MLWerke | 1843 | Marx/Engels

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/ Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 1. Berlin/DDR. 1962. S. 152-171.
1,5. Korrektur
Erstellt am 30.08.1999

Karl Marx

Das Verbot der »Leipziger Allgemeinen Zeitung«

Das Verbot der »Leipziger Allgemeinen Zeitung« für den preußischen Staat
Die »Kölnische Zeitung« und das Verbot der »Leipziger Allgemeinen Zeitung«
Die gute und die schlechte Presse

Replik auf den Angriff eines »gemäßigten« Blattes
Replik auf die Denunziation eines »benachbarten« Blattes
Die Denunziation der »Kölnischen« und die Polemik der »Rhein- und Mosel-Zeitung«
Die »Rhein- und Mosel-Zeitung«


Das Verbot der »Leipziger Allgemeinen Zeitung« für den preußischen Staat

[»Rheinische Zeitung« Nr. 1 vom 1. Januar 1843]

|152| * Köln, 31. Dezember. Die deutsche Presse beginnt das neue Jahr unter scheinbar trüben Auspizien. Das soeben erfolgte Verbot der »Leipziger Allgemeinen Zeitung« für die preußischen Staaten widerlegt wohl schlagend genug alle selbstgefälligen Träume der Leichtgläubigen von den großen Konzessionen der Zukunft. Da die »Leipziger Allgemeine Zeitung«, die unter sächsischer Zensur erscheint, wegen ihrer Besprechung der preußischen Angelegenheiten verboten wird, so wird damit zugleich die Hoffnung einer zensurfreien Besprechung unserer innern Angelegenheiten verboten. Das ist eine faktische Konsequenz, die niemand ableugnen wird.

Die Hauptvorwürfe, die gegen die »Leipziger Allgemeine Zeitung« verlautbarten, waren ungefähr folgende:

»Sie bringe Gerücht auf Gerücht, und hinterher erweise sich mindestens die Hälfte als falsch. Zudem halte sie sich nicht an die Tatsachen, sondern spähe nach den Triebfedern; und wie falsch ihr Urteil hier oftmals auch sei, immer spreche sie dasselbe mit dem Pathos der Unfehlbarkeit und oft mit der gehässigsten Leidenschaft aus. Ihr Treiben sei unstät, ›indiskret‹, ›unfertig‹, mit einem Worte ein schlechtes Treiben.«

Angenommen, diese Anschuldigungen seien sämtlich begründet, sind es Anschuldigungen gegen den willkürlichen Charakter der »Leipziger Allgemeinen Zeitung«, oder sind es nicht vielmehr Anschuldigungen gegen den notwendigen Charakter der eben erst entstehenden jungen Volkspresse? Handelt es sich nur um die Existenz einer gewissen Art von Presse oder handelt es sich um die Nichtexistenz der wirklichen Presse, d.h. der Volkspresse?

Die französische, die englische, jede Presse hat in derselben Art und |153| Weise begonnen wie die deutsche Presse, und jede dieser Pressen bat dieselben Vorwürfe verdient und erhalten. Die Presse ist nichts und soll nichts sein als das laute, freilich »oft leidenschaftliche und im Ausdruck übertreibende und fehlgreifende tägliche Denken und Fühlen eines wirklich als Volk denkenden Volkes«. Daher ist sie wie das Leben, immer werdend, nie fertig. Sie steht im Volke und fühlt all sein Hoffen und sein Fürchten, sein Lieben und sein Rassen, seine Freuden und seine Leiden ehrlich mit. Was sie hoffend und fürchtend erlauscht, verkündet sie laut und urteilt darüber heftig, leidenschaftlich, einseitig, wie ihr Gemüt und Gedanken im Augenblicke bewegt sind. Das Irrige in Tatsachen und Urteilen, was sie heute brachte, wird sie morgen widerlegen. Sie ist die eigentliche »naturwüchsige« Politik, die ihre Gegner ja sonst zu lieben pflegen.

