["The Northern Star" Nr. 520 vom 9. Oktober 1847]
<299> Am 16., 17. und 18. September fand hier (in Brüssel) ein Kongreß der Ökonomen, Fabrikanten, Handeltreibenden etc. statt, um die Frage des Freihandels zu erörtern. Über 150 Angehörige aller Nationen waren zugegen. Von seiten der englischen Freihandelsmänner waren anwesend die Parlamentsmitglieder Dr. Bowring, Oberst Thompson, Herr Ewart und Herr Brown, der Herausgeber des "Economist", James Wilson, Esq. etc.; aus Frankreich waren gekommen: Herr Wolowski, Professor für Rechtswissenschaft, Herr Blanqui, Abgeordneter, Professor für Ökonomie, Verfasser einer Geschichte dieser Wissenschaft und anderer Werke, Herr Horace Say, der Sohn des berühmten Ökonomen, Herr Ch. Dunoyer, Mitglied des Geheimen Staatsrates, Autor verschiedener Werke über Politik und Ökonomie und andere. Aus Deutschland war kein Freihandelsmann anwesend, aber Holland, Dänemark, Italien etc. hatten Vertreter entsandt. Señor Ramon de la Sagra aus Madrid wollte kommen, kam jedoch zu spät. Die Teilnahme einer großen Anzahl belgischer Freihandelsmänner bedarf keiner Erwähnung, da sie selbstverständlich ist.
So trafen sich die Meister der Wissenschaft, um die wichtige Frage zu erörtern, ob der Freihandel für die Welt von Nutzen sei. Sie werden annehmen, daß Gespräche einer so erlesenen Gesellschaft - Diskussionen, die geführt wurden von ökonomischen Leuchten ersten Ranges - im höchsten Maße interessant gewesen sein müßten. Sie werden sagen, daß Männer wie Dr. Bowring, Oberst Thompson, Blanqui und Dunoyer äußerst eindrucksvolle Reden gehalten, daß sie Argumente von größter Überzeugungskraft gebracht und daß sie alle Fragen in einem ganz neuen, überraschenden und den höchsten Vorstellungen entsprechenden Licht gezeigt haben müßten. Aber leider wären Sie, mein Herr, wenn Sie dabei gewesen wären, bitter ent- <300> täuscht worden. Ihre hochgespannten Erwartungen, Ihre schönen Illusionen wären in weniger als einer Stunde zunichte gemacht worden. Ich habe an unzähligen öffentlichen Versammlungen und Diskussionen teilgenommen. Ich hörte die League <Anti-Corn-Law-Ligue (Anti-Korngesetz-Liga)> ihre Argumente gegen die Korngesetze mehr als hundertmal während meines Aufenthalts in England vorbringen, aber niemals, das kann ich Ihnen versichern, hörte ich solch dummes, langweiliges und nichtssagendes Geschwätz, das mit derartiger Selbstzufriedenheit vorgebracht wurde. Ich bin bisher niemals so enttäuscht gewesen. Was besprochen wurde, verdient nicht die Bezeichnung Diskussion - es war lediglich Wirtshausgeschwätz. Die großen wissenschaftlichen Leuchten wagten sich niemals auf das Gebiet der Ökonomie im strengen Sinne des Wortes, und ich möchte Ihnen nicht all den abgedroschenen Unsinn wiederholen, der an den ersten beiden Tagen verzapft wurde. Lesen Sie, bitte, zwei oder drei Exemplare der "League" oder des "Manchester Guardian" durch, und Sie werden alles finden, was gesagt wurde, mit Ausnahme vielleicht von ein paar gefälligen Sätzen, die von Herrn Wolowski vorgebracht wurden. Er hatte sie jedoch aus dem Pamphlet des Herrn Bastiat (Leiter der französischen Freihandelsmänner) "Sophismes économiques" gestohlen. Die Freihandelsmänner erwarteten keine weitere Opposition als die von Herrn Rittinghausen, einem deutschen Protektionisten und einem im allgemeinen faden Kerl. Aber es stand ein Herr Duchateau auf, ein französischer Fabrikant und Protektionist - ein Mann, der für seinen Geldsack sprach, genauso wie Herr Ewart oder Herr Brown für den ihren - und machte ihnen mit seiner Opposition so furchtbar zu schaffen, daß am zweiten Tag der Diskussion eine große Anzahl sogar der Freihandelsmänner zugab, daß sie den Argumenten unterlegen war. Sie revanchierten sich allerdings bei der Abstimmung - die Resolutionen wurden natürlich fast einstimmig angenommen.
