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Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/ Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 1. Berlin/DDR. 1976. S. 203-333.
1,5. Korrektur
Erstellt am 30.08.1999
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|288| Hegel fährt fort:
»Wie von seiten der fürstlichen Gewalt die Regierungsgewalt (§ 300) schon diese Bestimmung hat, so muß auch von der Seite der Stände aus ein Moment derselben nach der Bestimmung gekehrt sein, wesentlich als das Moment der Mitte zu existieren.«
Allein die wahren Gegensätze sind Fürst und bürgerliche Gesellschaft. Und wir haben schon gesehn, dieselbe Bedeutung, welche die Regierungsgewalt von seiten des Fürsten, hat das ständische Element von seiten des Volkes. Wie jene in einem verzweigten Kreislauf emaniert, so kondensiert sich dieses in eine Miniaturausgabe, denn die konstitutionelle Monarchie kann sich bloß mit dem Volk en miniature vertragen. Das ständische Element ist ganz dieselbe Abstraktion des politischen Staates von seiten der bürgerlichen Gesellschaft, welche die Regierungsgewalt von seiten des Fürsten ist. Es scheint also die Vermittelung vollständig zustande gekommen zu sein. Beide Extreme haben von ihrer Sprödigkeit abgelassen, das Feuer ihres besondren Wesens entgegengeschickt, und die gesetzgebende Gewalt, deren Elemente ebensowohl die Regierungsgewalt als die Stände sind, scheint nicht erst die Vermittelung zur Existenz kommen lassen zu müssen, sondern selbst schon die zur Existenz gekommene Vermittelung zu sein. Auch hat Hegel schon dies ständische Element gemeinschaftlich mit der Regierungsgewalt als die Mitte zwischen Volk und Fürst (ebenso das ständische Element als die Mitte zwischen bürgerlicher Gesellschaft und Regierung etc.) bezeichnet. Das vernünftige Verhältnis, der Schluß, scheint also fertig zu sein. Die gesetzgebende Gewalt, die Mitte, ist ein mixtum compositum |Mischmasch|der beiden Extreme, des fürstlichen Prinzips und der bürgerlichen Gesellschaft, der empirischen Einzelnheit und der empirischen Allgemeinheit, des Subjekts und des Prädikats. Hegel faßt überhaupt den Schluß als Mitte, als ein mixtum compositum. Man kann sagen, daß in seiner Entwicklung des Vernunftschlusses die ganze Transzendenz und der mystische Dualismus seines Systems zur Erscheinung kommt. Die Mitte ist das hölzerne Eisen, der vertuschte Gegensatz zwischen Allgemeinheit und Einzelnheit.
Zunächst bemerken wir über diese ganze Entwicklung, daß die »Vermittelung«, die Hegel hier zustande bringen will, keine Forderung ist, die er aus dem Wesen der gesetzgebenden Gewalt, aus ihrer eignen Bestimmung, sondern vielmehr aus Rücksicht auf eine außer ihrer wesentlichen Bestimmung liegende Existenz herleitet. Es ist eine Konstruktion der Rücksicht. Die gesetzgebende Gewalt vorzugsweise wird nur mit Rücksicht auf ein Drittes entwickelt. Es ist daher vorzugsweise die Konstruktion ihres formellen Daseins, welche alle |289| Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Die gesetzgebende Gewalt wird sehr diplomatisch konstruiert. Es folgt dies aus der falschen, illusorischen hauptsächlichen politischen Stellung, die die gesetzgebende Gewalt im modernen Staat (dessen Interpret Hegel ist) hat. Es folgt daraus von selbst, daß dieser Staat kein wahrer Staat ist, weil in ihm die staatlichen Bestimmungen, deren eine die gesetzgebende Gewalt ist, nicht an und für sich, nicht theoretisch, sondern praktisch betrachtet werden müssen, nicht als selbständige, sondern als mit einem Gegensatz behaftete Mächte, nicht aus der Natur der Sache, sondern nach den Regeln der Konvention.
Also das ständische Element sollte eigentlich »gemeinschaftlich mit der Regierungsgewalt« die Mitte zwischen dem Willen der empirischen Einzelnheit, dem Fürsten, und dem Willen der empirischen Allgemeinheit, der bürgerlichen Gesellschaft, sein, allein in Wahrheit, realiter ist »seine Stellung« eine »zunächst abstrakte Stellung, nämlich des Extrems der empirischen Allgemeinheit gegen das fürstliche oder monarchische Prinzip überhaupt, in der nur die Möglichkeit der Übereinstimmung und damit ebenso die Möglichkeit feindlicher Entgegensetzung liegt«, eine, wie Hegel richtig bemerkt, »abstrakte Stellung«.
Zunächst scheint es nun, daß hier weder das »Extrem der empirischen Allgemeinheit«, noch das »fürstliche oder monarchische Prinzip«, das Extrem der empirischen Einzelnheit, sich gegenüberstehn. Denn von seiten der bürgerlichen Gesellschaft sind die Stände, wie von seiten des Fürsten die Regierungsgewalt deputiert. Wie das fürstliche Prinzip in der deputierten Regierungsgewalt aufhört, das Extrem der empirischen Einzelnheit zu sein, und vielmehr in ihr den »grundlosen« Willen aufgibt, sich zu der »Endlichkeit« des Wissens und der Verantwortlichkeit und des Denkens herabläßt, so scheint in dem ständischen Element die bürgerliche Gesellschaft nicht mehr empirische Allgemeinheit, sondern ein sehr bestimmtes Ganzes zu sein, das ebensosehr den »Sinn und die Gesinnung des Staates und der Regierung, als der Interessen der besonderen Kreise und der Einzelnen« hat (§ 302). Die bürgerliche Gesellschaft hat in ihrer ständischen Miniaturausgabe aufgehört, die empirische Allgemeinheit« zu sein. Sie ist vielmehr zu einem Ausschuß, zu einer sehr bestimmten Zahl herabgesunken, und wenn der Fürst in der Regierungsgewalt sich empirische Allgemeinheit, so hat sich die bürgerliche Gesellschaft in den Ständen empirische Einzelnheit oder Besonderheit gegeben Beide sind zu einer Besonderheit geworden.
Der einzige Gegensatz, der hier noch möglich ist, scheint der zwischen |290| den beiden Repräsentanten der beiden Staatswillen, zwischen den beiden Emanationen, zwischen dem Regierungselement und dem ständischen Element der gesetzgebenden Gewalt, scheint also ein Gegensatz innerhalb der gesetzgebenden Gewalt selbst zu sein. Die »gemeinschaftliche« Vermittelung scheint auch recht geeignet, sich wechselseitig in die Haare zu fallen. In dem Regierungselement der gesetzgebenden Gewalt hat sich die empirische, unzugängliche Einzelnheit des Fürsten verirdischt in einer Zahl beschränkter, faßbarer, verantwortlicher Personalitäten, und in dem ständischen Element hat sich die bürgerliche Gesellschaft verhimmlischt in eine Zahl politischer Männer. Beide Seiten haben ihre Unfaßbarkeit verloren. Die fürstliche Gewalt das unzugängliche, ausschließliche empirische Eins, die bürgerliche Gesellschaft das unzugängliche, verschwimmende empirische All, die eine ihre Sprödigkeit, die andere ihre Flüssigkeit. In dem ständischen Element einerseits, in dem Regierungselement der gesetzgebenden Gewalt andrerseits, welche zusammen bürgerliche Gesellschaft und Fürst vermitteln wollten, scheint also erst der Gegensatz zu einem kampfgerechten Gegensatz, aber auch zu einem unversöhnlichen Widerspruch gekommen zu sein.
Diese »Vermittelung« hat es also auch erst recht nötig, wie Hegel richtig entwickelt, »daß ihre Vermittelung zur Existenz kommt«. Sie selbst ist vielmehr die Existenz des Widerspruches als der Vermittelung.
Daß diese Vermittelung von seiten des ständischen Elementes bewirkt werde, scheint Hegel ohne Grund zu behaupten. Er sagt:
»Wie von seiten der fürstlichen Gewalt die Regierungsgewalt (§ 300) schon diese Bestimmung hat, so muß auch von der Seite der Stände aus ein Moment derselben nach der Bestimmung gekehrt sein, wesentlich als das Moment der Mitte zu existieren.«
Allein wir haben schon gesehen, Hegel stellt hier willkürlich und inkonsequent Fürst und Stände als Extreme gegenüber. Wie von seiten der fürstlichen Gewalt die Regierungsgewalt, so hat von seiten der bürgerlichen Gesellschaft das ständische Element diese Bestimmung. Sie stehn nicht nur mit der Regierungsgewalt gemeinschaftlich zwischen Fürst und bürgerlicher Gesellschaft, sie stehn auch zwischen der Regierung überhaupt und dem Volk (§ 302). Sie tun von seiten der bürgerlichen Gesellschaft mehr, als die Regierungsgewalt von seiten der fürstlichen Gewalt tut, da diese ja sogar selbst als Gegensatz dem Volke gegenübersteht. Sie hat also das Maß der Vermittelung vollgemacht. Warum also diese Esel mit noch mehr Säcken bepacken? Warum soll denn das ständische Element überall die Eselsbrücke bilden, sogar zwischen sich selbst und seinem Gegner? Warum ist es überall die Aufopferung selbst? Soll es sich selbst eine Hand abhauen, damit es nicht mit beiden seinem Gegner, dem Regierungselement der gesetzgebenden Gewalt, Widerpart halten kann?
|291| Es kömmt noch hinzu, daß Hegel zuerst die Stände aus den Korporationen, Standesunterschieden etc. hervorgehn ließ, damit sie keine »bloße empirische Allgemeinheit« seien, und daß er sie jetzt umgekehrt zur »bloßen empirischen Allgemeinheit« macht, um den Standesunterschied aus ihnen hervorgehn [zu] lassen! Wie der Fürst durch die Regierungsgewalt als ihren Christus mit der b[ürgerlichen] Gesellschaft, so vermittelt sich die Gesellschaft durch die Stande als ihre Priester mit dem Fürsten.