Die Vorwürfe, die in den letzten Tagen in einem Atem der jungen »Presse« gemacht wurden, hoben sich wechselseitig auf. Seht, sagte man, welche feste, gehaltene, bestimmte Politik haben englische und französische Blätter. Sie basieren auf dem wirklichen Leben, ihre Ansicht ist die Ansicht einer vorhandenen fertigen Macht, sie doktrinieren das Volk nicht, sie sind die wirklichen Doktrinen des Volkes und seiner Parteien. Ihr aber sprecht nicht die Gedanken, die Interessen des Volkes aus, ihr macht sie erst oder schiebt sie ihm vielmehr unter. Ihr schafft den Parteigeist. Ihr seid nicht seine Schöpfungen. So wird es der Presse zum Vorwurf gemacht, bald, daß keine politischen Parteien bestehen, bald, daß sie diesem Mangel abhelfen und politische Parteien schaffen will. Aber es versteht sich von selbst. Wo die Presse jung ist, ist der Volksgeist jung, und das tägliche laute politische Denken eines eben erst erwachenden Volksgeistes wird unfertiger, formloser, übereilter sein als das eines Volksgeistes, der in politischen Kämpfen groß und stark und selbstgewiß geworden ist. Vor allem das Volk, dessen politischer Sinn erst erwacht, fragt weniger nach der faktischen Richtigkeit dieser oder jener Begebenheit als nach ihrer sittlichen Seele, mit welcher sie wirkt; Tatsache oder Fabel, sie bleibt eine Verkörperung der Gedanken, Befürchtungen, Hoffnungen des Volks, ein wahres Märchen. Das Volk sieht dies, sein Wesen, in dem Wesen seiner Presse abgespiegelt, und wo es dies nicht sähe, würde es sie als ein Unwesentliches keiner Teilnahme würdigen, denn ein Volk läßt sich nicht betrügen. Mag sich daher die junge Presse täglich kompromittieren, mögen schlechte Leidenschaften in sie eindringen, das Volk erblickt in ihr seinen eigenen Zustand und weiß, daß trotz allem Gift, was die Bosheit oder der Unverstand herbeischleppt, ihr Wesen immer wahr und rein bleibt und das Gift in ihrem immer bewegten, immer vollen Strome zur Wahrheit und zur heilsamen Arznei wird. Es weiß, daß seine Presse seine Sünden trägt, sich|154|für es erniedrigt und zu seinem Ruhme, auf Vornehmigkeit, Suffisance und Unwiderleglichkeit verzichtend, die Rose des sittlichen Geistes innerhalb der Dornen der Gegenwart darstellt.

Wir müssen also die Vorwürfe, die man der »Leipziger Allgemeinen Zeitung« gemacht hat, als Vorwürfe gegen die junge Volkspresse, also gegen die wirkliche Presse betrachten, denn es versteht sich von selbst, daß die Presse nicht wirklich werden kann, ohne ihre notwendigen, in ihrem Wesen begründeten Entwicklungsstadien durchzumachen. Wir müssen aber die Verwerfung der Volkspresse für eine Verwerfung des politischen Volksgeistes erklären. Und dennoch haben wir im Beginn unseres Artikels die Auspizien der deutschen Presse als scheinbar trübe bezeichnet. Und so ist es, denn der Kampf gegen ein Dasein ist die erste Form seiner Anerkennung, seiner Wirklichkeit und seiner Macht. Und nur der Kampf kann sowohl die Regierung als das Volk, als die Presse selbst von der wirklichen und notwendigen Berechtigung der Presse überzeugen. Nur er kann zeigen, ob sie eine Konzession oder eine Notwendigkeit, eine Illusion oder eine Wahrheit ist. 