Am dritten Tag wurde eine Frage diskutiert, die Ihre Leser interessiert. Es handelte sich darum: "Wird die Verwirklichung eines allgemeinen Freihandels den arbeitenden Klassen nützlich sein?" Die Bejahung wurde unterstützt von Herrn Brown, dem Freihandelsmann aus Lancashire, in einer weitschweifigen Rede in englischer Sprache. Er und Herr Wilson waren die einzigen, die diese Sprache benutzten. Alle übrigen sprachen französisch; Herr Dr. Bowring sehr gut, Oberst Thompson leidlich, Herr Ewart entsetzlich. Er wiederholte einen Teil der alten "League"-Dokumente in einem weinerlichen Tonfall, sehr ähnlich dem eines anglikanischen Geistlichen.
Nach ihm erhob sich Herr Weerth aus Rheinpreußen. Ich nehme an, Sie <301> kennen diesen Herrn - ein junger Handelsreisender, dessen Dichtung in Deutschland wohlbekannt ist und sehr geschätzt wird und der durch seinen mehrjährigen Aufenthalt in Yorkshire ein Augenzeuge der Lage der Arbeiter war. Er besitzt dort eine ganze Anzahl Freunde. die sich freuen werden, daß er sie nicht vergessen hat. Da seine Ansprache für Ihre Leser wohl das Interessanteste des ganzen Kongresses sein wird, werde ich etwas ausführlicher über sie berichten. Er sagte folgendes:
"Meine Herren, - Sie erörtern den Einfluß des Freihandels auf die Lage der arbeitenden Klassen. Sie bekunden allergrößte Sympathie für diese Klassen. Ich freue mich sehr darüber, aber ich bin erstaunt, keinen Vertreter der Arbeiter unter Ihnen zu finden. Die Bourgeoisie Frankreichs ist vertreten durch einen Pair, die Englands durch mehrere Parlamentsmitglieder, die Belgiens durch einen ehemaligen Minister und sogar die Deutschlands durch einen Herrn, der uns eine wahrheitsgetreue Darstellung der Verhältnisse dieses Landes gab. Aber wo, frage ich Sie, sind die Vertreter der Arbeiter? Ich sehe sie nirgends, und deshalb, meine Herren, gestatten Sie mir, ihre Interessen zu vertreten. Ich erlaube mir, zu Ihnen zu sprechen im Namen der arbeitenden Menschen und besonders im Namen der fünf Millionen englischen Arbeiter, bei denen ich einige der schönsten Jahre meines Lebens verbrachte, die ich kenne und die ich schätze. (Beifall.) In der Tat, meine Herren, die Arbeiter haben etwas mehr Großmut nötig. Bisher wurden sie nicht wie Menschen behandelt, sondern wie Lasttiere, nein - wie Ware, wie Maschinen; die englischen Fabrikanten wissen das so gut, daß sie niemals sagen, wir beschäftigen so viele Arbeiter, sondern so viele Hände. Die nach diesem Prinzip handelnde besitzende Klasse zögerte keinen Augenblick, aus ihren Dienstleistungen, solange sie sie brauchte, Profit zu ziehen, sie aber auf die Straße zu werfen, sobald kein Profit aus ihnen mehr herauszupressen war. Die Lage dieser Ausgestoßenen der modernen Gesellschaft hat daher solche Formen angenommen, daß sie schlimmer nicht mehr werden kann. Wohin Sie immer blicken mögen, nach den Ufern der Rhône, in die schmutzigen und verpesteten Gassen von Manchester, Leeds und Birmingham, nach den Bergen Sachsens und Schlesiens oder nach den Ebenen Westfalens; überall werden Sie das gleiche bleiche Elend, die gleiche dumpfe Verzweiflung in den Augen der Menschen finden, die vergeblich ihre Rechte und ihre Stellung in der zivilisierten Gesellschaft fordern." (Großes Aufsehen.)
