Arbeiterbewegungen

<430> Man wird mir zugehen, selbst wenn ich es nicht so oft im einzelnen nachgewiesen hätte, daß die englischen Arbeiter sich in dieser Lage nicht glücklich fühlen können; daß die ihrige keine Lage ist, in der ein Mensch oder eine ganze Klasse von Menschen menschlich denken, fühlen und leben können <(1892) kann>. Die Arbeiter müssen sich also bestreben, aus dieser vertierenden Lage herauszukommen, sich eine bessere, menschlichere Stellung zu verschaffen, und dies können sie nicht tun, ohne gegen das Interesse der Bourgeoisie als solcher, das eben in der Ausbeutung der Arbeiter besteht, anzukämpfen: die Bourgeoisie aber verteidigt ihr Interesse mit allen Kräften, die sie durch den Besitz und die ihr zu Gebote stehende Staatsmacht aufzuwenden imstande ist. Sowie der Arbeiter sich aus der jetzigen Lage der Dinge herausarbeiten will, wird der Bourgeois sein erklärter Feind.

Der Arbeiter merkt es aber außerdem jeden Augenblick, daß die Bourgeoisie ihn wie eine Sache, wie ihr Eigentum behandelt, und schon deshalb tritt er als Feind der Bourgeoisie auf. Ich habe oben an hundert Beispielen nachgewiesen und hätte an hundert andern nachweisen können, daß unter den jetzigen Verhältnissen der Arbeiter seine Menschheit nur durch den Haß und die Empörung gegen die Bourgeoisie retten kann. Und daß er mit der heftigsten Leidenschaft gegen die Tyrannei der Besitzenden protestieren kann, dafür sorgt seine Erziehung oder vielmehr Erziehungslosigkeit und das viele heiße irische Blut, das in die englische Arbeiterklasse übergegangen ist. Der englische Arbeiter ist kein Engländer mehr, kein kalkulierender Geldmensch wie sein besitzender Nachbar, er hat voller entwickelte Gefühle, seine angeborne nordische Kälte wird durch die Ungebundenheit, in der seine Leidenschaften sich ausbilden und die Herrschaft über ihn erringen konnten, aufgewogen. Die Verstandesbildung, die die selbstsüchtige Anlage des eng- <431> lischen Bourgeois so bedeutend entwickelt, die die Selbstsucht zu seiner herrschenden Leidenschaft gemacht und alle Gefühlskraft auf den einen Punkt der Geldgier konzentriert hat, fehlt dem Arbeiter, und dafür sind seine Leidenschaften stark und mächtig wie beim Ausländer. Die englische Nationalität ist im Arbeiter vernichtet.

Wenn, wie wir sahen, dem Arbeiter kein einziges Feld für die Betätigung seiner Menschheit gelassen ist als die Opposition gegen seine ganze Lebenslage, so ist es natürlich, daß gerade in dieser Opposition die Arbeiter am liebenswürdigsten, am edelsten, am menschlichsten erscheinen müssen. Wir werden sehen, daß alle Kraft, alle Tätigkeit der Arbeiter sich auf diesen einen Punkt richtet und daß selbst die Bemühungen, sich sonstige humane Bildung zu erwerben, alle in direkter Verbindung mit ihm stehen. Wir werden allerdings von einzelnen Gewaltsamkeiten und selbst Brutalitäten zu berichten haben, aber es ist immer zu bedenken, daß der soziale Krieg in England offen besteht und daß, wenn es das Interesse der Bourgeoisie ist, diesen Krieg heuchlerisch, unter dem Scheine des Friedens und selbst der Philanthropie zu führen, dem Arbeiter nur eine Offenlegung der wahren Verhältnisse, eine Zerstörung dieser Heuchelei dienen kann; daß also selbst die gewaltsamsten Feindseligkeiten der Arbeiter gegen die Bourgeoisie und ihre Diener nur der offene, unverhohlene Ausdruck dessen sind, was die Bourgeoisie den Arbeitern verstohlen und heimtückisch antut.

Die Empörung der Arbeiter gegen die Bourgeoisie hat bald nach der industriellen Entwicklung angefangen und verschiedene Phasen durchgemacht. Es ist hier nicht der Ort, die historische Bedeutung dieser Phasen für die Entwicklung des englischen Volks näher darzulegen; dies muß ich mir für eine spätere Arbeit vorbehalten und mich einstweilen auf die bloßen Tatsachen, soweit sie zur Charakteristik der Lage des englischen Proletariats dienen, beschränken.

Die erste, rohste und unfruchtbarste Form dieser Empörung war das Verbrechen. Der Arbeiter lebte in Not und Elend und sah, daß andere Leute es besser hatten als er. Seinem Verstande leuchtete nicht ein, weshalb er grade, der doch mehr für die Gesellschaft tat als der reiche Faulenzer, unter diesen Umständen leiden sollte. Die Not besiegte noch dazu den angestammten Respekt vor dem Eigentum - er stahl. Wir sahen, wie mit der Ausdehnung der Industrie das Verbrechen zunahm, wie die jährliche Zahl der Verhaftungen im steten Verhältnis zu der der konsumierten Baumwollballen steht.

Aber die Arbeiter sahen bald ein, daß dies nichts half. Die Verbrecher konnten nur einzeln, nur als Individuen durch ihren Diebstahl gegen die <432> bestehende Gesellschaftsordnung protestieren; die ganze Macht der Gesellschaft warf sich auf jeden einzeln und erdrückte ihn mit einer ungeheuren Übermacht. Zudem war der Diebstahl die ungebildetste, bewußtloseste Form der Protestation und schon deshalb nie der allgemeine Ausdruck für die öffentliche Meinung der Arbeiter, obwohl sie ihn im stillen billigen mochte. Die Arbeiterklasse ergriff erst Opposition gegen die Bourgeoisie, als sie sich gewaltsam der Einführung von Maschinerie widersetzte, wie dies gleich im Anfange der industriellen Bewegung geschah. Die ersten Erfinder, Arkwright usw., wurden schon auf diese Weise verfolgt und ihre Maschinen zerschlagen; später kamen eine Menge von Aufständen gegen Maschinerie vor, bei denen es fast genauso zuging wie bei den böhmischen Druckerunruhen im Juni 1844; die Fabriken wurden demoliert und die Maschinen zertrümmert.

Auch diese Art der Opposition war nur vereinzelt, auf gewisse Lokalitäten beschränkt und richtete sich nur gegen eine einzige Seite der jetzigen Verhältnisse. War der augenblickliche Zweck erreicht, so fiel die volle Wucht der gesellschaftlichen Macht auf die wieder wehrlosen Übeltäter und züchtigte sie nach Herzenslust, während die Maschinerie dennoch eingeführt wurde. Man mußte eine neue Form für die Opposition finden.

Hierzu half ein Gesetz, das vom alten, unreformierten, oligarchisch-torystischen Parlament erlassen wurde, ein Gesetz, das später, als durch die Reformbill der Gegensatz zwischen Bourgeoisie und Proletariat gesetzlich sanktioniert und die Bourgeoisie zur herrschenden Klasse erhoben wurde, nie mehr das Unterhaus passiert hätte. Dies Gesetz ging im Jahre 1824 durch und hob alle Akte auf, durch welche bisher Verbindungen zwischen Arbeitern zu Arbeiterzwecken verboten gewesen waren. Die Arbeiter bekamen das bis her nur der Aristokratie und Bourgeoisie gehörende Recht der freien Assoziation. Geheime Verbindungen hatten zwar schon bisher immer unter den Arbeitern bestanden, hatten es aber nie zu großen Resultaten bringen können. In Schottland hatte unter andern, wie Symons ("Arts and Artizans", p. 137 ff.) erzählt, schon 1812 unter den Webern in Glasgow eine allgemeine Arbeitseinstellung stattgefunden, die durch eine geheime Assoziation zustandegebracht wurde. Sie wiederholte sich 1822, und bei dieser Gelegenheit wurde zweien Arbeitern, die sich der Assoziation nicht anschließen wollten und infolgedessen von den Assoziierten als Verräter an ihrer Klasse betrachtet wurden, Vitriolöl ins Gesicht geschüttet, wodurch sie den Gebrauch der Augen verloren. Ebenso war 1818 die Assoziation der schottischen Grubenarbeiter mächtig genug, um eine allgemeine Arbeitseinstellung durchsetzen zu können. Diese Assoziationen ließen ihre Mitglieder einen Eid der Treue und Verschwiegenheit ablegen, hatten regelmäßige Listen, Kassen, Buch- <433> führung und lokale Verzweigungen. Aber die Heimlichkeit, mit der alles getrieben wurde, lähmte ihre Entwicklung. Als dagegen die Arbeiter 1824 das freie Assoziationsrecht erhielten, wurden diese Verbindungen sehr bald über ganz England ausgedehnt und mächtig. In allen Arbeitszweigen bildeten sich solche Vereine (trades unions) mit der unverhohlenen Absicht, den einzelnen Arbeiter gegen die Tyrannei und Vernachlässigung der Bourgeoisie zu schützen. Ihre Zwecke waren: den Lohn festzustellen und en masse, als Macht mit den Arbeitgebern zu unterhandeln, den Lohn nach dem Nutzen <(1892) Profit> des Arbeitgebers zu regulieren, ihn zu erhöhen, wenn gelegene Zeit kam, und ihn in jedem einzelnen Handwerke überall gleich hoch zu erhalten; deshalb pflegten sie mit den Kapitalisten wegen einer allgemein zu beobachtenden Lohnskala zu unterhandeln und jedem einzelnen, der sich weigerte, dieser Skala beizutreten, die Arbeit aufzukündigen. Ferner, durch Beschränkung der Annahme von Lehrlingen die Nachfrage nach Arbeitern immer lebhaft und dadurch den Lohn hochzuhalten, der hinterlistigen Lohnverkürzung der Fabrikanten durch Einführung von neuen Maschinen und Werkzeugen etc. soviel wie möglich entgegenzuarbeiten; und endlich, brotlose Arbeiter durch Geldmittel zu unterstützen. Dies geschieht entweder direkt aus der Vereinskasse oder durch eine Karte, worauf die nötige Legitimation verzeichnet steht und auf die hin der Arbeiter von einem Orte zum andern wandert, von seinen Gewerbsgenossen unterstützt und über die beste Gelegenheit, Arbeit zu erhalten, unterrichtet wird. Diese Wanderschaft heißt bei den Arbeitern the tramp, und der so Wandernde ein tramper. Um diese Zwecke zu erreichen, wird ein Präsident und Sekretär mit Gehalt - da zu erwarten steht, daß kein Fabrikant solche Leute beschäftigen werde - sowie ein Komitee ernannt, das die wöchentlichen Beiträge erhebt und über deren Verwendung zu den Zwecken der Assoziation wacht. Wenn es möglich war und sich vorteilhaft erwies, so vereinigten sich die Handwerksgenossen einzelner Distrikte auch wohl zu einer föderierten Verbindung und hielten zu bestimmten Zeiten Versammlungen von Delegierten. In einzelnen Fällen ist es versucht worden, die Genossen eines Gewerks über ganz England zu einer großen Verbindung zu vereinigen und mehrere Male - zuerst 1830 - eine allgemeine Arbeiterassoziation des ganzen Reichs, mit besonderer Organisation jedes Gewerks in sich, zu vereinigen. Diese Assoziationen hielten sich indes nie lange und kamen selten auch nur für den Augenblick zustande, da nur eine außerordentliche allgemeine Aufregung imstande ist, eine solche Verbindung möglich und wirksam zu machen.

