Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 2, S. 509 - 520
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1972

Friedrich Engels

Rascher Fortschritt des Kommunismus in Deutschland

[I]
[II]
[III]


[I]

["The New Moral World" Nr. 25 vom 13. Dezember 1844]

<509> Da ich hoffe, daß Ihre Landsleute erfreut sein werden, etwas über die Fortschritte unserer gemeinsamen Sache auf dieser Seite des Kanals zu hören, schicke ich Ihnen einige Zeilen für Ihre Zeitung. Gleichzeitig freue ich mich, zeigen zu können, daß das deutsche Volk, obwohl es, wie gewöhnlich, die Frage der sozialen Reform mit einiger Verspätung aufwarf, jetzt alle Anstrengungen macht, um die verlorene Zeit wieder einzuholen, und wirklich, die Geschwindigkeit, mit der der Sozialismus in diesem Lande Fortschritte gemacht hat, ist ganz wunderbar. Vor zwei Jahren gab es nur zwei Personen, die sich überhaupt für soziale Fragen interessierten; vor einem Jahr wurde die erste sozialistische Schrift gedruckt. Zwar gab es einige hundert deutsche Kommunisten im Ausland, da sie aber Arbeiter waren, hatten sie wenig Einfluß und konnten nicht erreichen, daß ihre Schriften unter den "oberen Klassen" Verbreitung fanden. Überdies waren die Hindernisse, die dem Sozialismus im Wege standen, ungeheuer: Preßzensur, kein Recht zur öffentlichen Versammlung, kein Assoziationsrecht, despotische Gesetze und geheime Gerichtshöfe mit bezahlten Richtern, die jeden bestraften, der auf irgendeine Weise das Volk zum Denken zu bringen wagte. Und trotz alledem, wie ist die Läge der Dinge jetzt in Deutschland? An Stelle der beiden armen Teufel, die über Sozialismus für ein Publikum schrieben, das mit der Frage in keiner Weise vertraut oder daran interessiert war, haben wir Dutzende von klugen Schriftstellern, die das neue Evangelium Tausenden predigen, die begierig alles hören möchten, was mit der Sache zusammenhängt; wir haben verschiedene Zeitungen, die so radikal sozialistisch sind, wie die Zensur es zuläßt, besonders die "Trier'sche Zeitung" und den "Sprecher" von Wesel; wir geben unter der Preßfreiheit von Paris eine Zeitung heraus, und es gibt außer solchen, die unter direktem Regierungseinfluß stehen, keine Zeitschrift, die nicht täglich, und in sehr anerkennenden Worten, den Sozialismus und die Sozialisten <510> kommentiert. Unseren Gegnern fehlt der moralische Mut, uns ganz offen entgegenzutreten. Sogar die Regierungen sind gezwungen, allen legalen Bewegungen, die zum Sozialismus hinstreben, wohlwollend zu begegnen. Überall werden Gesellschaften gegründet, sowohl zur Verbesserung der Lage der Arbeiter als auch zu ihrer geistigen Ausbildung, und einige der höchsten Beamten der preußischen Regierung haben sich an diesen Vereinigungen aktiv beteiligt. Kurz, der Sozialismus ist zur Tagesfrage in Deutschland geworden, und im Laufe eines Jahres ist eine starke sozialistische Partei herangewachsen, die schon jetzt allen politischen Parteien Respekt einflößt und um die sich besonders die Liberalen dieses Landes eifrig bemühen. Bis jetzt ist unser Bollwerk das Bürgertum, eine Tatsache, die den englischen Leser vielleicht befremden wird, falls er nicht weiß, daß diese Klasse in Deutschland viel weniger eigennützig, viel unvoreingenommener und intelligenter ist als die in England, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil sie ärmer ist. Wir hoffen jedoch, daß uns in kurzer Zeit die arbeitenden Klassen unterstützen werden, die immer und überall die Stärke und den Hauptbestandteil der sozialistischen Parteien bilden müssen und die durch Elend, Unterdrückung und Arbeitsmangel wie auch durch die Aufstände in den Industriegebieten Schlesiens und Böhmens aus ihrer Lethargie gerissen worden sind. Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit ein Bild von Hübner, einem der besten deutschen Maler, erwähnen, das wirksamer für den Sozialismus agitiert hat als hundert Flugschriften. Es zeigt einige schlesische Weber, die einem Fabrikanten gewebtes Leinen bringen, und stellt sehr eindrucksvoll dem kaltherzigen Reichtum auf, der einen Seite die verzweifelte Armut auf der anderen gegenüber. Der gutgenährte Fabrikant wird mit einem Gesicht, rot und gefühllos wie Erz, dargestellt, wie er ein Stück Leinen, das einer Frau gehört, zurückweist; die Frau, die keine Möglichkeit sieht, den Stoff zu verkaufen, sinkt in sich zusammen und wird ohnmächtig, umgeben von ihren zwei kleinen Kindern und kaum aufrecht gehalten von einem alten Mann; ein Angestellter prüft ein Stück, dessen Eigentümer in schmerzlicher Besorgnis auf das Ergebnis warten; ein junger Mann zeigt seiner verzagten Mutter den kärglichen Lohn, den er