["Deutsche-Brüsseler-Zeitung" Nr. 7 vom 23. Januar 1848]
<494> Gewiß, 1847 war das bewegteste Jahr, das wir seit langer Zeit gehabt haben. In Preußen eine Konstitution und ein Vereinigter Landtag, in Italien ein unerwartet schnelles Erwachen des politischen Lebens und allgemeine Bewaffnung gegenüber Östreich, in der Schweiz ein Bürgerkrieg, in England ein neues Parlament mit entschieden radikaler Färbung, in Frankreich Skandale und Reformbanketts, in Amerika Eroberung Mexikos durch die Vereinigten Staaten - das ist eine Reihe Veränderungen und Bewegungen, wie keins der letzten Jahre sie aufzuweisen hat.
1830 war der letzte Wendepunkt der Geschichte. Die Julirevolution in Frankreich, die Reformbill in England, sicherten den schließlichen Sieg der Bourgeoisie, und zwar in England schon den Sieg der industriellen Bourgeoisie, der Fabrikanten, über die nichtindustrielle, die Rentiers. Belgien und teilweise die Schweiz folgten; auch hier siegte die Bourgeoisie. Polen stand auf, Italien zuckte unter dem Joch Metternichs, Deutschland war in voller Gärung. Alle Länder bereiteten sich auf gewaltige Kämpfe vor.
Aber seit 1830 ging alles rückwärts. Polen fiel, die insurgierten Romagnolen wurden zersprengt, die Bewegung in Deutschland wurde unterdrückt. Die französische Bourgeoisie schlug die Republikaner im Lande selbst und verriet die Liberalen anderer Länder, die sie selbst zum Aufstande gereizt hatte. Das liberale Ministerium in England konnte nichts durchsetzen. Endlich, 1840, war die Reaktion in voller Blüte. Polen, Italien, Deutschland politisch tot, in Preußen das "Berliner politische Wochenblatt" auf dem Throne, in Hannover Herrn Dahlmanns superkluge Konstitution umgestoßen, die Wiener Konferenzbeschlüsse von 1834 in voller Kraft. In der Schweiz die Konservativen und Jesuiten im besten Fortschreiten. In Belgien die Katholiken am Ruder. In Frankreich Sieg Guizots, in England letzte Zuckungen der <495> Whigregierung unter dem Druck der wachsenden Macht Peels; vergebliche Reorganisationsversuche der Chartisten nach ihrer großen Niederlage von 1839. Überall Sieg der reaktionären Partei, überall vollständige Auflösung und Zersprengung aller Fortschrittsparteien. Die Sperrung der geschichtlichen Bewegung, das schien das endliche Resultat der gewaltigen Kämpfe von 1830 zu sein.
1840 war aber auch der Höhepunkt der Reaktion, wie 1830 der Höhepunkt der revolutionären Bewegung der Bourgeoisie gewesen war. Von 1840 an begannen die gegen den bestehenden Zustand gerichteten Bewegungen aufs neue. Oft geschlagen, gewannen sie auf die Dauer mehr und mehr Terrain. Während in England die Chartisten sich wieder organisierten und stärker wurden als je, mußte Peel ein Mal über das andere seine Partei verraten, ihr durch die Abschaffung der Korngesetze den Todesstoß geben und schließlich selbst abtreten. In der Schweiz machten die Radikalen Fortschritte, in Deutschland und namentlich in Preußen wurden die Forderungen der Liberalen mit jedem Jahre heftiger. In Belgien siegten die Liberalen ebenfalls in den Wahlen von 1847. Nur Frankreich gab durch die Wahlen von 1846 seinen reaktionären Ministern eine unerhörte Majorität; nur Italien blieb tot, bis Pius IX. den Thron bestieg und einige, Ende 1846 noch sehr zweifelhafte Reformversuche machte.
So brach das verflossene Jahr an und mit ihm eine Reihe von Siegen für die Fortschrittsparteien fast aller Länder. Selbst da, wo sie geschlagen wurden, half ihre Niederlage ihnen weiter, als der sofortige Sieg getan haben würde.