<434> Die Mittel, die diese Verbindungen zur Erreichung ihrer Zwecke anzuwenden pflegen, sind folgende. Weigert sich ein einzelner oder mehrere Meister, den von der Assoziation festgesetzten Lohn zu bezahlen, so wird ihm eine Deputation geschickt oder eine Petition (man sieht, die Arbeiter wissen die Gewalt des absoluten Fabrikherrn in seinem kleinen Staate anzuerkennen) eingereicht; hilft das nicht, so befiehlt die Assoziation, die Arbeit einzustellen, und alle Arbeiter gehen nach Hause. Diese Arbeitseinstellung (turn-out oder strike) ist entweder partial, wenn einer oder einige, oder allgemein, wenn sämtliche Arbeitgeber des Gewerks sich weigern, den Lohn nach den Vorschlägen der Assoziation zu regeln. So weit gehen die gesetzlichen Mittel der Verbindung, falls nämlich die Arbeitseinstellung, was nicht immer der Fall ist, unter vorheriger Kündigung geschieht. Aber diese gesetzlichen Mittel sind eben sehr schwach, sobald es noch Arbeiter gibt, die außer der Assoziation stehen oder sich von ihr durch augenblickliche, vom Bourgeois gebotene Vorteile trennen lassen. Namentlich bei partialen Arbeitseinstellungen kann sich der Fabrikant leicht aus diesen räudigen Schafen (Knobsticks genannt) rekrutieren und dadurch die Anstrengungen der vereinigten Arbeiter fruchtlos machen. Gewöhnlich werden diese Knobsticks dann von den Verbindungsgliedern bedroht, gescholten, geschlagen oder sonst gemißhandelt, kurz, auf jede Weise eingeschüchtert; eine Klage folgt, und da die gesetzliebende Bourgeoisie bis jetzt noch die Macht hat, so ist die Kraft der Assoziation durch den ersten gesetzwidrigen Akt, durch die erste gerichtliche Klage gegen ihre Mitglieder fast jedesmal gebrochen.

Die Geschichte dieser Verbindungen ist eine lange Reihe von Niederlagen der Arbeiter, unterbrochen von wenigen einzelnen Siegen. Es ist natürlich, daß alle diese Anstrengungen das Gesetz der Ökonomie nicht ändern können, daß sich der Lohn durch das Verhältnis der Nachfrage zum Angebot im Arbeitsmarkte richtet <(1892) bestimmt>. Daher sind diese Verbindungen gegen alle großen Ursachen, die auf dies Verhältnis wirken, ohnmächtig; in einer Handelskrisis muß die Assoziation den Lohn selbst herabsetzen oder sich gänzlich auflösen, und bei einer bedeutenden Steigerung der Nachfrage nach Arbeit kann sie den Lohn nicht höherstellen, als es ohnehin von selbst durch die Konkurrenz der Kapitalisten geschehen würde. Aber gegen kleinere, einzeln wirkende Ursachen sind sie allerdings mächtig. Hätte der Fabrikant von den Arbeitern keine konzentrierte, massenhafte Opposition zu erwarten, so würde er um seines Nutzens willen allmählich den Lohn immer mehr und mehr drücken; der Kampf der Konkurrenz, den er gegen die andern Fabrikanten <435> zu bestehen hat, würde ihn sogar dazu zwingen und der Lohn bald auf sein Minimum sinken. Diese Konkurrenz der Fabrikanten unter sich wird aber in Durchschnittsverhältnissen allerdings durch die Opposition der Arbeiter gehemmt. Jeder Fabrikant weiß, daß die Folge einer nicht durch Umstände, denen auch seine Konkurrenten unterworfen sind, gerechtfertigten Lohnverkürzung ein Strike sein würde, der ihm sichern Schaden bringt, weil sein Kapital für die Dauer desselben müßig stehen, seine Maschinerie verrosten würde, während es in einem solchen Falle allerdings noch sehr ungewiß ist, ob er seine Lohnverkürzung durchsetzt und er die Gewißheit hat, daß, so wie es ihm gelingt, seine Konkurrenten ihm folgen, die Preise des Fabrikats drücken und ihm dadurch den Nutzen derselben wieder entziehen werden. Dann bringen die Verbindungen allerdings öfter eine schnellere Erhöhung des Lohnes nach einer Krisis hervor, als diese sonst eintreten würde; der Fabrikant hat ja das Interesse, den Lohn nicht früher zu erhöhen, als die Konkurrenz seiner Mitfabrikanten ihn dazu zwingt, während jetzt die Arbeiter selbst einen höheren Lohn fordern, wenn der Markt sich bessert und sie den Fabrikanten unter solchen Umständen wegen geringerer Auswahl von Arbeitern oft durch eine Arbeitseinstellung zur Lohnerhöhung zwingen können. Aber wie gesagt, gegen bedeutendere Ursachen, die den Arbeitsmarkt verändern, sind die Verbindungen wirkungslos. In solchen Fällen treibt der Hunger die Arbeiter allmählich dazu, zu jeden Bedingungen die Arbeit wieder anzutreten, und wenn erst einige wieder eingetreten sind, so ist die Macht der Assoziation gebrochen, weil diese wenigen Knobsticks mit den noch im Markte befindlichen Warenvorräten die Bourgeoisie in den Stand setzen, die schlimmsten Folgen der Geschäftsstörung zu beseitigen. Die Fonds der Assoziation werden durch die Menge der zu Unterstützenden bald erschöpft, der Kredit, den die Krämer gegen hohe Zinsen geben, wird auf die Dauer verweigert, und die Not zwingt die Arbeiter, in das Joch der Bourgeoisie zurückzukehren. Weil aber die Fabrikanten in ihrem eignen Interesse - freilich ist es nur durch die Opposition der Arbeiter ihr Interesse geworden - alle unnötigen Lohnverkürzungen vermeiden müssen, während die Arbeiter in jeder durch die Handelsverhältnisse bedingten Herabsetzung des Lohns eine Verschlechterung ihrer Lage fühlen, gegen die sie sich möglichst zu wahren haben, deshalb fallen die meisten Turnouts zum Nachteil der Arbeiter aus. Man wird fragen, weshalb denn die Arbeiter in solchen Fällen, wo doch die Nutzlosigkeit der Maßregel auf der Hand liegt, die Arbeit einstellen? Einfach, weil sie gegen die Herabsetzung des Lohns und selbst gegen die Notwendigkeit dieser Herabsetzung protestieren müssen, weil sie erklären müssen, daß sie, als Menschen, nicht nach den Verhältnissen sich zu <436> schicken, sondern daß die Verhältnisse sich nach ihnen, den Menschen, zu richten haben; weil ihr Stillschweigen eine Anerkennung dieser Verhältnisse, eine Anerkennung sein würde des Rechtes der Bourgeoisie, während guter Handelsperioden die Arbeiter auszubeuten und sie in schlechten Zeiten verhungern zu lassen. Die Arbeiter müssen dagegen protestieren, solange sie noch nicht alles menschliche Gefühl verloren haben, und daß sie so und nicht anders protestieren, kommt daher, weil sie Engländer, praktische Leute sind, die ihren Protest durch eine Tat einlegen, und nicht wie die deutschen Theoretiker ruhig schlafen gehen, sobald ihr Protest gehörig protokolliert und ad acta gelegt ist, um dort ebenso ruhig zu schlafen wie die Protestierenden. Der tatsächliche Protest des Engländers dagegen hat seine Wirkung, er hält die Geldgier der Bourgeoisie in gewissen Schranken und erhält die Opposition der Arbeiter gegen die gesellschaftliche und politische Allmacht der besitzenden Klasse lebendig, während er ihnen allerdings auch das Geständnis abzwingt, daß etwas mehr als Arbeiterverbindungen und Turnouts nötig ist, um die Herrschaft der Bourgeoisie zu brechen. Was aber diesen Assoziationen und den aus ihnen hervorgehenden Turnouts die eigentliche Wichtigkeit gibt, ist das, daß sie der erste Versuch der Arbeiter sind, die Konkurrenz aufzuheben. Sie setzen die Einsicht voraus, daß die Herrschaft der Bourgeoisie nur auf der Konkurrenz der Arbeiter unter sich beruht, d.h. auf der Zersplitterung des Proletariats, aus der Entgegensetzung der einzelnen Arbeiter gegeneinander. Und gerade weil sie sich, wenn auch nur einseitig, nur auf beschränkte Weise gegen die Konkurrenz, gegen den Lebensnerv der jetzigen sozialen Ordnung richten, gerade deshalb sind sie dieser sozialen Ordnung so gefährlich. Der Arbeiter kann die Bourgeoisie und mit ihr die ganze bestehende Einrichtung der Gesellschaft an keinem wunderen Fleck angreifen als an diesem. Ist die Konkurrenz der Arbeiter unter sich gestört, sind alle Arbeiter entschlossen, sich nicht mehr durch die Bourgeoisie ausbeuten zu lassen, so ist das Reich des Besitzes am Ende. Der Arbeitslohn ist ja bloß deshalb von dem Verhältnisse von Nachfrage und Angebot, von der zufälligen Lage des Arbeitsmarktes abhängig, weil die Arbeiter sich bisher gefallen ließen, als Sache, die man kauft und verkauft, behandelt zu werden. Beschließen die Arbeiter, sich nicht mehr kaufen und verkaufen zu lassen, treten sie bei der Bestimmung, was denn eigentlich der Wert der Arbeit sei, als Menschen auf, die neben der Arbeitskraft auch einen Willen haben, so ist es aus mit der ganzen heutigen Nationalökonomie und den Gesetzen des Lohns. Die Gesetze des Lohns würden allerdings auf die Dauer sich wieder geltend machen, wenn die Arbeiter bei der Aufhebung der Konkurrenz unter sich selbst stehenbleiben; aber das können sie nicht, ohne ihre ganze bisherige Bewegung <437> aufzugeben, ohne diese Konkurrenz der Arbeiter unter sich wiederherzustellen, d.h., sie können es überhaupt nicht. Die Notwendigkeit zwingt sie dazu, nicht nur einen Teil der Konkurrenz, sondern die Konkurrenz überhaupt aufzuheben - und das werden sie auch tun. Die Arbeiter sehen es schon jetzt täglich mehr ein, was sie an der Konkurrenz haben, sie sehen besser ein als die Bourgeois, daß auch die Konkurrenz der Besitzenden unter sich, indem sie die Handelskrisen hervorbringt, auf den Arbeiter drückt, und daß auch diese zu beseitigen ist. Sie werden es bald einsehen, wie sie dies anzufangen haben.

