Geschrieben Anfang November 1847.
Aus dem Englischen.
["The Northern Star" Nr. 525 vom 13. November 1847]
<387> Dieses merkwürdige Elaborat wurde kürzlich von Ihnen veröffentlicht. Es besteht aus zwei streng gesonderten Teilen, den politischen Maßnahmen und den sozialen Maßnahmen. Nun sind aber sämtliche politischen Maßnahmen, fast ohne jede Änderung, der Verfassung von 1791 entnommen; das bedeutet, sie sind die Rückkehr zu den Forderungen der Bourgeoisie zu Beginn der Revolution. In jener Zeit war die gesamte Bourgeoisie, sogar einschließlich der kleineren Kaufleute, mit politischer Macht ausgerüstet, während gegenwärtig nur die großen Kapitalisten daran teilhaben. Was ist also der Sinn der von Herrn de Lamartine vorgeschlagenen politischen Maßnahmen? Die Regierungsgewalt in die Hände der unteren Schichten der Bourgeoisie zu legen, aber unter dem Anschein, sie dem ganzen Volke zu geben (dies und nichts anderes ist der Sinn seines allgemeinen Stimmrechts mit seinem Doppelwahlsystem). Und seine sozialen Maßnahmen? Nun, es sind entweder solche, die voraussetzen, daß eine erfolgreiche Revolution bereits dem Volk die politische Macht gebracht hat - wie zum Beispiel unentgeltlicher Schulunterricht für alle; oder es sind reine Wohltätigkeitsmaßnahmen, das heißt Maßnahmen, um die revolutionäre Kraft der Proletarier niederzuhalten, oder bloße hochtönende Worte ohne jede praktische Bedeutung, wie etwa die Ausmerzung des Bettlertums durch eine Kabinettsorder, die gesetzliche Beseitigung des öffentlichen Elends, ein Ministerium für das Volkswohl etc. Sie sind deshalb entweder vollkommen nutzlos für das Volk, oder dazu bestimmt, ihm nur so viel Vorteile zu gewähren, wie für die Sicherung einer gewissen öffentlichen Ruhe erforderlich ist; oder es sind bloße leere Versprechungen, die kein Mensch halten kann - und in den beiden letzten Fällen sind sie schlimmer als nutzlos. Kurzum, Herr de Lamartine erweist sich, vom sozialen wie vom politischen Standpunkt aus, als <388> getreuer Vertreter des kleinen Kaufmanns, der unteren Schichten der Bourgeoisie, und er teilt auch die dieser Klasse eigene Illusion: daß er die arbeitenden Menschen vertritt. Schließlich ist er auch einfältig genug, sich mit der Forderung um Unterstützung seiner Maßnahmen an die Regierung zu wenden. Nun, die gegenwärtige Regierung der großen Kapitalisten wird alles tun, nur das nicht. Deshalb ist die "Réforme" durchaus im Recht, wenn sie, obgleich mit großem Wohlwollen und in Anerkennung seiner guten Absichten, die praktische Durchführbarkeit sowohl der Maßnahmen als auch seine Art und Weise, diese durchzusetzen, angreift.
"Sicherlich", sagt die "Réforme", "sind dies prächtige Worte, die ein großes Herz und einen Geist offenbaren, der mit der Sache des Rechts sympathisiert. Ein brüderlich mitfühlendes Herz pocht unüberhörbar hinter seinen großen Worten, und unsere Dichter und Philosophen werden von ihnen so begeistert sein, wie einst das Perikleische Griechenland von der Ideenlehre Platos begeistert war. Aber wir haben es jetzt nicht mit Perikles zu tun, wir leben unter der Herrschaft der Herren Rothschild, Fulchiron und Duchâtel, das heißt, unter der dreifachen Verkörperung von Geld, sinnloser Furcht und Polizei; uns regieren Profite, Privilegien und Gendarmerie. Glaubt Herr de Lamartine wirklich, daß der Bund der fest verankerten Interessen, der Sonderbund <Sonderbund: in "The Northern Star" deutsch (Anspielung auf den reaktionären Schweizer Sonderbund)> von Talern, Stellung und Monopol, abtreten und die Waffen niederlegen wird, nur auf seinen Appell an die nationale Souveränität und die soziale Brüderlichkeit hin? Ob zum Guten oder Bösen, alle Dinge in dieser Welt sind miteinander verbunden - eins bedingt das andere, nichts ist isoliert - und das ist der Grund, warum das höchst großherzige Programm des Deputierten von Mâcon <Lamartine> dahingehen wird wie die duftenden Zephyre des Sommers, dahinsterben wird wie leere Trompetentöne, solange es das Muttermal aller Monopole trägt - die feudale Verletzung von Recht und Gleichheit. Der Bund der privilegierten Klassen ist gerade in diesem Augenblick besonders eng vereinigt, da das Regierungssystem die Beute krampfhafter Furcht ist.