für seine Arbeit bekommen hat; ein alter Mann, ein Mädchen und ein Knabe sitzen auf einer Steinbank und warten, daß sie an die Reihe kommen; und zwei Männer, jeder mit einem Packen zurückgewiesenen Stoffes auf dem Rücken, verlassen gerade den Raum, einer von ihnen ballt voll Wut die Faust, während der andere die Hand auf des Nachbarn Arm legt und zum, Himmel zeigt, als ob er sagt: Sei ruhig, es gibt einen Richter, der ihn strafen wird. Diese ganze Szene spielt sich in einem kalt und ungemütlich aussehenden Vorsaal mit Steinfußboden ab; nur der Fabrikant steht auf <511> einem Stück Teppich, während sich auf der anderen Seite des Gemäldes, hinter einer Barriere ein Ausblick in ein luxuriös eingerichtetes Kontor mit herrlichen Gardinen und Spiegeln öffnet, wo einige Angestellte schreiben, unberührt von dem, was hinter ihnen vorgeht, und wo der Sohn des Fabrikanten, ein junger Geck, sich auf die Barriere lehnt, eine Reitgerte in der Hand, eine Zigarre raucht und die unglücklichen Weber kühl betrachtet. Dieses Gemälde ist in mehreren Städten Deutschlands ausgestellt worden und hat verständlicherweise so manches Gemüt für soziale Ideen empfänglich gemacht. Zur gleichen Zeit hatten wir die Genugtuung, daß der hervorragendste Geschichtsmaler unseres Landes, Karl Lessing, sich zum Sozialismus bekehrte. Tatsächlich nimmt der Sozialismus schon jetzt in Deutschland eine zehnmal stärkere Position ein als in England. Gerade heute morgen habe ich einen Artikel in der liberalen "Kölnischen Zeitung" gelesen, dessen Verfasser aus verschiedenen Gründen von den Sozialisten angegriffen worden war; er verteidigt sich in dem Artikel, und worauf läuft seine Verteidigung hinaus? Er bekennt sich selbst zum Sozialismus, mit dem einzigen Unterschied, daß er mit politischen Reformen beginnen möchte, während wir alles auf einmal haben wollen. Und diese "Kölnische Zeitung" ist in bezug auf Einfluß und Verbreitung die zweitgrößte Zeitung Deutschlands. Es ist sonderbar, aber zumindest im Norden Deutschlands kann man nicht an Bord eines Dampfers gehen, in einem Eisenbahnwagen oder einer Postkutsche reisen, ohne jemand zu treffen, der nicht wenigstens einige soziale Ideen in sich aufgenommen hätte und der nicht mit einem darin übereinstimmte, daß etwas getan werden müsse, um die Gesellschaft zu reorganisieren. Ich komme gerade von einer Reise in einige Nachbarstädte zurück, und ich fand keinen einzigen Ort, an dem ich nicht wenigstens ein halbes Dutzend oder ein Dutzend vortreffliche Sozialisten getroffen hätte. In meiner eigenen Familie - und sie ist sehr fromm und regierungstreu - zähle ich sechs oder mehr Mitglieder, deren jedes überzeugt worden ist, ohne daß es von den übrigen beeinflußt worden wäre. Wir haben Anhänger unter Menschen aller Art: Kaufleute, Fabrikanten, Rechtsanwälte, Regierungsleute und Offiziere, Ärzte, Redakteure, Landwirte etc.; eine große Anzahl unserer Schriften befindet sich im Druck, obwohl bisher kaum drei oder vier erschienen sind, und wenn wir in den kommenden vier oder fünf Jahren solche Fortschritte wie in den vergangenen 12 Monaten machen, werden wir imstande sein, eine kommunistische Gemeinde zu gründen. Wie Sie sehen, werden wir deutschen Theoretiker praktische Geschäftsleute. Es wurde tatsächlich einer aus unseren Reihen aufgefordert, einen Organisationsplan und Satzungen für eine arbeitsfähige Gemeinde nach den <512> Plänen von Owen, Fourier etc. auszuarbeiten und die Erfahrungen der amerikanischen Ansiedlungen sowie Ihr eigenes Experiment in Harmony, von dem ich hoffe, daß es gut vorangeht, zu verwerten. Dieser Plan wird in den verschiedenen Orten diskutiert und mit Abänderungen veröffentlicht werden. Die aktivsten literarischen Persönlichkeiten unter den deutschen Sozialisten sind: Dr. Karl Marx, Paris; Dr. M[oses] Heß, zur Zeit Köln; Dr. K[arl] Grün, Paris; Friedrich Engels, Barmen (Rheinpreußen); Dr.O[tto] Lüning, Rheda/Westfalen; Dr. H[ermann] Püttmann, Köln, und verschiedene andere. Außer diesen hat sich Heinrich Heine, der hervorragendste unter allen lebenden deutschen Dichtern, uns angeschlossen und hat einen Band politischer Lyrik veröffentlicht, der auch einige Gedichte enthält, die den Sozialismus verkünden. Er ist der Verfasser des berühmten Liedes "Die schlesischen Weber", von dem ich Ihnen eine Übersetzung gebe, das aber, wie ich befürchte, in England als Gotteslästerung angesehen werden wird. Jedenfalls möchte ich es Ihnen mitteilen und nur bemerken, daß es sich auf den Schlachtruf der Preußen im Jahre 1813 "Mit Gott für König und Vaterland!" bezieht, der seither ein beliebter Ausspruch der loyalen Partei gewesen ist. Hier das Lied:

Im düstern Auge keine Träne,
Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne:
Deutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch -
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten
In Winterskälte und Hungersnöten;
Wir haben vergebens gehofft und geharrt,
Er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt -
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,
Den unser Elend nicht konnte erweichen,
Der den letzten Groschen von uns erpreßt
Und uns wie Hunde erschießen läßt -
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem falschen Vaterlände,
Wo nur gedeihen Schmach und Schande,
Wo jede Blume früh geknickt,
Wo Fäulnis und Moder den Wurm erquickt -
Wir weben, wir weben!

<513> Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht,
Wir weben emsig Tag und Nacht -
Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch,
Wir weben, wir weben!

Mit diesem Lied, das im deutschen Original eines der stärksten Gedichte das ich kenne, verabschiede ich mich für diesmal von Ihnen und hoffe, Ihnen bald über unseren weiteren Fortschritt und die soziale Literatur berichten zu können.

Ein alter Freund von Ihnen in Deutschland

geschrieben etwa am 9. November 1844.
Aus dem Englischen.

[II]

["The New Moral Word" Nr. 37 vom 8. März 1845]

Barmen, 2. Februar 1845.

Seit ich Ihnen das letztemal geschrieben habe, hat die Sache des Kommunismus den gleichen schnellen Fortschritt gemacht wie gegen Ende des Jahres 1844. Vor kurzem war ich in verschiedenen Städten am Rhein und habe überall festgestellt, daß unsere Ideen, seit ich diese Orte zum letztenmal besucht hatte, täglich mehr an Boden gewonnen haben und noch gewinnen. Überall fand ich neue Anhänger, die so viel Energie beim Diskutieren und Verbreiten der Idee des Kommunismus aufbieten, wie man sich nur wünschen kann. In allen Städten Preußens sind sehr viele öffentliche Veranstaltungen mit dem Ziel abgehalten worden, Vereinigungen zu bilden, um der wachsenden Verelendung, der Unwissenheit und dem Verbrechen unter den breiten Massen der Bevölkerung entgegenzutreten. Diese Versammlungen wurden zunächst von der Regierung unterstützt, dann aber, als sie zu selbständig wurden, von ihr behindert; trotzdem lenkten sie die öffentliche Aufmerksamkeit auf die soziale Frage und trugen sehr viel zur Verbreitung unserer Prinzipien bei. Die Kölner Versammlung war von den Reden der führenden Kommunisten derart beeindruckt, daß ein Komitee zur Ausarbeitung der Satzungen des Vereins gewählt wurde, das in seiner Mehrheit aus entschiedenen Kommunisten bestand. Der Hauptinhalt der Satzungen gründete sich selbstverständlich auf kommunistische Prinzipien. Die Satzungen <514> über die Organisation der Arbeit, über den Schutz der Arbeiter gegen die Macht des Kapitals etc. wurden von der Versammlung fast einstimmig an genommen. Die Genehmigung der Regierung, die in unserem Lande für alle Vereinigungen erforderlich ist, wurde natürlich nicht erteilt; da aber diese Versammlungen doch stattgefunden hatten, stand die Frage der Gemeinwesen in ganz Köln überall zur Diskussion. In Elberfeld wurde als Grundprinzip der Vereinigung verkündet, daß alle Menschen das gleiche Recht auf Bildung haben und an den Früchten der Wissenschaft teilhaben sollen; die Satzungen sind jedoch von der Regierung noch nicht bestätigt worden und werden aller Wahrscheinlichkeit nach das Los der