Daß diese Verbindungen sehr dazu beitragen, den Haß und die Erbitterung der Arbeiter gegen die besitzende Klasse zu nähren, braucht wohl nicht erst gesagt zu werden. Von diesen Verbindungen gehen daher - mit oder ohne Mitwissen der leitenden Mitglieder - in Zeiten ungewöhnlicher Aufregung einzelne Handlungen aus, die nur durch einen bis zur Verzweiflung gesteigerten Haß, durch eine wilde, alle Schranken durchbrechende Leidenschaft zu erklären sind. Dieser Art sind die oben erwähnten Fälle von Übergießung mit Vitriolöl und eine Reihe anderer, von denen ich einige erzählen will. 1831 wurde während einer heftigen Arbeiterbewegung der junge Ashton, Fabrikant in Hyde bei Manchester, eines Abends, als er durch die Felder ging, erschossen, und nie eine Spur des Täters entdeckt. Es ist kein Zweifel, daß es eine Tat der Rache von Arbeitern war. - Brandstiftungen und Sprengungsversuche sind sehr häufig. Freitag, den 29. September 1843 wurde ein Versuch gemacht, die Werkstatt des Sägenfabrikanten Padgin in Howard Street, Sheffield, in die Luft zu sprengen. Eine eiserne, mit Pulver gefüllte und zugekeilte Röhre war das Mittel dazu - der Schade war beträchtlich. Am folgenden Tag, den 30. September, fiel ein ähnlicher Versuch in der Messer- und Feilenfabrik von Ibbetson, Shales Moor bei Sheffield, vor. Herr Ibbetson hatte sich durch tätige Teilnahme an Bourgeoisie-Bewegungen, durch niedrigen Lohn, ausschließliche Beschäftigung von Knobsticks und Ausbeutung der Armengesetze zu seinem Vorteil (indem er während der Krisis 1842 die Arbeiter dadurch zur Annahme niedrigen Lohnes zwang, daß er die Weigernden der Armenverwaltung als solche, die Arbeit bekommen könnten, aber nicht wollten, und also keine Unterstützung verdienten, namhaft machte) verhaßt gemacht. Ziemlicher Schaden wurde durch die Explosion angerichtet, und alle Arbeiter, die ihn zu besehen kamen, bedauerten nur, "daß nicht die ganze Geschichte in die Luft gesprengt sei". - Freitag, den 6. Oktober 1843 ein Brandstiftungsversuch in der Fabrik von Ainsworth und Crompton in Bolton, richtete keinen Schaden an - es war der dritte oder vierte Versuch in einer sehr kurzen Zeit und in derselben Fabrik. - In der Sitzung des Stadtrats von <438> Sheffield am Mittwoch, den 10. Januar 1844 legte der Polizeikommissär eine eigens zum Sprengen gemachte Maschine von Gußeisen vor, die, mit vier Pfund Pulver gefüllt und mit einer angebrannten, aber erloschenen Lunte versehen, in der Fabrik des Herrn Kitchen, Earl Street, Sheffield, gefunden war. - Sonntag, den 20. Januar 1844 fiel eine Explosion in der Sägemühle von Bentley und White, Bury, Lancashire, vor, die, durch hineingeworfene Pulverpakete verursacht, bedeutenden Schaden anrichtete. - Donnerstag, den 1. Februar 1844 wurden die Soho Wheel Works in Sheffield in Brand gesteckt und ein Raub der Flammen. - Das sind sechs derartige Fälle in vier Monaten, die alle nur in der Erbitterung der Arbeiter gegen die Arbeitgeber ihren Grund haben. Welch ein sozialer Zustand derjenige sein muß, in dem solche Dinge nur möglich sind, brauche ich wohl nicht zu sagen. Diese Tatsachen sind Beleg genug, daß in England, selbst in flotten Geschäftsperioden, wie Ende 1843, der soziale Krieg erklärt ist und offen gehandhabt wird - und doch besinnt sich die englische Bourgeoisie noch immer nicht! - Aber der Fall, der am lautesten spricht, ist der der Thugs von Glasgow O1(1), der vor den Assisen dieser Stadt vom 3. bis 11. Januar 1838 verhandelt wurde. Aus den Verhandlungen ging hervor, daß die Assoziation der Baumwollspinner, die hier seit 1816 existierte, eine seltene Organisation und Kraft besaß. Die Mitglieder waren durch Eid an die Beschlüsse der Majorität gebunden und hatten während jedes Turnouts ein geheimes Komitee, das der großen Menge der Mitglieder nicht bekannt war und unbeschränkt über die Gelder verfügen konnte. Das Komitee stellte Preise auf die Köpfe von Knobsticks, verhaßten Fabrikanten und auf Brandstiftungen in Fabriken. Eine Fabrik wurde so in Brand gesteckt, in welcher weibliche Knobsticks anstatt der Männer zum Spinnen beschäftigt wurden; eine Frau MacPherson, Mutter eines dieser Mädchen, ermordet, und die beiden Mörder für Rechnung der Assoziation nach Amerika geschafft. - 1820 schon war auf einen Knobstick, namens MacQuarry, geschossen und dieser verwundet worden, wofür der Täter 15 Pfund Sterling von der Assoziation bekam. Später wurde ebenfalls auf einen gewissen Graham geschossen; der Täter erhielt 20 Pfund, wurde aber entdeckt und auf Lebenszeit transportiert. 1837 endlich, im Mai, fielen infolge eines Turnouts bei den Oatbank- und Mile-End-Fabriken Unruhen vor, wobei etwa ein Dutzend Knobsticks mißhandelt wurden; im Juli desselben Jahres dauerten die Unruhen noch fort, und ein gewisser Smith, ein Knobstick, wurde so mißhandelt, daß er starb. Jetzt wurde das Komitee verhaftet, die Unter- <439> suchung begonnen und infolge derselben der Präsident und die Hauptmitglieder der Teilnahme an ungesetzlichen Verbindungen, der Mißhandlung der Knobsticks und der Brandstiftung in der Fabrik von James und Francis Wood schuldig befunden und für 7 Jahre transportiert. - Was sagen unsere guten Deutschen zu dieser Geschichte? O2(2)

Die besitzende Klasse und namentlich der fabrizierende Teil derselben, der unmittelbar mit den Arbeitern in Berührung kommt, eifert mit der größten Heftigkeit gegen diese Verbindungen und sucht den Arbeitern fortwährend die Nutzlosigkeit derselben mit Gründen zu beweisen, die national-ökonomisch ganz richtig, aber eben deswegen teilweise falsch und für einen Arbeiterverstand ganz und gar wirkungslos sind. Schon der Eifer der Bourgeoisie beweist, daß sie nicht uninteressiert bei der Sache ist, und abgesehen von dem unmittelbaren Schaden eines Turnouts stehen die Sachen hier so, daß das, was in die Taschen des Fabrikanten geht, notwendig aus der des Arbeiters gehen muß. Und wußten selbst die Arbeiter nicht zu gut, daß die Verbindungen die wetteifernde Lohnkürzungslust ihrer Brotherrn wenigstens einigermaßen im Zaume halten, so würden sie schon deshalb dabeibleiben, weil sie den Fabrikanten, ihren Gegnern, dadurch schaden. Im Kriege ist der Schaden einer Partei der Nutzen der andern, und da die Arbeiter gegen ihre Fabrikherrn auf dem Kriegsfuße stehen, so ist das nur dasselbe, was die hohen Potentaten auch tun, wenn sie sich gegenseitig in die Haare geraten. - Vor allen andern Bourgeois ist wieder unser Freund, der Doktor Ure, der wütendste Feind aller Arbeiterverbindungen. Er schäumt vor Entrüstung über die "geheimen Tribunale" der Baumwollspinner, der mächtigsten Arbeitersektion, Tribunale, die sich rühmen, jeden ungehorsamen Fabrikanten paralysieren zu können, "und so den Mann ruinieren, der ihnen jahrelang Unterhalt gab". Er spricht von einer Zeit, "wo das erfinderische Haupt und das belebende <440> Herz der Industrie durch die unruhigen unteren Glieder in Knechtschaft erhalten wurden" - schade, daß die englischen Arbeiter sich nicht so leicht durch deine Fabel beschwichtigen lassen wie die römischen Plebejer, neuer Menenius Agrippa! -, und erzählt endlich folgende schöne Geschichte: Die Mule-Grobspinner hätten auch einmal ihre Kräfte bis zur Unerträglichkeit gemißbraucht. Hoher Lohn, anstatt zu dankbarem Sinne gegen den Fabrikanten und geistiger Ausbildung (in unschädlichen, der Bourgeoisie wohl gar nützlichen Wissenschaften, versteht sich) zu führen, habe in vielen Fällen Stolz hervorgebracht und Gelder zur Unterstützung des widerspenstigen Geistes in Strikes herbeigeschafft, mit denen eine Anzahl von Fabrikanten nach der andern ganz willkürlich heimgesucht worden sei. Während eines unglückseligen Lärms dieser Art in Hyde, Dukinfield und den umliegenden Ortschaften hätten sich die Fabrikanten der Gegend, besorgt, von den Franzosen, Belgiern und Amerikanern aus dem Markte vertrieben zu werden, an die Maschinenfabrik von Sharp, Roberts und Comp. mit der Bitte gewandt, das erfinderische Talent des Herrn Sharp auf die Konstruktion einer automatischen Mule zu lenken, um "das Geschäft von vergällender Sklaverei und drohendem Ruin zu retten".

