Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 2, S. 564 - 584
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1972
["The Northern Star" Nr. 415 vom 25. Oktober 1845]
An den Redakteur des "Northern Star"
Sehr geehrter Herr,
Ihrem Wunsche entsprechend beginne ich mit diesem Brief eine Artikelserie über den gegenwärtigen Zustand meines Heimatlandes. Um zu erreichen, daß meine Ansichten über den Gegenstand klar verständlich werden und um diese als wohlbegründet zu erweisen, muß ich mit einigen Worten eingehen auf die Geschichte Deutschlands seit dem Ereignis, das die moderne Gesellschaft bis in ihre tiefste Grundlage erschüttert hat - ich meine die Französische Revolution.
Das alte Deutschland war zu jener Zeit unter dem Namen Heiliges Römisches Reich bekannt, und es bestand aus Gott weiß wie vielen kleinen Staaten, Königreichen, Kurfürstentümern, Herzogtümern, Erzherzog- und Großherzogtümern, Fürstentümern, Grafschaften, Baronien und freien Reichsstädten - jeder Staat unabhängig von dem andern und nur unterworfen der Macht (wenn es eine solche gab, was indessen seit Jahrhunderten nicht mehr der Fall gewesen) des Kaisers und Reichstags. Die Unabhängigkeit dieser kleinen Staaten ging so weit, daß in jedem Krieg gegen "den Erzfeind" (Frankreich natürlich) einige von ihnen sich mit dem König von Frankreich verbündeten und offen gegen ihren eigenen Kaiser Krieg führten. Der Reichstag, der aus Gesandtschaften aller dieser kleinen Staaten, unter dem Vorsitz des Reichserzkanzlers, bestand und die Macht des Kaisers einschränken sollte, war ständig versammelt, ohne jemals zu irgendwelchen Resultaten zu kommen, und seien es auch die unbedeutendsten. Man schlug seine Zeit tot mit den geringfügigsten Fragen des Zeremoniells, zum Beispiel ob die Gesandtschaft des Freiherrn von Soundso (die vielleicht aus dem Hauslehrer seines Sohnes und einem alten livrierten Lakaien oder ausgedienten Wildhüter bestand) den Vortritt haben solle vor der Gesandtschaft des Freiherrn von Soundso, oder ob der Vertreter der einen Reichsstadt den Vertreter einer anderen zu grüßen habe, ohne dessen Gruß abzuwarten, etc. <565> dann gab es da Hunderttausende kleiner Privilegien, die den Privilegierten selbst meist lästig waren, die sie jedoch als Ehrensache betrachteten, und über die sie deshalb mit der äußersten Hartnäckigkeit stritten. Diese und ähnliche wichtige Dinge nahmen auf dem weisen Reichstag so viel Zeit in Anspruch, daß diese ehrenwerte Versammlung keine Minute erübrigen konnte, um das Wohl des Reiches zu erörtern. Infolgedessen war die größtmögliche Unordnung und Konfusion an der Tagesordnung. Das Reich, sowohl in Kriegs- als auch in Friedenszeiten innerlich gespalten, machte von der Reformationszeit bis 1789 eine Reihe innerer Kriege durch, und in jedem dieser Kriege war Frankreich mit derjenigen Partei verbündet, die der schwachen und leicht zu besiegenden Partei des Kaisers entgegenstand, wobei es natürlich seinen Löwenteil am Raube davontrug. Auf diese Weise wurden zuerst Burgund, dann die drei Bistümer Metz, Toul und Verdun, dann der Rest von Lothringen, schließlich Teile von Flandern und Elsaß vom Heiligen Römischen Reich getrennt und mit Frankreich vereinigt. So erhielt die Schweiz die Erlaubnis, vom Reiche unabhängig zu werden; so wurde Belgien durch Vermächtnis Karls V. den Spaniern ausgeliefert; und allen diesen Ländern ging es nach ihrer Trennung von Deutschland besser. Zu diesem fortschreitenden äußeren Ruin des Reiches kam die größtmögliche innere Unordnung. Jeder kleine Fürst war ein blutsaugender, willkürlicher Despot seinen Untertanen gegenüber. Das Reich kümmerte sich nicht weiter um die inneren Angelegenheiten irgendwelcher Staaten, außer daß es einen Gerichtshof bildete (das Reichskammergericht zu Wetzlar), der die Rechtsklagen der Untertanen gegen ihre Herrscher behandeln sollte, aber dieser edle Gerichtshof widmete sich diesen Prozessen so sehr, daß man niemals von dem Abschluß auch nur eines Prozesses gehört hat. Es ist fast unglaublich, welche Grausamkeiten und Willkürakte von den hochmütigen Fürsten gegen ihre Untertanen begangen wurden. Diese Fürsten, die nur ihrem Vergnügen und ihren Ausschweifungen lebten, räumten ihren Ministern und Regierungsbeamten jede despotische Gewalt ein, und diesen war es somit gestattet, ohne irgendeine Bestrafung zu riskieren, das unglückliche Volk in den Staub zu treten, nur unter der einen Bedingung, daß sie die Schatzkammer ihres Herrn füllten und seinen Harem mit einer unerschöpflichen Zufuhr weiblicher Schönheiten versorgten. Auch der Adel, soweit er nicht unabhängig war, sondern der Hoheit eines Königs, Bischofs oder Fürsten unterstand, behandelte das Volk mit größerer Verachtung, als er Hunden zuteil werden ließ, und preßte aus der Arbeit seiner Leibeigenen soviel Geld heraus, als er irgend konnte - denn die Leibeigenschaft war damals in Deutschland eine allgemeine Erscheinung. Ebensowenig gab es irgendein Anzeichen von Freiheit in den eigens als frei <566> bezeichneten Reichsstädten, denn hier regierten mit noch größerer Tyrannei der Bürgermeister und der selbstgewählte Senat, deren Ämter im Laufe der Jahrhunderte ebenso erblich geworden waren wie die Kaiserkrone. Nichts kommt dem infamen Benehmen dieser kleinen bürgerlichen Aristokraten der Städte gleich, und in der Tat, man würde es nicht glauben, daß der Zustand Deutschlands vor fünfzig Jahren so war, wenn er nicht noch im Gedächtnis vieler lebte, die sich an diese Zeit erinnern, und wenn er nicht durch hundert Autoritäten bestätigt würde. Und das Volk! Was sagte das Volk dazu? Was tat es? Nun, das Bürgertum, die geldgierigen Bourgeois, fanden in dieser fortdauernden Verwirrung eine Quelle des Wohlstands, sie wußten, daß sie im trüben am besten fischen konnten; sie ließen sich unterdrücken und beleidigen, weil sie an ihren Feinden eine Rache nehmen konnten, die ihrer würdig war; sie rächten sich für das ihnen zugefügte Unrecht, indem sie ihre Unterdrücker betrogen. Mit dem Volk vereinigt hätten sie die alten Herrschaften stürzen und das Reich neu begründen können, geradeso, wie es das englische Bürgertum von 1640 bis 1688 teilweise getan hatte und wie es dann die französische Bourgeoisie zu tun gerade im Begriff stand. Aber nein, das deutsche Bürgertum hatte nicht diese Energie, es gab niemals vor, solchen Mut zu haben; es wußte, daß Deutschland nichts war als ein Dunghaufen, es hatte sich aber in diesem Dunghaufen gemütlich eingerichtet, weil es selber Dung war, und es saß warm in dem Dung, von dem es umgeben war. Das arbeitende Volk aber war nicht schlechter dran als heute, ausgenommen die Bauernschaft, die größtenteils leibeigen war und nichts ohne die Hilfe der Städte tun konnte, da ständig Söldnerarmeen bei ihr einquartiert waren, die jeden Versuch einer Revolte in Blut zu ersticken drohten.