Es scheint nun vielmehr die Rolle der Extreme, der fürstlichen Gewalt (empirischen Einzelnheit) und der bürgerlichen Gesellschaft (empirischen Allgemeinheit) sein zu müssen, vermittelnd zwischen »ihre Vermittelungen zu treten ,um so mehr, da es »zu den wichtigsten logischen Einsichten gehört, daß ein bestimmtes Moment, das als im Gegensatz stehend die Stellung eines Extrems hat, es dadurch zu sein aufhört und organisches Moment ist, daß es zugleich Mitte ist« (§ 302 Anmerkung). Die bürgerliche Gesellschaft scheint diese Rolle nicht übernehmen zu können, da sie in der »gesetzgebenden Gewalt« als sie selbst, als Extrem keinen Sitz hat. Das andere Extrem, das sich als solches inmitten der gesetzgebenden Gewalt befindet, das fürstliche Prinzip, scheint also den Mittler zwischen dem ständischen und dem Regierungselement bilden zu müssen. Es scheint auch dazu qualifiziert [zu] sein. Denn einerseits ist in ihm das Ganze des Staates, also auch die bürgerliche Gesellschaft, repräsentiert, und speziell hat es mit den Ständen die »empirische Einzelnheit« des Willens gemein, da die empirische Allgemeinheit nur wirklich ist als empirische Einzelnheit. Es steht ferner der bürgerlichen Gesellschaft nicht nur als Formel, als Staatsbewußtsein gegenüber wie die Regierungsgewalt. Es ist selbst Staat, es hat das materielle, natürliche Moment mit der bürgerlichen Gesellschaft gemein. Andrerseits ist der Fürst die Spitze und der Repräsentant der Regierungsgewalt. (Hegel, der alles umkehrt, macht die Regierungsgewalt zum Repräsentanten, zur Emanation des Fürsten. Weil er bei der Idee, deren Dasein der Fürst sein soll, nicht die wirkliche Idee der Regierungsgewalt, nicht die Regierungsgewalt als Idee, sondern das Subjekt der absoluten Idee vor Augen hat, die im Fürsten körperlich existiert, so wird die Regierungsgewalt zu einer mystischen Fortsetzung der in seinem Körper - dem fürstlichen Körper - existierenden Seele)
Der Fürst mußte also in der gesetzgebenden Gewalt die Mitte zwischen der Regierungsgewalt und dem ständischen Element bilden, allein die Regierungsgewalt ist ja die Mitte zwischen ihm und der ständischen und die ständische zwischen ihm und der bürgerlichen Gesellschaft. Wie sollte er das untereinander vermitteln, dessen er zu seiner Mitte nötig hat, um kein einseitiges |292|* Extrem zu sein? Hier tritt das ganze Ungereimte dieser Extreme, die abwechselnd bald die Rolle des Extrems, bald die Mitte spielen, hervor. Es sind Janusköpfe, die sich bald von vorn, bald von hinten zeigen und vom einen anderen Charakter haben als hinten. Das, was zuerst als Mitte zwischen zwei Extremen bestimmt, tritt nun selbst als Extrem auf, und das eine der zwei Extreme, das durch es mit dem anderen vermittelt war, tritt nun wieder als Mitte (weil in seiner Unterscheidung von dem anderen Extrem) zwischen sein Extrem und seine Mitte. Es ist eine wechselseitige Bekomplimentierung. Wie wenn ein Mann zwischen zwei Streitende tritt und nun wieder einer der Streitenden zwischen den vermittelnden Mann und den Streitenden. Es ist die Geschichte von dem Mann und der Frau, die sich stritten, und von dem Arzt, der als Vermittler zwischen sie treten wollte, wo nun wieder die Frau den Arzt mit ihrem Mann und der Mann seine Frau mit dem Arzt vermitteln mußte. Es ist wie der Löwe im Sommernachtstraum, der ausruft: »Ich bin Löwe, und ich bin nicht Löwe, sondern Schnock.« So ist hier jedes Extrem bald der Löwe des Gegensatzes, bald der Schnock der Vermittelung. Wenn das eine Extrem ruft: »jetzt bin ich Mitte«, so dürfen es die beiden anderen nicht anrühren, sondern nur nach dem andren schlagen, das eben Extrem war. Man sieht, es ist eine Gesellschaft, die kampflustig im Herzen ist, aber zu sehr die blauen Flecke fürchtet, um sich wirklich zu prügeln, und die beiden, die sich schlagen wollen, richten es so ein, daß der Dritte, der dazwischentritt, die Prügel bekommen soll, aber nun tritt wieder einer der beiden als der Dritte auf, und so kommen sie vor lauter Behutsamkeit zu keiner Entscheidung. Dieses System der Vermittelung kommt auch so zustande, daß derselbe Mann, der seinen Gegner prügeln will, ihn nach den andren Seiten gegen andre Gegner vor Prügeln beschützen muß und so in dieser doppelten Beschäftigung nicht zur Ausführung seines Geschäftes kommt. Es ist merkwürdig, daß Hegel, der diese Absurdität der Vermittelung auf ihren abstrakten, logischen, daher unverfälschten, untransigierbaren Ausdruck reduziert, sie zugleich als spekulatives Mysterium der Logik, als das vernünftige Verhältnis, als den Vernunftschluß bezeichnet. Wirkliche Extreme können nicht miteinander vermittelt werden, eben weil sie wirkliche Extreme sind. Aber sie bedürfen auch keiner Vermittelung, denn sie sind entgegengesetzten Wesens. Sie haben nichts miteinander gemein, sie verlangen einander nicht, sie ergänzen einander nicht. Das eine hat nicht in seinem eigenen Schoß die Sehnsucht, das Bedürfnis, die Antizipation des andern. (Wenn aber Hegel Allgemeinheit und Einzelnheit, die abstrakten Momente des Schlusses, als wirkliche Gegensätze behandelt, so ist das eben der Grunddualismus seiner Logik. Das Weitere hierüber gehört in die Kritik der Hegelschen Logik.)
|293| Dem scheint entgegenzustehn: Les extremes se touchent. |Gegensätze ziehen sich an| Nordpol und Südpol ziehen sich an; weibliches Geschlecht und männliches ziehen sich ebenfalls an, und erst durch die Vereinigung ihrer extremen Unterschiede wird der Mensch.
Andrerseits. Jedes Extrem ist sein andres Extrem. Der abstrakte Spiritualismus ist abstrakter Materialismus; der abstrakte Materialismus ist der abstrakte Spiritualismus der Materie.
Was das erste betrifft, so sind Nordpol und Südpol beide Pol; ihr Wesen ist identisch; ebenso sind weibliches und männliches Geschlecht beide eine Gattung, ein Wesen, menschliches Wesen. Nord und Süd sind entgegengesetzte Bestimmungen eines Wesens; der Unterschied eines Wesens auf seiner höchsten Entwicklung. Sie sind das differenzierte Wesen. Sie sind, was sie sind, nur als eine unterschiedne Bestimmung, und zwar als diese unterschiedne Bestimmung des Wesens. Wahre wirkliche Extreme wären Pol und Nichtpol, menschliches und unmenschliches Geschlecht. Der Unterschied ist hier ein Unterschied der Existenz, dort ein Unterschied der Wesen, zweier Wesen. Was das zweite betrifft, so liegt hier die Hauptbestimmung darin, daß ein Begriff (Dasein etc.) abstrakt gefaßt wird, daß er nicht als selbständig, sondern als eine Abstraktion von einem anderen und nur als diese Abstraktion Bedeutung hat; also z.B. der Geist nur die Abstraktion von der Materie ist. Es versteht sich dann von selbst, daß er eben, weil diese Form seinen Inhalt ausmachen soll, vielmehr das abstrakte Gegenteil, der Gegenstand, von dem er abstrahiert, in seiner Abstraktion, also hier der abstrakte Materialismus, sein reales Wesen ist. Wäre die Differenz innerhalb der Existenz eines Wesens nicht verwechselt worden teils mit der verselbständigten Abstraktion (versteht sich, nicht von einem andern, sondern eigentlich von sich selbst), teils mit dem wirklichen Gegensatz sich wechselseitig ausschließender Wesen, so wäre ein dreifacher Irrtum verhindert worden: 1. daß, weil nur das Extrem wahr sei, jede Abstraktion und Einseitigkeit sich für wahr hält, wodurch ein Prinzip statt als Totalität in sich selbst nur als Abstraktion von einem andern erscheint; 2. daß die Entschiedenheit wirklicher Gegensätze, ihre Bildung zu Extremen, die nichts anderes ist als sowohl ihre Selbsterkenntnis wie ihre Entzündung zur Entscheidung des Kampfes, als etwas möglicherweise zu Verhinderndes oder Schädliches gedacht wird; 3. daß man ihre Vermittelung versucht. Denn so sehr beide Extreme in ihrer Existenz als wirklich auftreten und als Extreme, so liegt es doch nur in dem Wesen des einen, Extrem zu sein, und es hat für das andre nicht die Bedeutung der wahren Wirklichkeit. |294| Das eine greift über das andre über. Die Stellung ist keine gleiche. Z.B. Christentum oder Religion überhaupt und Philosophie sind Extreme Aber in Wahrheit bildet die Religion zur Philosophie keinen wahren Gegensatz. Denn die Philosophie begreift die Religion in ihrer illusorischen Wirklichkeit. Sie ist also für die Philosophie - sofern sie eine Wirklichkeit sein will - in sich selbst aufgelöst. Es gibt keinen wirklichen Dualismus des Wesens. Später mehr hierüber.
Es fragt sich, wie kommt Hegel überhaupt zu dem Bedürfnis einer neuen Vermittelung von seiten des ständischen Elements? Oder teilt Hegel mit |Fehlt ein Wort| »das häufige, aber höchst gefährliche Vorurteil, Stände hauptsächlich im Gesichtspunkte des Gegensatzes gegen die Regierung, als ob dies ihre wesentliche Stellung wäre, vorzustellen«? (§ 302 Anmerk.)
Die Sache ist einfach die: Einerseits haben wir gesehn, daß in der »gesetzgebenden Gewalt« die bürgerliche Gesellschaft als »ständisches« Element und die fürstliche Macht als »Regierungselement« sich erst zum wirklichen unmittelbar praktischen Gegensatz begeistet haben.
Andrerseits: Die gesetzgebende Gewalt ist Totalität. Wir finden in ihr die Deputation des fürstlichen Prinzips, »die Regierungsgewalt«; 2. die Deputation der bürgerlichen Gesellschaft, das »ständische« Element; aber außerdem befindet sich in ihr 3. das eine Extrem als solches, das fürstliche Prinzip, während das andere Extrem, die bürgerliche Gesellschaft, als solches sich nicht in ihr befindet. Dadurch wird erst das »ständische« Element zu dem Extrem des »fürstlichen« Prinzips, das eigentlich die bürgerliche Gesellschaft sein sollte. Erst als »ständisches« Element organisiert sich, wie wir gesehn haben, die bürgerliche Gesellschaft zu einem politischen Dasein. Das »ständische« Element ist ihr politisches Dasein, ihre Transsubstantiation in den politischen Staat. Die »gesetzgebende Gewalt« ist daher, wie wir gesehn, erst der eigentliche politische Staat in seiner Totalität. Hier ist also 1. fürstliches Prinzip, 2. Regierungsgewalt, 3. bürgerliche Gesellschaft. Das »ständische« Element ist »die bürgerliche Gesellschaft des politischen Staates«, der »gesetzgebenden Gewalt«. Das Extrem, das die bürgerliche Gesellschaft zum Fürsten bilden sollte, ist daher das »ständische« Element. (Weil die bürgerliche Gesellschaft die Unwirklichkeit des politischen Daseins, so ist das politische Dasein der bürgerlichen Gesellschaft ihre eigne Auflösung, ihre Trennung von sich selbst.) Ebenso bildet es daher einen Gegensatz zur Regierungsgewalt.