"In wenig Monaten war eine Maschine fertig, die dem Anscheine nach mit dem Denkvermögen, Gefühl und Takt des erfahrnen Arbeiters begabt war. So sprang der eiserne Mann, wie die Arbeiter sie nennen, aus den Händen des modernen Prometheus auf das Gebot der Minerva - ein Geschöpf, bestimmt, unter den industriellen Klassen die Ordnung wiederherzustellen und den Engländern die Herrschaft der Industrie zu sichern. Die Nachricht von diesem herkulischen Wunder verbreitete Entsetzen in der Arbeiterverbindung, und selbst ehe es, sozusagen, die Wiege verließ, erwürgte es die Hydra der Anarchie."

So beweist Ure ferner, daß die Erfindung der Maschine, womit vier und fünf Farben zu gleicher Zeit gedruckt werden, eine Folge der Unruhen unter den Kattundruckern gewesen sei, daß Widersetzlichkeiten der Kettenschlichter in den Maschinenwebereien eine neue vervollkommnete Maschine zum Schlichten hervorgerufen hätten, und noch andere dergleichen Fälle O3(3). - Derselbe Ure plagt sich kurz vorher, mehrere Bogen lang zu beweisen, daß Maschinerie den Arbeitern vorteilhaft sei! Ure ist übrigens nicht der einzige; im Fabrikbericht läßt Herr Ashworth, der Fabrikant, und mancher andre sich keine Gelegenheit entgehen, seinem Zorne über diese Assoziationen Luft zu machen. Diese weisen Bourgeois machen es gerade wie gewisse Regierungen und leiten alle Bewegungen, welche sie nicht verstehen, von dem Einflusse böswilliger Agitatoren, Übelgesinnter, Demagogen, <441> Schreier und junger Leute her; sie behaupten, die bezahlten Agenten dieser Verbindungen seien bei der Agitation interessiert, weil sie von ihr lebten - als ob nicht die Bourgeoisie diese Bezahlung nötig machte, weil sie solche Leute nicht beschäftigen will!

Die unglaubliche Häufigkeit dieser Arbeitseinstellungen beweist es am besten, wieweit der soziale Krieg schon über England hereingebrochen ist. Es vergeht keine Woche, ja fast kein Tag, wo nicht hier oder dort ein Strike vorkommt - bald wegen Lohnverkürzung, bald wegen verweigerter Lohnerhöhung, bald wegen Beschäftigung von Knobsticks, bald wegen verweigerter Abstellung von Mißbräuchen oder schlechten Einrichtungen, bald wegen neuer Maschinerie, bald aus hundert andern Ursachen. Diese Strikes sind allerdings erst Vorpostenscharmützel, zuweilen auch bedeutendere Gefechte; sie entscheiden nichts, aber sie sind der sicherste Beweis, daß die entscheidende Schlacht zwischen Proletariat und Bourgeoisie herannaht. Sie sind die Kriegsschule der Arbeiter, in der sie sich auf den großen Kampf vorbereiten, der nicht mehr zu vermeiden ist; sie sind die Pronunciamientos einzelner Arbeitszweige über ihren Anschluß an die große Arbeiterbewegung. Und wenn man einen Jahrgang des "Northern Star", des einzigen Blattes, das alle Bewegungen des Proletariats berichtet, vergleicht, so wird man finden, daß alle Arbeiter der Städte und der ländlichen Industrie sich zu Assoziationen vereinigt und von Zeit zu Zeit durch allgemeines Feiern gegen die Herrschaft der Bourgeoisie protestiert haben. Und als Kriegschule sind sie von unübertrefflicher Wirkung. In ihnen entwickelt sich die eigentümliche Tapferkeit des Engländers. Es heißt auf dem Kontinent, die Engländer und besonders die Arbeiter seien feig, sie könnten keine Revolution machen, weil sie nicht gleich den Franzosen jeden Augenblick Emeuten machen, weil sie sich das Bourgeoisie-Regime so scheinbar ruhig gefallen lassen. Dies ist ganz falsch. Die englischen Arbeiter geben keiner Nation an Mut etwas nach, sie sind ebenso unruhig wie die Franzosen, aber sie kämpfen anders. Die Franzosen, die durchaus politischer Natur sind, kämpfen auch gegen soziale Übel auf politischem Wege; die Engländer, für die die Politik nur um des Interesses, um der bürgerlichen Gesellschaft willen existiert, kämpfen, statt gegen die Regierung, direkt gegen die Bourgeoisie, und dies kann mit Effekt einstweilen nur auf friedlichem Wege geschehen. Die Geschäftsstockung und das ihr folgende Elend erzeugte 1834 zu Lyon den Aufstand für die Republik, 1842 zu Manchester den allgemeinen Turnout für die Volkscharte und hohen Lohn. Daß aber zu einem Turnout auch Mut und das bedeutender, ja oft ein viel höherer Mut, eine viel kühnere, festere Entschlossenheit gehört als zu einer Emeute, das versteht sich von selbst. Es <442> ist wahrhaft keine Kleinigkeit für einen Arbeiter, der das Elend aus Erfahrung kennt, ihm mit Frau und Kindern entgegenzugehen, Hunger und Not monatelang zu ertragen und dabei fest und unerschütterlich zu bleiben. Was ist der Tod, was sind die Galeeren, die dem französischen Revolutionär bevorstehen, gegen das langsame Verhungern, gegen den täglichen Anblick der verhungernden Familie, gegen die Gewißheit der dereinstigen Rache der Bourgeoisie, die der englische Arbeiter der Unterwerfung unter das Joch der besitzenden Klasse vorzieht? Wir werden unten ein Beispiel von diesem hartnäckigen, unüberwindlichen Mute des englischen Arbeiters sehen, der sich erst dann der Gewalt ergibt, wenn aller Widerstand zwecklos und unsinnig wäre. Und gerade in dieser ruhigen Ausdauer, in dieser lang anhalten den Entschlossenheit, die täglich hundert Proben zu bestehen hat, gerade hier entwickelt der englisch Arbeiter die achtunggebietendste Seite seines Charakters. Leute, die so viel erdulden, um einen einzigen Bourgeois zu beugen, werden auch imstande sein, die Macht der ganzen Bourgeoisie zu brechen. Aber auch abgesehen davon hat der englische Arbeiter oft genug Mut gezeigt. Daß der Turnout von 1842 keine weiteren Folgen hatte, lag daran, daß teils die Arbeiter durch die Bourgeoisie in ihn hineingejagt, teils selbst über ihren Zweck weder klar noch einig waren. Aber sonst haben sie ihren Mut da, wo es sich um bestimmte soziale Zwecke handelte, oft genug bewiesen. Von der wälschen <so bei Engels für walisisch> Insurrektion 1839 nicht zu reden, wurde während meiner Anwesenheit in Manchester (im Mai 1843) dort ein vollständiges Gefecht geliefert. Eine Ziegelfabrik (Pauling & Henfrey) hatte nämlich die Form der Ziegel vergrößert, ohne den Lohn zu erhöhen, und verkaufte die größeren Ziegel natürlich zu höherem Preise. Die Arbeiter, denen höherer Lohn abgeschlagen wurde, gingen fort, und die Assoziation der Ziegelmacher erklärte die Firma in die Acht. Mit vieler Mühe gelang es dieser indes, sich aus der Umgegend und den Knobsticks Arbeiter zu verschaffen, gegen die zuerst Intimidation gebraucht wurde. Die Firma stellte zur Bewachung des Hofes zwölf Männer, alles ehemalige Soldaten und Polizeidiener, auf und bewaffnete sie mit Flinten. Als nun die Intimidation nichts half, überfiel eines Abends um zehn Uhr eine Schar Ziegelmacher, die in militärischer Ordnung, die ersten Glieder mit Flinten bewaffnet, heranzog, den Hof, der kaum vierhundert Schritt von einer Infanteriekaserne entfernt liegt O4(4) Die Leute drangen ein, und sobald sie die Wächter gewahr wurden, feuerten sie <277> auf diese, zerstampften die ausgebreiteten nassen Ziegel, rissen die aufgehäuften Reihen der schon getrockneten ein, demolierten alles, was ihnen in den Weg kam, und drangen in ein Gebäude ein, wo sie die Möbel zerschlugen und die Frau des dort wohnenden Aufsehers mißhandelten. Unterdes hatten die Wächter sich hinter eine Hecke postiert, von der aus sie sicher und ungehindert feuern konnten; die Eingedrungenen standen vor einem brennenden Ziegelofen, der sie hell beleuchtete, so daß jede Kugel ihrer Gegner traf, während jeder Schuß von ihrer Seite fehlging. Das Feuern wurde indes über eine halbe Stunde fortgesetzt, bis die Munition verschossen und der Zweck des Besuchs, die Zerstörung aller zerstörbaren Gegenstände im Hof, erreicht war. Dann kam Militär angerückt und die Ziegelmacher zogen sich nach Eccles (drei Meilen von Manchester) zurück. Kurz vor Eccles hielten sie Appell, wobei jeder Mann nach seiner Nummer in der Sektion aufgerufen wurde, und zerstreuten sich dann, natürlich nur um der von allen Seiten anrückenden Polizei desto sicherer in die Hände zu fallen. Die Zahl der Verwundeten muß sehr bedeutend gewesen sein, doch wurden nur die bekannt, die nachher gefangen wurden. Einer von ihnen hatte drei Kugeln erhalten, in den Schenkel, in die Wade und in die Schulter, und sich damit über vier Meilen weit geschleppt. Diese Leute haben denn doch wohl bewiesen, daß sie auch revolutionären Mut haben und einen Kugelregen nicht scheuen; wenn aber unbewaffnete Massen, die selbst nicht wissen, was sie eigentlich wollen, auf abgeschlossenen Marktplätzen von ein paar Dragonern und Polizeidienern, die die Zugänge besetzen, im Zaum gehalten werden, wie dies 1842 geschah, so ist das durchaus kein Mangel an Mut, sondern die Masse würde sich ebensowenig gerührt haben, wären die Diener der öffentlichen, d.h. Bourgeoisgewalt nicht dagewesen. Wo das Volk bestimmte Zwecke im Auge hatte, da zeigte es Mut genug, z.B. bei dem Angriff auf Birleys Fabrik, die später durch Auffahrung von Artillerie geschützt werden mußte.