So war der Zustand Deutschlands gegen Ende des vorigen Jahrhunderts. Das ganze Land war eine lebende Masse von Fäulnis und abstoßendem Verfall. Niemand fühlte sich wohl. Das Gewerbe, der Handel, die Industrie und die Landwirtschaft des Landes waren fast auf ein Nichts herabgesunken; die Bauernschaft, die Gewerbetreibenden und Fabrikanten litten unter dem doppelten Druck einer blutsaugenden Regierung und schlechter Geschäfte; der Adel und die Fürsten fanden, daß ihre Einkünfte, trotz der Auspressung ihrer Untertanen, nicht so gesteigert werden konnten, daß sie mit ihren wachsenden Ausgaben Schritt hielten; alles war verkehrt, und ein allgemeines Unbehagen herrschte im ganzen Lande. Keine Bildung, keine Mittel, um auf das Bewußtsein der Massen zu wirken, keine freie Presse, kein Gemeingeist, nicht einmal ein ausgedehnter Handel mit anderen Ländern - nichts als Gemeinheit und Selbstsucht - ein gemeiner, kriechender, elender Krämergeist durchdrang das ganze Volk. Alles war überlebt, bröckelte ab, ging rasch <567> dem Ruin entgegen, und es gab nicht einmal die leiseste Hoffnung auf eine vorteilhafte Änderung; die Nation hatte nicht einmal genügend Kraft, um die modernden Laichname toter Institutionen hinwegzuräumen.
Die einzige Hoffnung auf Besserung wurde in der Literatur des Landes gesehen. Dieses schändliche politische und soziale Jahrhundert war zugleich die große Epoche der deutschen Literatur. Um das Jahr 1750 wurden alle großen Geister Deutschlands geboren, die Dichter Goethe und Schiller, die Philosophen Kant und Fichte und kaum zwanzig Jahre später der letzte große deutsche Metaphysiker, Hegel. Jedes bemerkenswerte Werk dieser Zeit atmete einen Geist des Trotzes und der Rebellion gegen die deutsche Gesellschaft, wie sie damals bestand. Goethe schrieb den "Götz von Berlichingen", eine dem Andenken eines Rebellen gewidmete dramatische Huldigung. Schiller schrieb "Die Räuber", in denen ein edler junger Mann gefeiert wird, der der ganzen Gesellschaft offen den Krieg erklärt. Doch das waren ihre Jugendwerke; als die Dichter älter wurden, verloren sie alle Hoffnung; Goethe beschränkte sich auf Satire schärfster Art, und Schiller wäre verzweifelt, hätte er nicht die Zuflucht gefunden, welche die Wissenschaft und vornehmlich die große Geschichte des alten Griechenlands und Roms ihm boten. Diese beiden können als Beispiele für die übrigen genommen werden. Selbst die besten und bedeutendsten Köpfe der Nation gaben alle Hoffnung auf die Zukunft ihres Landes auf.
Plötzlich schlug die Französische Revolution wie ein Donnerschlag in dieses Chaos, das Deutschland hieß. Die Wirkung war gewaltig. Das Volk, das zu wenig aufgeklärt und von alters her zu sehr daran gewöhnt war, tyrannisiert zu werden, blieb unbewegt. Aber das Bürgertum und der bessere Teil des Adels begrüßten die Nationalversammlung und das Volk Frankreichs mit einem einzigen Ruf freudiger Zustimmung. Kein einziger von all den Hunderten oder Tausenden damals lebender deutscher Dichter ließ es sich nehmen, den Ruhm des französischen Volkes zu besingen. Aber diese Begeisterung war von deutscher Art, sie war rein metaphysisch, sie sollte nur den Theorien der französischen Revolutionäre gelten. Sobald diese Theorien durch das Gewicht und die Fülle der Tatsachen in den Hintergrund geschoben wurden, sobald das Übereinkommen des französischen Hofes mit dem französischen Volk trotz des theoretischen Bündnisses auf Grund der theoretischen Verfassung von 1791 in der Praxis unmöglich wurde, sobald das Volk seine Souveränität durch den "10. August" praktisch geltend machte, und als überdies am 31. Mai 1793 diese Theorie durch den Sturz der <568> Girondisten gänzlich zum Verstummen gebracht wurde - da verwandelte sich diese Begeisterung Deutschlands in einen fanatischen Haß gegen die Revolution. Natürlich hatte diese Begeisterung nur solchen Aktionen wie der Nacht des 4. August 1789 gelten sollen, als der Adel auf seine Privilegien verzichtete, aber die guten Deutschen dachten niemals an solche Aktionen, deren praktische Konsequenzen sich stark von den Schlußfolgerungen unterschieden, die wohlmeinende Theoretiker ziehen konnten. Die Deutschen waren nie gewillt gewesen, diese Konsequenzen gutzuheißen, die für viele Parteien, wie wir alle sehr wohl wissen, ziemlich ernsthaft und unangenehm waren. So wurde die ganze Masse, die anfänglich ein begeisterter Freund der Revolution gewesen war, nun ihr größter Gegner, und da sie natürlich durch die servile deutsche Presse die entstelltesten Nachrichten aus Paris erhielt, gab sie ihrem alten ruhigen heiligen römischen Dunghaufen den Vorzug vor der gewaltigen Aktivität eines Volkes, das die Ketten der Sklaverei mit starker Hand abwarf und allen Despoten, Aristokraten und Priestern seine Herausforderung ins Gesicht schleuderte.