Die »Kölnische Zeitung« und das Verbot der »Leipziger Allgemeinen Zeitung«

[»Rheinische Zeitung« Nr. 4 vom 4. Januar 1843]

* Köln, 3. Januar. Die »Kölnische Zeitung« brachte in ihrer Nummer vom 31. Dezember einen »Leipzig 27.« bezeichneten Korrespondenzartikel, der beinahe frohlockend das Verbot der »Leipziger Allgemeinen Zeitung« mitteilte, während die Kabinettsordre, welche das Verbot jener Zeitung dekretiert und in der gestern hier eingetroffenen »Staatszeitung« enthalten ist, vom 28. Dezember datiert. Das Rätsel löst sich einfach durch die Bemerkung, daß am 31. Dezember die Nachricht von dem Verbote der »Leipziger Allgemeinen Zeitung« bei hiesiger Post eintraf und die »Kölnische Zeitung« es angemessen fand, nicht nur eine Korrespondenz, sondern auch einen Korrespondenten zu schreiben und ihrer eigenen Stimme die gute Stadt Leipzig zum Domizil anzuweisen. Die »merkantile« Phantasie der »Kölnischen Zeitung« war so »gewandt«, die Begriffe zu verwechseln. Sie erblickte die Residenz der »Kölnischen Zeitung« in Leipzig, weil die Residenz der »Leipziger Zeitung« in Köln eine Unmöglichkeit geworden. Sollte die Redaktion der »Kölnischen Zeitung« auch bei kälterem Nachdenken das Spiel ihrer Phantasie als eine trockene Wahrheit der Tatsache verteidigen wollen, so würden wir uns genötigt sehen, |155| in bezug auf die mystische Korrespondenz aus Leipzig noch eine Tatsache mitzuteilen, die

»alle Schranken des Anstandes überschreitet und auch bei uns jedem Gemäßigten und Besonnenen als eine unbegreifliche Indiskretion«

erscheinen wird.

Was das Verbot der »Leipziger Allgemeinen Zeitung« selbst betrifft, so haben wir unsere Ansicht ausgesprochen. Wir haben nicht die an der »Leipziger Allgemeinen Zeitung« gerügten Mängel als aus der Luft gegriffen bestritten, aber wir haben behauptet, daß es Mängel sind, welche aus dem Wesen der Volkspresse selbst hervorgehen, also in ihrem Entwicklungsgang geduldet werden müssen, wenn man ihren Entwicklungsgang überhaupt dulden will.

Die »Leipziger Allgemeine Zeitung« ist nicht die ganze deutsche Volkspresse, aber sie ist ein notwendiger integrierender Teil derselben. Die verschiedenen Elemente, welche die Natur der Volkspresse bilden, müssen bei naturgemäßer Entwickelung derselben zunächst jedes für sich seine eigentümliche Ausbildung finden. Der ganze Körper der Volkspresse wird also in verschiedene Zeitungen von verschiedenen, sich wechselweise ergänzenden Charakteren zerfallen, und wenn z.B. in der einen die politische Wissenschaft, wird in der andern die politische Praxis, wenn in der einen der neue Gedanke, wird in der andern die neue Tatsache das vorwiegende Interesse bilden. Nur dadurch, daß die Elemente der Volkspresse ihre ungehinderte, selbständige und einseitige Entwickelung erhalten und sich in verschiedene Organe verselbständigen, kann die »gute« Volkspresse gebildet werden, d.h. die Volkspresse, die alle wahren Momente des Volksgeistes harmonisch in sich vereinigt, so daß in jeder Zeitung der wirkliche sittliche Geist ebenso ganz gegenwärtig ist wie in jedem Blatt der Rose ihr Duft und ihre Seele. Aber damit die Presse ihre Bestimmung erreiche, ist es vor allem notwendig, ihr keine Bestimmung von außen vorzuschreiben und ihr jene Anerkennung zu gewähren, die man selbst der Pflanze zu gewähren gewohnt ist, die Anerkennung ihrer innern Gesetze, denen sie nicht nach Willkür sich entziehen darf und kann.

