["Deutsche-Brüsseler-Zeitung Nr. 13 vom 13. Februar 1848]
<511> Der "Débat social" vom 6. Februar verteidigt die Association démocratique von Brüssel und ihre Zweiggesellschaften. Wir erlauben uns einige Bemerkungen über die Art und Weise seiner Verteidigung.
Es mag im Interesse der belgisch-radikalen Partei sein, den Katholiken nachzuweisen, wie sie gegen ihr eignes Interesse handeln, indem sie die belgisch-radikale Partei anklagen. Es mag im Interesse der belgisch-radikalen Partei sein, niedern und höhern Klerus zu unterscheiden und dem Klerus im großen und ganzen an Komplimenten wiederzugeben, was sie einem Teil desselben an Wahrheiten sagt. Wir verstehen nichts hiervon. Wir sind nur verwundert, wie der "Débat" übersehen konnte, daß die Angriffe der flandrischen katholischen Blätter gegen die associations démocratiques in der "Indépendance" sogleich abgedruckt wurden, und die "Indépendance" ist, soviel wir wissen, kein katholisches Blatt.
Der "Débat social" erklärt, daß die Belgier vermittelst der demokratischen Assoziationen politische Reformen reklamieren.
Wir begreifen, daß der "Débat" einen Augenblick den kosmopolitischen Charakter der Association démocratique vergißt. Er hat ihn vielleicht nicht einmal vergessen. Er hat sich nur erinnert, daß eine Gesellschaft, welche die Demokratie in allen Ländern zu befördern strebt, zunächst auf das Land wirken wird, worin sie residiert.
Der "Débat social" begnügt sich nicht damit zu sagen, was die Belgier mit den associations démocratiques wollen; er geht weiter, er sagt, was die Belgier nicht mit ihnen wollen, was man also nicht wollen darf, wenn man der Assoziation angehört, welche die Belgier gestiftet haben, um politische Reformen zu reklamieren. Avis aux étrangers! <Warnung an den Ausländer!>
"Die politischen Reformen, welche die Belgier durch die demokratischen Assoziationen reklamieren wollen", sagt der "Débat", "sind nicht jene Utopien, welchen gewisse Demokraten nachjagen in Ländern, wo die gesellschaftlichen Institutionen keine wirksamen Reformen hoffen lassen, wo es also ebenso vernünftig ist, an spanische Schlösser zu denken, als an das bescheidene Wohlsein der schon freien Völker. Wer nichts hat, tut ebenso wohl, mit einem Mal Millionen zu erträumen, als hundert Taler Rente oder Profit."Der "Débat" spricht hier offenbar von den Kommunisten.
Wir möchten ihn fragen, "ob das bescheidne Wohlsein" des "freien" Englands sich dadurch bekundet, daß die Armentaxe schneller wächst als die Bevölkerung?
Wir möchten ihn fragen, oh er unter "dem bescheidenen Wohlsein der freien Völker" die flandrische Misere versteht?
Wir möchten ihm das Geheimnis abfragen, wodurch er 100 Taler Profit oder Rente an die Stelle des Arbeitslohns setzen will. Oder versteht er unter "dem bescheidnen Wohlsein der freien Völker" das bescheidne Wohlsein der freien Kapitalisten und Grundherren?
Wir möchten ihn endlich fragen, ob die Association démocratique von Brüssel ihn beauftragt hat, die Utopisten, die nicht an "das bescheidne Glück der freien Völker" glauben, Lügen zu strafen?
Der "Débat social" spricht aber offenbar nicht von Kommunisten überhaupt, sondern von deutschen Kommunisten, die, weil die politische Entwicklung ihres Vaterlandes ihnen nicht erlaubt, weder eine deutsche Alliance noch eine deutsche Association libérale zu stiften, aus Verzweiflung dem Kommunismus in die Arme sinken.
Wir bemerken dem "Débat", daß der Kommunismus aus England und Frankreich stammt und nicht aus Deutschland.