Das Jahr 1847 entschied nichts, aber es stellte überall die Parteien einander scharf und klar gegenüber, es löste keine Frage definitiv, aber es stellte alle Fragen so, daß sie jetzt gelöst werden müssen.
Von den Bewegungen und Veränderungen des Jahres 1847 waren die bedeutendsten die in Preußen, in Italien und in der Schweiz.
In Preußen wurde Friedrich Wilhelm IV. endlich zu einer Konstitution gezwungen. Der unfruchtbare Don Quijote von Sanssouci kam nach langen Kämpfen und Wehen mit einer Verfassung nieder, die den Sieg der feudalistisch-patriarchalisch-absolutistisch-bürokratisch-pfäffischen Reaktion auf ewig sicherstellen sollte. Aber er hatte sich verrechnet. Die Bourgeoisie war schon mächtig genug geworden, um selbst in dieser Verfassung eine Waffe gegen ihn und sämtliche reaktionäre Klassen der Gesellschaft zu finden. Wie überall, fing sie auch in Preußen damit an, ihm die Gelder zu verweigern. Der König war in Verzweiflung. Man kann sagen, daß in den ersten Tagen nach den Geldverweigerungen Preußen gar keinen König hatte; es war in <496> voller Revolution, ohne es zu wissen. Da kamen zum Glück die fünfzehn russischen Millionen und Friedrich Wilhelm wurde wieder König, die Bourgeois des Landtags knickten erschrocken zusammen, und die revolutionären Gewitterwolken verzogen sich. Die preußische Bourgeoisie war für den Augenblick geschlagen. Aber sie hatte einen großen Schritt getan, sie hatte sich ein Forum erobert, dem König einen Beweis ihrer Macht gegeben und das ganze Land in Aufregung versetzt. Die Frage, wer in Preußen herrschen soll, ob die Allianz zwischen Adel, Bürokraten, Pfaffen mit dem König an ihrer Spitze, oder die Bourgeoisie, ist jetzt so gestellt, daß sie für die eine oder die andere Seite entschieden werden muß. Auf dem Vereinigten Landtag war noch ein Vergleich beider Parteien möglich; jetzt ist er's nicht mehr. Es gilt jetzt einen Kampf auf Tod und Leben zwischen beiden. Dazu kommt noch, daß die Ausschüsse, diese unglückselige Erfindung der Berliner Verfassungsfabrikanten, sich in diesem Augenblick versammeln. Sie werden die ohnehin schon verworrene Rechtsfrage vollends so verwirren, daß kein Mensch mehr wissen wird, woran er ist. Sie werden einen gordischen Knoten daraus machen, der mit dem Schwert wird zerhauen werden müssen; sie werden die letzten Vorbereitungen zur Bourgeois-Revolution in Preußen vollenden.
Wir können also mit der größten Ruhe diese preußische Revolution abwarten. 1849 wird der Vereinigte Landtag wieder berufen werden müssen, der König mag wollen oder nicht. Bis dahin geben wir Sr. Majestät Frist, nicht länger. Dann wird er sein Zepter und seine berühmte "Ungeschwächte" an die christlichen und jüdischen Bourgeois seines Reichs abtreten müssen.
Das Jahr 1847 war demnach ein vortreffliches Jahr für die politischen Geschäfte der preußischen Bourgeois, trotz ihrer momentanen Niederlage. Das haben die Bourgeois und Spießbürger der übrigen deutschen Staaten auch gemerkt und ihnen die lebhafteste Sympathie bezeugt. Sie wissen, daß der Sieg der preußischen Bourgeois ihr eigner Sieg ist.