Die gute und die schlechte Presse

[»Rheinische Zeitung« Nr. 6 vom 6. Januar 1843]

* Köln, 5. Januar. Wir haben schon manches in abstracto über den Unterschied der »guten« und der »schlechten« Presse hören müssen. Veranschaulichen wir einmal den Unterschied an einem Beispiel!

|156| Die »Elberfelder Zeitung« vom 5. Januar bezeichnet sich selbst in einem von Elberfeld datierten Artikel als »gute Presse«. Die »Elberfelder Zeitung« vom 5. Januar bringt folgende Notiz:

»Berlin, 30. Dezember. Das Verbot der ›Leipziger Allgemeinen Zeitung‹ hat hier im ganzen einen geringen Eindruck gemacht.«

Dagegen berichtet die »Düsseldorfer Zeitung« übereinstimmend mit der »Rheinischen Zeitung«:

»Berlin, 1. Januar. Das unbedingte Verbot der ›Leipziger Allgemeinen Zeitung‹ erregt hier die größte Sensation, da die Berliner dieselbe sehr gerne lasen« etc.

Welche Presse, die »gute« oder die »schlechte« Presse, ist nun die »wahre« Presse! Welche spricht die Wirklichkeit und welche spricht die gewünschte Wirklichkeit aus! Welche stellt die öffentliche Meinung dar, und welche entstellt die öffentliche Meinung! Welche verdient also das Staatsvertrauen?

Mit der Erklärung der »Kölnischen Zeitung« sind wir wenig zufriedengestellt. Sie beschränkt sich in ihrer Replik auf unsere Bemerkung über ihre »beinahe frohlockende« Ankündigung des Verbots der »Leipziger Allgemeinen Zeitung« nicht nur auf den statistischen Teil, sondern auf einen Druckfehler. Die »Kölnische Zeitung« wird wohl selbst wissen, daß in dem Passus:

»Das Rätsel löst sich einfach durch die Bemerkung, daß am 31. Dezember die Nachricht von dem Verbote der ›Leipziger Allgemeinen Zeitung‹ bei hiesiger Post eintraf« - stehen mußte und nur durch einen Druckfehler nicht steht: »am 30. Dezember«. Am 30. Dezember mittags erhielt nämlich, was wir nötigenfalls beweisen können, die »Rheinische«, also wohl auch die »Kölnische« Zeitung diese Nachricht von der hiesigen Post.

Replik auf den Angriff eines »gemäßigten« Blattes

[»Rheinische Zeitung« Nr. 8 vom 8. Januar 1843]

* Köln, 7. Januar. Ein gemäßigtes rheinisches Blatt, wie die »Allgemeine Augsburger Zeitung« in ihrer diplomatischen Sprache sagt, d.h. ein Blatt von mäßigen Kräften, sehr mäßigem Charakter und allermäßigstem Verstand, hat unsere Behauptung: »Die ›Leipziger Allgemeine Zeitung‹ ist ein notwendiger integrierender Teil der deutschen Volkspresse«, in die Behauptung umgestellt, die Lüge sei ein notwendiger Teil der Presse. Wir wollen keinen großen Anstoß daran nehmen, daß dieses mäßige Blatt einen einzelnen Satz aus unserm Räsonnement herausreißt und die im quästionierten Artikel wie in einem früheren gegebene Auseinandersetzung seiner hohen und ehrenvollen |157|* Berücksichtigung nicht wert erachtet hat. So wenig wir an jemanden die Anforderung stellen, aus seiner eigenen Haut herauszuspringen, so wenig dürfen wir verlangen, ein Individuum oder eine Partei solle über ihre geistige Haut, über die Schranken ihres Verstandeshorizontes einen salto mortale wagen, am wenigsten eine Partei, der ihre Beschränktheit für Heiligkeit gilt. Wir erörtern also nicht, was jene Bewohnerin des intellektuellen Mittelreiches tun mußte, um uns zu widerlegen, wir erörtern nur ihre wirklichen Taten.