Daß der deutsche Kommunismus der entschiedenste Gegner alles Utopismus ist und, weit entfernt, die geschichtliche Entwicklung auszuschließen, sich vielmehr auf sie begründet, diese Versicherung geben wir einstweilen dem "Débat social" zurück im Austausch gegen seine Versicherung.
Deutschland ist in der politischen Entwicklung zurückgeblieben, es hat eine lange politische Entwicklung durchzumachen. Wir wären die letzten, dies zu leugnen. Aber wir glauben andrerseits, daß ein Land von mehr als 40 Millionen Einwohnern, wenn es eine Revolution vorbereitet, in dem Radikalismus kleiner freier Länder nicht das Maß seiner Bewegung suchen wird.
Versteht der "Débat" unter Kommunismus das Hervorheben der Klassengegensätze und des Klassenkampfes? So ist nicht der Kommunismus kommunistisch, sondern die politische Ökonomie, die bürgerliche Gesellschaft.
<513> Wir wissen, daß Robert Peel prophezeit hat, der Klassengegensatz der modernen Gesellschaft müsse in einer schrecklichen Krise eklatieren. Wir wissen, daß Guizot selbst in seiner "Geschichte der Zivilisation" nichts als bestimmte Formen des Klassenkampfes darzustellen glaubt. Aber Peel und Guizot sind Utopisten. Realisten sind Männer, welche selbst das Aussprechen gesellschaftlicher Tatsachen als Verstoß gegen eine wohlwollende Lebensklugheit betrachten.
Es steht dem "Débat social" frei, Nordamerika und die Schweiz zu bewundern und zu idealisieren.
Wir fragen ihn, ob die politische Verfassung Nordamerikas jemals in Europa eingeführt werden könnte ohne große soziale Umwälzungen? Wir glauben z.B., der "Débat" mag uns die Keckheit verzeihen, daß die englische Charte, um nicht von einzelnen Schwärmern für allgemeines Stimmrecht, sondern von einer großen nationalen Partei aufgestellt zu werden, eine langwierige Vereinigung der englischen Arbeiter zur Klasse voraussetzte, daß diese Charte in ganz andrer Absicht erstrebt wird und ganz andre soziale Folgen herbeiführen muß, als die Konstitution Amerikas und der Schweiz je erstrebten oder je herbeiführten. In unsern Augen sind diejenigen Utopisten, welche politische Formen von ihrer gesellschaftlichen Unterlage trennen und sie als allgemeine, abstrakte Dogmen hinstellen.
Wie der "Débat social" die Association démocratique zu verteidigen sucht dadurch, daß er gleichzeitig "gewisse Demokraten" eliminiert, die nicht mit dem "bescheidenen Wohlsein der freien Völker" vorliebnehmen, beweist er weiter, indem er auf die Freihandelsdiskussionen in der Assoziation zu sprechen kommt.
"Sechs Sitzungen", sagt der "Débat", "wurden der Diskussion dieser interessanten Frage gewidmet, und viele Arbeiter aus den verschiedenen Ateliers unserer Stadt machten hier Gründe geltend, die auf dem berühmten, verflossenen September zu Brüssel gehaltenen Kongreß der Ökonomisten nicht an unrechtem Orte gewesen wären."
Vorher bemerkt der "Débat social", daß die Assoziation fast einstimmig den absoluten Freihandel unter allen Völkern als ein Ziel der Demokratie votiert habe.
Nachher hat der "Débat" in derselben Nummer eine ganz ordinäre, aus den verkommensten Abfällen der englischen Freetrade-Garküchen zusammengeraffte Rede des Herrn Le Hardy de Beaulieu.
Und schließlich wird Cobden gefeiert.
Wird jemand nach dieser Darstellung des "Débat social" bezweifeln, daß die Assoziation für den Freihandel im Sinn des Ökonomisten-Kongresses, im Sinne der bürgerlichen Freetrader mit großer Majorität votiert hat?