Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 4, S. 20 - 22
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1972

Karl Marx/Friedrich Engels

[Brief des Brüsseler kommunistischen Korrespondenz-Komitees an G. A. Köttgen]

Nach der Handschrift.


Bruxelles, 15. Juni 1846

<20> An G[ustav] A[dolph] Köttgen zur weiteren Mitteilung.

Auf Euren uns vor ein paar Tagen übersandten Zuruf beeilen wir uns folgendes zu erwidern:

Mit Eurer Ansicht, daß die deutschen Kommunisten aus ihrer bisherigen Vereinzelung heraus und in fortdauernden gegenseitigen Verkehr treten müssen, sind wir ganz einverstanden; ebenso auch, daß Lese- und Diskussionsvereine not tun. Denn die Kommunisten müssen zuerst unter sich klarwerden, was ohne regelmäßige Zusammenkünfte behufs der Diskussion von kommunistischen Fragen nicht genügend erreicht werden kann. Sodann stimmen wir Euch auch in dem Punkte vollkommen bei, daß wohlfeile, verständliche Schriften und Broschüren kommunistischen Inhalts verbreitet werden müssen. Beides, das erste wie das zweite, ist bald und energisch anzufassen. Ihr erkennt die Notwendigkeit, regelmäßige Geldbeiträge festzusetzen; wir müssen dabei aber Euren Vorschlag, mittelst dieser Beiträge die Schriftsteller zu unterstützen und ihnen ein gemächliches Leben zu verschaffen, unsererseits verwerfen. Die Beiträge dürfen unserer Ansicht nach nur zum Druck von wohlfeilen kommunistischen Flugblättern und Broschüren sowie zur Deckung der Kosten, welche die Korrespondenz und darunter auch die von hier ins Ausland [verursacht], verwandt werden Es wird nötig sein, ein Minimum der monatlichen Beiträge zu bestimmen, damit sich zu jeder Zeit und mit Gewißheit übersehen läßt, wieviel für die gemeinschaftlichen Zwecke benutzt werden kann. Es ist ferner nötig, daß Ihr uns die Namen der Mitglieder Eures Kommunistenvereins mitteilt - da man wissen muß, wie Ihr es von uns wißt, mit welchen Leuten man zu tun hat. Endlich erwarten wir Eure Angabe über [die] Höhe der monatlichen zu gemeinschaftlichen Zwecken bestimmten Beiträge, da baldmöglichst an den Druck von einigen populären Broschüren <21> geschritten werden soll. Daß diese Broschüren nicht in Deutschland erscheinen können, leuchtet ein und bedarf keines Beweises.

Über den Bundestag, den König von Preußen, die Landstände usw. hegt Ihr wirklich weitgehende Illusionen. Eine Denkschrift könnte nur dann Wirkung tun, wenn es in Deutschland bereits eine starke und organisierte kommunistische Partei gäbe, was beides nicht der Fall ist. Eine Petition ist nur dann gut, wenn sie zugleich als Drohung auftritt, hinter der eine kompakte und organisierte Masse steht. Das einzige, was Ihr tun könnt, falls die Verhältnisse Eurer Gegend dazu angetan sind, wäre, eine mit zahlreichen, imposanten Unterschriften von Arbeitern versehene Petition zustande zu bringen.

Einen kommunistischen Kongreß halten wir jetzt noch nicht an der Zeit. Erst wenn sich in ganz Deutschland kommunistische Vereine gebildet und Mittel zur Aktion zusammengebracht haben, können die Deputierten der einzelnen Vereine mit Aussicht auf Erfolg zu einem Kongreß zusammentreten. Dies wird also wohl vorm nächsten Jahre nicht geschehen können.

Bis dahin ist briefliche Verständigung und regelmäßige Korrespondenz das alleinige Mittel des Zusammenwirkens.

Von hier aus findet schon von Zeit zu Zeit Korrespondenz mit den englischen und französischen Kommunisten sowie mit den deutschen Kommunisten im Auslande statt. Wir werden Euch, sooft uns Berichte über die kommunistische Bewegung in England und Frankreich zugehen, Mitteilung davon machen, und was sonst zu unserer Kunde gelangt, unserer jedesmaligen Korrespondenz an Euch beifügen.

Wir ersuchen Euch, uns eine sichere Adresse anzugeben (und auf dem Siegel nicht mehr den ganzen Namen auszudrücken wie G. A. Köttgen, so daß man gleich den Absender wie den Adressaten erkennt).

An uns aber schreibt unter folgender vollständig sichern Adresse:

Monsieur Ph[ilippe] Gigot, 8, rue de Bodembroek, Bruxelles.

K. Marx F. Engels Ph. Gigot F. Wolff <Im Original: Wolf; es handelt sich um (Friedrich) Wilhelm Wolff>

Weerth läßt grüßen, ist augenblicklich in Amiens.

Wenn Ihr Eure Ansicht mit der Petition durchführtet, so würde Euch das zu weiter nichts führen, als daß die k[ommunistische] Partei ihre Schwäche öffentlich proklamiert und zugleich der Regierung die Leute namhaft macht, auf die sie speziell zu vigilieren hat. Wenn Ihr keine Arbeiterpetition mit <22> mindestens 500 Unterschriften zustande bringen könnt, so petitioniert lieber, wie die Bourgeois in Trier tun wollen, für progressive Vermögenssteuer, und wenn die dortigen Bourgeois sich da auch nicht anschließen, eh bien <nun gut>, so schließt Euch ihnen einstweilen in öffentlichen Demonstrationen an, verfahrt jesuitisch, hängt die deutschtümliche Ehrlichkeit, Treuherzigkeit und Biederkeit an den Nagel, und unterzeichnet und betreibt die Bourgeoispetitionen für Preßfreiheit, Konstitution usw. Wenn das durchgesetzt ist, bricht eine neue Ära für die k[ommunistische] Propaganda an. Die Mittel für uns werden vermehrt, der Gegensatz zwischen Bourgeoisie und Proletariat wird verschärft. Man muß in einer Partei alles unterstützen, was voranhilft, und sich da keine langweiligen moralischen Skrupel machen. Im übrigen müßt Ihr für die Korrespondenz ein regelmäßiges Komitee wählen, das die an uns zu schreibenden Briefe entwirft und diskutiert und regelmäßig zusammenkommt. Sonst wird die Sache unordentlich. Zum Entwerfen der Briefe mußt Ihr den wählen, den Ihr für den Tüchtigsten haltet. Persönliche Rücksichten müssen ganz wegfallen, die verderben alles. Die Namen der Komiteemitglieder sind uns natürlich mitzuteilen.

Salut
Umstehende