Zunächst werden die alten Sünden der »Leipziger Allgemeinen Zeitung« aufgezählt, ihr Verhalten zu den hannoverschen Angelegenheiten, ihre Parteipolemik gegen den Katholizismus (hinc illae lacrimae! |daher diese Tränen!| würde unsere Freundin dasselbe Verhalten, nur nach entgegengesetzter Richtung hin, zu den Todsünden der »Münchener politischen Blätter« zählen?), ihre Klatschereien etc. etc. Es fällt uns hierbei ein Aperçu aus den »Wespen« von Alphonse Karr ein. Herr Guizot, heißt es, schildert den Herrn Thiers, und Herr Thiers schildert den Herrn Guizot als Landesverräter, und leider haben beide recht. Wenn sämtliche deutschen Zeitungen alten Stils sich ihre Vergangenheit vorwerfen wollten, so könnte sich der Prozeß nur um die formelle Frage bewegen, ob sie gesündigt haben durch das, was sie taten, oder durch das, was sie nicht taten. Wir würden unserer Freundin gern den harmlosen Vorzug vor der »Leipziger Allgemeinen Zeitung« einräumen, nicht nur keine schlechte, sondern gar keine Existenz gewesen zu sein.

Indes unser inkriminierter Artikel sprach nicht von dem vergangenen, sondern von dem gegenwärtigen Charakter der »Leipziger Allgemeinen Zeitung«, obgleich wir, wie sich von selbst versteht, gegen ein Verbot der »Elberfelder Zeitung«, des »Hamburger Correspondenten« und der zu Koblenz erscheinenden »Rhein- und Mosel-Zeitung« nicht minder ernstgemeinte Einwendungen zu machen hätten, denn der Rechtszustand wird durch den moralischen Charakter oder gar die politischen und religiösen Meinungen der Individuen nicht alteriert. Der rechtlose Zustand der Presse ist vielmehr über allen Zweifel erhaben, sobald man ihre Existenz von ihrer Gesinnung abhängig macht. Bis jetzt gibt es nämlich noch keinen Kodex der Gesinnung und keinen Gerichtshof der Gesinnung.

Der letzten Phase der »Leipziger Allgemeinen Zeitung« wirft nun das »gemäßigte« Blatt die falschen Tatsachen, Entstellungen, Lügen vor und beschuldigt uns daher mit ehrlicher Entrüstung, die Lüge für ein notwendiges Element der Volkspresse zu halten. Und wenn wir diese fürchterliche Folgerung gelten ließen, wenn wir behaupteten, die Lüge sei ein notwendiges |158| Element der Volkspresse, namentlich der deutschen Volkspresse? Wir meinen nicht die Lüge der Gesinnung, die geistige Lüge, wir meinen die Lüge der Tatsache, die körperliche Lüge! Steiniget! Steiniget! würde unsere christliche Freundin rufen, Steiniget! Steiniget! würde der Chorus einfallen. Aber übereilen wir uns nicht, nehmen wir die Welt, wie sie ist, seien wir keine Ideologen, und wir geben unserer Freundin das Zeugnis, kein Ideologe zu sein. Das »gemäßigte« Blatt werfe auf seine eigenen Spalten einen prüfenden Blick, und berichtet es nicht, wie die »Preußische Staats-Zeitung«, wie alle deutschen, wie alle Zeitungen der Welt, täglich Lügen aus Paris, Klatschereien über bevorstehende Ministerialwechsel in Frankreich, von irgendeinem Pariser Blatt ausgeheckte Falsa, die der nächste Tag, die nächste Stunde widerlegt! Und hält die »Rhein- und Mosel-Zeitung« die faktische Lüge für ein notwendiges Element in den Rubriken England, Frankreich, Spanien, Türkei, aber für ein verdammliches, todeswürdiges Verbrechen in der Rubrik Deutschland oder Preußen? Woher dies doppelte Maß und Gewicht? Woher diese doppelte Ansicht von Wahrheit? Warum darf dasselbe Blatt auf der einen Kolumne die frivole Sorglosigkeit eines Neuigkeitsboten, warum muß es auf der andern Kolumne die trockene Unwiderleglichkeit eines Amtsblattes zur Schau tragen? Offenbar, weil es für deutsche Zeitungen eine französische, englische, türkische, spanische Zeit, aber keine deutsche Zeit, sondern nur eine deutsche Zeitlosigkeit gehen soll. Sind aber nicht vielmehr die Blätter zu loben und von Staats wegen zu loben, welche die Aufmerksamkeit, das fieberhafte Interesse, die dramatische Spannung, die alles Werdende, die vor allem die werdende Zeitgeschichte begleiten, dem Ausland entreißen und dem Vaterland erobern! Nehmt selbst an, sie erregten Unzufriedenheit, Verstimmung! So erregen sie doch deutsche Unzufriedenheit, deutsche Verstimmung, so haben sie dem Staate immer noch die abgewandten Gemüter zurückgeschenkt, wenn auch zunächst aufgeregte, verstimmte Gemüter! Und sie haben nicht nur Unzufriedenheit und Verstimmung, sie haben Befürchtungen und Hoffnungen, sie haben Freud und Leid, sie haben vor allem eine wirkliche Teilnahme am Staat erregt, sie haben den Staat zu einer Herzens-, zu einer Hausangelegenheit seiner Glieder, sie haben statt Petersburg, London, Paris: Berlin, Dresden, Hannover etc. zu den Hauptstädten auf der Landkarte des politischen deutschen Geistes gemacht, eine Tat, die ruhmwürdiger ist als die Verlegung der Welthauptstadt von Rom nach Byzanz.