Aber die Tage des Heiligen Römischen Reiches waren gezählt. Die französischen revolutionären Armeen marschierten geradeswegs ins Innerste Deutschlands, machten den Rhein zur Grenze Frankreichs und predigten überall Freiheit und Gleichheit. In Scharen vertrieben sie die Adligen, Bischöfe und Äbte und alle jene kleinen Fürsten, die so lange Zeit eine Marionettenrolle in der Geschichte gespielt hatten. Sie brachen eine Lichtung, als ob sie Ansiedler gewesen wären, die in den Hinterwäldern des amerikanischen fernen Westens vordrangen; das vorsintflutliche Dickicht der "christlich-germanischen" Gesellschaft verschwand vor ihrem Siegesmarsch wie Wolken vor der aufgehenden Sonne. Als dann der energische Napoleon das revolutionäre Werk in seine eigene Hand nahm, als er die Revolution mit sich selbst identifizierte - dieselbe Revolution, die nach dem 9. Thermidor 1794 von dem geldgierigen Bürgertum erstickt worden war -, als er, die Demokratie mit "dem einen Haupt", wie ein französischer Autor ihn nannte, seine Armeen immer wieder über Deutschland dahinfluten ließ, wurde die "christlich-germanische" Gesellschaft endgültig zerstört. Napoleon war Deutschland gegenüber nicht der willkürliche Despot, der er nach Ansicht seiner Feinde gewesen sein soll; in Deutschland war Napoleon der Repräsentant der Revolution, der Verkünder ihrer Grundsätze, der Zerstörer der alten feudalen Gesellschaft. Er ging natürlich despotisch vor, aber nicht halb so despotisch wie die Deputierten des Konvents es getan haben würden und wirklich taten, wohin sie auch kamen; nicht halb so despotisch wie die Fürsten und Adligen zu tun pflegten, die er an den Bettelstab brachte. Napoleon wandte die Schrecken- <569> herrschaft, die in Frankreich ihr Werk getan hatte, in der Form des Krieges auf andere Länder an - und diese "Schreckensherrschaft" war in Deutschland dringend notwendig. Napoleon liquidierte das Heilige Römische Reich und verminderte die Zahl der Kleinstaaten in Deutschland durch die Bildung größerer Staaten. Er brachte sein Gesetzbuch in die eroberten Länder mit, ein Gesetzbuch, das allen bestehenden unendlich überlegen war und die Gleichheit im Prinzip anerkannte. Er zwang die Deutschen, die bis dahin nur für Privatinteressen gelebt hatten, ihre Kräfte für die Durchführung einer großen Idee überwältigender gesellschaftlicher Interessen einzusetzen. Aber gerade das war es, was die Deutschen gegen ihn aufbrachte. Er erzürnte die Bauernschaft durch solche Maßnahmen, die sie von der Unterdrückung durch den Feudalismus erlösten, weil er ihre Vorurteile und althergebrachten Gewohnheiten an der Wurzel traf. Er erzürnte das Bürgertum durch solche Maßnahmen, die den Grundstein für die deutsche Industrie legten. Das Verbot aller englischen Waren und der Krieg mit England waren die Ursache, daß sie selbst zu fabrizieren begannen, aber das Verbot machte gleichzeitig Kaffee und Zucker, Rauch- und Schnupftabak sehr teuer; und das genügte natürlich, um den Unwillen der deutschen patriotischen Krämer wachzurufen. Außerdem waren sie nicht die Leute, die irgendeinen der großen Pläne Napoleons verstehen konnten. Sie verfluchten ihn, weil er ihre Söhne in jene Kriege hinwegführte, die mit dem Geld der englischen Aristokratie und Bourgeoisie angestiftet worden waren; sie begrüßten gerade jene Klassen der Engländer als Freunde, die die wahren Urheber der Kriege waren, die an diesen Kriegen verdienten und die ihre deutschen Werkzeuge nicht nur während des Krieges, sondern auch danach betrogen. Sie verfluchten ihn, weil sie auf ihre alte, elende Lebensart beschränkt zu bleiben wünschten, worin sie sich um nichts als ihr eigenes kleines Interesse zu kümmern hatten, weil sie mit großen Ideen und öffentlichem Interesse nichts zu tun haben wollten. Als dann schließlich Napoleons Armee in Rußland zerschlagen war, ergriffen sie die Gelegenheit, das eiserne Joch des großen Eroberers abzuwerfen.
Der "glorreiche Befreiungskrieg" von 1813/14 und 1815, die "glorreichste Periode der deutschen Geschichte" etc., wie sie genannt worden ist, war ein Wahnsinn, der jedem ehrlichen und intelligenten Deutschen noch manches künftige Jahr das Blut in die Wangen treiben wird. Gewiß, es gab damals viel Enthusiasmus, aber wer waren diese Enthusiasten? Zunächst die Bauernschaft, die stupideste Menschenklasse auf Erden, eine Klasse, die, feudalen Vorurteilen anhängend, in Massen losbrach, bereit, lieber zu sterben als jenen den Gehorsam aufzukündigen, die sie, wie ehedem ihre Väter und Großväter, ihre Herren genannt hatte, und die sich darein ergab, getreten <570> und mit Reitpeitschen geschlagen zu werden. Dann die Studenten und die Jugendlichen überhaupt, die diesen Krieg als einen Krieg des Prinzips, ja sogar als einen Religionskrieg betrachteten; denn sie glaubten, daß sie zum Kampfe aufgerufen seien nicht nur für das Prinzip der Legitimität, das sie ihre Nationalität nannten, sondern auch für die Heilige Dreieinigkeit und die Existenz Gottes; in allen Gedichten, Flugschriften und Aufrufen jener Zeit werden die Franzosen als Vertreter des Atheismus, des Unglaubens und der Verworfenheit hingestellt und die Deutschen als Vertreter der Religion, der Frömmigkeit und der Redlichkeit. Drittens einige aufgeklärtere Männer, die diesen Ideen einige Begriffe von "Freiheit", "Verfassungen" und einer "freien Presse" beimischten; aber diese bildeten bei weitem die Minderheit. Viertens dann Söhne von Gewerbetreibenden, Kaufleuten, Spekulanten etc., die für das Recht kämpften, auf den billigsten Märkten zu kaufen und Kaffee ohne Beimischung von Zichorie zu trinken; natürlich verbargen sie ihre Ziele unter den Ausdrücken des Tagesenthusiasmus, "Freiheit", "großes deutsches Volk", "nationale Unabhängigkeit" etc. Das waren die Männer, die mit Hilfe der Russen, Engländer und Spanier Napoleon schlugen.
In meinem nächsten Brief werde ich zur Geschichte Deutschlands seit dem Sturz Napoleons übergehen. Lassen Sie mich nur hinzufügen, um die oben gegebene Ansicht über diesen außerordentlichen Mann einzuschränken, daß er, je länger er regierte, um so mehr sein schließliches Schicksal verdiente. Seine Thronbesteigung will ich ihm nicht vorwerfen; die Macht des Bürgertums in Frankreich, das sich niemals um öffentliche Interessen kümmerte, vorausgesetzt, daß seine Privatinteressen sich günstig entwickelten, und die Teilnahmslosigkeit des Volkes, das keinen endgültigen Vorteil für sich aus der Revolution entspringen sah und nur zur Kriegsbegeisterung geweckt werden konnte, erlaubte keinen anderen Kurs; aber daß er sich mit den alten antirevolutionären Dynastien verband, indem er die Tochter des österreichischen Kaisers heiratete, daß er, anstatt jede Spur des alten Europas zu zerstören, lieber einen Kompromiß mit ihm zu schließen suchte, daß er nach der Ehre strebte, der Erste unter den europäischen Monarchen zu sein, und deshalb seinen Hof den ihrigen so ähnlich wie möglich machte - das war sein großer Fehler. Er stieg auf das Niveau der anderen Monarchen hinab, er suchte die Ehre, ihresgleichen zu sein, er beugte sich vor dem Prinzip der Legitimität -, und so war es nur natürlich, daß die Legitimisten den Usurpator aus ihrer Gesellschaft ausstießen.
15. Oktober 1845
Ergebenst
Ihr deutscher Korrespondent
Aus dem Englischen.
["The Northern Star Nr. 417 vom 8. November 1845]
An den Redakteur des "Northern Star"
Sehr geehrter Herr,
nachdem ich in meinem ersten Brief den Zustand Deutschlands vor und wahrend der Französischen Revolution und ebenso während der Herrschaft Napoleons beschrieben, nachdem ich geschildert habe, wie und von welchen Parteien der große Eroberer gestürzt wurde, nehme ich jetzt den Faden meiner Erzählung wieder auf, um zu zeigen, was Deutschland nach dieser "glorreichen Restauration" seiner nationalen Unabhängigkeit aus sich gemacht hat.