Kölner Satzungen teilen, da die Pfaffen sofort eine eigene Vereinigung gegründet haben, als ihr Plan, die Gesellschaft zu einer Unterabteilung der Stadtmission zu machen, von der Versammlung abgelehnt worden war. Die liberale Vereinigung wird von der Regierung verboten und die Vereinigung der Pfaffen unterstützt werden. Das hat jedoch wenig zu bedeuten, da die Frage, nachdem sie einmal aufgeworfen worden ist, nun in der ganzen Stadt allgemein diskutiert wird. Andere Vereine sind in Münster, Kleve, Düsseldorf etc. gebildet worden, und es bleibt abzuwarten, mit welchem Ergebnis. Was die kommunistische Literatur betrifft, so ist eine Schriftensammlung, die sich mit diesem Thema beschäftigt, von H[ermann] Püttmann, Köln, veröffentlicht worden, die unter anderem sowohl einen Bericht über die amerikanischen Ansiedlungen als auch über Ihre eigene Niederlassung in Hampshire enthält, was sehr viel dazu beigetragen hat, das Vorurteil über die Undurchführbarkeit unserer Ideen zu beseitigen. Herr Püttmann hat zur gleichen Zeit die Ankündigung einer Vierteljahresschrift veröffentlicht, deren erste Nummer er im kommenden Mai herauszugeben beabsichtigt und die ausschließlich der Verbreitung unserer Ideen gewidmet sein wird. Die Herren Heß aus Köln und Engels aus Barmen werden mit der Herausgabe einer weiteren Monatsschrift beginnen, deren erste Nummer am kommenden 1. April erscheinen soll; diese Zeitschrift wird nur Tatsachen enthalten, die den Zustand der zivilisierten Gesellschaft zeigen und die Notwendigkeit einer radikalen Reform der Gesellschaft durch die Überzeugungskraft der Tatsachen beweisen. Eine neue Arbeit von Dr. Marx, die einen Überblick über die Prinzipien der Nationalökonomie und die Politik im allgemeinen enthält, wird in Kürze veröffentlicht werden. Dr. Marx ist von der konservativen französischen Regierung gezwungen worden, seinen Wohnsitz in Paris aufzugeben. Er beabsichtigt, nach Belgien zu gehen, und wenn die Rache der preußischen Regierung (die die französischen Minister veranlaßt hat, Marx auszuweisen) ihn auch dort verfolgen wird, muß er nach England <515> gehen. Aber die wichtigste Tatsache, die ich seit meinem letzten Brief erfahren habe, ist die, daß sich Dr. Feuerbach, gegenwärtig das hervorragendste philosophische Genie in Deutschland, als Kommunist bekannt hat. Ein Freund von uns besuchte ihn kürzlich auf seinem einsamen Landsitz in einem entlegenen Winkel Bayerns; diesem gegenüber erklärte er, er sei durchaus überzeugt, daß der Kommunismus nur die notwendige Konsequenz der Prinzipien darstelle, die er verkündet habe, und daß der Kommunismus tatsächlich nur die Praxis dessen sei, was er lange zuvor theoretisch verkündet habe. Feuerbach sagte, er habe niemals soviel Freude an irgendeinem Buch gehabt wie an dem ersten Teil von Weitlings "Garantien". Noch nie habe ich jemandem ein Buch gewidmet, sagte er, aber jetzt habe ich große Lust, meine nächste Arbeit Weitling zu widmen. So ist die Verbindung zwischen den deutschen Philosophen, deren hervorragendster Vertreter Feuerbach ist, und den deutschen Arbeitern, die durch Weitling vertreten werden, fast hergestellt, eine Verbindung, die von Dr. Marx vor einem Jahr vorausgesagt wurde. Wenn die Philosophen mit uns denken und die Arbeiter mit uns kämpfen - gibt es da noch eine Macht auf Erden, die stark genug wäre, unserem Fortschritt zu widerstehen?