Wenn aber die deutschen und preußischen Zeitungen, die sich das Ziel stellten, Deutschland und Preußen zum Hauptinteresse der Deutschen und Preußen zu machen, das mysteriöse priesterliche Wesen des Staates in ein lichtes, allen zugängliches und gehöriges Laienwesen, den Staat in das Fleisch |159| und Blut der Staatsbürger zu verwandeln, wenn sie an faktischer Wahrheit den französischen und englischen Zeitungen nachstehen, wenn sie oft ungeschickt und märchenhaft sich benehmen, so bedenkt, daß der Deutsche seinen Staat nur vom Hörensagen kennt, daß verschlossene Türen keine Brillen sind, daß ein geheimes Staatswesen kein öffentliches Staatswesen ist, so macht nicht zu einem Fehler der Zeitungen, was nur ein Fehler des Staats ist, ein Fehler, den eben diese Zeitungen zu korrigieren suchen.

Wir wiederholen also nochmals: »Die ›Leipziger Allgemeine Zeitung‹ ist ein notwendiger integrierender Teil der deutschen Volkspresse.« Sie hat vorzugsweise das unmittelbare Interesse an der politischen Tatsache, wir haben vorzugsweise das Interesse an dem politischen Gedanken befriedigt, wobei es sich von selbst versteht, daß weder die Tatsache den Gedanken noch der Gedanke die Tatsache ausschließt, aber es handelt sich hier um den vorherrschenden Charakter, um das Unterscheidungsmerkmal.

Replik auf die Denunziation eines »benachbarten« Blattes

[»Rheinische Zeitung« Nr. 10 vom 10. Januar 1843]

*Köln, 9. Januar. Es wäre wider alle Ordnung gewesen, wenn die »gute« Presse jetzt nicht von allen Seiten her ihre Rittersporen an uns zu verdienen suchte, an ihrer Spitze die Prophetin Hulda aus Augsburg, der wir nächstens auf ihre abermalige Herausforderung zum Tanz aufspielen werden. Heute haben wir es mit unserer invaliden Nachbarin zu tun, mit der höchst ehrenwerten »Kölnischen Zeitung«! Toujours perdrix! |Immer Rebhuhn!|