Der Gesichtswinkel, unter dem ich alle diese Ereignisse betrachtete, war der Art und Weise, in der sie gewöhnlich dargestellt werden, diametral entgegengesetzt; meine Auffassung ist jedoch bis auf den letzten Buchstaben durch die Ereignisse der folgenden Periode der deutschen Geschichte bestätigt worden. Wäre der Krieg gegen Napoleon wirklich ein Krieg der Freiheit gegen den Despotismus gewesen, so hätte er zur Folge gehabt, daß alle jene Nationen, die Napoleon unterworfen hatte, nach seinem Sturz die Prinzipien der Gleichheit proklamiert hätten und ihre Segnungen genießen würden. Ganz das Gegenteil war jedoch der Fall. Englischerseits war der Krieg von der erschreckten Aristokratie begonnen und von der Plutokratie unterstützt worden, weil sie in ihm durch die wiederholten Anleihen und das Anwachsen der Nationalschuld eine Quelle enormen Profits sahen und sich ihnen die Gelegenheit bot, auf die südamerikanischen Märkte zu gelangen, um diese mit ihren eigenen Waren zu überfluten sowie diejenigen französischen, spanischen und holländischen Kolonien zu erobern, die ihnen geeignet erschienen, ihre Taschen noch besser zu füllen. Der Krieg war ihnen eine Gelegenheit, den Grundsatz "Britannia, rule the waves" auf despotische Weise zu verwirklichen, so daß sie den Handel jeder anderen Nation, deren Konkurrenz die fortschreitende eigene Bereicherung zu gefährden drohte, nach Herzenslust schikanieren konnten; und schließlich wollten sie ihr Recht auf enorme Profite behaupten, indem sie - Napoleons Kontinentalsystem zum Trotz - die europäischen Märkte belieferten. <572> Das waren die wirklichen Ursachen des langen Krieges, soweit die Klassen in Betracht kommen, deren Händen damals die Regierung Englands anvertraut war; was aber den Vorwand betrifft, daß die Grundprinzipien der englischen Verfassung durch die Französische Revolution gefährdet gewesen seien, so zeigt er nur, was für ein köstliches Kunstwerk diese "Höchstleistung der menschlichen Vernunft" gewesen sein muß. Was Spanien betrifft, so hatte der Krieg als eine Verteidigung des Prinzips der legitimen Thronfolge und der inquisitorischen Despotie der Geistlichkeit begonnen. Die Prinzipien der Verfassung von 1812 wurden später eingeführt, um dem Volk einen gewissen Ansporn zu geben, den Kampf fortzusetzen, obwohl sie selber französischen Ursprungs waren. Italien hatte niemals in Opposition zu Napoleon gestanden, da es aus seinen Händen nichts als Vorteile empfangen und ihm sogar seine ganze Existenz als Nation zu verdanken hatte. Dasselbe war der Fall mit Polen. Was Deutschland Napoleon zu verdanken hatte, habe ich in meinem ersten Brief geschildert.
Von sämtlichen Siegermächten wurde der Sturz Napoleons als der Untergang der Französischen Revolution und als Triumph der Legitimität betrachtet. Die Folgen waren natürlich die Wiederherstellung dieses Prinzips im Innern, zunächst unter der Verkleidung solcher Sentimentalitäten wie "Heilige Allianz", "ewiger Friede", "öffentliches Wohl", "Vertrauen zwischen Fürst und Untertan" etc. etc., später unverkleidet durch das Bajonett und den Kerker. Die Ohnmacht der Sieger wurde hinreichend dargetan durch die eine Tatsache, daß schließlich das besiegte französische Volk, mit einer ihm aufgezwungenen verhaßten Dynastie, die von 150 000 fremden Musketen aufrechterhalten wurde, ihren siegreichen Feinden dennoch solche Ehrfurcht einflößte, daß es eine leidlich liberale Verfassung erhielt, während die anderen Nationen trotz all ihrer Anstrengungen und all ihrer Freiheitsprahlereien nichts erhielten als zu Anfang schöne Worte und hinterher blaue Bohnen. Die Niederschlagung der Französischen Revolution wurde gefeiert durch die Niedermetzelung von Republikanern im Süden Frankreichs, durch das Auflodern der Scheiterhaufen der Inquisition und die Wiederherstellung des heimischen Despotismus in Spanien und Italien sowie durch die Maulkorbgesetze und "Peterloo" in England. Wir werden nun sehen, daß die Ereignisse in Deutschland einen ähnlichen Verlauf nahmen.
Das Königreich Preußen war der erste unter allen deutschen Staaten, der Napoleon den Krieg erklärt hatte. Es wurde damals regiert von Friedrich Wilhelm III., mit dem Spitznamen "der Gerechte", einem der größten Holzköpfe, die je einen Thron geziert. Er war zum Korporal und zum Inspektor von Uniformknöpfen geboren; er war liederlich, ohne Leidenschaft, und <573> gleichzeitig ein Moralprediger, er war unfähig, anders als im Infinitiv zu sprechen und wurde als Schreiber von Proklamationen nur von seinem Sohn übertroffen; er kannte nur zwei Gefühle - Furcht und feldwebelhafte Anmaßung. Während der ersten Hälfte seiner Herrschaft war sein vorherrschender Geisteszustand die Furcht vor Napoleon, der ihn mit der Großmut der Verachtung behandelte, indem er ihm die Hälfte seines Königreichs zurückgab, die zu behalten er nicht der Mühe für wert hielt. Es war diese Furcht, die ihn antrieb, einer Partei von Halb-und-halb-Reformern - Hardenberg, Stein, Schön, Schamhorst etc. - zu gestatten, an seiner Stelle zu regieren, die eine liberalere Gemeindeorganisation einführten, die Erbuntertänigkeit abschafften, die feudalen Dienste in Rente oder in eine fixe Summe mit fünfundzwanzigjähriger Tilgung verwandelten und vor allem die militärische Organisation einführten, die dem Volk gewaltige Macht verschafft und früher oder später gegen die Regierung gebraucht werden wird. Sie trafen auch die "Vorbereitungen" für eine Verfassung, die jedoch noch nicht in Erscheinung getreten ist. Wir werden bald sehen, welche Wendung in den Ereignissen in Preußen nach der Niederschlagung der Französischen Revolution eintrat.
Nachdem das "korsische Ungeheuer" in sicheren Gewahrsam gebracht worden war, gab es sofort einen großen Kongreß großer und kleiner Despoten in Wien, der die Beute und die Prisengelder verteilen und feststellen sollte, wieweit die vorrevolutionären Zustände wiederhergestellt werden konnten. Nationen wurden gekauft und verkauft, geteilt und vereinigt, je nachdem, wie es den Interessen und Zwecken ihrer Beherrscher am besten entsprach. Es waren nur drei Staaten vertreten, die wußten, was sie wollten: England, das die Absicht hatte, seine Handelsvorherrschaft aufrechtzuerhalten und auszudehnen, den Löwenanteil am Raub der Kolonien davonzutragen und alle übrigen zu schwächen; Frankreich, das nicht allzusehr in Mitleidenschaft gezogen werden und alle anderen schwächen wollte, und Rußland, das die Absicht hatte, seine Macht und sein Territorium zu vermehren und alle anderen zu schwächen, während die übrigen sich leiten ließen von Sentimentalitäten und kleinlichem Egoismus und einige unter ihnen sogar von einer Art lächerlicher Uninteressiertheit. Die Folge war, daß Frankreich den deutschen Großstaaten das Spiel verdarb, daß Rußland den besten Teil Polens erhielt und daß England seine Seemacht mehr durch den Frieden als durch den Krieg ausdehnte und die Vorherrschaft auf allen kontinentalen Märkten erlangte, was ohne Nutzen für das englische Volk, aber ein Mittel enormer Bereicherung für das englische Bürgertum war. Die deutschen Staaten, die an nichts anderes als an ihr liebes Legitimitätsprinzip <574> dachten, wurden noch einmal übers Ohr gehauen und verloren durch den Frieden alles, was sie durch den Krieg gewonnen hatten. Deutschland blieb in 38 Staaten zersplittert, eine Aufteilung, die jeden inneren Fortschritt hinderte und bewirkte, daß Frankreich ihm mehr als gewachsen ist; die deutschen Staaten blieben der beste Markt für die englischen Waren und dienten nur der Bereicherung des englischen Bürgertums. Diese Klasse des englischen Volkes hat es leicht, sich einer Freigebigkeit zu rühmen, die sie veranlaßte, enorme Summen zu schicken, um den Krieg gegen Napoleon in Gang zu halten; aber selbst wenn wir einmal annehmen, daß sie es waren, und nicht das arbeitende Volk, das diese Hilfsgelder in Wirklichkeit zu bezahlen hatte, so hatten sie nur die Absicht, durch ihre Freigebigkeit die kontinentalen Märkte wieder zu öffnen; und das taten sie mit solchem Erfolg, daß die Profite, die sie seit dem Frieden allein aus Deutschland bezogen, hinreichen würden, um jene Summen wenigstens sechsmal zu ersetzen. Es ist wirklich eine Bourgeois-Freigebigkeit, die anfangs in Form von Hilfsgeldern Geschenke macht und dann dafür sorgt, daß der Beschenkte sie in Form von Profiten sechsfach zurückzahlt. Würden sie diese Hilfsgelder so eifrig gezahlt haben, wenn am Ende des Krieges das Gegenteil der Fall gewesen und England mit deutschen Waren überflutet worden wäre, statt daß Deutschland von einigen wenigen englischen Kapitalisten in Handelsfesseln gehalten wird?