Herr Weerth erklärte dann, daß nach seiner Meinung das Schutzzollsystem die Arbeiter in Wirklichkeit nicht schütze, daß aber auch der Freihandel - und das sagte er ihnen klar und deutlich, obwohl er selbst Freihandelsmann ist -, daß auch der Freihandel niemals ihre elende Lage ändern würde. Er pflichtete in keiner Weise den falschen Vorstellungen der Freihandelsmänner bei in bezug auf den Nutzen, den die Schaffung ihres Systems für die arbeitende Klasse bringen würde. Im Gegenteil würde der Freihandel, das heißt die volle Realisierung der freien Konkurrenz, die Arbeiter <302> in einen verschärften Wettbewerb untereinander zwingen, wie er auch die Kapitalisten zwingen würde, noch rücksichtsloser miteinander zu konkurrieren. Völlige Freiheit der Konkurrenz würde unvermeidlich einen enormen Aufschwung bei der Erfindung neuer Maschinen bringen und dadurch täglich mehr Arbeiter als bisher auf die Straße werfen. Sie wurde die Produktion in jeder Weise vorantreiben, aber gerade deshalb wurde sie auch in dem gleichen Maße Überproduktion, Überflutung der Märkte und Handelsstockungen fördern. Die Freihandelsmänner behaupten, daß jene furchtbaren Erschütterungen unter einem System der Handelsfreiheit aufhörten. Aber, gerade das Gegenteil würde eintreten, sie würden mehr denn je wachsen und sich vervielfachen. Es wäre möglich, nein sogar sicher, daß zuerst die größere Billigkeit der Lebensmittel den Arbeitern nützlich wäre, daß verringerte Produktionskosten ein Wachstum der Konsumtion und der Nachfrage nach Arbeitskräften bringen würde, aber daß dieser Vorteil sich sehr bald in Elend verwandeln und daß die Konkurrenz innerhalb der Arbeiterklasse sie bald zu ihrem früheren Stand des Elends und der Not zurückführen würde. Nach diesen und ähnlichen Argumenten (die der Versammlung ganz neu zu sein schienen, denn sie wurden mit größter Aufmerksamkeit verfolgt, obwohl der "Times"-Reporter sich bemüßigt fühlte, sie mit dem unverschämten aber deutlichen Spott abzutun: "Chartistische Phrasen") schloß Herr Weerth, wie folgt:
"Denken Sie nicht, meine Herren, daß dies nur meine persönlichen Ansichten sind, es sind auch die Anschauungen der englischen Arbeiter, einer Klasse, die ich unterstütze und respektiere, weil es in der Tat intelligente und energische Menschen sind. (Beifall 'aus Höflichkeit'.) Ich werde das an einigen Beispielen beweisen. Sechs volle Jahre buhlten die Herren der League, die wir hier sehen, vergeblich um Unterstützung bei der Arbeiterklasse. Die Arbeiter vergaßen niemals, daß die Kapitalisten ihre natürlichen Feinde waren. Sie erinnerten sich der League-Unruhen von 1842 und des Widerstandes der Fabrikanten gegen die Zehnstundenbill. Lediglich gegen Ende des Jahres 1845 verbündeten sich die Chartisten, die Elite der Arbeiterklasse, vorübergehend mit der League, um den gemeinsamen Feind, den Landadel, zu schlagen. Doch das geschah nur für eine kurze Zeit, und sie ließen sich niemals durch trügerische Verheißungen von Cobden, Bright und Co. irreleiten, noch erhofften sie von den Bourgeois billiges Brot, hohe Löhne und Arbeit in Fülle. Nein, nicht einen Augenblick hörten sie auf, allein ihrer eigenen Kraft zu vertrauen und eine besondere Partei zu schaffen, welche von hervorragenden Führern, dem unermüdlichen Duncombe und Feargus O'Connor, geleitet wird, die trotz aller Verleumdungen - (hier blickte Herr Weerth Dr. Bowring an, der eine schnelle krampfhafte Bewegung machte) -, die trotz aller