Bei dieser Gelegenheit ein paar Worte über die Heilighaltung des Gesetzes in England. Allerdings, dem Bourgeois ist das Gesetz heilig, denn es ist sein eigen Machwerk, mit seiner Einwilligung und zu seinem Schutz und Vorteil erlassen. Er weiß, daß, wenn auch ein einzelnes Gesetz ihm speziell schaden sollte, doch der ganze Komplex der Gesetzgebung seine Interessen schützt und vor allem die Heiligkeit des Gesetzes, die Unantastbarkeit der durch die aktive Willensäußerung des einen und die passive des andern Teils der Gesellschaft einmal festgestellten Ordnung die stärkste Stütze seiner sozialen Stellung ist. Weil der englische Bourgeois in dem Gesetze, wie in seinem Gott, sich selbst wiederfindet, deshalb hält er es heilig, deshalb hat für ihn der Stock des Polizeidieners, der ja eigentlich sein eigner <444> Stock ist, eine wunderbar beschwichtigende Macht. Aber für den Arbeiter wahrhaftig nicht. Der Arbeiter weiß zu gut und hat zu oft erfahren, daß das Gesetz für ihn eine Rute ist, die ihm der Bourgeois gebunden hat, und wenn er nicht muß, so kehrt er sich nicht ans Gesetz. Es ist lächerlich, zu behaupten, der englische Arbeiter habe vor der Polizei Furcht, wo doch in Manchester die Polizei alle Wochen Prügel erhält und voriges Jahr sogar einmal ein Sturm auf ein mit eisernen Türen und schweren Fensterladen gesichertes Stationshaus versucht wurde. Die Macht der Polizei im Turnout 1842 lag, wie gesagt, nur in der Ratlosigkeit der Arbeiter selbst.

Da nun die Arbeiter das Gesetz nicht respektieren, sondern bloß seine Macht gelten lassen, wo sie nicht die Macht haben, es zu ändern, so ist das allernatürlichste, daß sie wenigstens Vorschläge zur Änderung des Gesetzes haben <(1892) machen>, daß sie an die Stelle des Bourgeoisie-Gesetzes ein Proletariergesetz stellen wollen. Dies vorgeschlagene Gesetz des Proletariats ist die Volkscharte (people's charter), die der Form nach rein politisch ist und eine demokratische Basis für das Unterhaus verlangt. Der Chartismus ist die kompakte Form der Opposition gegen die Bourgeoisie. In den Verbindungen und Turnouts blieb die Opposition immer einzeln, es waren einzelne Arbeiter oder Arbeitersektionen, die gegen einzelne Bourgeois kämpften; wurde der Kampf allgemein, so war dies wenig <(1892) selten> Absicht von seiten der Arbeiter, und wenn es absichtlich geschah, so lag der Absicht der Chartismus zugrunde. Aber im Chartismus ist es die ganze Arbeiterklasse, die gegen die Bourgeoisie aufsteht und vor allem die politische Gewalt derselben, die gesetzliche Mauer, mit der sie sich umgeben hat, angreift. Der Chartismus ist hervorgegangen aus der demokratischen Partei, die sich in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, zugleich mit und in dem Proletariat, entwickelte, während der französischen Revolution an Stärke gewann, nach dem Frieden als "radikale" Partei auftrat, damals in Birmingham und Manchester, wie früher in London, ihren Hauptsitz hatte, den Oligarchen des alten Parlaments durch Vereinigung mit der liberalen Bourgeoisie die Reformbill abnötigte und sich seitdem immer schärfer als Arbeiterpartei gegenüber der Bourgeoisie konsolidierte. l838 <(1845) und (1892) irrtumlich: 1835> entwarf ein Komitee der allgemeinen Londoner Arbeitergesellschaft (Working Man's Association), William Levett an der Spitze, die Volkscharte, deren "sechs Punkte" folgende sind: 1. Allgemeines Stimmrecht für jeden mündigen Mann, der bei gesundem Verstande und keines Verbrechens überführt ist; 2. jährlich zu erneuernde Parlamente; 3. Diäten für die Parlamentsmitglieder, damit auch Unbemit- <445> telte eine Wahl annehmen können; 4. Wahlen durch Ballotage, um Bestechung und Einschüchterung durch die Bourgeoisie zu vermeiden; 5. gleiche Wahldistrikte, um gleich billige Repräsentation zu sichern, und 6. Abschaffung der - ohnehin illusorischen - ausschließlichen Wählbarkeit derjenigen, die 300 Pfd. Sterling in Grundbesitz haben, so daß jeder Wähler auch wählbar ist. - Diese sechs Punkte, die sich alle auf die Konstituierung des Unterhauses beschränken, sind, so unschuldig sie aussehen, dennoch hinreichend, die englische Verfassung samt Königin und Oberhaus zu zertrümmern. Das sogenannte monarchische und aristokratische Element der Verfassung kann sich nur deshalb halten, weil die Bourgeoisie ein Interesse an seiner scheinbaren Erhaltung hat; und eine andere als eine bloße Scheinexistenz hat beides nicht mehr. Aber wenn erst die ganze öffentliche Meinung hinter dem Unterhause steht, wenn dies den Willen nicht mehr bloß der Bourgeoisie, sondern der ganzen Nation ausdrückt, so wird es alle Macht so vollständig in sich absorbieren, daß auch der letzte Heiligenschein von dem Haupte des Monarchen und der Aristokratie fällt. Der englische Arbeiter respektiert weder Lords noch Königin, während diese von der Bourgeoisie zwar der Sache nach wenig gefragt, aber der Person nach vergöttert werden. Der englische Chartist ist politisch Republikaner, obgleich er das Wort nie oder doch selten in den Mund nimmt; während er allerdings mit den republikanischen Parteien aller Länder sympathisiert und sich lieber einen Demokraten nennt. Aber er ist mehr als bloßer Republikaner; seine Demokratie ist keine bloß politische.

Der Chartismus war allerdings von seinem Anfange 1835 an hauptsächlich eine Bewegung unter den Arbeitern, aber noch nicht scharf von der radikalen kleinen Bourgeoisie getrennt. Der Arbeiterradikalismus ging Hand in Hand mit dem Radikalismus der Bourgeoisie; die Charte war das Schibboleth beider, sie hatten ihre "Nationalkonvente" jedes Jahr zusammen, es schien eine Partei zu sein. Die kleine Bourgeoisie war damals gerade infolge der Enttäuschung über die Resultate der Reformbill und wegen der schlechten Geschäftsjahre 1837 bis 1839 sehr kriegerisch und mordlustig gestimmt, sie ließ sich also die heftige Chartistenagitation sehr gut gefallen. Von der Heftigkeit dieser Agitation hat man in Deutschland keine Vorstellung. Das Volk wurde aufgefordert, sich zu bewaffnen, oft auch geradezu, sich zu empören; man fabrizierte Piken, wie früher zur Zeit der französischen Revolution, und 1838 war unter andern ein gewisser Stephens, ein methodistischer Geistlicher, in Bewegung, der dem versammelten Volke von Manchester sagte:

"Ihr braucht euch nicht zu fürchten vor der Macht der Regierung. vor den Soldaten, Bajonetten und Kanonen, die euren Unterdrückern zu Gebote stehen; ihr habt <446> ein Mittel, das ist viel mächtiger als alles das, eine Waffe, gegen welche Bajonette und Kanonen nichts ausrichten; und ein zehnjährig Kind kann diese Waffe schwingen - ihr braucht bloß ein paar Zündhölzchen zu nehmen und ein Bündel Stroh, das in Pech getränkt ist, und ich will sehen, was die Regierung und ihre Hunderttausende von Soldaten gegen diese eine Waffe ausrichten, wenn sie kühn gebraucht wird." (5)

Zu gleicher Zeit aber zeigte sich schon jetzt der eigentümliche, soziale Charakter des Arbeiter-Chartismus. Derselbe Stephens sagte in einer Versammlung von 200 000 Menschen auf Kersall Moor, dem erwähnten Mons sacer von Manchester:

"Der Chartismus, meine Freunde, ist keine politische Frage, wobei es sich darum handelt, daß ihr das Wahlrecht bekommt usw.; sondern der Chartismus, das ist eine Messer- und Gabel-Frage, die Charte, das heißt gute Wohnung, gutes Essen und Trinken, gutes Auskommen und kurze Arbeitszeit."