Jedenfalls wurde Deutschland von hinten und vorn betrogen, am meisten von seinen eigenen sogenannten Freunden und Verbündeten. Ich für meinen Teil würde mir hierüber nicht viel Sorge machen, da ich sehr wohl weiß, daß wir uns einer Reorganisation der europäischen Gesellschaft nähern, die solche Tricks auf der einen Seite und solchen Schwachsinn auf der andern Seite verhindern wird; was ich zeigen möchte, ist erstens, daß weder das englische Volk noch irgendein anderes Volk an dem Betrug, der an den deutschen Despoten verübt wurde, profitiert hat, sondern daß er ganz und gar anderen Despoten oder doch einer besonderen Klasse, deren Interesse dem des Volkes entgegengesetzt ist, zugute kam; und zweitens, daß gleich die erste Tat der wiedereingesetzten deutschen Despoten ihre völlige Unfähigkeit zeigte. Wir wollen uns nunmehr den inneren Angelegenheiten Deutschlands zuwenden.
Wir haben gesehen, wer die Beteiligten waren, die mit Hilfe des englischen Geldes und der russischen Barbarei die Französische Revolution niederwarfen. Sie waren in zwei Sektionen geteilt; erstens die hitzköpfigen Wortführer der alten "christlich-germanischen" Gesellschaft, die Bauernschaft und die begeisterte Jugend, die vom Fanatismus der Hörigkeit, der <575> Nationalität, der Legitimität und der Religion getrieben wurden; und zweitens die nüchternen Männer des Bürgertums, die "ihre Ruhe haben wollten", um Geld zu verdienen und es zu verausgaben, ohne durch die freche Dazwischenkunft großer historischer Ereignisse belästigt zu werden. Dieser letztere Teil war zufrieden, sobald er den Frieden und das Recht erreicht hatte, auf den billigsten Märkten zu kaufen, Kaffee ohne Beimischung von Zichorie zu trinken und von allen politischen Angelegenheiten ausgeschlossen zu sein. Die "christlichen Germanen" jedoch wurden jetzt aktive Stützen der restaurierten Regierungen und taten alles, was in ihrer Macht stand, die Geschichte auf das Jahr 1789 zurückzuschrauben. Diejenigen, die dem Volke wünschten, es möge einige der Früchte seiner Anstrengungen genießen, waren stark genug gewesen, ihre Losungen zum Schlachtruf von 1813 zu machen, aber nicht zur Praxis von 1815. Sie erhielten einige schöne Versprechungen - Verfassungen, freie Presse etc. -, und das war alles; in der Praxis wurde alles sorgfältig so gelassen, wie es früher gewesen war. Die französierten Teile Deutschlands wurden soweit wie möglich von den Spuren des "fremden Despotismus", gesäubert, und nur die Provinzen auf dem linken Rheinufer behielten ihre französischen Institutionen. Der Kurfürst von Hessen ging so weit, daß er sogar die Zöpfe seiner Soldaten wiederherstellte, die von den gottlosen Händen der Franzosen abgeschnitten worden waren. Kurz, Deutschland bot ebenso wie jedes andere Land das Bild einer schamlosen Reaktion, die sich nur durch einen Zug von Furchtsamkeit und Schwäche auszeichnete; es hat nicht einmal jenen Grad von Energie aufgebracht, womit in Italien, Spanien, Frankreich und England revolutionäre Prinzipien bekämpft wurden.
Das Betrugssystem, dem Deutschland auf dem Wiener Kongreß unterworfen worden war, wurde nun von den verschiedenen deutschen Staaten untereinander praktiziert. Um die Macht der verschiedenen Staaten zu schwächen, zwangen ihnen Preußen und Österreich eine Art Bastardverfassungen auf, die die Regierungen schwächten, ohne dem Volk oder selbst den bürgerlichen Klassen irgendeine Macht zu geben. In Deutschland, das als eine Konföderation von Staaten konstituiert worden war, deren Gesandtschaften, von den Regierungen allein delegiert, den Bundestag bildeten, war nicht zu befürchten, daß das Volk zu stark werden könnte, da jeder Staat durch die Beschlüsse des Bundestags, die für ganz Deutschland Gesetz waren, gebunden war, ohne daß sie irgendeiner Repräsentativversammlung zur Billigung vorgelegt zu werden brauchten. In diesem Bundestag verstand es sich von selbst, daß Preußen und Österreich das absolute Regiment führten; sie brauchten den kleineren Fürsten bloß zu drohen, ihnen im Kampf <576> mit ihren Repräsentativversammlungen ihre Unterstützung zu entziehen, um sie so zu erschrecken, daß sie unbedingt gehorchten. Durch diese Mittel, durch ihre überwältigende Macht und weil sie die wahren Repräsentanten des Prinzips waren, von dem jeder deutsche Fürst seine Macht ableitet, haben sie sich zu absoluten Beherrschern Deutschlands aufgeschwungen. Was immer auch in den kleinen Staaten geschehen möge, es bleibt in der Praxis ohne Effekt. Die Kämpfe des liberalen Bürgertums Deutschlands blieben fruchtlos, solange sie auf die kleineren süddeutschen Staaten beschränkt blieben; sie wurden wichtig, sobald das Bürgertum Preußens aus seiner Lethargie aufgeschreckt wurde. Da man nun vom österreichischen Volk schwerlich sagen kann, daß es zur zivilisierten Welt gehört, und da es sich infolgedessen seinem väterlichen Despotismus ruhig unterordnet, so ist Preußen der Staat, der als das Zentrum der modernen deutschen Geschichte, als das Barometer für die Bewegungen der öffentlichen Meinung angesehen werden kann.
