Die "Kölnische Zeitung" über die Wahlen | Inhalt | Der erste Preßprozeß der "Neuen Rheinischen Zeitung"

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 6, S. 218-220
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1959

Camphausen

["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 213 vom 4. Februar 1849]

<218> *Köln, 3. Februar. Wir erfahren aus ganz sicherer Quelle, daß vor Eröffnung der Kammer das Ministerium Brandenburg abtreten und Herr Camphausen den Kammern bei ihrer Eröffnung als neuer Ministerpräsident entgegentreten wird.

Wir waren sicher, daß so etwas im Werke sei, als vor einigen Tagen die hiesigen Freunde des gewiegten Staatsmannes das Gerücht verbreiteten, er sei der politischen Bewegung satt:

Ach, ich bin des Treibens müde;
Was soll all der Schmerz, die Lust?
Süßer Friede,
Komm, o komm in meine Brust!
<Goethe, "Wanderers Nachtlied">

und wolle sich deswegen wieder in sein häusliches Stilleben zurückziehen, um seine Meditationen auf das weniger aufregende Gebiet der Fettwarenspekulation zu beschränken.

Jedem Einsichtigen mußte es klar sein: Herr Camphausen fühlte das Bedürfnis, sich abermals zur Rettung der Krone auffordern zu lassen und, "gerührt über seine eigene Großmut", zum zweiten Male die Rolle der "Wehmutter des konstitutionellen Throns" mit bekanntem Anstand zu spielen.

Die bürgerliche Kammeropposition wird jubeln über diesen parlamentarischen "Sieg". Die Deutschen sind vergeßlich und verzeihen leicht. Dieselbe Linke, die voriges Jahr Herrn Camphausen opponierte, wird seinen Amtsantritt als eine große Konzession der Krone dankbar begrüßen.

Damit aber das Volk sich nicht abermals täuschen lasse, wollen wir die vornehmsten Großtaten des denkenden Staatsmannes kurz wiederholen.

Herr Camphausen erweckte den am 18. März begrabenen Vereinigten <219> Landtag und vereinbarte mit ihm einige Grundlagen der künftigen Verfassung.

Herr Camphausen vereinbarte dadurch den Rechtsboden, d.h. die indirekte Leugnung der Revolution.

Herr Camphausen beglückte uns ferner mit den indirekten Wahlen.

Herr Camphausen verleugnete abermals die Revolution in einem ihrer Hauptresultate, indem er die Flucht des Prinzen von Preußen in eine Studienreise umwandelte und ihn aus London zurückrief.

Herr Camphausen organisierte die Bürgerwehr so, daß sie von vornherein aus der Volksbewaffnung zu einer Klassenbewaffnung wurde und Volk und Bürgerwehr einander feindlich gegenüberstellte.

Herr Camphausen duldete zu gleicher Zelt, daß die altpreußische Bürokratie und Armee sich rekonstituierten und täglich fähiger wurden, kontrerevolutionäre Staatsstreiche vorzubereiten.

Herr Camphausen ließ die denkwürdigen Schrapnellmetzeleien gegen so gut wie unbewaffnete polnische Bauern führen.

Herr Camphausen begann den dänischen Krieg, um die patriotische Überkraft loszuwerden und die preußische Garde wieder populär zu machen. Als dieser Zweck erreicht, half er aus besten Kräften den Malmöer schmutzigen Waffenstillstand in Frankfurt durchsetzen, was zum Marsch Wrangels nach Berlin nötig war.

Herr Camphausen beschränkte sich darauf, einige reaktionäre altpreußische Gesetze in der Rheinprovinz abzuschaffen, ließ aber die ganze polizeistaatliche Landrechts-Gesetzgebung in allen alten Provinzen bestehen.

Herr Camphausen war der erste, der gegen die - damals noch entschieden revolutionäre - Einheit Deutschlands intrigierte, indem er erstens neben der Frankfurter Nationalversammlung sein Berliner Vereinbarungsparlament berief und später auf jede Weise gegen die Beschlüsse und den Einfluß der Frankfurter Versammlung arbeitete.

Herr Camphausen verlangte von seiner Versammlung, daß sie ihr konstituierendes Mandat auf ein bloß "vereinbarendes" beschränke.

Herr Camphausen verlangte ferner von ihr den Erlaß einer Adresse an die Krone, in der sie dies anerkenne - als sei sie eine nach Belieben vertagbare und auflösbare konstitutionelle Kammer.

Herr Camphausen verlangte ferner von ihr die Verleugnung der Revolution und machte hieraus sogar eine Kabinettsfrage.

Herr Camphausen legte seiner Versammlung jenen Verfassungsentwurf vor, der mit der oktroyierten Verfassung ungefähr auf einer Linie steht und damals einen allgemeinen Sturm des Unwillens erregte.

<220> Herr Camphausen rühmte sich, der Minister der Vermittlung gewesen zu sein, welche Vermittlung keine andere war als die zwischen der Krone und der Bourgeoisie zum gemeinsamen Verrat am Volke.

Herr Camphausen trat endlich ab, als dieser Verrat vollständig vermittelt und reif war, um durch das Ministerium der Tat und seine Konstabler die Praxis eingeführt zu werden.

Herr Camphausen wurde Gesandter bei der sogenannten Zentralgewalt und blieb es unter allen Ministerien. Er blieb Gesandter, während in Wien kroatische, ruthenische und walachische Truppen deutsches Gebiet verletzten, die erste Stadt Deutschlands in Brand schossen und so empörend behandelten, wie kein Tilly Magdeburg behandelt hat. Er blieb Gesandter und rührte keinen Finger.

Herr Camphausen blieb Gesandter unter Brandenburg, nahm damit seinen Anteil an der preußischen Kontrerevolution mit und gab seinen Namen her zu der neuesten preußischen Zirkularnote, die offen und unverhohlen die Herstellung des alten Bundestages verlangt.

Herr Camphausen übernimmt endlich jetzt das Ministerium, um den Rückzug der Kontrerevolutionäre zu decken und die November- und Dezembererrungenschaften uns auf längere Zeit zu sichern.

Das sind einige der Camphausenschen Großtaten. Wird er jetzt Minister, so wird er sich beeilen, die Liste zu vergrößern. Wir unsererseits werden möglichst genau darüber Buch und Rechnung führen.

Geschrieben von Karl Marx.