Was die Institutionen betrifft, die er vorschlägt, so werden sie von den offiziellen Kreisen des Landes und ihren Führern die Bonbons der Philosophie genannt; die Herren Duchâtel und Guizot werden sich über sie lustig machen, und wenn der Deputierte aus Mâcon sich nicht anderswo nach Waffen und Soldaten umsieht, um seine Ideen zu verteidigen, dann wird er sein ganzes Leben damit verbringen, schöne Worte zu machen, ohne daß ein Fortschritt zu verzeichnen wäre. Und wenn er sich statt an die Regierung an die Masse wendet, so sagen wir ihm, daß er einen falschen Weg geht, daß er für sein Stufenwahlsystem, seine Armensteuer und seine philanthropische Wohlfahrt weder die Revolution noch denkende Menschen, noch das Volk gewinnen kann. Tatsächlich wurden die Prinzipien der sozialen und politischen Wiedergeburt schon vor fünfzig Jahren entdeckt. Allgemeines Stimmrecht, direkte Wahl, Besoldung der Abgeordneten das sind die wesentlichen Bedingungen der politischen Souveränität. <389> Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit - das sind die Prinzipien, die alle gesellschaftlichen Einrichtungen beherrschen sollten. Nun ist die Armensteuer alles andere als eine auf der Brüderlichkeit begründete Einrichtung; sie ist hingegen eine unverschämte und sehr haltlose Verleugnung der Gleichheit. Was wir brauchen, ist keine zweckbestimmte Notlösung der englischen Bourgeoisie, sondern ein von Grund auf neues sozial-ökonomisches System, um das Recht zu verwirklichen und um die Bedürfnisse aller zu befriedigen."
Einige Tage danach erschien das zweite Manifest des Herrn de Lamartine über die Außenpolitik Frankreichs. Darin behauptet er, daß das nach 1830 von der französischen Regierung verfolgte Friedenssystem die einzig angemessene Handlungsweise war. Mit hochtrabenden Phrasen deckt er die schändliche Art und Weise, in der die französische Regierung zuerst Italien und andere Länder zur Rebellion aufstachelte und sie nachher ihrem Schicksal überließ. Hier die kräftige Antwort der "Réforme" auf sein saft- und kraftloses Manifest:
"Herr de Lamartine opferte das gesetzliche und einzige Mittel unserer Befreiung - den heiligen Krieg der Prinzipien - einer Friedenstheorie, die eine bloße Schwäche, eine Lüge und sogar Hochverrat ist, solange die Beziehungen von Volk zu Volk auf der Politik der Diplomaten und der Selbstsucht der Regierungen beruhen. Zweifellos ist der Friede die letzte Notwendigkeit der Zivilisation, aber was bedeutet denn Frieden mit Nikolaus von Rußland? Dem Würger ganzer Nationen, dem Henker, der Kinder an den Galgen nagelt, der einen tödlichen Krieg selbst gegen Hoffnung und Erinnerung führt, der ein großes, ein herrliches Land in Blut und Tränen ertränkt! Um der Menschheit, um der Zivilisation und um Frankreichs selbst willen, bedeutet Frieden mit diesem wahnsinnigen Jack Ketch <englischer Henker aus der Zeit Jakobs II.> Feigheit; um der Gerechtigkeit, des Rechts und der Revolution willen bedeutet es ein Verbrechen! Was ist denn Frieden mit Metternich, der ganze Scharen von Meuchelmördern dingt, der, zugunsten gekrönter Epileptiker, ganze Nationen ihrer Freiheit beraubt? Was bedeutet denn Frieden mit all diesen kleinen Cäsaren Europas, den heruntergekommenen Wüstlingen, den scheinheiligen Schurken, die heute für die Jesuiten und morgen für eine Kurtisane regieren? Was bedeutet denn Frieden mit der aristokratischen, geldscheffelnden englischen Regierung, die die Meere tyrannisiert, die die Freiheit in Portugal erstickt, die selbst aus den Lumpen ihres Volkes Geld preßt? Frieden mit diesen Juden, diesen Giftkrämern, wir wiederholen es, ist für ein Land, das sich in der Revolution befindet, Feigheit, Schande, Verbrechen, moralische Fahnenflucht und totaler Bankrott nicht allein der Sache, sondern auch des Rechts und der Ehre."
Die anderen Pariser Zeitungen haben in gleicher Weise ihre Mißbilligung des Programms des Herrn de Lamartine in verschiedenen Punkten <390> geäußert. Er fährt indessen fort, seine Prinzipien in seiner Zeitung, dem "Bien Public" von Mâcon, zu erläutern. Wir werden in wenigen Monaten in der Lage sein, über die Wirkung zu urteilen, die sein neuer Schritt auf die Deputiertenkammer haben wird.