Hegel bezeichnet daher auch das »ständische« Element wieder als das |295| »Extrem der empirischen Allgemeinheit«, das eigentlich die bürgerliche Gesellschaft selbst ist. (Hegel hat daher unnützerweise das politisch-ständische Element aus den Korporationen und unterschiednen Ständen hervorgehn lassen. Dies hätte bloß Sinn, wenn nun die unterschiednen Stände als solche die gesetzgebenden Stände wären, also der Unterschied der bürgerlichen Gesellschaft, die bürgerliche Bestimmung re vera |in Wirklichkeit| die politische Bestimmung. Wir hätten dann nicht eine gesetzgebende Gewalt des Staatsganzen, sondern die gesetzgebende Gewalt der verschiednen Stände und Korporationen und Klassen über das Staatsganze. Die Stände der bürgerlichen Gesellschaft empfingen keine politische Bestimmung, sondern sie bestimmten den politischen Staat. Sie machten ihre Besonderheit zur bestimmenden Gewalt des Ganzen. Sie wären die Macht des Besonderen über das Allgemeine. Wir hatten auch nicht eine gesetzgebende Gewalt, sondern mehrere gesetzgebende Gewalten, die unter sich und mit der Regierung transigierten. Allein Hegel hat die moderne Bedeutung des ständischen Elements, die Verwirklichung des Staatsbürgertums, des bourgeois zu sein, vor Augen. Er will, daß das »an und für sich Allgemeine«, der politische Staat, nicht von der bürgerlichen Gesellschaft bestimmt wird, sondern umgekehrt sie bestimmt. Während er also die Gestalt des mittelaltrig-ständischen Elements aufnimmt, gibt er ihm die entgegengesetzte Bedeutung, von dem Wesen des politischen Staates bestimmt zu werden. Die Stände als Repräsentanten der Korporationen etc. waren nicht die »empirische Allgemeinheit«, sondern die »empirische Besonderheit«, die »Besonderheit der Empirie«!) Die »gesetzgebende Gewalt« bedarf daher in sich selbst der Vermittelung, d.h. einer Vertuschung des Gegensatzes, und diese Vermittelung muß vom »ständischen Element« ausgehn weil das ständische Element innerhalb der gesetzgebenden Gewalt die Bedeutung der Repräsentation der bürgerlichen Gesellschaft verliert und zum primären Element wird, selbst die bürgerliche Gesellschaft der gesetzgebenden Gewalt ist. Die »gesetzgebende Gewalt« ist die Totalität des politischen Staates eben daher der zur Erscheinung getriebene Widerspruch desselben. Sie ist daher ebensosehr seine gesetzte Auflösung. Ganz verschiedene Prinzipien karambolieren in ihr. Es erscheint dies allerdings als Gegensatz der Elemente des fürstlichen Prinzips und des Prinzips des ständischen Elements etc. In Wahrheit aber ist es die Antinomie des politischen Staates und der bürgerlichen Gesellschaft, der Widerspruch des abstrakten politischen Staates mit sich selbst. Die gesetzgebende Gewalt ist die gesetzte Revolte. (Hegels Hauptfehler besteht darin, daß er den Widerspruch der Erscheinung als Einheit im |296| Wesen, in der Idee faßt, während er allerdings ein Tieferes zu seinem Wesen hat, nämlich einen wesentlichen Widerspruch, wie z.B. hier der Widerspruch der gesetzgebenden Gewalt in sich selbst nur der Widerspruch des politischen Staats, also auch der bürgerlichen Gesellschaft mit sich selbst ist.
Die vulgäre Kritik verfällt in einen entgegengesetzten dogmatischen Irrtum. So kritisiert sie z.B. die Konstitution. Sie macht auf die Entgegensetzung der Gewalten aufmerksam etc. Sie findet überall Widersprüche. Das ist selbst noch dogmatische Kritik, die mit ihrem Gegenstand kämpft, so wie man früher etwa das Dogma der heiligen Dreieinigkeit durch den Widerspruch von eins und drei beseitigte. Die wahre Kritik dagegen zeigt die innere Genesis der heiligen Dreieinigkeit im menschlichen Gehirn. Sie beschreibt ihren Geburtsakt. So weist die wahrhaft philosophische Kritik der jetzigen Staatsverfassung nicht nur Widersprüche als bestehend auf, sie erklärt sie, sie begreift ihre Genesis, ihre Notwendigkeit. Sie faßt sie in ihrer eigentümlichen Bedeutung. Dies Begreifen besteht aber nicht, wie Hegel meint, darin, die Bestimmungen des logischen Begriffs überall wiederzuerkennen, sondern die eigentümliche Logik des eigentümlichen Gegenstandes zu fassen.)
Hegel drückt dies so aus, daß in der Stellung des politisch-ständischen Elementes zum fürstlichen »nur die Möglichkeit der Übereinstimmung und damit ebenso die Möglichkeit feindlicher Entgegensetzung liegt«.
Die Möglichkeit der Entgegensetzung liegt überall, wo verschiedene Willen zusammentreffen. Hegel sagt selbst, daß die »Möglichkeit der Übereinstimmung« die »Möglichkeit der Entgegensetzung« ist. Er muß also jetzt ein Element bilden, was die »Unmöglichkeit der Entgegensetzung« und die »Wirklichkeit der Übereinstimmung« ist. Ein solches Element wäre also ihm die Freiheit der Entschließung und des Denkens dem fürstlichen Willen und der Regierung gegenüber. Es gehörte also nicht mehr zum »ständisch-politischen« Element. Es wäre vielmehr ein Element des fürstlichen Willens und der Regierung und befände sich in demselben Gegensatz zum wirklichen ständischen Element wie die Regierung selbst.
Sehr wird diese Forderung schon herabgestimmt durch den Schluß des Paragraphen:
»Wie von seiten der fürstlichen Gewalt die Regierungsgewalt (§ 300) schon diese Bestimmung hat, so muß auch von der Seite der Stände aus ein Moment derselben nach der Bestimmung gekehrt sein, wesentlich als das Moment der Mitte zu existieren.«
Das Moment, was von Seite der Stände abgeschickt wird, muß die umgekehrte Bestimmung haben, als die Regierungsgewalt von seiten der Fürsten hat, da fürstliches und ständisches Element entgegengesetzte Extreme sind. |297| Wie der Fürst sich in der Regierungsgewalt demokratisiert, so muß sich dies »ständische« Element in seiner Deputation monarchisieren. Was Hegel also will, ist ein fürstliches Moment von seiten der Stände. Wie die Regierungsgewalt ein ständisches Moment von seiten des Fürsten, so soll es auch ein fürstliches Moment von seiten der Stände geben.
Die »Wirklichkeit der Übereinstimmung« und die »Unmöglichkeit der Entgegensetzung« verwandelt sich in folgende Forderung: [Es] »muß von seiten der Stände aus ein Moment derselben nach der Bestimmung gekehrt sein, wesentlich als das Moment der Mitte zu existieren«. Nach der Bestimmung gekehrt sein! Diese Bestimmung haben nach § 302 die Stände überhaupt. Es müßte hier nicht mehr »Bestimmung«, sondern »Bestimmtheit« sein.
Und was ist das überhaupt für eine Bestimmung, »wesentlich als das Moment der Mitte zu existieren«? Seinem »Wesen« nach »Buridans Esel« sein.
Die Sache ist einfach die:
Die Stände sollen »Vermittelung« zwischen Fürst und Regierung einerseits und Volk andrerseits sein, aber sie sind es nicht, sie sind vielmehr der organisierte politische Gegensatz der bürgerlichen Gesellschaft. Die »gesetzgebende Gewalt« bedarf in sich selbst der Vermittelung, und zwar, wie gezeigt, einer Vermittelung von seiten der Stände aus. Die vorausgesetzte moralische Übereinstimmung der beiden Willen, von denen der eine der Staatswille als fürstlicher Wille und der andere der Staatswille als der Wille der bürgerlichen Gesellschaft ist, reicht nicht aus. Die gesetzgebende Gewalt ist zwar erst der organisierte, totale politische Staat, aber eben in ihr erscheint, weil in seiner höchsten Entwicklung, auch der unverhüllte Widerspruch des politischen Staates mit sich selbst. Es muß also der Schein einer wirklichen Identität zwischen fürstlichem und ständischem Willen gesetzt werden. Das ständische Element muß als fürstlicher Wille oder der fürstliche Wille muß als ständisches Element gesetzt werden. Das ständische Element muß sich als die Wirklichkeit eines Willens setzen, der nicht der Wille des ständischen Elementes ist. Die Einheit, die nicht im Wesen vorhanden ist (sonst müßte sie sich durch die Wirksamkeit und nicht durch die Daseinsweise des ständischen Elementes beweisen), muß wenigstens als eine Existenz vorhanden sein, oder eine Existenz der gesetzgebenden Gewalt (des ständischen Elements) hat die Bestimmung, diese Einheit des Nichtvereinten zu sein. Dieses Moment des ständischen Elements, Pairskammer, Oberhaus etc., ist die höchste Synthese des politischen Staates in der betrachteten Organisation. Es ist zwar nicht damit erreicht, was Hegel will, »die Wirklichkeit der Übereinstimmung« und die »Unmöglichkeit feindlicher Entgegensetzung«, vielmehr bleibt es bei der |298| »Möglichkeit der Übereinstimmung«. Allein es ist die gesetzte Illusion von der Einheit des politischen Staates mit sich selbst (des fürstlichen und ständischen Willens, weiter dem Prinzip des politischen Staates und der bürgerlichen Gesellschaft), von dieser Einheit als materiellem Prinzip, d.h. so, daß nicht nur zwei entgegengesetzte Prinzipien sich vereinen, sondern daß die Einheit derselben Natur, Existentialgrund ist. Dieses Moment des ständischen Elementes ist die Romantik des politischen Staats, die Träume seiner Wesenhaftigkeit oder seiner Übereinstimmung mit sich selbst. Es ist eine allegorische Existenz.
