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Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 6, S. 452-453
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1959

Die kontrerevolutionären Pläne in Berlin

["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 286 vom 1. Mai 1849]

<452> *Köln, 30. April. Die Pläne unsrer kontrerevolutionären Regierung treten allmählich hervor.

Man beabsichtigte, vom 27. April ein neues Stadium der preußischen Kontrerevolution zu datieren. Man wollte das Berliner Volk zu einem Straßenkampf provozieren, vielleicht den Aufstand à la Cavaignac "Dimensionen gewinnen" lassen, ihn dann mit Cavaignacschen Mitteln und Cavaignacscher Übermacht erdrücken, das Standrecht proklamieren, ein paar Abgeordnete und eine gute Anzahl Wühler zu Pulver und Blei begnadigen und schließlich durch neue Oktroyierungen sich von den lästigen Fesseln befreien, welche selbst die Standrechtscharte vom 5. Dezember unserer Kontrerevolution noch angelegt.

Man hatte an dem provozierten Aufstande ja einen hinreichenden Vorwand zu behaupten, daß das Volk zu den gnädigst verliehenen Freiheiten "noch nicht reif" sei, daß mit einem solchen Wahlgesetz, mit einer solchen Verfassung nicht zu regieren sei. "Um Blutvergießen zu vermeiden", also im Interesse des Volks selbst, mußte man auch den letzten Rest von Freiheit vernichten. "Um Blutvergießen zu vermeiden", mußte man das ganze Land mit Ausnahme von Hinterpommern in Belagerungszustand erklären! Das alles konnte man behaupten, wenn man erst eine anständige Erneute in Berlin mit obligaten Unruhen in Breslau, Magdeburg, Köln usw. durchgemacht und glücklich zusammenkartätscht hatte.

Daher die Brutalitäten der Konstabler gegen die in der Konversationshalle versammelte Linke; daher die militärische Umzingelung des Dönhoffplatzes von allen Seiten; daher das rasche Feuern auf eine wehrlose, ruhige Volksmasse, die sich nicht entfernen konnte, weil ihr alle Straßen gesperrt waren.

<453> Die ruhige Haltung des Volks trotz aller Provokationen hat den Kontrerevolutionären einen Strich durch die Rechnung gemacht. Sie haben keinen Vorwand zum Oktroyieren, und oktroyieren müssen sie. Wir werden vielleicht heute abend schon erfahren, zu welcher neuen Wendung die Herren sich entschlossen haben.

Welche gewaltigen Pläne man hatte, geht aus allen Umständen hervor. Erstens aus der gleichzeitigen Kammerauflösung in Hannover, zweitens und ganz besonders aus der Reise des Herrn Radowitz nach Berlin.

Herr Radowitz ist die Seele der preußischen Kontrerevolution. Herr Radowitz hat den Plan zur Kontrerevolution vom November entworfen, sich selbst aber noch hinter den Kulissen gehalten und in Frankfurt für das preußische Erbkaisertum intrigiert. Herr Radowitz ist diesmal selbst nach Berlin gegangen, wie es heißt, um endlich offen hervorzutreten und Premierminister zu werden. Ein Ministerium Radowitz - das ist des Pudels Kern!

Wir wissen ferner positiv folgende Tatsachen:

1. Im Laufe der vorigen Woche kam bereits ein Schreiben der Oberpräsidenten an alle Chefpräsidenten, worin denselben mitgeteilt wurde, daß die Auflösung der Kammer bevorstehe, mit der Weisung, alle nötigen Vorsichtsmaßregeln zu ergreifen.

2. Ist ein Ministerialreskript an sämtliche Regierungen ergangen, worin es heißt:

1. Daß sämtlichen Bürgermeistereien aufzugeben sei, an die resp. Regierungen täglich über den Eindruck Bericht zu erstatten, welchen der Akt der Kammerauflösung hervorgebracht. Die Regierungen müssen ihrerseits an das Ministerium hierüber Kollektivberichte geben.

2. Neuwahlen würden vor der Hand noch nicht stattfinden, dagegen wurde gegen viele Mitglieder der "sogenannten" Linken eingeschritten werden.

3. Seien alle Vorsichtsmaßregeln zu ergreifen, um jeden Versuch zur Auflehnung zu unterdrücken.

Das Reskript ist unterzeichnet: Manteuffel.

Herr Manteuffel oder vielmehr Herr Radowitz, sein Vorgesetzter, konnte der sich entwickelnden ungarisch-polnisch-deutschen Revolution keinen bessern Dienst leisten, als gerade jetzt mit seinen Plänen zur Wiederherstellung des Absolutismus offen hervorzutreten.

Geschrieben von Friedrich Engels.