In Italien haben wir das merkwürdige Schauspiel erlebt, daß der Mann, der die reaktionärste Stellung in ganz Europa einnimmt, der die versteinerte Ideologie des Mittelalters repräsentiert, daß der Papst sich an die Spitze einer liberalen Bewegung gestellt hat. Die Bewegung ist über Nacht mächtig geworden, sie hat den östreichischen Erzherzog in Toskana und den Verräter Karl Albert von Sardinien mit fortgerissen, sie unterwühlt den Thron Ferdinands von Neapel, ihre Wogen schlagen über die Lombardei bis an die Tiroler und Steirischen Alpen.
<497> Die gegenwärtige Bewegung in Italien ist dieselbe, die in Preußen 1807 bis 1812 vor sich ging. Es handelt sich, wie damals in Preußen, um zweierlei: um Unabhängigkeit nach außen, um Reformen nach innen. Man verlangt vorderhand keine Konstitutionen, man verlangt bloße administrative Reformen, man vermeidet einstweilen alle ernstlichen Konflikte mit der Regierung, um gegenüber der fremden Übermacht möglichst einig zu sein. Aber welcher Art sind diese Reformen? wem kommen sie zugut? Vor allen Dingen der Bourgeoisie. Die Presse wird begünstigt, die Bürokratie wird dem Interesse der Bourgeoisie dienstbar gemacht (vgl. die sardinischen Reformen, die römische Consulta und die Reorganisation der Ministerien), die Bourgeois erhalten ausgedehntem Einfluß auf die Kommunalverwaltung, das bon plaisir <Willkürliche> des Adels und der Bürokratie wird beschränkt, die Bourgeoisie wird als guardia civica <Bürgergarde> bewaffnet. Bis jetzt sind alle Reformen ausschließlich im Interesse der Bourgeoisie gewesen und mußten es sein. Man vergleiche hiermit die preußischen Reformen aus der napoleonischen Zeit. Es sind genau dieselben, nur daß sie in vieler Beziehung noch weiter gehen: die Administration dem Interesse der Bourgeoisie untergeordnet, die Willkür des Adels und der Bürokraten gebrochen, die Städteordnung, die Landwehr, die Ablösung der Frondienste. Wie damals in Preußen, ist jetzt in Italien die Bourgeoisie, vermöge ihres steigenden Reichtums und namentlich vermöge der steigenden Bedeutung der Industrie und des Handels für die Existenz des ganzen Volks, die Klasse geworden, von der die Befreiung des Landes aus der Fremdherrschaft hauptsächlich abhängt.
Die Bewegung in Italien ist also eine entschiedene Bourgeoisbewegung. Alle reformbegeisterten Klassen, von Fürsten und Adel bis zu den Pifferari und Lazzaroni, treten einstweilen als Bourgeois auf, und der Papst ist vorderhand der erste Bourgeois von Italien. Aber alle diese Klassen werden sich sehr enttäuscht finden, sobald das östreichische Joch einmal abgeschüttelt sein wird. Dann, wenn die Bourgeois mit dem auswärtigen Feinde fertig sind, werden sie zu Hause die Böcke von den Schafen scheiden; dann werden die Fürsten und Grafen Östreich wieder um Hilfe anschreien, aber es wird zu spät sein, und dann werden die Arbeiter von Mailand, Florenz und Neapel entdecken, daß ihre Arbeit erst recht anfängt.
Endlich die Schweiz. Zum ersten Male seit ihrer Existenz hat die Schweiz eine bestimmte Rolle im europäischen Staatensystem gespielt, zum ersten Mal hat sie eine entschiedne Handlung gewagt, hat sie den Mut gehabt, nicht mehr als Agglomerat von 22 einander wildfremden Kantonen, sondern <498> als Föderalrepublik aufzutreten. Sie hat durch einen mit großer Entschiedenheit unterdrückten Bürgerkrieg die Suprematie der Zentralgewalt gesichert, sie hat sich mit einem Wort zentralisiert. Sie wird die faktisch bestehende Zentralisation durch die bevorstehende Reform des Bundesvertrags legalisieren.