Verleumdung in ein paar Wochen neben Ihnen auf derselben Bank im Unterhaus sitzen werden. Im Namen dieser Millionen nun, die nicht daran glauben, daß der Frei- <303> handel für sie Wunder tun wird, fordere ich Sie auf, noch an andere Mittel zu denken, wenn Sie die Lage der Arbeiter wirklich verbessern wollen. Meine Herren, ich rufe Sie in Ihrem eigenen Interesse dazu auf. Sie brauchen nicht mehr den Zaren aller Reußen zu fürchten oder einen Einfall der Kosaken, aber wenn Sie sich nicht in acht nehmen, werden Sie den Aufstand Ihrer eigenen Arbeiter zu fürchten haben, und diese werden Sie viel schrecklicher behandeln als alle Kosaken der Welt. Meine Herren, die Arbeiter wollen nicht mehr Worte von Ihnen, sondern Taten, und Sie haben keinen Grund, darüber erstaunt zu sein. Die Arbeiter erinnern sich sehr genau der Jahre 1830 und 1831, als sie in London für Sie die Reformbill durchfochten und für Sie in den Straßen von Paris und Brüssel kämpften, wie man sie damals umwarb, ihnen die Hände schüttelte und ihr Lob in höchsten Tönen sang, wie man sie aber, als sie einige Jahre danach Brot forderten. mit Kartätschen und Bajonetten empfing. ("Oh! Nein, nein!", "Ja, ja! Buzançais, Lyon!") Ich wiederhole deshalb, bringen Sie Ihren Freihandel durch, es wird gut sein, aber überlegen Sie gleichzeitig andere Maßnahmen zugunsten der arbeitenden Klassen, oder Sie werden es bereuen." (Lauter Beifall.)
Unmittelbar nach Herrn Weerth erhob sich Dr. Bowring zur Entgegnung:
"Meine Herren", sagte er, "ich kann Ihnen mitteilen, daß das ehrenwerte Mitglied, mein Vorredner, nicht von den englischen Arbeitern als ihr Vertreter auf diesem Kongreß gewählt wurde. Vielmehr gab das englische Volk in seiner Gesamtheit uns seine Stimme zu diesem Zweck, und daher beanspruchen wir die Stellung als seine wahren Vertreter."
Er fuhr dann fort, die Nutzeffekte des Freihandels zu schildern, die sich in der verstärkten Einfuhr von Nahrungsmitteln nach England seit Einführung des Zolltarifs im vergangenen Jahre zeigten. Soundso viel Eier, soundso viel Zentner Butter, Käse, Schinken, Speck, soundso viel Stück Vieh etc. etc., wer könnte alle diese Dinge gegessen haben, wenn nicht die Arbeiter Englands? Er vergaß allerdings, uns mitzuteilen, welche Mengen derselben Artikel weniger produziert wurden in England, seitdem die ausländische Konkurrenz zugelassen worden war. Er nahm es als gegeben hin, daß eine verstärkte Einfuhr ein entscheidender Beweis für einen vergrößerten Verbrauch sei. Er erwähnte niemals, woher die Arbeiter von Manchester, Bradford und Leeds, die jetzt auf der Straße liegen und keine Arbeit bekommen können, woher diese Menschen das Geld haben sollten, um das angebliche Wachstum des Verbrauchs und der Annehmlichkeiten des Freihandels zu bezahlen; denn wir haben niemals von Arbeitgebern gehört, die ihnen Geschenke in Form von Eiern, Butter, Käse, Schinken und Fleisch für ihr Nichtstun gemacht hätten. Er verlor kein Wort über den gegenwärtigen schlechten Stand des Handels, der in jeder Zeitung als wirklich beispiellos dargestellt wird. Er schien nicht zu wissen, daß sich alle Voraussagen der Freihandelsmänner seit der Durchführung der Maßnahmen gerade als das <304> Gegenteil der Wirklichkeit erwiesen haben. Er hatte kein Wort der Anteilnahme für die Leiden der Arbeiter, sondern stellte im Gegenteil ihre jetzige düstere Lage als die schönste, glücklichste und angenehmste hin, die sie sich billigerweise nur wünschen können.