Ein alter Freund von Ihnen in Deutschland

Aus dem Englischen.

[III]

["The New Moral World" Nr. 46 vom 10. Mai 1845]

Sehr geehrter Herr,

nachdem ich eine Zeitlang gewisser Ursachen wegen nicht imstande war, Ihnen über den Stand der Angelegenheiten in Deutschland zu schreiben, setze ich jetzt meine Berichte fort, in der Hoffnung, daß sie Ihre Leser interessieren und daß sie einander mit geringeren Unterbrechungen folgen werden als bisher. Ich freue mich, Ihnen berichten zu können, daß wir den gleichen raschen und stetigen Fortschritt machen wie vor meinem letzten Bericht. Seit ich Ihnen das letztemal geschrieben habe, hat es die preußische Regierung für gefährlich befunden, die "Vereine für das Wohl der arbeitenden Klassen" weiterhin zu unterstützen. Sie hat festgestellt, daß diese Vereine überall sozusagen kommunistisch infiziert wurden und hat deshalb alles getan, was in ihrer Macht steht, die Weiterentwicklung dieser Vereine zu <516> unterbinden oder wenigstens zu hemmen. Anderseits war die Mehrheit der Mitglieder dieser Gesellschaften, die sich aus Angehörigen des Bürgertums zusammensetzen, völlig ratlos hinsichtlich der Schritte, die man zum Wohl des arbeitenden Volkes unternehmen könnte. Die Kommunisten bewiesen sogleich, daß alle ihre Maßnahmen - Sparkassen, Prämien und Preise für die besten Arbeiter und ähnliches mehr - zu nichts führen, und gaben sie damit dem öffentlichen Gelächter preis. So ist die Absicht des Bürgertums, die Arbeiterklasse durch Heuchelei und verlogene Philanthropie irrezuführen, völlig vereitelt worden, während wir eine Gelegenheit erhielten, wie sie in einem Lande mit einer patriarchalischen Polizeiregierung ziemlich selten ist: die Regierung und die Geldleute hatten alle Scherereien und wir den ganzen Nutzen.

Doch wurden nicht nur diese Versammlungen zur kommunistischen Agitation ausgenutzt. In Elberfeld, dem Zentrum des Industriebezirks von Rheinpreußen, wurden regelmäßige kommunistische Versammlungen abgehalten. Die Kommunisten dieser Stadt wurden von einigen der angesehensten Bürger eingeladen, um mit ihnen ihre Prinzipien zu diskutieren. Die erste dieser Versammlungen fand im Februar statt und trug einen mehr privaten Charakter. Es nahmen ungefähr vierzig bis fünfzig Personen daran teil, darunter der Staatsanwalt des Bezirks und andere Mitglieder des Gerichts wie auch Vertreter fast aller führenden Handels- und Industriefirmen. Dr. Heß, dessen Namen zu erwähnen ich mehr denn einmal in Ihren Spalten Gelegenheit hatte, eröffnete die Versammlung, indem er Herrn Koettgen, einen Kommunisten, als Versammlungsleiter vorschlug, wogegen kein Einspruch erfolgte. Dr. Heß hielt dann einen Vortrag über den gegenwärtigen Stand der Gesellschaft und die Notwendigkeit, das alte System der Konkurrenz aufzugeben, das er als ein System regelrechter Räuberei bezeichnete. Der Vortrag wurde mit viel Beifall aufgenommen (die Mehrheit der Zuhörerschaft waren Kommunisten); danach sprach Herr Friedrich Engels (der vor einiger Zeit einige Abhandlungen über den Kommunismus auf dem Kontinent in Ihren Spalten veröffentlichte) des längeren über die Durchführbarkeit und über die Vorteile des kommunistischen Systems. Er führte auch einige Einzelheiten über die kommunistischen Ansiedlungen in Amerika und Ihre eigene Kolonie zu Harmony als Beweis für seine Behauptungen an. Darauf folgte eine sehr angeregte Diskussion, in welcher der Standpunkt der Kommunisten von den vorgenannten und einigen anderen Rednern verteidigt wurde, während der Staatsanwalt Dr. Benedix, eine literarische Persönlichkeit und einige andere die Opposition vertraten. Die Versammlung, die gegen neun Uhr abends begann, wurde bis ein Uhr morgens fortgesetzt.