Wem kommen, fragen wir wieder, die Resultate des Krieges, die Bundesreform, die Reorganisation der Sonderbundskantone zugut? Der siegenden Partei, der Partei, die 1830 bis 1834 in einzelnen Kantonen gesiegt hatte, den Liberalen und Radikalen, d.h. den Bourgeois und Bauern. Die Patrizierherrschaft der ehemaligen Reichsstädte war schon infolge der Julirevolution gestürzt worden. Wo sie sich faktisch wiederhergestellt hatte, wie in Bern und Genf, waren 1846 Revolutionen erfolgt. Wo sie sich noch unversehrt erhalten hatte, wie in Basel-Stadt, erlitt sie in demselben Jahr bedeutende Stöße. Feudaladel war wenig in der Schweiz, und wo er noch bestand, hatte er seine Hauptmacht in der Allianz mit den Hirten der Hochalpen. Diese waren die letzten, die zähsten, die wütendsten Feinde der Bourgeois. Sie bildeten den Rückhalt der reaktionären Elemente in den liberalen Kantonen. Sie umstrickten die ganze Schweiz mit dem Netz einer reaktionären Konspiration durch die Jesuiten und Pietisten (vgl. Waadt). Sie vereitelten alle Pläne der Bourgeoisie auf der Tagsatzung. Sie verhinderten die schließliche Niederlage des spießbürgerlichen Patriziats in den ehemaligen Reichsstädten.
Diese letzten Gegner der Schweizer Bourgeois sind 1847 gänzlich gesprengt worden.
Die Schweizer Bourgeois hatten in fast allen Kantonen bisher schon ziemlich freies Spiel für ihren Handel und ihre Industrie. Soweit die Zünfte noch existierten, waren sie ihrer Entwicklung wenig hinderlich. Innere Douanen existierten so gut wie gar nicht. Wo die Bourgeoisie sich einigermaßen entwickelt hatte, war die politische Macht in ihren Händen. Aber während sie in den einzelnen Kantonen Fortschritte machte und Unterstützung fand, fehlte ihr gerade die Hauptsache, die Zentralisation. Wie der Feudalismus, der Patriarchalismus und das Spießbürgertum sich in getrennten Provinzen und einzelnen Städten entwickeln, so verlangt die Bourgeoisie zu ihrer Entwicklung ein möglichst großes Terrain, sie bedurfte, statt 22 kleiner Kantone, einer großen Schweiz. Die Kantonalsouveränität, die passendste Form der alten Schweiz, war den Bourgeois eine drückende Fessel geworden. Sie bedurften einer Zentralgewalt, die stark genug war, der Gesetzgebung der einzelnen Kantone eine bestimmte Bahn anzuweisen, die Verschiedenheiten der Verfassungen und Gesetze durch ihr Übergewicht auszugleichen, die Reste der feudalen, patriarchalischen und spießbürgerlichen Gesetzgebung zu <499> beseitigen und die Interessen der Schweizer Bourgeois nach außen hin energisch zu repräsentieren.
Diese Zentralgewalt hat sie sich erobert.
Aber haben nicht auch die Bauern am Sturz des Sonderbunds mitgearbeitet? - Allerdings. Was die Bauern angeht, so werden sie gegenüber den Bourgeois vorderhand noch dieselbe Rolle weiter spielen, die sie gegenüber den Kleinbürgern so lange gespielt haben. Sie werden der exploitierte Arm der Bourgeois bleiben, sie werden diesen ihre Schlachten schlagen, ihre Kattune und Bänder weben und ihr Proletariat rekrutieren. Was wollen sie anders machen? Besitzer wie die Bourgeois, haben sie vorderhand fast alle Interessen gemein mit den Bourgeois. Alle politischen Maßregeln, die sie stark genug sind durchzusetzen, nutzen den Bourgeois nicht viel mehr als ihnen selbst. Aber sie sind schwach gegenüber den Bourgeois, weil diese reicher sind und den Hebel aller politischen Macht in unserm Jahrhundert, die Industrie, in ihren Händen haben. Mit den Bourgeois können sie viel, gegen die Bourgeois nichts.