So waren auch schon zu jener Zeit die Bewegungen gegen das neue Armengesetz und für die Zehnstundenbill in der engsten Verbindung mit dem Chartismus. Bei allen Meetings dieser Epoche war der Tory Oastler mittätig, und neben der in Birmingham adoptierten Nationalpetition für die Volkscharte wurden Hunderte von Petitionen für soziale Verbesserung der Lage der Arbeiter adoptiert; 1839 ging die Agitation ebenso lebhaft fort, und als sie am Ende des Jahres anfing etwas nachzulassen, beeilten sich Bussey, Taylor und Frost, zu gleicher Zeit im Norden von England, in Yorkshire und in Wales eine Emeute ausbrechen zu lassen. Frost mußte, da seine Sache verraten wurde, zu früh losbrechen, und hierdurch verunglückte sein Unternehmen; die im Norden erfuhren den unglücklichen Ausgang desselben noch früh genug, um zurückziehen zu können; zwei Monat später, im Januar 1840, brachen in Yorkshire mehrere sogenannte Polizei-Emeuten (spy outbreaks) los, z.B. in Sheffield und Bradford, und die Aufregung ließ allmählich nach. Inzwischen warf sich die Bourgeoisie auf praktischere, ihr vorteilhaftere Projekte, namentlich auf die Korngesetze; die Antikorngesetzassoziation wurde in Manchester gebildet, und die Folge war eine Lockerung des Verbandes zwischen der radikalen Bourgeoisie und dem Proletariat. Die Arbeiter sahen bald ein, daß ihnen eine Abschaffung der Korngesetze wenig nutzen könne, während sie der Bourgeoisie allerdings sehr vorteilhaft sei, und waren daher nicht für dies Projekt zu gewinnen. Die Krisis von 1842 brach herein. Die Agitation wurde wieder ebenso lebhaft wie 1839. Diesmal nahm aber auch die reiche, fabrizierende Bourgeoisie daran teil, die gerade unter dieser Krisis sehr schwer litt. Die Antikorngesetzligue, so hieß die von den Fabrikanten von Manchester ausgegangen <447> Verbindung jetzt, nahm eine sehr radikale, gewaltsame Tendenz an. Ihre Journale und Agitatoren führten eine unverhohlen revolutionäre Sprache, die auch darin ihren Grund hatte, daß seit 1841 die konservative Partei am Ruder war. Wie früher die Chartisten, forderten jetzt sie direkt zur Empörung auf, und die Arbeiter, die von der Krisis am meisten zu leiden hatten, waren ebenfalls nicht untätig, wie die Nationalpetition dieses Jahres mit ihren 3 1/2 Millionen Unterschriften beweist. Kurz, wenn die beiden radikalen Parteien sich etwas entfremdet worden waren, so alliierten sie sich jetzt wieder; am 15. Februar 1842 wurde in Manchester bei einer Zusammenkunft von Liberalen und Chartisten eine Petition entworfen, die sowohl auf Abschaffung der Korngesetze wie auf Einführung der Charte drang und am folgenden Tag von beiden Parteien adoptiert wurde. Frühling und Sommer verstrich unter heftiger Agitation und zunehmendem Elend. Die Bourgeoisie war entschlossen, die Abschaffung der Korngesetze mit Hülfe der Krisis, der ihr folgenden Not <(1892) ... mit Hülfe der Krisis, der Not und ...> und der allgemeinen Aufregung durchzusetzen. Diesmal, als <(1892) da> die Tories am Ruder waren, gab sie sogar ihre Gesetzlichkeit halb auf; sie wollte revolutionieren, aber mit Hülfe der Arbeiter. Die Arbeiter sollten ihr die Kastanien aus dem Feuer holen und zum Besten der Bourgeoisie ihre Finger verbrennen. Schon wurde von vielen Seiten die schon früher (1839) von den Chartisten angeregte Idee eines "heiligen Monats", eines allgemeinen Feierns aller Arbeiter, wieder aufgenommen; aber diesmal waren es nicht die Arbeiter, die feiern wollten, sondern die Fabrikanten, die ihre Fabriken schließen, die Arbeiter in die Landgemeinden, auf das Besitztum der Aristokratie schicken und dadurch das torystische Parlament und die Regierung zur Aufhebung der Kornzölle zwingen wollten. Natürlich wäre eine Empörung die Folge davon gewesen, aber die Bourgeoisie stand sicher im Hintergrunde und konnte den Erfolg abwarten, ohne sich, schlimmstenfalls, zu kompromittieren. Ende Juli fing das Geschäft an, sich zu bessern; es war die höchste Zeit, und um die Gelegenheit nicht unbenutzt vorübergehen zu lassen, setzten jetzt, bei steigender Konjunktur (vgl. die Handelsberichte aus Manchester und Leeds, Ende Juli und Anfang August) drei Firmen in Salybridge den Lohn herunter - ob auf eigne Hand oder im Einverständnis mit den übrigen Fabrikanten und besonders der Ligue, will ich nicht entscheiden. Zwei zogen indes wieder zurück; die dritte, William Bailey und Brüder, blieb fest und sagte den sich beschwerenden Arbeitern, wenn dies ihnen nicht zusage, so täten sie vielleicht besser daran, eine Zeitlang zu spielen. Diese spöttische Äußerung nahmen die Arbeiter mit Hurrarufen <448> auf, verließen die Fabrik, durchzogen den Ort und riefen alle Arbeiter zum Feiern auf. In wenig Stunden stand jede Fabrik still, und die Arbeiter zogen in Prozession nach Mottram Moor, um ein Meeting zu halten. Dies war am 5. August. Am 8. August zogen sie nach Ashton und Hyde, fünftausend Mann stark, setzten alle Fabriken und Kohlengruben still und hielten Meetings, in denen aber nicht von Abschaffung der Korngesetze, wie die Bourgeoisie gehofft hatte, sondern von "ehrlichem Tagelohn für ehrliche Tagesarbeit" (a fair day's wage for a fair day's work) die Rede war. Am 9. August zogen sie nach Manchester, wurden von den Behörden, die alle Liberale waren, zugelassen und stellten die Fabriken still; am 11. waren sie in Stockport, wo ihnen erst, als sie das Armenhaus, dies Lieblingskind der Bourgeoisie, erstürmten, Widerstand geleistet wurde; am selben Tage war in Bolton allgemeines Feiern und Unruhen, denen sich die Behörden ebenfalls nicht widersetzten; bald war der Aufstand über alle Industriebezirke verbreitet, und alle Arbeiten, mit Ausnahme der Einsammlung der Ernte und der Zubereitung von Lebensmitteln, standen still. Aber auch die empörten Arbeiter blieben ruhig. Sie waren in diesen Aufstand hineingejagt, ohne es zu wollen; die Fabrikanten hatten sich mit Ausnahme eines einzigen - des Tory Birley in Manchester - der Arbeitseinstellung ganz gegen ihre Sitte nicht widersetzt; die Sache hatte angefangen, ohne daß die Arbeiter einen bestimmten Zweck hatten. Daher waren zwar alle darüber einig, daß sie sich nicht zum Besten ihrer korngesetzabschaffenden Fabrikanten wollten erschießen lassen, im übrigen aber wollten einige die Volkscharte durchsetzen, andere, die dies für zu frühzeitig hielten, bloß die Lohnsätze von 1840 erzwingen. Daran scheiterte die ganze Insurrektion. Wäre sie von Anbeginn eine absichtliche, bewußte Arbeiterinsurrektion gewesen, sie wäre wahrlich durchgedrungen; aber diese Massen, die von ihren Brotherren auf die Straße gejagt waren, ohne es zu wollen, die gar keine bestimmte Absicht hatten, konnten nichts tun. Inzwischen sah die Bourgeoisie, die keinen Finger gerührt hatte, um die Allianz vom 15. Februar zu betätigen, sehr bald ein, daß die Arbeiter sich nicht zu ihren Werkzeugen hergeben wollten und daß die Inkonsequenz, mit der sie sich von ihrem "gesetzlichen" Standpunkte entfernt hatte, ihr selbst Gefahr drohe; sie nahm daher ihre alte Gesetzlichkeit wieder vor und trat auf die Seite der Regierung gegen die Arbeiter, die sie selbst zum Aufstand erst gereizt und später forciert hatte. Sie ließ sich und ihre getreuen Diener zu Spezialkonstablen einschwören - auch die deutschen Kaufleute in Manchester nahmen daran teil und paradierten höchst unnützerweise mit ihren dicken Stöcken, die Zigarre im Munde, durch die Stadt - sie ließ in Preston auf das Volk feuern, und so stand dem absichtslosen Volksaufstand <449> auf einmal nicht nur die Militärmacht der Regierung, sondern auch die ganze besitzende Klasse gegenüber. Die Arbeiter, die ohnehin keinen Zweck hatten, gingen allmählich auseinander, und die Insurrektion verlief ohne schlimme Folgen. Nachträglich beging die Bourgeoisie noch eine Schändlichkeit auf die andere, suchte sich durch einen Abscheu vor gewaltsamem Einschreiten des Volks, der schlecht zu ihrer revolutionären Sprache vom Frühjahr paßte, weißzuwaschen, schob die Schuld des Aufstandes auf chartistische "Aufwiegler" etc., während sie selbst weit mehr als diese getan hatte, den Aufstand zuwege zu bringen, und nahm ihren alten Standpunkt der Heilighaltung des Gesetzes mit einer Unverschämtheit ohnegleichen wieder ein. Die Chartisten, die fast gar nichts zum Aufstande beigetragen, die nur dasselbe tun <(1892) taten>, was auch die Bourgeoisie vorhatte, nämlich die Gelegenheit benutzen - diese wurden vor Gericht gestellt und verurteilt, während die Bourgeoisie ohne Schaden davonkam und während der Arbeitsstockung ihre Vorräte mit Nutzen verkauft hatte.

