Die neueste Heldentat des Hauses Bourbon | Inhalt | Camphausens Erklärung in der Sitzung vom 30. Mai

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 5, S. 22-24
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1971


Die demokratische Partei

["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 2 vom 2. Juni 1848]

<22> **Köln, 1. Juni. Es ist eine gewöhnliche Anforderung an jedes neue Organ der öffentlichen Meinung: Begeisterung für die Partei, deren Grundsätze es bekennt, unbedingte Zuversicht zu ihrer Kraft, stete Bereitschaft, sei es mit der faktischen Macht das Prinzip zu decken, sei es mit dem Glanz des Prinzips die faktische Schwäche zu beschönigen. Diesem Verlangen werden wir nicht entsprechen. Wir werden erlittene Niederlagen nicht mit täuschenden Illusionen zu vergolden suchen.

Die demokratische Partei hat Niederlagen erlitten; die Grundsätze, die sie im Augenblicke ihres Triumphes proklamiert hat, sind in Frage gestellt, das Terrain, das sie wirklich gewonnen, wird ihr Fuß für Fuß streitig gemacht; schon hat sie viel verloren, und bald wird sich die Frage bieten, was ihr noch übriggeblieben sei.

Es kommt uns darauf an, daß die demokratische Partei sich ihrer Stellung bewußt werde. Man wird fragen, warum wir uns an eine Partei wenden, warum wir nicht lieber das Ziel der demokratischen Bestrebungen ins Auge fassen, die Volkswohlfahrt, das Heil aller ohne Unterschied?

Es ist dies das Recht und die Gewohnheit des Kampfes, und nur aus dem Kampfe der Parteien, nicht aus scheinklugen Kompromissen, aus einem erheuchelten Zusammengehen bei widerstreitenden Ansichten, Interessen und Zwecken kann das Heil der neuen Zeit erwachsen.

Wir verlangen von der demokratischen Partei, daß sie sich ihrer Stellung bewußt werde. Diese Forderung entspringt aus den Erfahrungen der letzten Monate. Die demokratische Partei hat sich viel zu sehr dem Taumel des ersten Siegesrausches hingegeben. Trunken vor Freude, daß sie endlich einmal ihr Prinzip laut und unverhohlen aussprechen durfte, bildete sie sich ein, <23> daß es nur seiner Verkündigung bedürfe, um auch sofort der Verwirklichung sicher zu sein. Über diese Verkündigung ist sie nach ihrem ersten Siege und den Konzessionen, die unmittelbar daran geknüpft waren, nicht herausgekommen. Aber während sie mit ihren Ideen freigebig war und jeden als Bruder umarmte, der nur nicht gleich Widerspruch zu erheben wagte, handelten die andern, denen die Macht gelassen oder gegeben war. Und ihre Tätigkeit ist nicht verächtlich gewesen. Mit ihrem Prinzipe zurückhaltend, das sie nur soweit hervortreten ließen, als es gegen den alten, durch die Revolution umgeworfenen Zustand gerichtet war, die Bewegung vorsichtig beschränkend, wo das Interesse des neu zu bildenden Rechtszustandes, die Herstellung der äußern Ordnung als Vorwand dienen konnte, den Freunden der alten Ordnung scheinbare Zugeständnisse machend, um ihrer zur Durchführung ihrer Pläne desto sicherer zu sein, dann allmählich ihr eignes politisches System in den Grundzügen aufführend, ist es ihnen gelungen, zwischen der demokratischen Partei und den Absolutisten eine Mittelstellung zu gewinnen, nach der einen Seite fortschreitend, nach der andern zurückdrängend, zugleich progressiv - gegen den Absolutismus, reaktionär - gegen die Demokratie.

Das ist die Partei des besonnenen, gemäßigten Bürgertums, von der sich die Volkspartei in ihrer ersten Trunkenheit hat überlisten lassen, bis ihr endlich, als man sie schnöde zurückstieß, als man sie als Wühler denunzierte und ihr alle möglichen verwerflichen Tendenzen unterschob, die Augen aufgegangen sind, bis sie gewahrt hat, daß sie im Grunde nichts erreicht hat, als was die Herren von der Bürgerschaft mit ihrem wohlverstandenen Interesse für vereinbar halten. Mit sich selbst in Widerspruch gesetzt durch ein undemokratisches Wahlgesetz, geschlagen in den Wahlen, sieht sie jetzt eine doppelte Vertretung sich gegenüber, wovon nur das schwer zu sagen ist, welche von beiden sich entschiedener ihren Forderungen entgegenstemmt. Damit ist dann freilich ihre Begeisterung verraucht und die nüchterne Erkenntnis an die Stelle getreten, daß eine mächtige Reaktion zur Herrschaft gelangt ist, und zwar merkwürdigerweise, noch ehe es überhaupt zu einer Aktion im Sinne der Revolution gekommen ist.

So unzweifelhaft dies alles ist, so gefährlich wäre es, wenn sich jetzt die demokratische Partei unter dem bittern Gefühle der ersten teilweise selbst verschuldeten Niederlage bestimmen ließe, zu jenem unseligen, dem deutschen Charakter leider so befreundeten Idealismus zurückzukehren, vermöge dessen ein Prinzip, das nicht sogleich ins Leben geführt werden kann, der fernen Zukunft anempfohlen, für die Gegenwart aber der harmlosen Bearbeitung der "Denker" überlassen wird.

<24> Wir müssen direkt warnen vor jenen gleisnerischen Freunden, die sich mit dem Prinzip zwar einverstanden erklären, aber die Ausführbarkeit bezweifeln, weil die Welt noch nicht reif dafür sei, die keineswegs gemeint sind, sie reif zu machen, vielmehr es vorziehen, in diesem schlechten Erdendasein selber dem allgemeinen Geschicke der Schlechtigkeit anheimzufallen. Wenn das die Kryptorepublikaner sind, die der Hofrat Gervinus so sehr fürchtet, so stimmen wir ihm von Herzen bei: Die Leute sind gefährlich.