Es wird allerdings eine Zeit kommen, wo der ausgesogene, verarmte Teil der Bauern sich dem bis dahin weiter entwickelten Proletariat anschließen und der Bourgeoisie den Krieg erklären wird - aber das geht uns hier nichts an.
Genug, daß die Austreibung der Jesuiten nebst ihrer Affiliierten, dieser organisierten Gegner. der Bourgeois, die allgemeine Einführung der bürgerlichen, statt der geistlichen Erziehung, die Besitzergreifung der meisten geistlichen Güter durch den Staat vor allen den Bourgeois zugute kommt.
Die drei hervorragendsten Bewegungen des Jahres 1847 haben also das gemein, daß sie alle zunächst und hauptsächlich im Interesse der Bourgeoisie sind. Die Fortschrittspartei war überall die Partei der Bourgeois.
In der Tat ist es das charakteristische Merkmal dieser Bewegungen, daß gerade die Länder, die 1830 zurückblieben, im vergangenen Jahr die ersten entscheidenden Schritte getan haben, um sich auf die Höhe von 1830 zu stellen, d.h., um den Sieg der Bourgeoisie durchzusetzen.
Bis dahin haben wir also gesehen, daß das Jahr 1847 ein brillantes Jahr für die Bourgeoisie gewesen ist.
Gehen wir weiter.
In England haben wir ein neues Parlament, das, wie John Bright der Quäker sagt, das entschiedenste Bourgeoisparlament ist, welches je zusammen kam. John Bright ist der entschiedenste Bourgeois von ganz England, ist die beste Autorität hierüber, die wir wünschen können. Aber der Bourgeois John Bright ist nicht der Bourgeois, der in Frankreich herrscht oder der <500> gegen Friedrich Wilhelm IV pathetische Bravaden donnert. Der Bourgeois im Munde John Brights ist der Fabrikant. In England herrschen einzelne Fraktionen der Bourgeoisie seit 1688; aber um sich die Eroberung der Herrschaft zu erleichtern, haben sie ihren von ihnen abhängigen Schuldnern, den Aristokraten, die nominelle Herrschaft gelassen. Während so der Kampf in England in Wirklichkeit ein Kampf zwischen einzelnen Fraktionen der Bourgeoisie selbst, zwischen Rentiers und Fabrikanten ist, können die Fabrikanten ihn für einen Kampf zwischen Aristokratie und Bourgeoisie, ja im Notfall für einen Kampf zwischen Aristokratie und Volk ausgeben. Die Fabrikanten haben kein Interesse, den Schein der Herrschaft der Aristokratie aufrechtzuerhalten, denn ihnen sind die Lords, Baronets und Squires keinen Heller schuldig. Aber sie haben ein großes Interesse, diesen Schein zu stürzen, weil mit diesem Schein den Rentiers der letzte Notanker verlorengeht. Das jetzige Bourgeois- oder Fabrikantenparlament wird dies tun. Es wird das alte, feudalistisch aussehende England in ein mehr oder weniger modernes, bürgerlich organisiertes Land verwandeln. Es wird die englische Verfassung der französischen und belgischen Verfassung annähern. Es wird den Sieg der englischen industriellen Bourgeoisie vollenden.
Wieder ein Fortschritt der Bourgeoisie, denn auch der Fortschritt innerhalb der Bourgeoisie ist eine Erweiterung, eine Verstärkung der Bourgeoisherrschaft.