Nach dem Sturz Napoleons verlebte der König von Preußen einige seiner glücklichsten Jahre. Er war zwar von hinten und vorne betrogen worden. England hatte ihn betrogen, Frankreich hatte ihn betrogen, seine eigenen teuren Freunde, der Kaiser von Österreich und der Kaiser von Rußland, betrogen ihn immer und immer wieder; aber in der Fülle seines Herzens bemerkte er das nicht einmal - er konnte sich nicht die Möglichkeit vorstellen, daß es in der Welt irgendwo solche Schufte gäbe, die Friedrich Wilhelm III., "den Gerechten", betrügen könnten. Er war glücklich. Napoleon war gestürzt. Er hatte keine Furcht. Er bestand auf Artikel 13 der Deutschen Bundesakte, der eine Verfassung für jeden Staat versprach. Er bestand auf dem andern Artikel über die Freiheit der Presse. Ja, am 22. Mai 1815 erließ er sogar eine Proklamation, die mit den Worten begann - Worten, in denen sein huldvolles Glücksgefühl wunderbar vermischt war mit seiner feldwebelhaften Anmaßung: "Es soll eine Repräsentation des Volks gebildet werden!" Sein nächster Schritt war der Befehl, eine Kommission zu ernennen, die eine Verfassung für sein Volk ausarbeiten sollte; und selbst 1819, als revolutionäre Symptome in Preußen auftraten, als die Reaktion in ganz Europa am meisten grassierte und als die glorreiche Frucht der Kongresse ihre höchste Reife erreichte, selbst damals erklärte er, in Zukunft solle keine öffentliche Anleihe aufgelegt werden ohne die Zustimmung der künftigen Repräsentativversammlungen des Königreichs.
Leider war diese glückliche Zeit nicht von Dauer! Im Gemüt des Königs wich die Furcht vor Napoleon nur zu bald der Furcht vor der Revolution. Darüber jedoch in meinem nächsten Brief.
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Ich habe nur noch ein Wort hinzuzufügen. Immer, wenn in englischen demokratischen Versammlungen ein Trinkspruch ausgebracht wird auf die "Patrioten aller Länder", ist gewiß Andreas Hofer unter ihnen. Nun, nach allem was ich über die Feinde Napoleons in Deutschland gesagt habe, ist Hofers Name wert, von Demokraten mit Hochrufen begrüßt zu werden? Hofer war ein stupider, ignoranter, bigotter, fanatischer Bauer, dessen Enthusiasmus der Enthusiasmus der Vendée, der Enthusiasmus von "Kirche und Kaiser" war. Er kämpfte tapfer - aber das taten auch die Vendéer gegen die Republikaner. Er kämpfte für den väterlichen Despotismus Wiens und Roms. Demokraten Englands, um der Ehre des deutschen Volkes willen laßt den bigotten Andreas Hofer künftig außer Betracht! Deutschland hat bessere Patrioten als ihn. Warum nicht Thomas Münzer erwähnen, den berühmten Führer des Bauernaufstandes von 1525, der ein wahrer Demokrat war, soweit das zu der Zeit möglich war? Warum nicht Georg Forster feiern, den deutschen Thomas Paine, der die französische Revolution in Paris bis zuletzt gegen alle seine Landsleute unterstützte und auf dem Schafott starb? Warum nicht eine Menge andere, die für Realitäten fochten, und nicht für Illusionen?Ergebenst
Ihr deutscher Korrespondent
geschrieben Ende Oktober 1845.
Aus dem Englischen.
["The Northern Star" Nr. 438 vom 4. April 1846]
An den Redakteur des "Northern Star"
Sehr geehrter Herr,
ich muß Sie und Ihre Leser wirklich bitten, meine augenscheinliche Nachlässigkeit zu entschuldigen, die darin bestand, daß ich die Briefserie über das obige Thema, die ich für diese Zeitung zu schreiben begonnen habe, nicht früher fortsetzte. Sie können jedoch versichert sein, daß nichts anderes als die Notwendigkeit, einige Wochen ausschließlich der deutschen Bewegung zu widmen, mich davon abhalten konnte, die von mir übernommene angenehme Aufgabe auszuführen, die englische Demokratie über die Zustände in meinem Heimatland zu informieren.
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Ihre Leser werden sich vielleicht einigermaßen der Feststellungen in meinem ersten und zweiten Brief erinnern. Ich habe dort geschildert, wie der alte, verfaulte Zustand Deutschlands 1792 bis 1813 von den französischen Armeen an der Wurzel getroffen wurde; wie Napoleon durch das Bündnis der Feudalherren oder Aristokraten und der Bourgeois oder gewerbetreibenden Mittelklassen Europas gestürzt wurde; wie in den folgenden Friedensschlüssen die deutschen Fürsten von ihren Verbündeten und sogar von dem besiegten Frankreich betrogen wurden; wie die deutsche Bundesakte und der heutige politische Zustand Deutschlands zustande kamen; und wie Preußen und Österreich, indem sie die kleineren Staaten veranlaßten, Verfassungen zu gewähren, sich zu ausschließlichen Herren Deutschlands machten. Lassen wir Österreich als ein halbbarbarisches Land außer Betracht, so kommen wir zu dem Ergebnis, daß Preußen das Schlachtfeld ist, auf dem das zukünftige Schicksal Deutschlands entschieden werden wird.Wir sagten in unserem letzten Brief, daß Friedrich Wilhelm III., König von Preußen, nachdem er von der Furcht vor Napoleon erlöst worden war und ein paar glückliche, weil furchtlose Jahre verbracht hatte, einen anderen Popanz fand, der ihn erschreckte "die Revolution". Wir werden jetzt sehen, in welcher Weise "die Revolution" in Deutschland eingeführt wurde.
Nach dem Sturz Napoleons, der, wie ich erneut feststellen muß, von den Königen und Aristokraten jener Zeit völlig mit der Niederschlagung der Französischen Revolution oder, wie sie es nannten, der Revolution identifiziert wurde, hielt die antirevolutionäre Partei nach 1815 in allen Ländern die Zügel der Regierung in der Hand. Die feudalen Aristokraten regierten in allen Kabinetten von London bis Neapel, von Lissabon bis St. Petersburg. Aber das Bürgertum, das die Sache bezahlt und das geholfen hatte, sie zuwege zu bringen, wollte seinen Anteil an der Macht haben. Es war keineswegs das Interesse des Bürgertums, das die wiederhergestellten Regierungen in den Vordergrund rückten. Im Gegenteil, die bürgerlichen Interessen wurden überall vernachlässigt und sogar offen ignoriert. Die Annahme des englischen Korngesetzes von 1815 ist das schlagendste Beispiel einer Tatsache, die ganz Europa gemeinsam war; und doch war das Bürgertum damals mächtiger als je zuvor. Handel und Manufakturen hatten sich überall ausgebreitet und hatten den Reichtum der fetten Bourgeois zum Anschwellen gebracht; ihr vermehrter Wohlstand fand seinen Ausdruck in ihrem vermehrten Spekulationsgeist und ihrer wachsenden Nachfrage nach Komfort und Luxusartikeln. Es war also unmöglich, daß sie sich schweigend darin <579> fügten, von einer Klasse regiert zu werden, die seit Jahrhunderten in Verfall war, deren Interessen denen des Bürgertums entgegengesetzt waren und deren momentane Rückkehr zur Macht eben das Werk der Bourgeois war. Der Kampf zwischen Bürgertum und Aristokratie war unvermeidlich; er begann fast augenblicklich nach dem Frieden.