Es hängt nun von dem wirklichen status quo des Verhältnisses zwischen ständischem Element und fürstlichem ab, ob diese Illusion wirksame Illusion oder bewußte Selbsttäuschung ist. Solange Stände und fürstliche Gewalt faktisch übereinstimmen, sich vertragen, ist die Illusion ihrer wesentlichen Einheit eine wirkliche, also wirksame Illusion. Im Gegenfall, wo sie ihre Wahrheit betätigen sollte, wird sie zur bewußten Unwahrheit und ridicule.
§ 305. »Der eine der Stände der bürgerlichen Gesellschaft enthält das Prinzip, das für sich fähig ist, zu dieser politischen Beziehung konstituiert zu werden, der Stand der natürlichen Sittlichkeit nämlich, der das Familienleben und in Rücksicht der Subsistenz den Grundbesitz zu seiner Basis, somit in Rücksicht seiner Besonderheit ein auf sich beruhendes Wollen und die Naturbestimmung, welche das fürstliche Element in sich schließt, mit diesem gemein hat.«
Wir haben schon die Inkonsequenz Hegels nachgewiesen, 1. das politisch-ständische Element in seiner modernen Abstraktion von der bürgerlichen Gesellschaft etc. zu fassen, nachdem er es aus den Korporationen hat hervorgehn lassen; 2. es jetzt wieder nach dem Ständeunterschied der bürgerlichen Gesellschaft zu bestimmen, nachdem er die politischen Stände als solche als das »Extrem der empirischen Allgemeinheit« schon bestimmt hat.
Die Konsequenz wäre nun: Die politischen Stände für sich zu betrachten, als neues Element, und nun aus ihnen jetzt die § 304 geforderte Vermittelung zu konstruieren.
Allein sehn wir nun, wie Hegel den bürgerlichen Ständeunterschied wieder hereinzieht und zugleich den Schein hervorbringt, daß nicht die Wirklichkeit und das besondere Wesen des bürgerlichen Ständeunterschieds die höchste politische Sphäre, die gesetzgebende Gewalt bestimmt, sondern umgekehrt zu einem bloßen Material herabsinkt, das die politische Sphäre nach ihrem, aus ihr selbst hervorgehenden Bedürfnis formiert und konstruiert.
»Der eine der Stände der bürgerlichen Gesellschaft enthält das Prinzip, das für sich fähig ist, zu dieser politischen Beziehung konstituiert zu werden, der Stand der natürlichen Sittlichkeit nämlich« (Der Bauernstand.)
|299| Worin besteht nun diese prinzipielle Fähigkeit oder diese Fähigkeit des Prinzips des Bauernstandes? Er hat
»das Familienleben und in Rücksicht der Subsistenz den Grundbesitz zu seiner Basis, somit in Rücksicht seiner Besonderheit ein auf sich beruhendes Wollen und die Naturbestimmung, welche das fürstliche Element in sich schließt, mit diesem gemein.«
Das »auf sich beruhende Wollen« bezieht sich auf die Subsistenz«, den »Grundbesitz« die mit dem fürstlichen Element gemeinschaftliche »Naturbestimmung« auf das »Familienleben« als Basis.
Die Subsistenz des »Grundbesitzes« und ein »auf sich beruhendes Wollen« sind zwei verschiedne Dinge. Es müßte vielmehr von einem auf »Grund und Boden ruhenden Wollen« die Rede sein. Es müßte aber vielmehr von einem »auf der Staatsgesinnung«, nicht von einem auf sich, sondern von einem im Ganzen ruhenden Willen die Rede sein.
An die Stelle der »Gesinnung«, des »Besitzes des Staatsgeistes«. tritt der »Grundbesitz«.
Was ferner das »Familienleben« als Basis angeht, so scheint die »soziale« Sittlichkeit der bürgerlichen Gesellschaft höher zu stehn als diese »natürliche Sittlichkeit«. Ferner ist das »Familienleben« die »natürliche Sittlichkeit« der anderen Stände oder des Bürgerstandes der bürgerlichen Gesellschaft ebensowohl als des Bauernstandes. Daß aber das »Familienleben« bei dem Bauernstande nicht nur das Prinzip der Familie, sondern die Basis seines sozialen Daseins überhaupt ist, scheint ihn vielmehr für die höchste politische Aufgabe unfähig zu machen, indem er patriarchalische Gesetze auf eine nicht patriarchalische Sphäre anwenden wird und das Kind oder den Vater, den Herrn und den Knecht da geltend macht, wo es sich um den politischen Staat, um das Staatsbürgertum handelt.
Was die Naturbestimmung des fürstlichen Elements betrifft, so hat Hegel keinen patriarchalischen, sondern einen modern konstitutionellen König entwickelt. Seine Naturbestimmung besteht darin, daß er der körperliche Repräsentant des Staates ist und als König geboren, oder das Königtum seine Familienerbschaft ist, aber was hat das mit dem Familienleben als der Basis des Bauernstandes, was hat die natürliche Sittlichkeit mit der Naturbestimmung der Geburt als solcher gemein? Der König teilt das mit dem Pferd, daß, wie dieses als Pferd, der König als König geboren wird,
Hätte Hegel den von ihm angenommenen Ständeunterschied als solchen zum politischen gemacht, so war ja schon der Bauernstand als solcher ein selbständiger Teil des ständischen Elements, und wenn er als solcher ein Moment der Vermittelung mit dem Fürstentum ist, was bedürfte es dann der |300| Konstruktion einer neuen Vermittelung? Und warum ihn aus dem eigentlich ständischen Moment herausscheiden, da dieses ja nur durch die Scheidung von ihm in die »abstrakte« Stellung zum fürstlichen Element gerät? Nachdem Hegel aber eben das politisch-ständische Element als ein eigentümliches Element, als eine Transsubstantiation des Privatstandes in das Staatsbürgertum entwickelt hat und eben deswegen der Vermittelung bedürftig gefunden hat, wie darf Hegel nun diesen Organismus wieder auflösen in den Unterschied des Privatstandes, also in den Privatstand, und aus diesem die Vermittelung des politischen Staates mit sich selbst herholen?
Überhaupt welche Anomalie, daß die höchste Synthese des politischen Staates nichts andres ist als die Synthese von Grundbesitz und Familienleben!
Mit einem Wort:
Sobald die bürgerlichen Stände als solche politische Stände sind, bedarf es jener Vermittelung nicht, und sobald es jener Vermittelung bedarf, ist der bürgerliche Stand nicht politisch, also auch nicht jene Vermittelung. Der Bauer ist dann nicht als Bauer, sondern als Staatsbürger ein Teil des politisch-ständischen Elements, während umgekehrt ([wo er] als Bauer Staatsbürger oder als Staatsbürger Bauer ist) sein Staatsbürgertum das Bauerntum, er nicht als Bauer Staatsbürger, sondern als Staatsbürger Bauer ist!
Es ist hier also eine Inkonsequenz Hegels innerhalb seiner eignen Anschauungsweise, und eine solche Inkonsequenz ist Akkommodation. Das politisch-ständische Element ist im modernen Sinne, in dem von Hegel entwickelten Sinne, die vollzogene gesetzte Trennung der bürgerlichen Gesellschaft von ihrem Privatstand und seinen Unterschieden. Wie kann Hegel den Privatstand zur Lösung der Antinomien der gesetzgebenden Gewalt in sich selbst machen? Hegel will das mittelalterliche ständische System, aber in dem modernen Sinn der gesetzgebenden Gewalt, und er will die moderne gesetzgebende Gewalt, aber in dem Körper des mittelalterlich-ständischen Systems! Es ist schlechtester Synkretismus.
Anfang § 304 heißt es:
»Den in den früheren Sphären bereits vorhandenen Unterschied der Stände enthält das politisch-ständische Element zugleich in seiner eigenen Bestimmung.«
Aber in seiner eigenen Bestimmung enthält das politisch-ständische Element diesen Unterschied nur dadurch, daß es ihn annulliert, daß es ihn in sich vernichtigt, von ihm abstrahiert.
Wird der Bauernstand oder, wie wir weiter hören werden, der potenzierte Bauernstand, der adlige Grundbesitz, als solcher auf die beschriebene Weise zur Vermittelung des totalen politischen Staates, der gesetzgebenden Gewalt |301| in sich selbst gemacht, so ist das allerdings die Vermittelung des ständisch-politischen Elements mit der fürstlichen Gewalt in dem Sinn, als es die Auflösung des politisch-ständischen Elementes als eines wirklichen politischen Elementes ist. Nicht der Bauernstand, sondern der Stand, der Privatstand, die Analyse (Reduktion) des politisch-ständischen Elementes in den Privatstand ist hier die wiederhergestellte Einheit des politischen Staats mit sich selbst, nicht der Bauernstand als solcher ist hier die Vermittelung, sondern seine Trennung von dem politisch-ständischen Element in seiner Qualität als bürgerlicher Privatstand; dies, daß sein Privatstand ihm eine gesonderte Stellung in dem politisch-ständischen Element gibt, also auch der andre Teil des politisch-ständischen Elements die Stellung eines besondren Privatstandes erhält, also aufhört, das Staatsbürgertum der bürgerlichen Gesellschaft zu repräsentieren.) Es ist hier nun nicht mehr der politische Staat als zwei entgegengesetzte Willen vorhanden, sondern auf der einen Seite steht der politische Staat (Regierung und Fürst) und auf der andern die bürgerliche Gesellschaft in ihrem Unterschied vom politischen Staat. (Die verschiedenen Stände.) Damit ist denn auch der politische Staat als Totalität aufgehoben.
Der nächste Sinn der Verdoppelung des politisch-ständischen Elementes in sich selbst als einer Vermittelung mit der fürstlichen Gewalt ist überhaupt, daß die Trennung dieses Elementes in sich selbst, sein eigner Gegensatz in sich selbst seine wiederhergestellte Einheit mit der fürstlichen Gewalt ist. Der Grunddualismus zwischen dem fürstlichen und dem ständischen Element der gesetzgebenden Gewalt wird neutralisiert durch den Dualismus des ständischen Elementes in sich selbst. Bei Hegel aber geschieht diese Neutralisation dadurch, daß das politisch-ständische Element sich von seinem politischen Element selbst trennt.
Was den Grundbesitz als Subsistenz, welche der Souveränität des Willens, der fürstlichen Souveränität, und das Familienleben als Basis des Bauernstandes, welche der Naturbestimmung der fürstlichen Gewalt entsprechen soll, betrifft, so kommen wir später darauf zurück. Hier im § 305 ist das »Prinzip« des Bauernstandes entwickelt, »das für sich fähig ist, zu dieser politischen Beziehung konstituiert zu werden«.
