde durch die Kattunhallen der englischen Bourgeois in acht Jahren an den Vorabend einer gesellschaftlichen Umwälzung gebracht worden ist, die jedenfalls die bedeutendsten Resultate für die Zivilisation haben muß. Wenn unsere europäischen Reaktionäre auf ihrer demnächst bevorstehenden Flucht durch Asien endlich an der chinesischen Mauer ankommen, an den Pforten, die zu dem Hort der Urreaktion und des Urkonservatismus führen, wer weiß, ob sie nicht darauf die Überschrift lesen:

République chinoise
Liberté, Egalité, Fraternité.

<Chinesische Republik
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit>

London, 31. Januar 1850

*

Die Wünsche der preußischen Bürgerschaft sind erfüllt: Der "Mann von Ehre" hat die Verfassung beschworen unter der Bedingung, daß es ihm "möglich gemacht werde, mit dieser Verfassung zu regieren". Und die Bourgeois in den Kammern haben in den wenigen Tagen, die seit dem 6. Februar verflossen sind, diesen Wunsch bereits vollständig erfüllt. Vor dem 6. Februar sagten sie: Wir müssen Konzessionen machen, damit nur die Verfassung <223> beschworen werde; ist der Eid erst geleistet, so können wir ganz anders auftreten. Nach dem 6. Februar sagen sie: Die Verfassung ist beschworen, wir haben alle nur möglichen Garantien; wir können also ganz ruhig Konzessionen machen. Achtzehn Millionen zu Kriegsrüstungen, zur Mobilmachung von 500.000 Mann gegen einen bis jetzt noch unbekannten Feind, werden ohne Debatte, ohne Opposition fast einstimmig bewilligt; das Budget wird in vier Tagen votiert, alle Regierungsvorlagen gehen im Handumdrehen durch die Kammern. Man sieht, es fehlt der deutschen Bourgeoisie noch immer nicht an Feigheit und an Vorwänden für diese Feigheit.

Der König von Preußen hat durch diese wohlmeinende Kammer Gelegenheit genug bekommen einzusehen, welche Vorzüge das konstitutionelle System vor dem absolutistischen besitzt, und zwar nicht nur für die Regierten, sondern auch für die Regenten. Wenn wir zurückdenken an die Finanzbeklemmung von 1842-1848, an die vergeblichen Borgversuche mit der Seehandlung und der Bank, an die abschlägigen Antworten Rothschilds, an die vom Vereinigten Landtag verweigerte Anleihe, an die Erschöpfung des Staatsschatzes und der öffentlichen Kassen, und wenn wir mit dem allen vergleichen den Finanzüberfluß von 1850 - drei Budgets mit siebenzig Millionen Defizit durch Kammerbewilligung gedeckt, Darlehnsscheine, Tresorscheine massenhaft in Umlauf gesetzt, der Staat mit der Bank auf einem besseren Fuß als je mit der Seehandlung und zu alledem noch vierunddreißig Millionen bewilligter Anleihen in Reserve - welch ein Kontrast!

Nach den Äußerungen des Kriegsministers hält also die preußische Regierung Eventualitäten für wahrscheinlich, welche sie zwingen könnten, im Interesse der europäischen "Ordnung und Ruhe" ihre ganze Armee zu mobilisieren. Durch diese Erklärung hat Preußen seinen erneuerten Beitritt zur Heiligen Allianz laut und deutlich genug proklamiert. Wer der Feind ist, dem der neue Kreuzzug gilt, ist klar. Das Zentrum der Anarchie und des Umsturzes, das welsche Babel, soll vernichtet werden. Ob Frankreich direkt angegriffen werden, ob Diversionen gegen die Schweiz und gegen die Türkei vorhergehen sollen, wird oft nur von der Entwicklung der Verhältnisse in Paris abhängen. Jedenfalls hat die preußische Regierung jetzt die Mittel, ihre 180.000 Soldaten binnen zwei Monaten auf 500.000 zu erhöhen; 400.000 Russen stehn in Polen, Wolhynien und Bessarabien echeloniert; Östreich hat 650.000 Mann mindestens auf den Beinen. Schon um diese kolossalen Streitkräfte zu ernähren, müssen Rußland und Östreich einen Invasionskrieg noch in diesem Jahre beginnen. Und in Beziehung auf die erste Richtung dieser Invasion ist soeben ein merkwürdiges Aktenstück in die Öffentlichkeit gekommen.

Die "Schweizerische National-Zeitung" teilt in einer ihrer letzten Nummern <224> eine angeblich vom östreichischen General Schönhals verfaßte Denkschrift mit, welche einen vollständigen Plan zur Invasion der Schweiz enthält. Die Hauptmomente dieses Planes sind folgende:

Preußen zieht gegen 60.000 Mann am Main zusammen, in der Nähe der Eisenbahnen; ein Korps Hessen, Bayern und Württemberger konzentriert sich teils bei Rottweil und Tuttlingen, teils bei Kempten und Memmingen. Östreich stellt 50.000 Mann in Vorarlberg und nach Innsbruck zu auf und bildet ein zweites Korps in Italien zwischen Sesto-Calende und Lecco. Inzwischen wird die Schweiz mit diplomatischen Unterhandlungen hingehalten. Ist der Moment des Angriffs gekommen, so eilen die Preußen auf der Eisenbahn nach Lörrach, die kleinen Kontingente nach Donaueschingen; die Östreicher ziehn sich bei Bregenz und Feldkirch, die italienische Armee bei Como und Lecco enger zusammen. Eine Brigade bleibt bei Varese stehn und bedroht Bellinzona. Die Gesandten überreichen das Ultimatum und reisen ab. Die Operationen beginnen: Der Hauptvorwand ist, die Bundesverfassung von 1814 und die Freiheit der Sonderbundskantone herzustellen. Der Angriff selbst ist ein konzentrischer gegen Luzern. Die Preußen dringen über Basel gegen die Aar, die Östreicher über St. Gallen und Zürich gegen die Limmat vor. Erstere stellen sich von Solothurn bis Zurzach, letztere von Zurzach über Zürich bis Uznach auf. Zu gleicher Zeit dringen 15.000 detachierte Östreicher über Chur gegen den Splügen und vereinigen sich mit dem italienischen Korps, worauf beide durch das Vorderrheintal gegen den St. Gotthard vorrücken und hier wieder dem über Varese und Bellinzona vorgegangenen Korps die Hand reichen und die Urkantone insurgieren. Diese werden inzwischen durch das Vorrücken der Hauptarmeen, mit denen sich die kleineren Kontingente über Schaffhausen vereinigen, und durch die Eroberung Luzerns von der westlichen Schweiz abgeschnitten und so die Schafe von den Böcken getrennt. Zu gleicher Zeit besetzt Frankreich, das durch den "geheimen Vertrag vom 30. Januar" zur Aufstellung von 60.000 Mann bei Lyon und Colmar verpflichtet ist, Genf und den Jura unter demselben Vorwande, unter dem es Rom besetzte. Damit ist Bern unhaltbar geworden, und die "revolutionäre" Regierung ist gezwungen, entweder sogleich zu kapitulieren oder mit ihren Truppen in den Berner Hochalpen zu verhungern.

Man sieht, das Projekt ist gar so übel nicht. Es nimmt die nötige Rücksicht auf die Terrainverhältnisse, es schlägt vor, die ebnere und fruchtbarere Nordschweiz zuerst zu nehmen und in der Nordschweiz die einzige vorhandene ernsthafte Position, die hinter der Aar und Limmat, mit den vereinigten Hauptkräften zu forcieren. Es hat den Vorteil, der Schweizer Armee die Kornkammer abzuschneiden und ihr das schwierigere Gebirgsterrain zunächst <225> noch zu überlassen. Es kann also schon im Anfange des Frühjahrs ausgeführt werden, und je früher es ausgeführt wird, desto schwieriger ist die Stellung der in die Hochgebirge zurückgedrängten Schweizer.

Ob das Aktenstück wider den Willen der Urheber publiziert, ob es absichtlich zu dem Zweck ausgearbeitet worden ist, einem Schweizer Blatt zur Veröffentlichung in die Hände gespielt zu werden, das läßt sich aus bloß inneren Gründen noch schwer entscheiden. Im letzteren Falle könnte es nur den Zweck haben, die Schweizer zu veranlassen, durch schleunige und zahlreiche Truppenaufgebote ihre Kassen zu erschöpfen und sich mehr und mehr fügsam gegen die Heilige Allianz zu beweisen sowie die öffentliche Meinung überhaupt über die Absichten der Alliierten irrezuführen. Die Parademacherei, die augenblicklich mit den Rüstungen Rußlands und Preußens und mit den Kriegsplänen gegen die Schweiz getrieben wird, scheint dafür zu sprechen. Ebenso ein Satz der Denkschrift selbst, in dem die größte Schnelligkeit in allen Operationen empfohlen wird, damit man möglichst viel Gebiet erobere, ehe die Kontingente daraus zusammengezogen und abmarschiert seien. Dagegen sprechen wieder ebensoviel innere Gründe für die Echtheit der Denkschrift als eines wirklich vorgeschlagenen Invasionsplans gegen die Schweiz.

Soviel ist gewiß: Die Heilige Allianz wird noch dies Jahr marschieren, sei es zunächst gegen die Schweiz oder die Türkei, sei es direkt gegen Frankreich, und in beiden Fällen mag der Bundesrat sein Haus bestellen. Ob die Heilige Allianz oder die Revolution zuerst in Bern ankommt, er hat seinen Untergang durch seine feige Neutralität selbst herbeigeführt. Die Kontrerevolution kann mit seinen Konzessionen nicht zufrieden sein, weil sein Ursprung selbst ein mehr oder weniger revolutionärer ist; die Revolution kann eine so verräterische und feige Regierung im Herzen Europas zwischen den drei am nächsten bei der Bewegung beteiligten Nationen keinen Augenblick dulden. Das Benehmen des Schweizer Bundesrats liefert das frappanteste und hoffentlich das letzte Beispiel davon, was die angebliche "Unabhängigkeit" und "Selbständigkeit" kleiner Staaten mitten zwischen den modernen großen Nationen zu bedeuten hat.(1)


(1) In Beziehung auf die letzten Ereignisse in Frankreich verweisen wir auf den in diesem Heft enthaltenen Abschnitt des Artikels "1848-1849". Über die faktische Abschaffung der Zehnstundenbill in England werden wir im nächsten Heft einen selbständigen Artikel bringen.