Da das Bürgertum nur durch das Geld mächtig ist, kann es politische Macht nicht anders erlangen als dadurch, daß es das Geld zum einzigen Kriterium für die Fähigkeit einer Person macht, an der Gesetzgebung mitzuarbeiten. Es muß alle feudalen Privilegien, alle politischen Monopole vergangener Zeiten in das eine große Privilegium und Monopol des Geldes aufgehen lassen. Die politische Herrschaft der bürgerlichen Klassen hat daher eine im wesentlichen liberale Erscheinungsform. Sie zerstören alle alten Unterschiede der verschiedenen in einem Lande nebeneinander bestehenden Stände, alle willkürlichen Privilegien und Freiheiten; sie sind gezwungen, das Wahlprinzip zur Grundlage der Regierung zu machen, die Gleichheit im Prinzip anzuerkennen, die Presse von den Fesseln der monarchistischen Zensur zu befreien, das Geschworenengericht einzuführen, um die besondere Richterklasse loszuwerden, die einen Staat im Staate bildet. Soweit erscheinen sie durchaus als Demokraten. Aber sie führen alle diese Verbesserungen nur soweit ein, wie damit alle früheren persönlichen und erblichen Privilegien durch das Privilegium des Geldes ersetzt werden. So wird das Wahlprinzip, durch den Eigentumszensus bei der Zuerkennung des Rechtes zu wählen und gewählt zu werden, den bürgerlichen Klassen vorbehalten. Die Gleichheit wird wieder beseitigt, indem sie auf bloße "Gleichheit vor dem Gesetz" beschränkt wird, was nichts anderes bedeutet als Gleichheit trotz der Ungleichheit von reich und arm - Gleichheit innerhalb der Grenzen der grundlegenden, bestehenden Ungleichheit -, was, kurz gesagt, nichts anderes bedeutet, als der Ungleichheit den Namen der Gleichheit zu geben. So ist die Freiheit der Presse an sich ein bürgerliches Privilegium, denn der Druck erfordert Geld und Käufer für das Gedruckte, und diese Käufer müssen wiederum Geld haben. So ist das Geschworenengericht ein bürgerliches Privilegium, da besonders dafür gesorgt wird, niemand anders als "Respektspersonen" auf die Geschworenenbank zu bringen.
Ich habe es für notwendig gehalten, diese wenigen Bemerkungen zur Frage der bürgerlichen Regierung zu machen, um zwei Tatsachen zu erläutern. Die erste ist die, daß in der Zeit von 1815 bis 1830 die im wesentlichen demokratische Bewegung der arbeitenden Klassen in allen Ländern mehr oder weniger der liberalen Bewegung der Bourgeois untergeordnet worden ist. Das arbeitende Volk, obwohl fortgeschrittener als das Bürgertum, <580> konnte noch nicht die völlige Verschiedenheit von Liberalismus und Demokratie, von Emanzipation der bürgerlichen Klassen und Emanzipation der arbeitenden Klassen erkennen; es konnte den Unterschied zwischen der Freiheit des Geldes und der Freiheit des Menschen nicht erkennen, bevor das Geld politisch frei gemacht, bevor das Bürgertum zur ausschließlich herrschenden Klasse geworden war. Deshalb petitionierten die Demokraten von Peterloo nicht nur für das allgemeine Stimmrecht, sondern gleichzeitig auch für die Abschaffung des Korngesetzes; deshalb kämpften die Proletarier 1830 in Paris und drohten 1831 in England für die politischen Interessen der Bourgeoisie zu kämpfen. In allen Ländern war das Bürgertum von 1815 bis 1830 der machtvollste Teil der revolutionären Partei und stellte daher ihre Führer. Die arbeitenden Klassen sind notwendigerweise ein Instrument in der Hand des Bürgertums, solange das Bürgertum selber revolutionär oder progressiv ist. Die besondere Bewegung der arbeitenden Klassen ist deshalb in diesem Fall stets nur von sekundärer Bedeutung. Aber von dem gleichen Tage, an dem das Bürgertum die volle politische Macht erlangt, von dem Tage, an dem alle feudalen und aristokratischen Interessen zunichte gemacht werden von der Macht des Geldes, von dem Tage, an dem das Bürgertum aufhört, progressiv und revolutionär zu sein, und selber stationär wird, von dem gleichen Tage an übernimmt die Bewegung der Arbeiterklasse die Führung und wird zur nationalen Bewegung. Man lasse heute die Korngesetze fallen, und morgen wird die Charte die führende Frage in England - morgen wird die chartistische Bewegung jene Kraft, jene Energie, jenen Enthusiasmus und jene Ausdauer offenbaren, die den Erfolg verbürgen.
Die zweite Tatsache, zu deren Erläuterung ich mir einige wenige Bemerkungen über die bürgerliche Regierung gestattet habe, bezieht sich ausschließlich auf Deutschland. Da die Deutschen eine Nation von Theoretikern und in der Praxis wenig erfahren sind, nahmen sie die geläufigen Trugschlüsse, die das französische und englische Bürgertum verfocht, als heilige Wahrheiten hin. Die bürgerlichen Klassen Deutschlands waren froh, daß sie bei ihrem kleinen Privatgeschäft, das sich durchaus "schmalspurig" abwickelte, in Ruhe gelassen wurden; überall, wo sie eine Verfassung erlangt hatten, rühmten sie sich ihrer Freiheit, aber sie mischten sich wenig in die politischen Staatsgeschäfte ein; überall, wo sie keine hatten, waren sie froh, der Mühe, Abgeordnete zu wählen und deren Reden zu lesen, enthoben zu sein. Das arbeitende Volk brauchte jenen großen Hebel, der es in Frankreich und England auf die Beine gebracht hatte - ausgedehnte Manufakturen -, und seine Konsequenz, die Herrschaft des Bürgertums. Es blieb deshalb <581> ruhig. Die Bauernschaft fühlte sich in jenen Teilen Deutschlands unterdrückt, wo die modernen französischen Institutionen wieder durch das alte feudale Regime ersetzt worden waren, aber diese Unzufriedenheit brauchte einen anderen Ansporn, um in offene Rebellion auszubrechen. So bestand die revolutionäre Partei in Deutschland von 1815 bis 1830 nur aus Theoretikern. Sie rekrutierte sich aus den Universitäten; sie bestand ausschließlich aus Studenten.
Man hatte es für unmöglich befunden, das alte System von 1789 in Deutschland wiedereinzuführen. Die veränderten Zeitumstände zwangen die Regierungen, ein neues System zu erfinden, das Deutschland eigentümlich war. Die Aristokratie war gewillt zu regieren, aber zu schwach; das Bürgertum war weder gewillt zu regieren noch stark genug dazu - beide jedoch waren stark genug, um die Regierung zu einigen Konzessionen zu veranlassen. Die Regierungsform war daher eine Art Bastardmonarchie. In einigen Staaten schuf eine Verfassung einen Anschein von Garantie für die Aristokratie und das Bürgertum; für die übrigen gab es überall eine bürokratische Regierung - das ist eine Monarchie, die angeblich die Interessen des Bürgertums durch gute Verwaltung wahrnimmt, eine Verwaltung, die jedoch von Aristokraten geleitet und deren Tätigkeit vor den Augen des Publikums soviel wie möglich verborgen gehalten wird. Die Folge davon ist die Entstehung einer besonderen Klasse von administrativen Regierungsbeamten, in deren Händen die Hauptmacht konzentriert ist und die gegen alle anderen Klassen in Opposition steht. Es ist die barbarische Form der Herrschaft des Bürgertums.
