Die englisch-französische Vermittlung in Italien | Inhalt | Der Staatsprokurator "Hecker" und die "Neue Rheinische Zeitung"
Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 5, S. 437-439["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 123 vom 22. Oktober 1848]
<437> *Köln, 21 Oktober. Wir kommen immer wieder und immer mit erneuter Genugtuung auf unsern "konstitutionellen Musterstaat", auf Belgien, zurück. In einer früheren Nummer unserer Zeitung wiesen wir nach, daß der "größte Vasall Leopolds der Pauperismus" ist. Wir zeigten nach, daß, wenn die Verbrechen, auch nur der jungen Knaben und Mädchen unter 18 Jahren, in gleicher Proportion wie vom Jahre 1845-1847 sich naturwüchsig weiter entwickelten, "im Jahre 1856 ganz Belgien im Gefängnis sitzen würde, die ungebornen Kinder mitgezählt". Wir wiesen ebendaselbst nach, daß mit dem Wachstume des Pauperismus und des Verbrechens das Versiechen der industriellen Einkommenquellen Belgiens gleichen Schritt hält (Nr. 68 der" N[euen] Rh[einischen] Z[eitung]").
Heute werfen wir einen Blick auf die finanziellen Zustände des "Musterstaats".
Francs |
|
Das ordentliche Budget von 1848 |
119.000.000 |
Erste gezwungene Anleihe |
12.000.000 |
Zweite gezwungene Anleihe |
25.000.000 |
Bankbillets mit gezwungenem Kurs |
12.000.000 |
Totalsumme: |
168.000.000 |
Hinzuzufügen Bankbillets mit gezwungenem Kurs, unter Staatsgarantie |
40.000.000 |
Summe: |
208.000.000 |
<438> Belgien, erzählt uns Rogier, steht wie ein Fels von den weltgeschichtlichen Stürmen umbraust, aber unerregt. Es steht auf den Urgebirgen seiner breiten Institutionen. Die 208.000.000 Fr[ancs] sind die prosaische Übersetzung der wundertätigen Kraft jener Musterinstitutionen. Das konstitutionelle Belgien geht nicht unter an der revolutionären Entwicklung. Er geht schmählich zugrunde am - Bankerutt.
Das liberale belgische Ministerium, das Ministerium Rogier, ist wie alle liberalen Ministerien nichts anders als ein Ministerium der Kapitalisten, der Bankiers, der hohen Bourgeoisie. Wir werden sogleich sehen, wie es, dem wachsenden Pauperismus und der sinkenden Industrie zum Trotz, die raffiniertesten Mittel nicht verschmäht, das gesamte Volk zugunsten der Bankbarone stets von neuem zu exploitieren.
Die zweite Anleihe, die in der obigen Zusammenstellung aufgestellt ist, wurde den Kammern hauptsächlich abgerungen durch die Versicherung, man wolle die Schatzscheine einlösen. Diese Schatzscheine hatte unter dem katholischen Ministerium de Theux der katholische Finanzminister Malou ausgegeben. Es waren diese Schatzscheine ausgegeben für freiwillige Anleihen, die einige Finanzbarone dem Staat gemacht hatten. Sie bildeten das Hauptthema, das unerschöpfliche Thema der heulenden Diatriben unsers Rogiers und seiner liberalen Konsorten gegen das Ministerium de Theux.
Was tut nun das liberale Ministerium? Es kündet im "Moniteur" - Belgien besitzt seinen "Moniteur" - eine neue Ausgabe von Schatzscheinen zu 5 Prozent an.
Welche Schamlosigkeit, Schatzscheine auszugeben, nachdem man eine gezwungene Anleihe von 25.000.000 Fr[ancs] nur unter dem Vorwande erschlichen hatte, die so verlästerten von Malou ausgegebenen Schatzscheine einzulösen? Aber nicht genug.
Die Schatzscheine sind zu 5 Prozent ausgegeben. Belgische Papiere, die auch unter Staatsgarantie stehen, verzinsen sich zu 7 und 8 Prozent. Wer wird also sein Geld in Schatzscheine stecken? Und überdem hat die Lage des Landes überhaupt und die gezwungenen Anleihen wenige übriggelassen, die imstande wären, dem Staate freiwillige Vorschüsse zu machen.
Was also der Zweck dieser neuen Ausgabe von Schatzscheinen?
Die Banken haben die Billets mit Zwangskurs, zu deren Ausgabe die liberale Regierung sie ermächtigte, noch bei weitem nicht alle in Umlauf zu setzen vermocht. Es befinden sich in ihren Portefeuilles noch einige Millionen dieser nutzlosen Papiere, die natürlich nichts einbringen, solange sie hermetisch in den Portefeuilles verschlossen bleiben. Gibt es ein besseres Mittel, <439> dies Papier in Umlauf zu setzen, als es dem Staate im Austausche für Schatzscheine zu geben, die 5 Prozent einbringen?
Die Bank zieht so für mehrere Millionen Papierschnitzel, die ihr nichts gekostet und die überhaupt nur einen Tauschwert haben, weil der Staat ihnen einen Tauschwert gegeben hat, 5 Prozent. Der steuerpflichtige belgische Pöbel wird auf dem nächsten Budget ein Defizit von einigen 100.000 Fr[ancs] mehr finden, die er pflichtgemäß aufzubringen hat, alles zum Besten der armen Bank.
Ist es zu verwundern, daß die belgischen Finanzbarone die konstitutionelle Monarchie einträglicher finden als die Republik? Das katholische Ministerium hegte und pflegte hauptsächlich die heiligsten, d.h. die materiellen Interessen der Landlords. Das liberale Ministerium behandelt mit gleich zärtlicher Sorgfalt die Interessen der Landlords, der Finanzbarone und der Hoflakaien. Welch Wunder, daß unter seiner kunstgerechten Hand diese sogenannten Parteien, die gleich heißhungrig auf den Nationalreichtum, oder in Belgien vielmehr auf die Nationalarmut losstürzen und bei dieser Gelegenheit sich zuweilen in die Haare fielen, nun alle versöhnt sich in die Arme sinken und nur noch eine einzige große Partei bilden, die "nationale Partei"?
Geschrieben von Karl Marx.