Die Frucht des Aufstandes war die ganz entschiedene Trennung des Proletariats von der Bourgeoisie. Die Chartisten hatten es bisher wenig verhehlt, daß sie durch jedes Mittel ihre Charte durchsetzen würden, selbst durch eine Revolution; die Bourgeoisie, die jetzt mit einem Male die Gefährlichkeit jeder gewaltsamen Umwälzung für ihre Stellung einsah, wollte nichts mehr von "physischer Gewalt" wissen und bloß durch "moralische Gewalt" - als ob diese etwas anderes sei, als die direkte oder indirekte Drohung der physischen Gewalt - ihre Zwecke ins Leben rufen. Dies war der eine Streitpunkt, der indes durch das spätere Vorgehen der Chartisten - die doch ebenso glaubwürdig sind wie die liberale Bourgeoisie - daß auch sie nicht an die physische Gewalt appellierten - der Sache nach weggeräumt wurde. Der zweite, hauptsächlichste Streitpunkt aber, der gerade den Chartismus in seiner Reinheit zur Erscheinung brachte, war die Korngesetzfrage. In dieser war die radikale Bourgeoisie interessiert, das Proletariat aber nicht. Die bisherige chartistische Partei spaltete sich daher in zwei Parteien, deren politische, ausgesprochene Prinzipien gänzlich übereinstimmen, die aber durchaus verschieden und unvereinbar sind. Auf dem Birminghamer Nationalkonvent im Januar 1843 schlug Sturge, der Repräsentant der radikalen Bourgeoisie, die Weglassung des Namens der Charte aus den Statuten der chartistischen Assoziation vor, angeblich, weil dieser Name durch die Insurrektion mit gewaltsamen revolutionären Erinnerungen verknüpft sei - eine Verknüpfung, die übrigens schon seit Jahren stattgefunden und gegen <450> die Herr Sturge bis dahin nichts einzuwenden gehabt hatte. Die Arbeiter wollten den Namen nicht fallenlassen, und als Sturge überstimmt wurde, wanderte der auf einmal loyal gewordene Quäker mit der Minorität aus dem Saale und konstituierte eine "Complete Suffrage Association" aus der radikalen Bourgeoisie. So widerwärtig waren dem noch vor kurzem jakobinischen Bourgeois diese Erinnerungen geworden, daß er selbst den Namen allgemeines Stimmrecht (universal suffrage) in den lächerlichen: komplettes Stimmrecht (complete suffrage) abänderte! Die Arbeiter lachten ihn aus und gingen ihren Weg ruhig weiter.

Von diesem Augenblicke an war der Chartismus eine reine, von allen Bourgeoisie-Elementen befreite etc. Arbeitersache. Die "kompletten" Journale - "Weekly Dispatch", "Weekly Chronicle", "Examiner" etc. - fielen allmählich in die schläfrige Manier der übrigen liberalen Blätter, verteidigten die Handelsfreiheit, griffen die Zehnstundenbill und alle ausschließlichen Arbeitermotionen an und ließen den Radikalismus im ganzen wenig hervortreten. Die radikale Bourgeoisie schloß sich in allen Kollisionen den Liberalen gegen die Chartisten an und machte überhaupt die Korngesetzfrage, die für den Engländer die Frage der freien Konkurrenz ist, zu ihrer Hauptaufgabe. Dadurch geriet sie unter die Botmäßigkeit der liberalen Bourgeoisie und spielt jetzt eine höchst jämmerliche Rolle.

Die chartistischen Arbeiter dagegen nahmen sich mit doppeltem Eifer aller Kämpfe des Proletariats gegen die Bourgeoisie an. Die freie Konkurrenz hat den Arbeitern Leiden genug gemacht, um ihnen verhaßt zu werden; ihre Vertreter, die Bourgeois, sind ihre erklärten Feinde. Der Arbeiter hat von der vollständigen Befreiung der Konkurrenz nur Nachteil zu erwarten. Seine bisherigen Forderungen, die Zehnstundenbill, Schutz des Arbeiters gegen den Kapitalisten, guter Lohn, garantierte Stellung, Abschaffung des neuen Armengesetzes, alles Dinge, die mindestens ebenso wesentlich zum Chartismus gehören wie die "sechs Punkte", gehen direkt gegen die freie Konkurrenz und Handelsfreiheit. Kein Wunder also, daß die Arbeiter, was die ganze englische Bourgeoisie nicht begreifen kann, von der freien Konkurrenz, Handelsfreiheit und Abschaffung der Korngesetze nichts wissen wollen und gegen letztere mindestens höchst gleichgültig, gegen ihre Verteidiger aber im höchsten Grade erbittert sind. Diese Frage ist gerade der Punkt, an dem sich das Proletariat von der Bourgeoisie, der Chartismus vom Radikalismus scheidet, und ein Bourgeoisverstand kann das nicht begreifen, weil er das Proletariat nicht begreifen kann.

Darin liegt aber auch der Unterschied der chartistischen Demokratie von aller bisherigen, politischen Bourgeoisie-Demokratie. Der Chartismus ist <451> wesentlich sozialer Natur. Die "sechs Punkte", die dem radikalen Bourgeois eins und alles sind, höchstens noch einige Reformen der Konstitution hervorrufen sollen, sind dem Proletarier nur das Mittel. "Politische Macht unser Mittel, soziale Glückseligkeit unser Zweck", das ist jetzt der deutlich ausgesprochene Wahlspruch der Chartisten. Die "Messer- und Gabel-Frage" des Predigers Stephens war nur für einen Teil der Chartisten von 1838 eine Wahrheit; sie ist es 1845 für alle. Es gibt keinen bloßen Politiker mehr unter den Chartisten. Und wenn auch ihr Sozialismus noch sehr wenig entwickelt ist, wenn bis jetzt ihr Hauptmittel gegen das Elend in der Parzellierung des Grundbesitzes (allotment-system) besteht, die doch schon durch die Industrie überwunden wurde (siehe Einleitung), wenn überhaupt ihre meisten praktischen Vorschläge (Schutz für den Arbeiter etc.) dem Scheine nach reaktionärer Natur sind, so ist einesteils schon in diesen Maßregeln selbst die Notwendigkeit begründet, daß sie entweder der Macht der Konkurrenz wieder fallen und den alten Zustand erneuern - oder aber die Aufhebung der Konkurrenz selbst herbeiführen müssen; und andernteils bestimmt es der jetzige unklare Zustand des Chartismus, die Lostrennung von der rein politischen Partei, daß gerade die unterscheidenden Merkmale des Chartismus, die in seiner sozialen Seite liegen, weiterentwickelt werden müssen. Die Annäherung an den Sozialismus kann nicht ausbleiben, besonders wenn die nächste Krisis, die auf den jetzigen lebhaften Zustand der Industrie und des Handels allerspätestens bis 1847 (6), wahrscheinlich aber schon im nächsten Jahre folgen muß, eine Krisis, die alle früheren an Heftigkeit und Wut weit übertreffen wird, durch die Not die Arbeiter immer mehr auf soziale statt auf politische Hülfsmittel verweisen wird. Die Arbeiter werden ihre Charte durchsetzen, das ist natürlich; aber bis dahin werden sie noch über vieles klarwerden, was sie durch die Charte durchsetzen können und wovon sie jetzt noch wenig wissen.

Inzwischen geht auch die sozialistische Agitation vorwärts. Der englische Sozialismus kommt hier nur insofern in Betracht, als er auf die Arbeiterklasse influiert. Die englischen Sozialisten verlangen allmähliche Einführung der Gütergemeinschaft in "Heimatskolonien" von 2 000 bis 3 000 Menschen, welche Industrie und Ackerbau treiben, gleiche Rechte und gleiche Erziehung genießen - Erleichterung der Ehescheidung und Einführung einer vernünftigen Regierung mit vollständiger Meinungsfreiheit und Abschaffung der Strafen, die durch vernünftige Behandlung des Verbrechers ersetzt werden sollen. Dies sind ihre praktischen Vorschläge - die theoretischen Prinzipien gehen uns hier nichts an. Der Sozialismus ging von Owen, <452> einem Fabrikanten, aus und verfährt deshalb, während er der Sache nach über den Gegensatz von Bourgeoisie und Proletariat hinausgeht, in seiner Form dennoch mit vieler Nachsicht gegen die Bourgeoisie und vieler Ungerechtigkeit gegen das Proletariat. Die Sozialisten sind durchaus zahm und friedfertig, erkennen die bestehenden Verhältnisse, so schlecht sie sind, insofern als gerechtfertigt an, als sie jeden andern Weg als den der öffentlichen Überzeugung verwerfen, und sind doch zu gleicher Zeit so abstrakt, daß sie in der jetzigen Form ihrer Prinzipien diese öffentliche Überzeugung nie gewinnen würden. Dabei klagen sie fortwährend über die Demoralisation der unteren Klassen, sind blind gegen das Fortschrittselement in dieser Auflösung der gesellschaftlichen Ordnung und bedenken nicht, daß die Demoralisation des Privatinteresses und der Heuchelei unter den besitzenden Klassen bei weitem schlimmer ist. Sie erkennen keine historische Entwicklung an und wollen daher die Nation ohne weiteres, ohne Fortführung der Politik bis zu dem Ziele, wo sie sich selbst auflöst < In den englischen Ausgaben von 1887 und 1892 lautet dieser Teil des Satzes: , ...up to the point at which this transition becomes both possible and necessary [... bis zu dem Punkt, an welchem die Umwandlung sowohl möglich als auch notwendig wird].>, sogleich in den kommunistischen Zutand versetzen. Sie begreifen zwar, weshalb der Arbeiter gegen den Bourgeois aufgebracht ist, sehen aber diese Erbitterung, die doch das einzige Mittel ist, die Arbeiter weiterzuführen, für unfruchtbar an und predigen eine für die englische Gegenwart noch viel fruchtlosere Philanthropie und allgemeine Liebe. Sie erkennen nur die psychologische Entwicklung an, die Entwicklung des abstrakten Menschen, der außer aller Verbindung mit der Vergangenheit steht, wo doch die ganze Welt auf dieser Vergangenheit beruht und der einzelne Mensch mit ihr. Daher sind sie zu gelehrt, zu metaphysisch, und richten wenig aus. Sie rekrutieren sich teilweise aus der Arbeiterklasse, von der sie aber nur einen sehr kleinen Teil, freilich die Gebildetsten und Charakterfestesten, herübergezogen haben. In seiner jetzigen Gestalt wird der Sozialismus nie Gemeingut der Arbeiterklasse werden können; er wird sich sogar erniedrigen müssen, einen Augenblick auf den chartistischen Standpunkt zurückzutreten; aber der durch den Chartismus hindurchgegangene, von seinen Bourgeoisie-Elementen gereinigte, echt proletarische Sozialismus, wie er sich schon jetzt bei vielen Sozialisten und bei vielen Chartistenführern, die fast alle Sozialisten sind O7(7), entwickelt, wird allerdings, und das in kurzem, eine bedeutende Rolle in der Entwicklungsgeschichte des englischen Volkes übernehmen. Der englische Sozialismus, <453> der in seiner Basis weit über den französischen Kommunismus hinausgeht, in der Entwicklung < In den englischen Ausgaben von 1887 und 1892: theoretical development [theoretischen Entwicklung].> aber hinter ihm zurückbleibt, wird einen Augenblick auf den französischen Standpunkt zurückgehen müssen, um später über ihn hinauszugehen. Bis dahin werden sich freilich die Franzosen auch wohl weiterentwickeln. Der Sozialismus ist zu gleicher Zeit der entschiedenste Ausdruck der unter den Arbeitern herrschenden Irreligiosität, und darin so entschieden, daß die bewußtlos, bloß praktisch irreligiösen Arbeiter oft vor der Schärfe dieses Ausdrucks zurückschrecken. Aber auch hier wird die Not die Arbeiter zwingen, einen Glauben aufzugeben, von dem sie mehr und mehr einsehen, daß er nur dazu dient, sie schwach und ergeben in ihr Schicksal, gehorsam und treu gegen die sie aussaugende besitzende Klasse machen.