Die englischen Arbeiter mögen nun wählen zwischen ihren beiden Vertretern. Eine Menge anderer Redner folgte, die über alle nur erdenklichen Themen sprachen, außer dem einen, das zur Debatte stand. Herr M'Adam, Parlamentsmitglied für Belfast (?), spann ein endlos langes Garn über die Flachsspinnerei in Irland und erschlug die Versammlung mit Statistiken. Herr Ackersdijk, ein holländischer Professor, sprach über das alte und das neue Holland und über die Universitäten von Lüttich, Walpole und Dewit. Herr van de Casteele machte Ausführungen über Frankreich, Belgien und die Regierung, Herr Asher aus Berlin, über deutschen Patriotismus und irgendeinen neuen Gegenstand, den er als geistiges Erzeugnis bezeichnete, und Herr den Tex, ein Holländer, über Gott weiß was. Als zuletzt das Auditorium halb eingeschlafen war, wurde es durch Herrn Wolowski geweckt, der zum Kernproblem zurückkehrte und Herrn Weerth antwortete. Seine Rede, wie die aller Franzosen, bewies, wie sehr die französischen Kapitalisten die Erfüllung von Herrn Weerths Prophezeiungen fürchten. Sie sprechen mit einer so vorgetäuschten Sympathie, so heuchlerisch und weinerlich von den Leiden der Arbeiterklasse, daß man es alles für bare Münze nehmen könnte, würden nicht ihre runden Bäuche, der tiefeingedrückte Stempel der Heuchelei auf ihren Gesichtern, die erbärmlichen Rezepte, die sie vorschlagen, und der unverkennbar deutliche Kontrast zwischen ihren Worten und ihren Taten dem zu offensichtlich widersprechen. Bisher ist es ihnen niemals gelungen, auch nur einen einzigen Arbeiter zu täuschen. Dann erhob sich der Herzog von Harcourt, ein französischer Pair, und nahm für die anwesenden französischen Kapitalisten, Deputierten etc. ebenfalls das Recht in Anspruch, die französischen Arbeiter zu vertreten. Dies tun sie ebenso, wie Dr. Bowring die englischen Chartisten vertritt. Nach ihm sprach Herr James Wilson, der mit größter Unverschämtheit die abgedroschensten League-Phrasen im schläfrigen Tonfall eines Philadelphiaquäkers wiederholte.
Hieraus ersehen Sie, was für eine unterhaltsame Diskussion das war. Dr. Marx aus Brüssel, den Sie als den weitaus talentiertesten Repräsentanten der deutschen Demokratie kennen, hatte sich ebenfalls zum Wort gemeldet. Er hatte eine Rede ausgearbeitet, die, wäre sie gehalten worden, es den "Herren" des Kongresses unmöglich gemacht hätte, die Frage zur Abstimmung zu bringen. Aber Weerths Opposition hatte sie vorsichtig gemacht. Sie waren entschlossen, niemanden mehr sprechen zu lassen, dessen orthodoxer <305> Einstellung sie nicht ganz sicher waren. So verredeten die Herren Wolowski, Wilson und die ganze edle Sippschaft die Zeit, und als es vier Uhr war, wollten etwa noch sechs oder sieben Herren sprechen, aber der Vorsitzende brach die Diskussion jäh ab, und die ganze Versammlung von Narren, Dummköpfen und Schurken, genannt ökonomischer Kongreß, brachte in der Abstimmung einmütig gegen eine Stimme (jenen armen deutschen Irren, den bereits erwähnten Protektionisten) - die Demokraten nahmen überhaupt nicht daran teil - zum Ausdruck, daß der Freihandel ungeheuer nützlich für die Arbeiterklasse sei und sie von all ihrem Elend und all ihrer Not befreien werde.