Frankreich scheint allein eine Ausnahme zu machen. Die Herrschaft, 1830 der ganzen großen Bourgeoisie zugefallen, beschränkt sich von Jahr zu Jahr mehr auf die Herrschaft der reichsten Fraktion dieser großen Bourgeoisie, auf die Herrschaft der Rentiers und Börsenspekulanten. Sie haben die Majorität der großen Bourgeoisie ihrem Interesse dienstbar gemacht. Die Minorität, an deren Spitze ein Teil der Fabrikanten und Reeder stehen, wird immer geringer. Diese Minorität hat sich jetzt mit den vom Wahlrecht ausgeschlossenen mittleren und kleinen Bourgeois verbunden und feiert ihre Allianz in den Reformbanketts. Sie verzweifelt daran, mit den bisherigen Wählern je zur Herrschaft zu kommen. Sie hat sich daher nach langem Schwanken entschlossen, den zunächst unter ihr stehenden Bourgeois, und namentlich den Bourgeoisideologen, als den allerungefährlichsten, den Advokaten, Medizinern usw., einen Anteil an der politischen Macht zu versprechen. Sie ist freilich noch weit davon entfernt, ihr Versprechen halten zu können.
So sehen wir auch in Frankreich den Kampf innerhalb der Bourgeoisie herannahen, der in England schon fast beendigt ist. Nur daß, wie immer, in Frankreich die Situation einen schärfer gezeichneten, revolutionären <501> Charakter hat. Diese entschiedne Trennung in zwei Lager ist auch ein Fortschritt der Bourgeoisie.
In Belgien hat die Bourgeoisie in den Wahlen von 1847 einen entschiednen Sieg errungen: Das katholische Ministerium mußte abtreten, und auch hier herrschen jetzt vorderhand die liberalen Bourgeois.
In Amerika haben wir der Eroberung Mexikos zugesehen und uns darüber gefreut. Es ist auch ein Fortschritt, daß ein Land, welches sich bisher ausschließlich mit sich selbst beschäftigte, durch ewige Bürgerkriege zerrissen und an aller Entwicklung verhindert war, ein Land, dem höchstens bevorstand, in das industrielle Vasallentum Englands zu geraten - daß ein solches Land mit Gewalt in die geschichtliche Bewegung hineingerissen wird. Es ist im Interesse seiner eignen Entwicklung, daß es in Zukunft unter die Vormundschaft der Vereinigten Staaten gestellt wird. Es ist im Interesse der Entwicklung von ganz Amerika, daß die Vereinigten Staaten durch den Besitz Kaliforniens die Herrschaft auf dem Stillen Meer erhalten. Aber wem, fragen wir wieder, kommt der Krieg zunächst zugut? Nur der Bourgeoisie. Die Nordamerikaner erhalten in Kalifornien und Neu-Mexiko neues Terrain, um darauf neues Kapital zu erzeugen, d.h., neue Bourgeois ins Leben zu rufen und die schon existierenden zu bereichern; denn alles Kapital, was heute erzeugt wird, gerät in die Hände der Bourgeoisie. Und die erstrebte Durchstechung der Landenge von Tehuantepec, wem anders kommt sie zugut als den amerikanischen Reedern? Die Herrschaft auf dem Stillen Meer, wem kommt sie zugut, wenn nicht denselben Reedern? Die neuen Kunden für Industrieprodukte, die sich in den eroberten Ländern bilden, wer wird sie versorgen, wenn nicht die amerikanischen Fabrikanten?
Also auch in Amerika haben die Bourgeois große Fortschritte gemacht, und wenn ihre Repräsentanten jetzt gegen den Krieg opponieren, so beweist das nur, daß sie fürchten, diese Fortschritte seien in verschiedner Hinsicht zu teuer erkauft.
Selbst in ganz barbarischen Ländern macht die Bourgeoisie Fortschritte. In Rußland entwickelt sich die Industrie mit gewaltigen Schritten und macht selbst aus Bojaren mehr und mehr Bourgeois. Die Leibeigenschaft wird in Rußland und Polen beschränkt und dadurch im Interesse der Bourgeois der Adel geschwächt und eine freie Bauernklasse hergestellt, deren die Bourgeoisie überall bedarf. Die Juden werden verfolgt - ganz im Interesse der ansässigen christlichen Bürger, denen die Hausierer das Geschäft verdarben. - In Ungarn werden die Feudalherren mehr und mehr Korn-, Woll- und Viehhändler en gros und treten konsequent auf dem Landtage als Bourgeois auf. - Und all diese glorreichen Fortschritte der "Zivilisation" in der Türkei, in <502> Ägypten, in Tunis, in Persien und andern barbarischen Ländern, worin bestehen sie anders als in den Vorbereitungen für das Aufblühen einer zukünftigen Bourgeoisie? In diesen Ländern erfüllt sich heute das Wort des Propheten: "Bereitet dem Herrn den Weg ... Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, daß der König der Ehren einziehe! Wer ist derselbige König der Ehren?" Es ist der Bourgeois.