<517> Die zweite Versammlung wurde eine Woche darauf im großen Saal des ersten Hotels der Stadt abgehalten. Der Raum war mit den "Respektspersonen" des Ortes gefüllt. Herr Koettgen, der Vorsitzende der vorhergehenden Versammlung, machte einige Bemerkungen über den zukünftigen Stand und die Aussichten der Gesellschaft vom Standpunkt der Kommunisten, wonach Herr Engels eine Rede hielt, in der er bewies (was man aus der Tatsache entnehmen kann, daß kein Wort dagegen gesagt wurde), daß der gegenwärtige Zustand in Deutschland derartig sei, daß er in sehr kurzer Zeit nichts anderes als eine soziale Revolution erzeugen könne, daß diese nahe bevorstehende Revolution nicht durch irgendwelche möglichen Maßnahmen zur Förderung des Handels und der Industrie abgewendet werden könne und daß das einzige Mittel zur Verhinderung einer solchen Revolution - einer Revolution, schrecklicher als alle gewöhnlichen Umstürze der Vergangenheit - die Einführung und die Vorbereitung des kommunistischen Systems sei. Die Diskussion, an der sich auf seiten der Kommunisten einige Herren Juristen beteiligten, die zu diesem Zweck aus Köln und Düsseldorf gekommen waren, war wieder sehr angeregt und wurde bis nach Mitternacht ausgedehnt. Es wurden auch einige kommunistische Gedichte des Herrn Dr. Müller aus Düsseldorf, der anwesend war, vorgetragen.

Eine Woche später fand eine dritte Versammlung statt, auf der wiederum Dr. Heß sprach; außerdem wurden einige Einzelheiten über die kommunistischen Ansiedlungen in Amerika aus einer gedruckten Abhandlung vorgelesen. Die Diskussion wurde vor Abschluß der Versammlung wieder aufgenommen.

Einige Tage danach wurde in der Stadt ein Gerücht verbreitet, daß die nächste Versammlung von der Polizei aufgelöst und die Sprecher verhaftet werden sollten. Der Bürgermeister von Elberfeld ging tatsächlich zu dem Hotelbesitzer und drohte, ihm die Lizenz zu entziehen, wenn er künftighin wieder derartige Versammlungen in seinem Hause zulassen würde. Die Kommunisten setzten sich deshalb sofort mit dem Bürgermeister in Verbindung und erhielten am Vortage der nächsten Versammlung ein an die Herren Heß, Engels und Koettgen gerichtetes Rundschreiben, worin die Provinzialregierung mit einem großen Aufwand an Zitaten aus überlieferten und geschriebenen Gesetzen solche Versammlungen für illegal erklärte und drohte, sie gewaltsam zu unterbinden, falls man sie nicht aufgeben würde. Die Versammlung fand am folgenden Sonnabend statt. Der Bürgermeister und der Staatsanwalt (der nach der ersten Versammlung ferngeblieben war) waren anwesend, unterstützt von einem Trupp bewaffneter Polizisten, die von Düsseldorf per Bahn geschickt worden waren. Natürlich wurden unter solchen <518> Umständen keine öffentlichen Ansprachen gehalten. Die Versammlung befaßte sich mit Beefsteaks und Wein und gab der Polizei keinen Anlaß zum Einschreiten.