Da Herrn Marx' Rede, obwohl sie nicht gehalten wurde, die beste und überzeugendste Widerlegung dieser schamlosen Lüge enthält, die man sich vorstellen kann, und da ihr Inhalt, trotz so vieler hundert Seiten pro und contra über diese Frage, für England ganz neu sein wird, füge ich Ihnen einige Auszüge daraus bei.
Rede des Herrn Dr. Marx über Schutzzoll, Freihandel und die Arbeiterklasse
Es gibt zwei Schulen von Schutzzöllnern. Die erste Schule wird in Deutschland von Dr. List vertreten, der beileibe nicht beabsichtigt hatte, die Handarbeit zu schützen; ganz im Gegenteil - die Vertreter dieser Schule forderten Schutzzölle, um die Handarbeit durch die Maschinerie zu vernichten, um die patriarchalische Manufaktur durch die moderne Manufaktur zu verdrängen. Sie haben immer beabsichtigt, die Herrschaft der besitzenden Klassen (der Bourgeoisie) vorzubereiten und ganz besonders die der großen industriellen Kapitalisten. Sie stellten den Ruin der kleinen Fabrikanten, der kleinen Handwerker und der kleinen Bauern offen als eine zwar bedauerliche, aber gleichzeitig ganz unvermeidliche Erscheinung dar. Die zweite Schule der Protektionisten forderte nicht nur ein Schutzzollsystem, sondern ein absolutes Prohibitivsystem. Sie schlugen vor, die Handarbeit gegen das Eindringen der Maschinen wie auch gegen die ausländische Konkurrenz zu schützen. Fernerhin machten sie den Vorschlag, nicht nur die nationale Industrie, sondern auch die einheimische Landwirtschaft und Rohstoffproduktion durch hohe Zölle zu schützen. Und wo landete diese Schule schließlich? Bei der Prohibition, nicht nur der Einfuhr fremder Manufakturprodukte, sondern des Fortschritts der nationalen Industrie selbst. So geriet das ganze <306> Schutzzollsystem unvermeidlich in die Zange folgenden Dilemmas: Entweder schützte es den Fortschritt der nationalen Industrie und opferte damit die Handarbeit, oder es schützte die Handarbeit und opferte damit die nationale Industrie. Die Protektionisten der ersten Schule, diejenigen, die den Fortschritt der Maschinerie, die Arbeitsteilung und den Konkurrenzkampf für unaufhaltbar hielten, sagten den Arbeitern: "Wenn ihr schon ausgepreßt werdet, so laßt euch lieber von euren Landsleuten als von Fremden auspressen." Wird sich die arbeitende Klasse für immer damit abfinden? Ich glaube, nein. Diejenigen, die allen Wohlstand und Komfort der Reichen produzieren, werden sich mit diesem schwachen Trost nicht zufriedengeben. Sie werden größeren materiellen Wohlstand für ihre materiellen Erzeugnisse verlangen. Aber die Schutzzöllner sagen: "So erhalten wir nach alledem doch wenigstens den jetzigen Zustand der Gesellschaft. Gut oder schlecht sichern wir dem Arbeiter Beschäftigung seiner Hände und verhindern, daß er durch die fremde Konkurrenz aufs Pflaster geworfen wird." Mag dem so sein. Damit geben die Schutzzöllner zu, daß sie unfähig sind, auch im günstigsten Falle Besseres zu erreichen als die Aufrechterhaltung des Status quo. Nun will aber die Arbeiterklasse nicht die Fortdauer des jetzigen Zustandes, sondern eine Veränderung zum Besseren. Noch eine letzte Zuflucht bleibt dem Schutzzöllner. Er wird sagen, daß er einer sozialen Reform im Innern des Landes durchaus nicht feindlich gegenübersteht, daß aber zuallererst, um den Erfolg zu sichern, jede durch ausländische Konkurrenz hervorgerufene Gefährdung ausgeschaltet werden muß. "Mein