Im § 306 wird die »Konstituierung« »für die politische Stellung und Bedeutung« vorgenommen, Sie reduziert sich darauf: »Das Vermögen wird« »ein unveräußerliches, mit dem Majorat belastetes Erbgut«. Das »Majorat« wäre also die politische Konstituierung des Bauernstandes.
»Die Begründung des Majorats«, heißt es im Zusatz, »liegt darin, daß der Staat nicht auf bloße Möglichkeit der Gesinnung, sondern auf ein Notwendiges rechnen soll. Nun ist die Gesinnung freilich an ein Vermögen nicht gebunden, aber |302| der relativ notwendige Zusammenhang ist, daß, wer ein selbständiges Vermögen hat, von äußeren Umständen nicht beschränkt ist und so ungehemmt auftreten und für den Staat handeln kann.«
Erster Satz. Dem Staat genügt nicht »die bloße Möglichkeit der Gesinnung«, er soll auf ein »Notwendiges« rechnen.
Zweiter Satz. »Die Gesinnung ist an ein Vermögen nicht gebunden«, d.h., die Gesinnung des Vermögens ist eine »bloße Möglichkeit«.
Dritter Satz. Aber es findet ein »relativ notwendiger Zusammenhang« statt, nämlich, »daß, wer ein selbständiges Vermögen hat etc., für den Staat handeln kann«, d.h., das Vermögen gibt die »Möglichkeit« der Staatsgesinnung, aber eben die »Möglichkeit« genügt nach dem ersten Satz nicht.
Zudem hat Hegel nicht entwickelt, daß der Grundbesitz das einzige »selbständige Vermögen« ist.
Die Konstituierung seines Vermögens zur Unabhängigkeit ist die Konstituierung des Bauernstandes »für die politische Stellung und Bedeutung«. Oder »die Unabhängigkeit des Vermögens« ist seine »politische Stellung und Bedeutung.
Diese Unabhängigkeit wird weiter so entwickelt:
Sein »Vermögen« ist »unabhängig vom Staatsvermögen«. Unter Staatsvermögen wird hier offenbar die Regierungskasse verstanden. In dieser Beziehung steht »der allgemeine Stand« »gegenüber« »als vom Staat wesentlich abhängig So heißt es in der Vorrede [zu Hegels Rechtsphilosophie] p. 13:
»Ohnehin« wird »bei uns die Philosophie nicht wie etwa bei den Griechen als eine private Kunst exerziert«, »sondern sie« hat »eine öffentliche, das Publikum berührende Existenz, vornehmlich oder allein im Staatsdienste«.
Also auch die Philosophie »wesentlich« von der Regierungskasse abhängig.
Sein Vermögen ist unabhängig »von der Unsicherheit des Gewerbes, der Sucht des Gewinns und der Veränderlichkeit des Besitzes überhaupt«. in dieser Hinsicht steht ihm der »Stand des Gewerbes« »als der vom Bedürfnis abhängige und darauf hingewiesene« gegenüber.
Dies Vermögen ist so »wie von der Gunst der Regierungsgewalt, so von der Gunst der Menge« unabhängig.
Er ist endlich selbst gegen die eigene Willkür dadurch festgestellt, daß die für diese Bestimmung berufenen Mitglieder dieses Standes, »des Rechts der anderen Bürger, teils über ihr ganzes Eigentum frei zu disponieren, teils es nach der Gleichheit der Liebe zu den Kindern, an sie übergehend zu wissen, entbehren.« |303| Die Gegensätze haben hier eine ganz neue und sehr materielle Gestalt angenommen, wie wir sie in dem Himmel des politischen Staates kaum erwarten durften.
Der Gegensatz, wie ihn Hegel entwickelt, ist in seiner Schärfe ausgesprochen der Gegensatz von Privateigentum und Vermögen.
Der Grundbesitz ist das Privateigentum hauptsächlich, das eigentliche Privateigentum Seine exakte Privatnatur tritt hervor 1. als »Unabhängigkeit vom Staatsvermögen«, der »Gunst der Regierungsgewalt«, dem Eigentum, wie es als »allgemeines Eigentum des politischen Staats« existiert, ein nach der Konstruktion des politischen Staates besonderes Vermögen neben anderen Vermögen; 2. als »Unabhängigkeit vom Bedürfnis« der Sozietät oder dem »sozialen Vermögen«, der »Gunst der Menge«. (Ebenso bezeichnend ist, daß der Anteil am Staatsvermögen als »Gunst der Regierungsgewalt«, wie der Anteil am sozialen Vermögen als »Gunst der Menge« gefaßt wird.) Das Vermögen des »allgemeinen Standes« und des »Gewerbestandes« ist kein eigentliches Privateigentum, weil es dort direkt, hier indirekt durch den Zusammenhang mit dem allgemeinen Vermögen oder dem Eigentum als sozialem Eigentum bedingt ist, eine Partizipation an demselben ist, darum allerdings auf beiden Seiten durch »Gunst«, d.h. durch den »Zufall des Willens« vermittelt ist. Dem gegenüber steht der Grundbesitz als das souveräne Privateigentum, das noch nicht die Gestalt des Vermögens, d.h. eines durch den sozialen Willen gesetzten Eigentums, erreicht hat.
Die politische Verfassung in ihrer höchsten Spitze ist also die Verfassung des Privateigentums. Die höchste politische Gesinnung ist die Gesinnung des Privateigentums. Das Majorat ist bloß die äußere Erscheinung von der innern Natur des Grundbesitzes. Dadurch, daß er unveräußerlich ist, sind ihm die sozialen Nerven abgeschnitten und seine Isolierung von der bürgerlichen Gesellschaft gesichert. Dadurch, daß er nicht nach der »Gleichheit der Liebe zu den Kindern« übergeht, ist er sogar von der kleinem Sozietät, der natürlichen Sozietät der Familie, ihrem Willen und ihren Gesetzen losgesagt, unabhängig, bewahrt also die schroffe Natur des Privateigentums auch vor dem Übergang in das Familienvermögen.
Hegel hatte § 305 den Stand des Grundbesitzes fähig erklärt, zu der »politischen Beziehung« konstituiert zu werden, weil das »Familienleben« seine ». Basis« sei. Er hat aber selbst die »Liebe« für die Basis, für das Prinzip, für den Geist des Familienlebens erklärt. In dem Stand, der das Familienleben zu seiner Basis hat, fehlt also die Basis des Familienlebens, die Liebe als das |304| wirkliche, also wirksame und determinierende Prinzip. Es ist das geistlose Familienleben, die Illusion des Familienlebens. In seiner höchsten Entwicklung widerspricht das Prinzip des Privateigentums dem Prinzip der Familie. Es kommt also im Gegensatz zum Stand der natürlichen Sittlichkeit, des Familienlebens, vielmehr erst in der bürgerlichen Gesellschaft das Familienleben zum Leben der Familie, zum Leben der Liebe. Jener ist vielmehr die Barbarei des Privateigentums gegen das Familienleben.
Das wäre also die souveräne Herrlichkeit des Privateigentums, des Grundbesitzes, worüber in neueren Zeiten so viele Sentimentalitäten stattgehabt haben und so viele buntfarbige Krokodilstränen vergossen worden sind.
Es nützt Hegel nichts zu sagen, daß das Majorat bloß eine Forderung der Politik sei und in seiner politischen Stellung und Bedeutung gefaßt werden müsse. Es nützt ihm nichts zu sagen: »Die Sicherheit und Festigkeit dieses Standes kann noch durch die Institution des Majorats vermehrt werden, welche jedoch nur in politischer Rücksicht wünschenswert ist, denn es ist damit ein Opfer für den politischen Zweck verbunden, daß der Erstgeborene unabhängig leben könne.« Es ist bei Hegel eine gewisse Dezenz, der Anstand des Verstandes. Er will nicht das Majorat an und für sich, er will es nur in bezug auf ein andres, nicht als Selbstbestimmung, sondern als Bestimmtheit eines andren, nicht als Zweck, sondern als Mittel zu einem Zweck rechtfertigen und konstruieren. In Wahrheit ist das Majorat eine Konsequenz des exakten Grundbesitzes, das versteinerte Privateigentum, das Privateigentum (quand même |wenn auch|) in der höchsten Selbständigkeit und Schärfe seiner Entwicklung, und was Hegel als den Zweck, als das Bestimmende, als die prima causa |Hauptursache| des Majorats darstellt, ist vielmehr ein Effekt desselben, eine Konsequenz, die Macht des abstrakten Privateigentums über den politischen Staat, während Hegel das Majorat als die Macht des politischen Staates über das Privateigentum darstellt. Er macht die Ursache zur Wirkung und die Wirkung zur Ursache, das Bestimmende zum Bestimmten und das Bestimmte zum Bestimmenden.
Allein was ist der Inhalt der politischen Konstituierung, des politischen Zweckes, was ist der Zweck dieses Zweckes? Was seine Substanz? Das Majorat, der Superlativ des Privateigentums, das souveräne Privateigentum. Welche Macht übt der politische Staat über das Privateigentum im Majorat aus? Daß er es isoliert von der Familie und der Sozietät, daß er es zu seiner abstrakten Verselbständigung bringt. Welches ist also die Macht des politischen Staates über das Privateigentum? Die eigne Macht des Privateigentums, sein zur Existenz gebrachtes Wesen. Was bleibt dem politischen Staat im Gegensatz |305|* zu diesem Wesen übrig? Die Illusion, daß er bestimmt, wo er bestimmt wird Er bricht allerdings den Willen der Familie und der Sozietät, aber nur um dem Willen des familien- und sozietätslosen Privateigentums Dasein zu geben und dieses Dasein als das höchste Dasein des politischen Staates, als das höchste sittliche Dasein anzuerkennen.
Betrachten wir die verschiedenen Elemente, wie sie sich hier in der gesetzgebenden Gewalt, dem totalen, dem zur Wirklichkeit und zur Konsequenz, zum Bewußtsein gekommenen Staat, dem wirklichen politischen Staat verhalten, [im Zusammenhange] mit der ideellen oder sein sollenden, mit der logischen Bestimmung und Gestalt dieser Elemente.
(Das Majorat ist nicht, wie Hegel sagt, »eine Fessel, die der Freiheit des Privatrechts angelegt ist«, es ist vielmehr die »Freiheit des Privatrechts, die sich von allen sozialen und sittlichen Fesseln befreit hat«.) (»Die höchste politische Konstruktion ist hier die Konstruktion des abstrakten Privateigentums.«)
Ehe wir diese Vergleichung anstellen, ist noch ein näherer Blick auf eine Bestimmung des Paragraphen zu werfen, nämlich darauf, daß durch das Majorat das Vermögen des Bauernstandes, der Grundbesitz, das Privateigentum selbst gegen die eigene Willkür dadurch festgestellt ist, daß die für diese Bestimmung berufenen Mitglieder dieses Standes des Rechts der andern Bürger über ihr ganzes Eigentum frei zu disponieren, entbehren«.