Diese Maßnahmen konnten jedoch unserer Sache nur dienen. Diejenigen, die noch nichts von ihr gehört hatten, fühlten sich nun veranlaßt, sich über die Sache zu informieren, da die Regierung ihr solche Bedeutung beimaß, und ein großer Teil derjenigen, die, ohne unsere Vorschläge zu kennen oder um sie zu verspotten, zur Diskussion erschienen waren, ging mit größerem Respekt vor dem Kommunismus heim. Dieser Respekt wurde teilweise auch durch die achtunggebietende Art hervorgerufen, in der unsere Partei repräsentiert wurde. Fast jede Patrizier- und vermögende Familie der Stadt war durch eines ihrer Mitglieder oder durch einen Verwandten an der großen Tischgesellschaft der Kommunisten vertreten. Kurz, die Wirkung dieser Versammlungen auf die öffentliche Meinung des gesamten Industriebezirke war wirklich wunderbar, und einige Tage darauf wurden diejenigen, die unsere Sache öffentlich verteidigt hatten, von einer Anzahl Menschen bestürmt, die um Bücher und Zeitungen baten, aus denen sie einen Überblick über das ganze System gewinnen könnten. Soweit uns bekannt ist, sollen die gesamten Protokolle in Kürze veröffentlicht werden.

Was die kommunistische Literatur betrifft, so ist auf diesem Gebiet der Agitation eine große Aktivität entfaltet worden. Das Publikum dürstet buchstäblich nach Aufklärung: es verschlingt jedes Buch, das auf diesem Gebiet veröffentlicht wird. Dr. Püttmann hat eine Sammlung von Essays veröffentlicht, sie enthält einen ausgezeichneten Aufsatz von Dr. Heß über die Not der heutigen Gesellschaft und die Mittel zu ihrer Abhilfe, eine ausführliche Beschreibung der elenden Lage des arbeitenden Volkes in Schlesien mit einer Geschichte der Aufstände im vergangenen Frühjahr, einige andere Artikel über den Zustand der Gesellschaft in Deutschland und schließlich einen Bericht über die amerikanischen und die Harmony-Gemeinden (aus Mr. Finchs Briefen und aus "Einer, der hinter dem Pfluge gepfiffen hat") von F. Engels. Das Buch wurde trotz Verfolgung durch die preußische Regierung überall schnell verkauft. Es ist eine Anzahl von Monatsschriften ins Leben gerufen worden: "Das Westphälische Dampfboot" in Bielefeld, von Lüning herausgegeben, enthält populäre Essays über Sozialismus und Berichte über die Lage des arbeitenden Volkes; das "Volksblatt" in Köln, mit entschiedenerer sozialistischer Tendenz; und der "Gesellschaftsspiegel" in Elberfeld von Dr. Heß, der ausdrücklich gegründet wurde zur Veröffentlichung von Tatsachen, die für den gegenwärtigen Zustand der Gesellschaft charakteristisch sind, und zur Verteidigung <519> der Rechte der arbeitenden Klassen. Eine Vierteljahrsschrift, die "Rheinischen Jahrbücher" von Dr. Püttmann, ist ebenfalls gegründet worden; die erste Nummer ist jetzt im Druck und wird in Kürze erscheinen.

Auf der anderen Seite ist jenen deutschen Philosophen der Krieg erklärt worden, die sich weigern, aus ihren reinen Theorien praktische Schlußfolgerungen zu ziehen, und die behaupten, daß der Mensch nichts weiter zu tun habe, als über metaphysische Fragen nachzugrübeln. Die Herren Marx und Engels haben eine ausführliche Widerlegung der von B[runo] Bauer verteidigten Prinzipien veröffentlicht; und die Herren Heß und Bürgers sind dabei, die Theorie von M[ax] Stirner zu widerlegen. Bauer und Stirner sind die Vertreter der letzten Schlußfolgerungen der abstrakten deutschen Philosophie und deshalb die einzigen bedeutenden philosophischen Gegner des Sozialismus - oder vielmehr des Kommunismus, denn hierzulande bedeutet das Wort Sozialismus nichts anderes als die verschiedenen verschwommenen, unbestimmten und unbestimmbaren Vorstellungen derjenigen, die sehen, daß etwas getan werden muß, und die sich dennoch nicht entschließen können, vorbehaltlos auf das Gemeinschaftssystem einzugehen.