Wohin wir blicken, macht die Bourgeoisie gewaltige Fortschritte. Sie trägt das Haupt hoch und fordert ihre Feinde trotzig heraus. Sie erwartet entscheidende Siege, und ihre Hoffnung wird nicht getäuscht werden. Sie will die ganze Welt nach ihrem Maßstabe einrichten, und auf einem bedeutenden Teil der Erde wird ihr dies gelingen.
Wir sind keine Freunde der Bourgeoisie, das ist bekannt. Aber wir gönnen ihr diesmal ihren Triumph. Wir können ruhig lächeln über den hochfahrenden Blick, mit dem sie namentlich in Deutschland auf das scheinbar so kleine Häuflein der Demokraten und Kommunisten herabsieht. Wir haben nichts dawider, wenn sie überall ihre Absichten durchsetzt.
Noch mehr. Wir können uns sogar eines ironischen Lächelns nicht erwehren, wenn wir sehen, mit welchem schrecklichen Ernst, mit welcher pathetischen Begeisterung fast überall die Bourgeois ihren Zwecken nachstreben. Die Herren glauben wirklich, sie arbeiteten für sich selbst. Sie sind beschränkt genug, zu glauben, daß mit ihrem Siege die Welt ihre definitive Gestaltung bekomme. Und doch ist nichts augenscheinlicher, als daß sie nur uns, den Demokraten und Kommunisten, überall den Weg bahnen, als daß sie höchstens einige Jahre unruhigen Genusses erobern werden, um alsdann sofort wieder gestürzt zu werden. Überall steht hinter ihnen das Proletariat, hier an ihren Bestrebungen und teilweise an ihren Illusionen teilnehmend, wie in Italien und der Schweiz, dort schweigsam und zurückhaltend, aber unterderhand den Sturz der Bourgeoisie vorbereitend, wie in Frankreich und Deutschland; dort endlich, in England und Amerika, in offner Rebellion gegen die herrschende Bourgeoisie.
Wir können noch mehr tun. Wir können den Bourgeois das alles geradezu sagen, wir können mit offenen Karten spielen. Sie mögen es vorher wissen, daß sie nur in unsrem Interesse arbeiten. Sie können darum doch ihren Kampf gegen die absolute Monarchie, den Adel und die Pfaffen nicht aufgeben. Sie müssen siegen oder schon jetzt untergehen.
Ja, in sehr kurzer Zeit werden sie in Deutschland sogar unseren Beistand anrufen müssen.
Kämpft also nur mutig fort, ihr gnädigen Herren vom Kapital! Wir haben euch vorderhand nötig, wir haben sogar hie und da eure Herrschaft nötig. <503> Ihr müßt uns die Reste des Mittelalters und die absolute Monarchie aus dem Wege schaffen, ihr müßt den Patriarchalismus vernichten, ihr müßt zentralisieren, ihr müßt alle mehr oder weniger besitzlosen Klassen in wirkliche Proletarier, in Rekruten für uns, verwandeln, ihr müßt uns durch eure Fabriken und Handelsverbindungen die Grundlage der materiellen Mittel liefern, deren das Proletariat zu seiner Befreiung bedarf. Zum Lohn dafür sollt ihr eine kurze Zeit herrschen. Ihr sollt Gesetze diktieren, ihr sollt euch sonnen im Glanz der von euch geschaffnen Majestät, ihr sollt bankettieren im königlichen Saal und die schöne Königstochter freien, aber, vergeßt es nicht -
"Der Henker steht vor der Türe."
F.E.