Wir haben schon hervorgehoben, wie durch die »Unveräußerlichkeit« des Grundbesitzes die sozialen Nerven des Privateigentums abgeschnitten werden. Das Privateigentum (der Grundbesitz) ist gegen die eigne Willkür des Besitzers dadurch festgestellt, daß die Sphäre seiner Willkür aus einer allgemein menschlichen zur spezifischen Willkür des Privateigentums umgeschlagen, das Privateigentum zum Subjekt des Willens geworden ist; der Wille bloß mehr das Prädikat des Privateigentums ist. Das Privateigentum ist nicht mehr ein bestimmtes Objekt der Willkür, sondern die Willkür ist das bestimmte Prädikat des Privateigentums. Doch vergleichen wir, was Hegel selbst innerhalb der Sphäre des Privatrechts sagt:
§ 65 »Meines Eigentums kann ich mich entäußern, da es das meinige nur ist, insofern ich meinen Willen darin lege [...], aber nur insofern die Sache ihrer Natur nach ein Äußerliches ist.«
§ 66 »Unveräußerlich sind daher diejenigen Güter oder vielmehr substantiellen Bestimmungen, sowie das Recht an sie unverjährbar, welche meine eigenste Person und das allgemeine Wesen meines Selbstbewußtseins ausmachen, wie meine Persönlichkeit überhaupt, meine allgemeine Willensfreiheit, Sittlichkeit, Religion.«
Im Majorat wird also der Grundbesitz, das exakte Privateigentum, ein unveräußerliches Gut, also eine substantielle Bestimmung, welche die »eigenste |306| Person, das allgemeine Wesen des Selbstbewußtseins« des majoratsherrlichen Standes ausmachen, seine »Persönlichkeit überhaupt, seine allgemeine Willensfreiheit, Sittlichkeit, Religion«. Es ist daher auch konsequent, daß, wo das Privateigentum, der Grundbesitz unveräußerlich, dagegen die »allgemeine Willensfreiheit« (wozu auch die freie Disposition über ein Äußerliches, wie der Grundbesitz ist, gehört) und die Sittlichkeit (wozu die Liebe als der wirkliche, auch als das wirkliche Gesetz der Familie sich ausweisende Geist gehört) veräußerlich sind. Die »Unveräußerlichkeit« des Privateigentums ist in einem die »Veräußerlichkeit« der allgemeinen Willensfreiheit und Sittlichkeit. Das Eigentum ist hier nicht mehr, insofern »ich meinen Willen darin lege«, sondern mein Wille ist, »insofern er im Eigentum liegt«. Mein Wille besitzt hier nicht, sondern ist besessen. Das ist eben der romantische Kitzel der Majoratsherrlichkeit, daß hier das Privateigentum, also die Privatwillkür in ihrer abstraktesten Gestalt, daß der ganz bornierte, unsittliche, rohe Willen als die höchste Synthese des politischen Staates, als die höchste Entäußerung der Willkür, als der härteste, aufopferndste Kampf mit der menschlichen Schwäche erscheint, denn als menschliche Schwäche erscheint hier die Humanisierung, die Vermenschlichung des Privateigentums. Das Majorat ist das sich selbst zur Religion gewordene, das in sich selbst versunkene, von seiner Selbständigkeit und Herrlichkeit entzückte Privateigentum. Wie das Majorat der direkten Veräußerung, so ist es auch dem Vertrage entnommen. Hegel stellt den Übergang vom Eigenturn zum Vertrage folgendermaßen dar:
§ 71. »Das Dasein ist als bestimmtes Sein wesentlich Sein für anderes; [...] das Eigentum, nach der Seite, daß es ein Dasein als äußerliche Sache ist, ist für andere Äußerlichkeiten und im Zusammenhange dieser Notwendigkeit und Zufälligkeit. Aber als Dasein des Willens ist es als für anderes nur für den Willen einer anderen Person. Diese Beziehung von Willen auf Willen ist der eigentümliche und wahrhafte Boden, in welchem die Freiheit Dasein hat. Diese Vermittelung, Eigentum nicht mehr nur vermittelst einer Sache und meines subjektiven Willens zu haben, sondern ebenso vermittelst eines anderen Willens und hiermit in einem gemeinsamen Willen zu haben, macht die Sphäre des Vertrags aus.
(Im Majorat ist es zum Staatsgesetz gemacht, das Eigentum nicht in einem gemeinsamen Willen, sondern nur »vermittelst einer Sache und meines subjektiven Willens zu haben«.) Während Hegel hier im Privatrecht die Veräußerlichkeit und die Abhängigkeit des Privateigentums von einem gemeinsamen Willen als seinen wahren Idealismus auffaßt, wird umgekehrt im Staatsrecht die imaginäre Herrlichkeit eines unabhängigen Eigentums im Gegensatz zu der »Unsicherheit des Gewerbes, der Sucht des Gewinns, der Veränderlichkeit des Besitzes, der Abhängigkeit vom Staatsvermögen« gepriesen. Welch |307| ein Staat, der nicht einmal den Idealismus des Privatrechts ertragen kann? Welch eine Rechtsphilosophie, wo die Selbständigkeit des Privateigentums eine andere Bedeutung im Privatrecht als im Staatsrecht hat?
Gegen die rohe Stupidität des unabhängigen Privateigentums ist die Unsicherheit des Gewerbes elegisch, die Sucht des Gewinns pathetisch (dramatisch), die Veränderlichkeit des Besitzes ein ernstes Fatum (tragisch), die Abhängigkeit vom Staatsvermögen sittlich. Kurz, in allen diesen Qualitäten schlägt das menschliche Herz durch das Eigentum durch, es ist Abhängigkeit des Menschen vom Menschen. Wie sie immerhin an und für sich beschaffen sei, sie ist menschlich gegenüber dem Sklaven, der sich frei dünkt, weil die Sphäre, die ihn beschränkt, nicht die Sozietät, sondern die Scholle ist; die Freiheit dieses Willens ist seine Leerheit von anderem Inhalt als dem des Privateigentums.
Solche Mißgeburten wie das Majorat als eine Bestimmung des Privateigentums durch den politischen Staat zu definieren, ist überhaupt unumgänglich, wenn man eine alte Weltanschauung im Sinn einer neuen interpretiert, wenn man einer Sache, wie hier dem Privateigentum, eine doppelte Bedeutung, eine andere im Gerichtshof des abstrakten Rechts, eine entgegengesetzte im Himmel des politischen Staats gibt.
Wir kommen zu der oben angedeuteten Vergleichung.
§ 257 heißt es:
»Der Staat ist die Wirklichkeit der sittlichen Idee - der sittliche Geist als der offenbare, sich selbst deutliche, substantielle Wille ... An der Sitte hat er seine unmittelbare und an dem Selbstbewußtsein des Einzelnen ... seine vermittelte Existenz, so wie dieses durch die Gesinnung in ihm, als seinem Wesen, Zweck und Produkte seiner Tätigkeit, seine substantielle Freiheit hat.«
§ 268 heißt es:
»Die politische Gesinnung, der Patriotismus überhaupt, als die in Wahrheit stehende Gewißheit [...] und das zur Gewohnheit gewordene Wollen ist nur Resultat der im Staate bestehenden Institutionen, als in welchem die Vernünftigkeit wirklich vorhanden ist, so wie sie durch das ihnen gemäße Handeln ihre Betätigung erhält. - Diese Gesinnung ist überhaupt das Zutrauen (das zu mehr oder weniger gebildeter Einsicht übergehen kann|, - das Bewußtsein, daß mein substantielles und besonderes Interesse, im Interesse und Zwecke eines Andern (hier des Staats) als im Verhältnis zu mir als Einzelnen bewahrt und enthalten ist -, womit eben dieser unmittelbar kein Anderer für mich ist und Ich in diesem Bewußtsein frei bin.«
Die Wirklichkeit der sittlichen Idee erscheint hier als die Religion des Privateigentums (weil sich im Majorat das Privateigentum zu sich selbst auf religiöse Weise verhält, so kommt es, daß in unseren modernen Zeiten die |308| Religion überhaupt zu einer dem Grundbesitz inhärenten Qualität geworden ist und alle majoratsherrlichen Schriften voll religiöser Salbung sind. Die Religion ist die höchste Denkform dieser Brutalität). Der »offenbare, sich selbst deutliche, substantielle Wille« verwandelt sich in einen dunklen, an der Scholle gebrochenen Willen, der eben von der Undurchdringlichkeit des Elements, an dem er haftet, berauscht ist. »Die in Wahrheit stehende Gewißheit«, welche die »politische Gesinnung ist«, ist die auf »eigenem Boden« (im wörtlichen Sinne) stehende Gewißheit. Das zur »Gewohnheit gewordene« politische »Wollen« ist nicht mehr »nur Resultat« etc., sondern eine außer dem Staat bestehende Institution. Die politische Gesinnung ist nicht mehr das »Zutrauen«, sondern vielmehr das »Vertrauen, das Bewußtsein, daß mein substantielles und besonderes Interesse unabhängig vom Interesse und Zweck eines Andern (hier des Staats) im Verhältnis zu mir als Einzelnen« ist. Das ist das Bewußtsein meiner Freiheit vom Staate.
Die »Festhaltung des allgemeinen Staatsinteresses« etc. war (§ 289) die Aufgabe der »Regierungsgewalt«. In ihr residierte »die gebildete Intelligenz und das rechtliche Bewußtsein der Masse eines Volkes« (§ 297). Sie macht »eigentlich die Stände überflüssig«, denn sie »können ohne Stände das Beste tun, wie sie auch fortwährend bei den ständischen Versammlungen das Beste tun müssen« (§ 301 Anmerkung). Der »allgemeine, näher dem Dienst der Regierung sich widmende Stand hat unmittelbar zu seiner Bestimmung, das Allgemeine zum Zwecke seiner wesentlichen Tätigkeit zu haben« [§ 303].
Und wie erscheint der allgemeine Stand, die Regierungsgewalt jetzt? »Als vom Staat wesentlich abhängig«, als das »Vermögen, abhängig von der Gunst der Regierungsgewalt«. Dieselbe Umwandlung ist mit der bürgerlichen Gesellschaft vorgegangen, die früher in der Korporation ihre Sittlichkeit erreicht hat. Sie ist ein Vermögen, abhängig »von der Unsicherheit des Gewerbes« etc., von »der Gunst der Menge«.