System", meint er, "ist kein System der sozialen Reform, aber wenn wir schon die Gesellschaft reformieren müssen, täten wir es nicht besser im eigenen Lande, bevor wir über Reformen in unseren Beziehungen zu anderen Ländern sprechen?" Wirklich sehr einleuchtend, aber hinter dieser scheinbar plausiblen Folgerung verbirgt sich ein äußerst befremdender Widerspruch. Während das Schutzzollsystem dem Kapital des einen Landes Waffen in die Hand gibt gegen das Kapital fremder Länder, während es das Kapital gegenüber den Ausländern stärkt, glaubt es, daß dieses so bewaffnete und gestärkte Kapital schwach, nachsichtig und kraftlos gegenüber der Arbeiterklasse sein wird. Das hieße doch an die Barmherzigkeit des Kapitals appellieren, als ob das Kapital als solches jemals barmherzig sein könnte. Doch werden soziale Reformen niemals durch die Schwäche der Starken bewirkt, sondern immer durch die Stärke der Schwachen. Übrigens ist es durchaus nicht nötig, sich an diesem Punkt aufzuhalten. Mit dem Augenblick, da die Schutzzöllner zugeben, daß soziale Reformen nicht unbedingt in den Bereich ihres Systems gehören und kein Bestandteil desselben sind, sondern daß sie eine ganz besondere Frage <307> bilden, von dem Augenblick an lassen sie die zur Debatte stehende Frage fallen. Wir können sie deshalb beiseite lassen und die Auswirkungen des Freihandeis auf die Lage der Arbeiterklasse untersuchen. Das Problem, welchen Einfluß die vollkommene Befreiung des Handels auf die Lage der Arbeiterklasse haben wird, ist sehr leicht zu lösen. Es ist eigentlich gar kein Problem. Wenn etwas in der Ökonomie klar dargelegt ist, so ist es das Schicksal, das die Arbeiterklasse unter der Herrschaft des Freihandels erwartet. Alle diesbezüglichen Gesetze, die in den klassischen Werken der Ökonomie dargelegt sind, treffen nur unter der Voraussetzung wirklich zu, daß der Handel von allen Fesseln befreit ist, daß die Konkurrenz völlig unbehindert ist, nicht nur in einem Lande, sondern auf dem ganzen Erdball. Diese Gesetze, die A. Smith, Say und Ricardo aufgedeckt haben - Gesetze, welche die Produktion und die Verteilung des Reichtums bestimmen - werden in demselben Maße zutreffender, genauer und hören auf, bloße Abstraktionen zu sein, wie sich der Freihandel durchsetzt. Auch die Meister der Wissenschaft erklären ständig, wenn sie ein ökonomisches Thema behandeln, ihre Schlußfolgerungen beruhten samt und sonders auf der Voraussetzung, daß der Handel von allen noch bestehenden Fesseln befreit werde. Sie handeln durchaus richtig, wenn sie diese Methode anwenden; denn sie schaffen keine willkürlichen Abstraktionen, sie schalten nur aus ihrem Denken eine Reihe von zufälligen Umständen aus. So kann man mit Recht sagen, daß die Ökonomen - Ricardo und andere - mehr über die Gesellschaft wissen, wie sie sein wird, als über die Gesellschaft, wie sie ist. Sie wissen mehr über die Zukunft als über die Gegenwart. Wenn man im Buch der Zukunft lesen will, schlage man Smith, Say, Ricardo auf. Dort findet man, so klar wie möglich, die Lage beschrieben, die die Arbeiterklasse unter der Herrschaft des vollständig entwickelten Freihandels erwartet. Man nehme zum Beispiel eine Autorität wie Ricardo, eine Autorität, die unübertroffen ist. Was ist, ökonomisch gesprochen, der natürliche, der normale Preis der Arbeit eines Arbeiters? Ricardo antwortet: "Der auf ein Minimum