Im Druck sind auch Dr. Marx' "Kritik der Politik und Nationalökonomie", Herrn F. Engels' "Die Lage der arbeitenden Klasse in England", "Anekdota oder eine Sammlung von Aufsätzen über Kommunismus"; und in wenigen Tagen wird mit der Übersetzung der besten französischen und englischen Werke über soziale Reform begonnen werden.

Infolge des elenden politischen Zustandes in Deutschland und des willkürlichen Vorgehens seiner patriarchalischen Regierungen besteht kaum eine andere Möglichkeit der Verbindung zwischen den Kommunisten in den verschiedenen Gegenden als die literarische. Die Zeitschriften, besonders die "Rheinischen Jahrbücher", stellen ein Zentrum für diejenigen dar, die durch die Presse für den Kommunismus eintreten. Eine gewisse Verbindung wird durch Reisende aufrechterhalten, das aber ist alles. Die Vereinigungen sind illegal, und sogar die Korrespondenz ist nicht ungefährlich, da die "geheimen Büros" in letzter Zeit eine ungewöhnliche Aktivität an den Tag gelegt haben. So haben wir nur aus den Zeitungen die Nachricht von der Existenz zweier kommunistischer Vereinigungen in Posen und im schlesischen Gebirge erhalten. Es wird berichtet, daß sich in Posen, der Hauptstadt Preußisch-Polens, eine Anzahl junger Leute zu einer Geheimgesellschaft zusammengeschlossen haben, die auf kommunistischen Prinzipien fußt, und daß sie die Absicht hegten, von der Stadt Besitz zu ergreifen; das Komplott wurde entdeckt und seine Verwirklichung verhindert. Das ist alles, was wir über die Sache wissen. Soviel ist jedoch sicher, daß sehr viele junge Leute aus aristo- <520> kratischen und wohlhabenden polnischen Familien verhaftet worden sind; daß seither (seit mehr als zwei Monaten) alle Wachtposten verdoppelt und mit scharfen Patronen versehen wurden und daß zwei Jugendliche (im Alter von 12 und 19 Jahren), die Brüder Rymarkiewicz, geflohen und von den Behörden noch nicht festgenommen werden konnten. Eine große Anzahl der Gefangenen sind Jugendliche zwischen 12 und 20 Jahren. Die andere sogenannte Verschwörung in den schlesischen Bergen soll große Ausdehnung gehabt und auch kommunistische Ziele verfolgt haben. Es wird behauptet, daß sie beabsichtigt habe, die Festung Schweidnitz einzunehmen, die ganze Gebirgskette zu besetzen und sich von dort aus an das leidende Arbeitervolk in ganz Deutschland zu wenden. Wieweit das der Wahrheit entspricht, kann niemand beurteilen; aber in diesem unglücklichen Gebiet haben, auf die Aussagen eines Polizeispitzels hin, auch Verhaftungen stattgefunden; und ein wohlhabender Fabrikant, Herr Schlöffel, ist nach Berlin übergeführt worden, wo er jetzt als mutmaßlicher Führer der Verschwörung dem Gericht übergeben wurde.

Die Vereine der deutschen Kommunisten unter den arbeitenden Klassen in der Schweiz, Frankreich und England sind weiterhin sehr aktiv, obwohl sie in Frankreich und in einigen Teilen der Schweiz sehr unter der Polizei zu leiden haben. Die Zeitungen teilen mit, daß ungefähr sechzig Mitglieder der kommunistischen Vereinigung in Genf aus der Stadt und dem Kanton ausgewiesen worden sind. A[ugust] Becker, einer der begabtesten Schweizer Kommunisten, hat einen Vortrag, den er in Lausanne gehalten hat, unter dem Titel "Was wollen die Kommunisten?" veröffentlicht; dieser Vortrag gehört zu dem Besten und Geistreichsten, was wir in dieser Art kennen. Ich möchte behaupten, daß er eine englische Übersetzung wert wäre, und ich würde mich freuen, wenn jemand unter Ihren Lesern mit der deutschen Sprache hinreichend vertraut wäre, um diese Übersetzung zu übernehmen. Es handelt sich natürlich nur um eine kleine Broschüre.

Ich hoffe, meine Berichte von Zeit zu Zeit fortsetzen zu können, und bleibe

ein alter Freund von Ihnen in Deutschland

Geschrieben etwa am 5. April l845.
Aus dem Englischen.