Wir sehen also, daß die Arbeiterbewegung in zwei Sektionen gespalten ist, in die Chartisten und Sozialisten. Die Chartisten sind am weitesten zurück, am wenigsten entwickelt, dafür aber echte, leibhaftige Proletarier, die Repräsentanten des Proletariats. Die Sozialisten weiterblickend, praktische Mittel gegen die Not. vorschlagend, aber ursprünglich von der Bourgeoisie ausgegangen und dadurch nicht imstande, sich mit der Arbeiterklasse zu amalgamieren. Die Verschmelzung des Sozialismus mit dem Chartismus, die Reproduktion des französischen Kommunismus auf englische Weise wird das nächste sein und hat teilweise schon angefangen. Dann erst, wenn dies bewerkstelligt, wird die Arbeiterklasse wirklich die Herrscherin von England sein - die politische und soziale Entwicklung wird inzwischen vorwärtsgehen und diese neuentspringende Partei, diesen Fortschritt des Chartismus begünstigen.

Diese verschiedenen, oft zusammenfallenden, oft getrennten Sektionen von Arbeitern - Mitglieder der Verbindungen, Chartisten und Sozialisten - haben auf ihre eigene Faust eine Menge Schulen und Lesezimmer zur Hebung der geistigen Bildung gegründet. Jede sozialistische und fast jede chartistische Institution hat eine solche Anstalt, ebenso viele einzelne Handwerke. Hier wird den Kindern eine echt proletarische Erziehung gegeben, frei von allen Einflüssen der Bourgeoisie, und in den Lesezimmern liegen nur oder fast nur proletarische Journale und Bücher auf. Diese Anstalten sind sehr gefährlich für die Bourgeoisie, der es gelang, eine Anzahl ähnlicher Institute, die "Mechanics' Institutions", dem proletarischen Einflusse zu entziehen und sie in Organe zur Verbreitung der für die Bourgeoisie nützlichen <454> Wissenschaften unter den Arbeitern zu verwandeln. Hier werden jetzt die Naturwissenschaften gelehrt, die die Arbeiter von der Opposition gegen die Bourgeoisie abziehen und ihnen vielleicht die Mittel an die Hand geben zu Erfindungen, die der Bourgeoisie Geld einbringen - während dem Arbeiter jetzt die Naturkenntnis wahrhaftig ganz nutzlos ist, da er oft gar nicht einmal die Natur zu sehen bekommt in seiner großen Stadt und bei seiner langen Arbeit; hier wird die Nationalökonomie gepredigt, deren Abgott die freie Konkurrenz und deren einziges Resultat für den Arbeiter das ist, daß er nichts Vernünftigeres tun kann, als in stiller Resignation zu verhungern; hier ist alle Bildung zahm, geschmeidig, dienstfertig gegen die herrschende Politik und Religion eingerichtet, so daß sie eigentlich für den Arbeiter nur eine fortwährende Predigt des ruhigen Gehorsams und der Passivität, der Ergebung in sein Schicksal ist. Natürlich will die Masse der Arbeiter von diesen Instituten nichts wissen und wendet sich den proletarischen Lesezimmern, den Diskussionen von Verhältnissen zu, welche unmittelbar ihre eignen Interessen betreffen - und dann sagt die selbstgenügsame Bourgeoisie ihr Dixi et Salvavi <Ich habe gesprochen und mich gerettet> und wendet sich mit Verachtung von einer Klasse weg, welche die "leidenschaftlichen Wutausbrüche böswilliger Demagogen einer soliden Bildung vorzieht". Daß übrigens die Arbeiter auch für "solide Bildung", wenn sie unvermischt mit der interessierten Weisheit der Bourgeoisie vorgetragen wird, Sinn haben, beweisen die häufigen Vorlesungen über naturwissenschaftliche, ästhetische und nationalökonomische Themata, die an allen proletarischen Instituten, besonders den sozialistischen, häufig gehalten und sehr gut besucht werden. Ich habe manchmal Arbeiter, deren Samtröcke nicht mehr zusammenhalten wollten, mit mehr Kenntnis über geologische, astronomische und andre Gegenstände sprechen hören, als mancher gebildete Bourgeois in Deutschland davon besitzt. Und wie sehr es dem englischen Proletariat gelungen ist, sich eine selbständige Bildung zu erwerben, zeigt sich besonders darin, daß die epochemachenden Erzeugnisse der neueren philosophischen, politischen und poetischen Literatur fast nur von den Arbeitern gelesen werden. Der Bourgeois, der Knecht des sozialen Zustandes und der mit ihm verbundenen Vorurteile ist, fürchtet, segnet und kreuzigt sich vor allem, was wirklich einen Fortschritt begründet; der Proletarier hat offne Augen dafür und studiert es mit Genuß und Erfolg. In dieser Beziehung haben besonders die Sozialisten Unendliches zur Bildung des Proletariats getan, sie haben die französischen Materialisten, Helvetius, Holbach, Diderot usw., übersetzt und nebst den besten englischen Sachen in <455> billigen Ausgaben verbreitet. Strauß' "Leben Jesu" und Proudhons "Eigentum" zirkulieren ebenfalls nur unter Proletariern. Shelley, der geniale prophetische Shelley und Byron mit seiner sinnlichen Glut und seiner bittern Satire der bestehenden Gesellschaft haben ihre meisten Leser unter den Arbeitern; die Bourgeois besitzen nur kastrierte Ausgaben, "family editions", die nach der heuchlerischen Moral von heute zurechtgestutzt sind. Die beiden größten praktischen Philosophen der letzten Zeit, Bentham und Godwin, sind, namentlich letzterer, ebenfalls fast ausschließliches Eigentum des Proletariats; wenn auch Bentham unter der radikalen Bourgeoisie eine Schule besitzt, so ist es doch nur dem Proletariat und den Sozialisten gelungen, aus ihm einen Fortschritt zu entwickeln. Das Proletariat hat sich auf diesen Grundlagen eine eigene Literatur gebildet, die meist aus Journalen und Broschüren besteht und an Gehalt der ganzen Bourgeoisie-Literatur bei weitem voraus ist. Hierüber ein andermal.

Eins ist noch zu bemerken: Die Fabrikarbeiter, und unter ihnen besonders die der Baumwollenbezirke, bilden den Kern der Arbeiterbewegungen. Lancashire und speziell Manchester ist der Sitz der stärksten Arbeiterverbindungen, der Zentralpunkt des Chartismus, der Ort, der die meisten Sozialisten zählt. Je weiter das Fabriksystem in einen Arbeitszweig eingedrungen, desto mehr nehmen die Arbeiter an der Bewegung teil; je schärfer der Gegensatz zwischen Arbeitern und Kapitalisten, desto entwickelter, desto schärfer das proletarische Bewußtsein im Arbeiter. Die kleinen Meister von Birmingham, obwohl sie bei den Krisen mit leiden, stehen doch auf einer unglücklichen Mitte zwischen proletarischem Chartismus und krämerhaftem Radikalismus. Im allgemeinen aber sind alle Arbeiter der Industrie für eine oder die andere Form der Auflehnung gegen das Kapital und die Bourgeoisie gewonnen, und darin sind alle einig, daß sie, als "Working Men" - ein Titel, auf den sie stolz sind und der die gewöhnliche Anrede in Chartistenversammlungen ist - eine eigne Klasse mit eignen Interessen und Prinzipien, mit eigner Anschauungsweise gegenüber allen Besitzenden bilden, und zugleich - daß in ihnen die Kraft und die Entwicklungsfähigkeit der Nation ruht.


Anmerkungen F. E.

(1) Thugs wurden diese Arbeiter nach dem ostindischen, bekannten Volksstamm genannt, dessen einziges Gewerbe der Meuchelmord aller Fremden ist, die ihm in die Hände fallen. <=

(2) "Was für eine Art 'wilder Gerechtigkeit' (wild-justice) muß es gewesen sein in den Herzen dieser Männer, die sie antreibt, mit kalter Überlegung, im Konklave versammelt, ihren arbeitenden Mitbruder als Deserteur von seinem Stande und von der Sache seines Standes zum Tode eines Verräters und Deserteurs zu verurteilen, ihn hinzurichten, da ein öffentlicher Richter und Henker es nicht tut, durch einen heimlichen Henker, gleich dem alten Femgericht und geheimen Tribunal der Ritterzeit, das plötzlich in dieser Weise sich erneuert, mehr als einmal plötzlich vor das erstaunte Auge der Leute tritt, nicht in Panzerhemden, sondern in Samtjacken gekleidet, nicht in westfälischen Wäldern sich versammelnd, sondern im gepflasterten Gallowgate von Glasgow! - - Solch ein Gefühl muß weit verbreitet sein, und stark unter der Menge, wenn es auch nur in seiner höchsten Spitze eine solche Gestalt in wenigen annehmen kann!" - Carlyle, "Chartism" [London 1840], p. 41. <=

(3) Ure, "Philosophy of Manufactures", p. 366 ff. <=

(4) An der Ecke von Cross Lane und Regent Road - siehe den Plan von Manchester. <=

(5) Wir haben gesehen, wie die Arbeiter sich dies zu Herzen nahmen. <=

(6) (1892) Ist pünktlich eingetroffen. <=

(7) (1892) Sozialisten natürlich im allgemeinen, nicht im speziell owenistischen Sinn. <=