Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 4, S. 539 - 540
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1972

[Karl Marx]

[Verfolgungen der Ausländer in Brüssel]

Aus dem Französischen.

["La Réforme" vom 12. März 1848]

<539> Sonntag, den 27. Februar, hielt die Brüsseler Demokratische Gesellschaft ihre erste öffentliche Sitzung ab seit der Nachricht von der Proklamierung der Französischen Republik. Man wußte im voraus, daß eine große Anzahl von Arbeitern daran teilnehmen würde, die fest entschlossen seien, alle von der Gesellschaft als zweckdienlich erkannten Maßnahmen tatkräftig zu unterstützen.

Die Regierung ihrerseits hatte das Gerücht verbreiten lassen, König Leopold wäre bereit abzudanken, sobald das Volk es wünsche. Das war eine Falle, um die belgischen Demokraten zu veranlassen, nichts Entscheidendes gegen einen so guten König zu unternehmen, dem nichts lieber sei, als sich der Last der Königswürde zu entledigen, vorausgesetzt, man bewillige ihm in allen Ehren eine anständige Pension.

Gleichzeitig hielt die Regierung des Königs eine komplette Liste der Personen bereit, deren Verhaftung als Störer der öffentlichen Ordnung sie für den gleichen Abend vorgesehen und für richtig befunden hatte. Mit dem Chef der Öffentlichen Sicherheit, Herrn Hody, war vereinbart, die Ausländer als die Hauptanstifter eines angeblichen Aufruhrs auf diese Liste zu setzen, einmal um die Festnahme der als entschiedene Republikaner bekannten Belgier zu tarnen, zum anderen, um die national-empfindsamen Gemüter zu reizen. Dies erklärt auch, warum Seine Exzellenz Herr Rogier, der ebensowenig Belgier ist wie S.M. König Leopold Franzose, später eine Verordnung erließ, die allen Behörden einschärfte, die Franzosen und die Deutschen, das heißt die Landsleute Rogiers wie die Landsleute Leopolds, strengstens zu überwachen. In seiner ganzen Abfassung erinnert dieser Erlaß an die Verdächtigungsgesetze.

Dieser so wohlerwogene Plan war in der Art seiner Durchführung um so perfider und brutaler, als die festgenommenen Personen sich am Abend des 27. Februar jeder Provokation enthalten hatten.

<540> Es ist als ob man sich den Spaß gemacht hätte, diese Menschen zu verhaften, um sie nach Belieben mißhandeln und beschimpfen zu können.

Kaum waren sie verhaftet, hagelte es Faustschläge, Fußtritte und Säbelhiebe. Man spuckte ihnen ins Gesicht, diesen Republikanern. Man mißhandelte sie vor den Augen des Philanthropen Hody, dem es ein Genuß war, Ausländern einen Beweis seiner ganzen Macht zu geben.

Da nichts Belastendes gegen sie vorgebracht werden konnte, wäre nichts anderes übriggeblieben, als sie in Freiheit zu setzen. Doch nein! Sechs Tage lang behielt man sie im Kerker! Dann suchte man die Ausländer unter den Gefangenen heraus und beförderte sie in Zellenwagen direkt zur Bahn. Dort wurden sie wiederum in Zellenwagen, jeder in einer Zelle für sich, untergebracht und so nach Quiévrain expediert, wo belgische Gendarmen sie in Empfang nahmen und bis an die französische Grenze schleppten.

Als sie schließlich auf freiem Boden langsam wieder zu sich kamen, fanden sie in ihren Taschen weiter nichts vor als die am Tage vor der Festnahme ausgestellten Ausweisungspapiere. Einer der Ausgewiesenen, Herr Allard, ist Franzose.

Zur selben Zeit verkündete die Regierung des völlig bedeutungslosen Königs in der Abgeordnetenkammer, daß das Königreich Belgien, einschließlich beider Flandern, die bestmögliche aller Republiken sei, daß es eine Muster-Polizei besitze, geleitet von einem Manne wie Herrn Hody, der in einer Person den früheren Republikaner, den Fourieristen und den wiederbekehrten Anhänger Leopolds vereine. Die Kammer weinte vor Rührung, und die katholischen und liberalen Zeitungen gerieten in Extase über die häuslichen Tugenden König Leopolds und die staatsmännischen Tugenden seines Hausknechts Rogier.

Das belgische Volk ist republikanisch. Anhänger Leopolds sind nur die Großbourgeoisie, die Landaristokratie, die Jesuiten, die Beamten und die aus Frankreich verjagten früheren Franzosen, die jetzt in Belgien an der Spitze der Verwaltung und des Pressewesens sitzen.

Metternich ist begeistert, daß er einen Coburger, einen geborenen Feind der französischen Revolution, gerade an der richtigen Stelle, an der Grenze Frankreichs hat. Allerdings vergißt er, daß die Coburger von heute nur noch in Heiratsfragen eine Rolle spielen.