Welches ist also die angeblich spezifische Qualität des Majoratsherrn? Und worin kann überhaupt die sittliche Qualität eines unveräußerlichen Vermögens bestehn? In der Unbestechlichkeit. Die Unbestechlichkeit erscheint als die höchste politische Tugend, eine abstrakte Tugend. Dabei ist die Unbestechlichkeit in dem von Hegel konstruierten Staat etwas so Apartes, daß sie als eine besondre politische Gewalt konstruiert werden muß, also eben dadurch bewußt, daß sie nicht der Geist des politischen Staates, nicht die Regel, sondern die Ausnahme ist, und als solche Ausnahme ist sie konstruiert. Man besticht die Majoratsherren durch ihr unabhängiges Eigentum, um sie vor der Bestechlichkeit zu konservieren. Während nach der Idee die Abhängigkeit |309|* vom Staat und das Gefühl dieser Abhängigkeit die höchste politische Freiheit sein sollte, weil sie die Empfindung der Privatperson als einer abstrakten, abhängigen Person ist und diese vielmehr sich erst als Staatsbürger unabhängig fühlt und fühlen soll, wird hier die unabhängige Privatperson konstruiert. »Ihr Vermögen ist [ebenso] unabhängig vom Staatsvermögen als von der Unsicherheit des Gewerbes« etc. Ihr steht gegenüber »der Stand des Gewerbes, als der vom Bedürfnis abhängige und darauf hingewiesene, und allgemeine Stand, als vom Staat wesentlich abhängig«. Hier ist also Unabhängigkeit vom Staat und der bürgerlichen Gesellschaft, und diese verwirklichte Abstraktion von beiden, die realiter die rohste Abhängigkeit von der Scholle ist, bildet in der gesetzgebenden Gewalt die Vermittelung und die Einheit beider. Das unabhängige Privatvermögen, d.h. das abstrakte Privatvermögen und die ihm entsprechende Privatperson, sind die höchste Konstruktion des politischen Staates. Die politische »Unabhängigkeit« ist konstruiert als das »unabhängige Privateigentum« und die »Person dieses unabhängigen Privateigentums«. Wir werden im nächsten sehn, wie es mit der »Unabhängigkeit« und »Unbestechlichkeit« und der daraus hervorgehenden Staatsgesinnung re vera |in Wirklichkeit| steht.
Daß das Majorat Erbgut ist, spricht von selbst. Das Nähere hierüber später. Daß es, wie Hegel im Zusatz bemerkt, der Erstgeborne ist, ist rein historisch.
§ 307. »Das Recht dieses Teils des substantiellen Standes ist auf diese Weise zwar einerseits auf das Naturprinzip der Familie gegründet, dieses aber zugleich durch harte Aufopferungen für den politischen Zweck verkehrt, womit dieser Stand wesentlich an die Tätigkeit für diesen Zweck angewiesen und gleichfalls in Folge hiervon ohne die Zufälligkeit einer Wahl durch die Geburt dazu berufen und berechtigt ist.«
Inwiefern das Recht dieses substantiellen Standes auf das Naturprinzip der Familie gegründet ist, hat Hegel nicht entwickelt, es sei denn, daß er hierunter verstehe, daß der Grundbesitz als Erbgut existiert. Damit ist kein Recht dieses Standes im politischen Sinne entwickelt, sondern nur das Recht der Majoratsherrn auf den Grundbesitz per Geburt. »Dieses«, das Naturprinzip der Familie, ist »aber zugleich durch harte Aufopferungen für den politischen Zweck verkehrt«. Wir haben allerdings gesehn, wie hier »das Naturprinzip der Familie verkehrt« wird, wie dies aber »keine harte Aufopferung für den politischen Zweck«, sondern nur die verwirklichte Abstraktion des Privateigentums ist. Vielmehr wird durch diese Verkehrung des Naturprinzipes der Familie ebenso der politische Zweck verkehrt, »womit(?) dieser Stand |310| wesentlich an die Tätigkeit für diesen Zweck angewiesen - durch die Verselbständigung des Privateigentums? - »und gleichfalls in Folge hiervon ohne die Zufälligkeit einer Wahl durch die Geburt dazu berufen und berechtigt«.
Hier ist also die Partizipation an der gesetzgebenden Gewalt ein angebornes Menschenrecht. Hier haben wir geborene Gesetzgeber, die geborene Vermittelung des politischen Staates mit sich selbst. Man hat sich, besonders von seiten der Majoratsherrn, sehr mokiert über die angebornen Menschenrechte. Ist es nicht komischer, daß einer besondern Menschenrasse das Recht der höchsten Würde der gesetzgebenden Gewalt anvertraut ist? Nichts ist lächerlicher, als daß Hegel die Berufung zum Gesetzgeber, zum Repräsentant des Staatsbürgertums durch die »Geburt« der Berufung durch »die Zufälligkeit einer Wahl« entgegenstellt. Als wenn die Wahl, das bewußte Produkt des bürgerlichen Vertrauens, nicht in einem ganz andern notwendigen Zusammenhang mit dem politischen Zweck stände, als der physische Zufall der Geburt. Hegel sinkt überall von seinem politischen Spiritualismus in den krassesten Materialismus herab. Auf den Spitzen des politischen Staates ist es überall die Geburt, welche bestimmte Individuen zu Inkorporationen der höchsten Staatsaufgaben macht. Die höchsten Staatstätigkeiten fallen mit den Individuen durch die Geburt zusammen, wie die Stelle des Tiers, sein Charakter, Lebensweise etc. unmittelbar ihm angeboren wird. Der Staat in seinen höchsten Funktionen erhält eine tierische Wirklichkeit. Die Natur rächt sich an Hegel wegen der ihr bewiesenen Verachtung. Wenn die Materie nichts für sich mehr sein sollte gegen den menschlichen Willen, so behält hier der menschliche Wille nichts mehr für sich außer der Materie.
Die falsche Identität, die fragmentarische, stellenweise Identität zwischen Natur und Geist, Körper und Seele, erscheint als Inkorporation. Da die Geburt dem Menschen nur das individuelle Dasein gibt und ihn zunächst nur als natürliches Individuum setzt, die staatlichen Bestimmungen wie die gesetzgebende Gewalt etc. aber soziale Produkte, Geburten der Sozietät und nicht Zeugungen des natürlichen Individuums sind, so ist eben die unmittelbare Identität, das unvermittelte Zusammenfallen zwischen der Geburt des Individuums und dem Individuum als Individuation einer bestimmten sozialen Stellung, Funktion etc. das Frappante, das Wunder. Die Natur macht in diesem System unmittelbar Könige, sie macht unmittelbar Pairs etc., wie sie Augen und Nasen macht. Das Frappante ist, als unmittelbares Produkt der physischen Gattung zu sehn, was nur das Produkt der selbstbewußten Gattung ist. Mensch bin ich durch die Geburt ohne die Übereinstimmung der Gesellschaft, Pair oder König wird diese bestimmte Geburt erst durch die allgemeine |311| Übereinstimmung. Die Übereinstimmung macht die Geburt dieses Menschen erst zur Geburt eines Königs: also ist es die Übereinstimmung und nicht die Geburt, die den König macht. Wenn die Geburt, im Unterschied von den andern Bestimmungen, dem Menschen unmittelbar eine Stellung gibt so macht ihn sein Körper zu diesem bestimmten sozialen Funktionär. Sein Körper ist sein soziales Recht. In diesem System erscheint die körperliche Würde des Menschen oder die Würde des menschlichen Körpers (was weiter ausgeführt lauten kann: die Würde des physischen Naturelements des Staats| so, daß bestimmte, und zwar die höchsten sozialen Würden die Würden bestimmter durch die Geburt prädestinierter Körper sind. Es ist daher bei dem Adel natürlich der Stolz auf das Blut, die Abstammung, kurz die Lebensgeschichte ihres Körpers; es ist natürlich diese zoologische Anschauungsweise, die in der Heraldik die ihr entsprechende Wissenschaft besitzt. Das Geheimnis des Adels ist die Zoologie.
Es sind zwei Momente bei dem erblichen Majorat hervorzuheben:
1. Das Bleibende ist das Erbgut, der Grundbesitz. Es ist das Beharrende in dem Verhältnis die Substanz. Der Majoratsherr, der Besitzer, ist eigentlich nur Akzidens. Der Grundbesitz anthropomorphisiert sich in den verschiedenen Geschlechtern. Der Grundbesitz erbt gleichsam immer den Erstgebornen des Hauses als das an es gefesselte Attribut. Jeder Erstgeborne in der Reihe der Grundbesitzer ist das Erbteil, das Eigentum des unveräußerlichen Grundbesitzes, die prädestinierte Substanz seines Willens und seiner Tätigkeit. Das Subjekt ist die Sache und das Prädikat der Mensch. Der Wille wird zum Eigentum des Eigentums.
2. Die politische Qualität des Majoratsherren ist die politische Qualität seines Erbguts, eine diesem Erbgut inhärente politische Qualität. Die politische Qualität erscheint hier also ebenfalls als Eigentum des Grundeigentums, als eine Qualität, die unmittelbar der rein physischen Erde (Natur) zukommt.
Was das erste angeht, so folgt daraus, daß der Majoratsherr der Leibeigene des Grundeigentums ist und daß in den Leibeigenen, die ihm untertan sind, nur die praktische Konsequenz des theoretischen Verhältnisses erscheint, in welchem er selbst sich zu dem Grundbesitz befindet. Die Tiefe der germanischen Subjektivität erscheint überall als die Roheit einer geistlosen Objektivität.
Es ist hier auseinanderzusetzen das Verhältnis 1. zwischen Privateigentum und Erbschaft, 2. zwischen Privateigentum, Erbschaft und dadurch dem Privilegium gewisser Geschlechter auf Teilnahme an der politischen Souveränität, 3. das wirkliche historische Verhältnis oder das germanische Verhältnis.
|312| Wir haben gesehn, daß das Majorat die Abstraktion des »unabhängigen Privateigentums ist. Es schließt sich eine zweite Konsequenz hieran an. Die Unabhängigkeit, die Selbständigkeit in dem politischen Staat, dessen Konstruktion wir bisher verfolgt haben, ist das Privateigentum, was auf seiner Spitze als unveräußerlicher Grundbesitz erscheint. Die politische Unabhängigkeit fließt daher nicht ex proprio sinu |aus dem eigenen Wesen| des politischen Staats, sie ist keine Gabe des politischen Staats an seine Glieder, sie ist nicht der ihn beseelende Geist, sondern die Glieder des politischen Staats empfangen ihre Unabhängigkeit von einem Wesen, welches nicht das Wesen des politischen Staats ist, von einem Wesen des abstrakten Privatrechts, vom abstrakten Privateigentum. Die politische Unabhängigkeit ist ein Akzidens des Privateigentums, nicht die Substanz des politischen Staats. Der politische Staat und in ihm die gesetzgebende Gewalt, wie wir gesehn, ist das enthüllte Mysterium von dem wahren Wert und Wesen der Staatsmomente. Die Bedeutung, die das Privateigentum im politischen Staat hat, ist seine wesentliche, seine wahre Bedeutung; die Bedeutung, die der Standesunterschied im politischen Staat hat, ist die wesentliche Bedeutung des Standesunterschiedes. Ebenso kommt das Wesen der fürstlichen [Macht] und der Regierung in der »gesetzgebenden Gewalt« zur Erscheinung. Hier, in der Sphäre des politischen Staates, ist es, daß sich die einzelnen Staatsmomente zu sich als dem Wesen der Gattung, als dem »Gattungswesen« verhalten; weil der politische Staat die Sphäre ihrer allgemeinen Bestimmung, ihre religiöse Sphäre ist. Der politische Staat ist der Spiegel der Wahrheit für die verschiedenen Momente des konkreten Staats.