reduzierte Arbeitslohn - seine unterste Grenze." Arbeit ist eine Ware, so gut wie jede andere. Der Preis einer Ware wird aber von der zu ihrer Produktion notwendigen Arbeitszeit bestimmt. Was ist also notwendig, um die Ware Arbeit zu produzieren? Genau das, was notwendig ist, um die Summe der für die Erhaltung des Arbeiters und für den Ersatz seines Kräfteverbrauchs unentbehrlichen Waren zu produzieren, damit er leben und irgendwie seine race fortpflanzen kann. Wir brauchen jedoch nicht anzunehmen, daß die Arbeiter niemals über diese unterste Grenze emporgehoben oder unter dieselbe hinabgedrückt werden. Durchaus nicht; nach diesem Gesetz wird es der Arbeiterklasse zeitweise <308> besser gehen. Zeitweise werden sie mehr als das Existenzminimum haben, aber dieses Mehr wird nur der Zusatzbetrag sein, der ihnen zu anderer Zeit - in der Zeit der industriellen Stagnation - wieder am Existenzminimum fehlt. Das heißt, daß während einer bestimmten Zeitspanne, die jeweils periodisch auftritt, in der die Wirtschaft den Kreislauf Prosperität, Überproduktion, Stagnation und Krise durchmacht - wenn wir den Durchschnitt dessen nehmen, was der Arbeiter über oder unter dem Existenzminimum erhält -, es sich herausstellt, daß er im ganzen weder mehr noch weniger als das Minimum erhalten hat; oder mit anderen Worten, daß die Arbeiterklasse sich als Klasse erhalten haben wird nach großem Elend und großen Leiden und nachdem sie viele Tote auf dem Schlachtfeld der Industrie zurückgelassen hat. Aber was macht das? Die Klasse existiert, und sie existiert nicht nur, sie wird sich noch vergrößert haben. Dieses Gesetz, daß der niedrigste Lohnsatz der natürliche Preis der Ware Arbeit ist, wird sich in demselben Maße durchsetzen wie Ricardos Voraussage, daß der Freihandel eine Realität werden wird. Wir akzeptieren alles, was über die Vorteile des Freihandels gesagt wurde. Die Produktivkräfte werden anwachsen, die Steuern, die dem Land durch die Schutzzölle auferlegt worden sind, werden verschwinden, und alle Waren werden zu einem niedrigeren Preis verkauft werden. Was wiederum sagt Ricardo? "Daß Arbeit, eine Ware gleich anderen, ebenfalls zum niedrigeren Preis verkauft werden wird", daß man sie tatsächlich für sehr wenig Geld haben kann, genauso wie Pfeffer und Salz. Und weiter: Ebenso wie alle anderen Gesetze der politischen Ökonomie eine gesteigerte Bedeutung, ein Mehr an Wahrheit durch die Verwirklichung des Freihandels erhalten werden - ebenso wird auch das von Malthus aufgestellte Bevölkerungsgesetz sich unter der Herrschaft des Freihandels in so großartigen Ausmaßen entwickeln, wie es nur gewünscht werden kann. So hat man zu wählen: Entweder muß man die gesamte politische Ökonomie, wie sie gegenwärtig besteht, ablehnen, oder man muß zulassen, daß unter der Handelsfreiheit die ganze Schärfe der Gesetze der politischen Ökonomie gegen die arbeitende Klasse angewandt wird. Bedeutet das, daß wir gegen den Freihandel sind? Nein, wir sind für den Freihandel, weil durch den Freihandel alle ökonomischen Gesetze mit ihren höchst verblüffenden Widersprüchen in einem größerem Maßstabe und auf einem größeren Gebiet, auf der ganzen Erde wirksam werden, und weil aus der Vereinigung aller dieser Widersprüche zu einer Gruppe sich unmittelbar gegenüberstehender Widersprüche der Kampf hervorgehen wird, der mit der Emanzipation des Proletariats endet.