Aber diese Regierungsform befriedigte weder die "Aristokraten", "christlichen Germanen", "Romantiker", "Reaktionäre" noch die "Liberalen". Sie schlossen sich deshalb gegen die Regierungen zusammen und gründeten die studentischen Geheimbünde. Aus der Vereinigung dieser beiden Sekten - denn Parteien kann man sie nicht nennen - erwuchs jene Sekte von Bastardliberalen, die in ihren Geheimbünden von einem deutschen Kaiser mit Krone, Purpur, Zepter und all dem übrigen Zubehör dieser Art Apparatur träumten, nicht zu vergessen einen langen grauen oder roten Bart, umgeben von einer Ständeversammlung, in der die Geistlichkeit, der Adel, die Bürger und die Bauern hübsch getrennt sein sollten. Es war die lächerlichste Mischung feudaler Brutalität mit modernem bürgerlichem Trug, die man sich vorstellen kann. Aber das war gerade das Richtige für die Studenten, die Begeisterung brauchten, ganz einerlei wofür und zu welchem Preis. Dennoch, diese lächerlichen Idiosynkrasien zusammen mit den Revolutionen in Spanien, Portugal und Italien, den Bewegungen der Carbonari in <582> Frankreich und der Reformbewegung in England erschreckten die Monarchen so, daß sie schier den Verstand verloren. Friedrich Wilhelm III. hatte nun seinen Popanz, "die Revolution" - unter welchem Namen alle diese verschiedenen und einander teilweise widersprechenden Bewegungen zusammengefaßt wurden.
Eine Anzahl von Einkerkerungen und summarischen Verfolgungen unterdrückten diese "Revolution" in Deutschland; die französischen Bajonette in Spanien und die österreichischen in Italien sicherten für eine Weile die Überlegenheit der legitimen Könige und göttlichen Rechte. Selbst das göttliche Recht des Großtürken, seine griechischen Untertanen zu hängen und zu vierteilen, wurde eine Zeitlang von der Heiligen Allianz unterstützt; aber dieser Fall war zu flagrant, und die Griechen erhielten die Erlaubnis, dem türkischen Joch zu entschlüpfen.
Schließlich gaben die drei Tage in Paris das Signal für einen allgemeinen Ausbruch der Unzufriedenheit des Bürgertums, der Aristokratie und des Volkes in ganz Europa. Die aristokratische polnische Revolution wurde niedergeschlagen; die bürgerlichen Klassen Frankreichs und Belgiens vermochten sich politische Macht zu sichern; das englische Bürgertum erreichte ebenfalls dieses Ziel, und zwar durch die Reformbill; die teilweise vom Volke getragenen, teilweise bürgerlichen, teilweise nationalen Insurrektionen Italiens wurden unterdrückt; und in Deutschland verkündeten zahlreiche Insurrektionen und Bewegungen eine neue Ära der Volksagitation und der bürgerlichen Agitation.
Der neue und heftige Charakter der liberalen Agitation in Deutschland von 1830 bis 1834 zeigte, daß die bürgerlichen Klassen die Frage nun selbst aufgegriffen hatten. Da Deutschland jedoch in zahlreiche Staaten geteilt ist, von denen fast jeder eine besondere Zollgrenze und besondere Zollsätze hatte, so gab es in diesen Bewegungen keine Gemeinsamkeit der Interessen. Das Bürgertum Deutschlands wollte politisch frei werden, nicht um die öffentlichen Angelegenheiten in Übereinstimmung mit seinen Interessen zu regeln, sondern weil es sich schämte, im Vergleich zu den Franzosen und Engländern eine so servile Position einzunehmen. Seiner Bewegung fehlte die substantielle Basis, die den Erfolg des Liberalismus in Frankreich und England sichergestellt hatte; sein Interesse an der Frage war weit mehr theoretisch als praktisch; es war im allgemeinen desinteressiert. Die französischen Bourgeos von 1830 waren das nicht. Laffitte sagte am Tage nach der Revolution: "Nun werden wir Bankiers regieren"; und das tun sie bis auf den heutigen Tag. Das englische Bürgertum wußte ebenfalls sehr wohl, was es wollte, als es den Zehn-Pfund-Zensus einführte; da die deutschen bürger- <583> lichen Klassen aber, wie gesagt, schmalspurige Geschäftsmänner, bloße Enthusiasten - Bewunderer der "Preßfreiheit", "Geschworenengerichte", "konstitutionellen Garantien für das Volk", "Volksrechte", "Volksvertretung" und dergleichen waren, die sie nicht für Mittel, sondern für Zwecke hielten, so nahmen sie den Schatten für das Wesen und bekamen daher gar nichts. Diese Bewegung des Bürgertums war jedoch hinreichend, um mehrere Dutzend Revolutionen zuwege zu bringen, von denen zwei oder drei einige Erfolge zu erreichen vermochten: eine große Anzahl von Volksversammlungen, eine Menge Geschwätz und Ruhmredigkeit in den Zeitungen und den ganz schwachen Anfang einer demokratischen Bewegung unter den Studenten, Arbeitern und Bauern.
Ich werde nicht auf die ziemlich ermüdenden Einzelheiten dieser großmäuligen und erfolglosen Bewegung eingehen. Überall, wo etwas Wichtiges gewonnen wurde, wie die Preßfreiheit in Baden, schritt der Deutsche Bundestag ein und machte der Sache ein Ende. Die ganze Posse wurde abgeschlossen durch eine Wiederholung der summarischen Verhaftungen von 1819 und 1823 sowie durch eine Geheimliga aller deutschen Fürsten, die 1834 durch Beschluß einer Delegiertenkonferenz zu Wien gebildet wurde, um jeden weiteren Fortschritt des Liberalismus zu verhindern. Die Beschlüsse dieser Konferenz sind vor einigen Jahren veröffentlicht worden.
Von 1834 bis 1840 starb in Deutschland jede öffentliche Bewegung aus. Die Agitatoren von 1830 und 1834 waren entweder im Gefängnis oder verstreut im Ausland, wohin sie geflohen waren. Der Kampf gegen den immer strenger werdenden Zensor und die wachsende Nachlässigkeit und Gleichgültigkeit der bürgerlichen Klassen wurde von jenen fortgesetzt, die viel von ihrer bürgerlichen Furchtsamkeit während der Zeit der Agitation behalten hatten. Die Führer der Parlamentsopposition hielten weiter ihre Reden in den Kammern, aber die Regierungen fanden Mittel und Wege, um sich die Stimmen der Mehrheiten zu sichern. Es bot sich keine weitere Gelegenheit, irgendwelche wie immer geartete öffentliche Bewegung in Deutschland zustande zu bringen; die Regierungen handelten in allen Stücken nach ihrem Gutdünken.
An allen diesen Bewegungen nahmen die bürgerlichen Klassen Preußen fast keinen Anteil Das arbeitende Volk machte seiner Unzufriedenheit im ganzen Lande in zahlreichen Emeuten Luft, die jedoch keinen bestimmten Zweck hatten und daher kein Resultat erzielten. Die Apathie der Preußen war die stärkste Kraft des Deutschen Bundes. Sie zeigte, daß die Zeit für eine allgemeine Bewegung des Bürgertums in Deutschland noch nicht gekommen war. <584> In meinem nächsten Brief < ein weiterer Brief von Friedrich Engels wurde nicht veröffentlicht> werde ich zu der Bewegung der vergangenen sechs Jahre übergehen, vorausgesetzt, daß es mir gelingt, die notwendigen Materialien zusammenzubringen, um den Geist der deutschen Regierungen an einigen ihrer eigenen Taten zu charakterisieren, im Vergleich zu denen die Taten Ihres edlen Innenministers engelrein und unschuldig sind.
Bis dahin, sehr geehrter Herr, verbleibe ich ergebenst
Ihr deutscher Korrespondent
20. Februar 1846
Aus dem Englischen.