Wenn also das »unabhängige Privateigentum« im politischen Staat, in der gesetzgebenden Gewalt, die Bedeutung der politischen Unabhängigkeit hat, so ist es die politische Unabhängigkeit des Staats. Das »unabhängige Privateigentum« oder das »wirkliche Privateigentum« ist dann nicht nur die »Stütze der Verfassung«, sondern die »Verfassung selbst«. Und die Stütze der Verfassung ist doch wohl die Verfassung der Verfassungen, die primäre, die wirkliche Verfassung?
Hegel machte bei Konstruierung des erblichen Monarchen, gleichsam selbst überrascht über »die immanente Entwicklung einer Wissenschaft, die Ableitung ihres ganzen Inhaltes aus dem einfachen Begriffe« (§ 279 Anmerkung), die Bemerkung:
»So ist es das Grundmoment der zuerst im unmittelbaren Rechte abstrakten Persönlichkeit, welches sich durch seine verschiedenen Formen von Subjektivität fortgebildet hat und hier im absoluten Rechte, dem Staate, der vollkommen |313| konkreten Objektivität des Willens, die Persönlichkeit des Staats ist, seine Gewißheit seiner selbst.«
D.h., im politischen Staat kommt es zur Erscheinung, daß die »abstrakte Persönlichkeit« die höchste politische Persönlichkeit, die politische Basis des ganzen Staats ist. Ebenso kommt im Majorat das Recht dieser abstrakten Persönlichkeit, ihre Objektivität, das »abstrakte Privateigentum« als die höchste Objektivität des Staates, als sein höchstes Recht zum Dasein.
Der Staat ist erblicher Monarch, abstrakte Persönlichkeit heißt nichts als die Persönlichkeit des Staats ist abstrakt, oder es ist der Staat der abstrakten Persönlichkeit, wie denn auch die Römer das Recht des Monarchen rein innerhalb der Normen des Privatrechts oder das Privatrecht als die höchste Norm des Staatsrechts entwickelt haben.
Die Römer sind die Rationalisten, die Germanen die Mystiker des souveränen Privateigentums.
Hegel bezeichnet das Privatrecht als das Recht der abstrakten Persönlichkeit oder als das abstrakte Recht. Und in Wahrheit muß es als die Abstraktion des Rechts und damit als das illusorische Recht der abstrakten Persönlichkeit entwickelt werden, wie die von Hegel entwickelte Moral das illusorische Dasein der abstrakten Subjektivität ist. Hegel entwickelt das Privatrecht und die Moral als solche Abstraktionen, woraus bei ihm nicht folgt, daß der Staat, die Sittlichkeit, die sie zu Voraussetzungen hat, nichts als die Sozietät (das soziale Leben) dieser Illusionen sein kann, sondern umgekehrt geschlossen wird, daß sie subalterne Momente dieses sittlichen Lebens sind. Aber was ist das Privatrecht anders als das Recht, und die Moral anders als die Moral dieser Staatssubjekte? Oder vielmehr die Person des Privatrechts und das Subjekt der Moral sind die Person und das Subjekt des Staats. Man hat Hegel vielfach angegriffen über seine Entwicklung der Moral. Er hat nichts getan als die Moral des modernen Staats und des modernen Privatrechts entwickelt. Man hat die Moral mehr vom Staat trennen, sie mehr emanzipieren wollen. Was hat man damit bewiesen? Daß die Trennung des jetzigen Staats von der Moral moralisch ist, daß die Moral unstaatlich und der Staat unmoralisch ist. Es ist vielmehr ein großes, obgleich nach einer Seite hin (nämlich nach der Seite hin, daß Hegel den Staat, der eine solche Moral zur Voraussetzung hat, für die reale Idee der Sittlichkeit ausgibt) unbewußtes Verdienst Hegels, der modernen Moral ihre wahre Stellung angewiesen zu haben.
In der Verfassung, worin das Majorat eine Garantie ist, ist das Privateigentum die Garantie der politischen Verfassung. Im Majorat erscheint das so, daß eine besondere Art von Privateigentum diese Garantie ist. Das Majorat |314| ist bloß eine besondere Existenz des allgemeinen Verhältnisses von Privateigentum und politischem Staat. Das Majorat ist der politische Sinn des Privateigentums, das Privateigentum in seiner politischen Bedeutung, d.h. in seiner allgemeinen Bedeutung. Die Verfassung ist also hier Verfassung des Privateigentums.
Wo wir das Majorat in seiner klassischen Ausbildung antreffen, bei den germanischen Völkern, finden wir auch die Verfassung des Privateigentums. Das Privateigentum ist die allgemeine Kategorie, das allgemeine Staatsband. Selbst die allgemeinen Funktionen erscheinen als Privateigentum bald einer Korporation, bald eines Standes.
Handel und Gewerbe sind in ihren besondern Nuancen das Privateigentum besonderer Korporationen. Hofwürden, Gerichtsbarkeit etc. sind das Privateigentum besonderer Stände. Die verschiedenen Provinzen sind das Privateigentum einzelner Fürsten etc. Der Dienst für das Land etc. ist das Privateigentum des Herrschers. Der Geist ist das Privateigentum der Geistlichkeit. Meine pflichtgemäße Tätigkeit ist das Privateigentum eines andern, wie mein Recht wieder ein besondres Privateigentum ist. Die Souveränität, hier die Nationalität, ist das Privateigentum des Kaisers.
Man hat oft gesagt, daß im Mittelalter jede Gestalt des Rechts, der Freiheit, des sozialen Daseins als ein Privilegium, als eine Ausnahme von der Regel erscheint. Man konnte das empirische Faktum dabei nicht übersehn, daß diese Privilegien alle in der Form des Privateigentums erscheinen. Was ist der allgemeine Grund dieses Zusammenfallens? Das Privateigentum ist das Gattungsdasein des Privilegiums, des Rechts als einer Ausnahme.
Wo die Fürsten, wie in Frankreich, die Unabhängigkeit des Privateigentums angriffen, attentierten sie das Eigentum der Korporationen, ehe sie das Eigentum der Individuen attentierten. Aber indem sie das Privateigentum der Korporationen angriffen, griffen sie das Privateigentum als Korporation als das soziale Band an.
In der Lehensherrschaft erscheint es gradezu, daß die fürstliche Macht die Macht des Privateigentums ist, und in der fürstlichen Macht ist das Mysterium niedergelegt, was die allgemeine Macht, was die Macht aller Staatskreise ist.
(In dem Fürsten als dem Repräsentanten der Staatsmacht ist ausgesprochen, was das Mächtige des Staats ist. Der konstitutionelle Fürst drückt daher die Idee des konstitutionellen Staates in ihrer schärfsten Abstraktion aus. Er ist einerseits die Idee des Staats, die geheiligte Staatsmajestät, und zwar als diese Person. Zugleich ist er eine bloße Imagination, er hat als Person und als Fürst weder wirkliche Macht noch wirkliche Tätigkeit. Es ist hier die Trennung der politischen und wirklichen, der formellen und materiellen, der |315| allgemeinen und individuellen Person, des Menschen und des sozialen Menschen in ihrem höchsten Widerspruch ausgedrückt.)
Das Privateigentum ist römischen Verstandes und germanischen Gemüts. Es wird an diesem Ort belehrend sein, eine Vergleichung zwischen diesen beiden extremen Entwicklungen desselben anzustellen. Es wird uns dies zur Lösung des besprochenen politischen Problems behilflich sein.
Die Römer haben eigentlich erst das Recht des Privateigentums, das abstrakte Recht, das Privatrecht, das Recht der abstrakten Person ausgebildet. Das römische Privatrecht ist das Privatrecht in seiner klassischen Ausbildung. Wir finden aber nirgends bei den Römern, daß das Recht des Privateigentums, wie bei den Deutschen, mystifiziert worden wäre. Es wird auch nirgends zum Staatsrecht.
Das Recht des Privateigentums ist das jus utendi et abutendi |Recht der Nutzung und Verfügung|, das Recht Willkür über die Sache. Das Hauptinteresse der Römer besteht darin, die Verhältnisse zu entwickeln und zu bestimmen, welche sich als abstrakte Verhältnisse des Privateigentums ergeben. Der eigentliche Grund des Privateigentums, der Besitz, ist ein Faktum, ein unerklärliches Faktum, kein Recht. Erst durch juristische Bestimmungen, die die Sozietät dem faktischen Besitz gibt erhält er die Qualität des rechtlichen Besitzes, des Privateigentums.
Was bei den Römern den Zusammenhang zwischen politischer Verfassung und Privateigentum betrifft, so erscheint:
1. Der Mensch (als Sklave), wie bei den alten Völkern überhaupt, als Gegenstand des Privateigentums.
Das ist nichts Spezifisches.
2. Die eroberten Länder werden als Privateigentum behandelt, das jus utendi et abutendi wird in ihnen geltend gemacht.
3. In ihrer Geschichte selbst erscheint der Kampf zwischen Armen und Reichen (Patriziern und Plebejern) etc.
Im übrigen macht sich das Privateigentum im Ganzen, wie bei den alten klassischen Völkern überhaupt, als öffentliches Eigentum geltend, entweder, e in den guten Zeiten, als Aufwand der Republik, oder als luxuriöse und gemeine Wohltat (Bäder etc.) gegen den Haufen.
Die Art und Weise, wie die Sklaverei erklärt wird, ist das Kriegsrecht, das Recht der Okkupation: eben weil ihre politische Existenz vernichtet ist, sind sie Sklaven.
Zwei Verhältnisse heben wir hauptsächlich im Unterschied von den Germanen hervor.
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