Zunächst: »Etwas Vorläufiges« oder ein »Vorläufiges Etwas«, ein Denkzettel, den wir ihrer heutigen Denunziation zur Verständigung vorausschicken wollen, ein allerliebstes Histörchen von der Art und Weise, wie die »Kölnische Zeitung« sich »Achtung« bei der Regierung zu verschaffen sucht, die »wahre Freiheit« im Gegensatz zur »Willkür« geltend macht und sich von innen »Schranken« zu setzen weiß. Der geneigte Leser wird sich erinnern, wie in Nr. 4 der »Rheinischen Zeitung« die »Kölnische Zeitung« geradezu beschuldigt ward, ihre Korrespondenz aus Leipzig, welche beinahe frohlockend das vielfach besprochene Verbot ankündigte, selbst fabriziert zu haben, wie ihr zugleich von einer ernstlichen Verteidigung der Echtheit jenes Dokuments wohlmeinend abgeraten ward unter der bestimmten Androhung, daß wir widrigenfalls »in bezug auf die mystische Korrespondenz aus Leipzig« noch |160| eine unangenehme Tatsache veröffentlichen müßten. Der gütige Leser wird sich der zahmen, ausweichenden Replik der »Kölnischen Zeitung« vom 5. Januar erinnern, unserer berichtigenden Duplik in Nr. 6 und der »leidenden Stille«, welche die »Kölnische Zeitung« hierauf zu beobachten für gut fand. Die fragliche Tatsache ist diese: Die »Kölnische Zeitung« fand das Verbot der »Leipziger Allgemeinen Zeitung« durch eine Mitteilung gerechtfertigt, die

»alle Schranken des Anstandes überschreitet und auch bei uns jedem Gemäßigten und Besonnenen als eine unbegreifliche Indiskretion erscheinen muß«.

Es war hiermit offenbar die Publikation des Herweghschen Briefes gemeint. Man konnte vielleicht diese Ansicht der »Kölnischen Zeitung« teilen, wenn die »Kölnische Zeitung« nur nicht selbst wenige Tage vorher den Herweghschen Brief dem Publikum hätte mitteilen wollen und nur »von außen« auf »Schranken« gestoßen wäre, die ihre gute Absicht vereitelten.

Wir wollen damit keineswegs der »Kölnischen Zeitung« ein illoyales Gelüste vorwerfen, aber wir müssen dem Publikum anheimstellen, ob es eine begreifliche Diskretion ist, ob es nicht alle Grenzen des Anstandes und der öffentlichen Moral verletzen heißt, wenn man dieselbe Tat seinem Nächsten als todeswürdiges Verbrechen vorwirft, die man eben im Begriffe stand, selbst auszuführen, die nur ein äußeres Hindernis nicht zur eigenen Tat werden ließ. Man wird es nach dieser Aufklärung verständlich finden, wenn das böse Gewissen der »Kölnischen Zeitung« uns heute mit einer Denunziation antwortet. Sie sagt:

»Es wird dort« (in der »Rheinischen Zeitung«) »behauptet, daß der ungewöhnlich scharfe, fast schneidende, jedenfalls unangenehme Ton, den die Presse gegen Preußen annehme, keinen andern Grund habe als den, sich dadurch der Regierung bemerklich zu machen und sie wecken zu wollen. Denn das Volk sei über die vorhandenen Staatsformen schon weit hinaus, diese litten an eigentümlicher Hohlheit; das Volk wie die Presse hätten kein Vertrauen zu diesen Institutionen und noch weniger zu einer Entwicklung von innen heraus.«

Die »Kölnische Zeitung« begleitet diese Worte mit folgendem Ausruf:

»Muß man nicht staunen, daß neben solchen Äußerungen noch immer Klagen über mangelhafte Preßfreiheit erschallen? Kann man mehr verlangen als die Freiheit, der Regierung ins Gesicht zu sagen, daß ›alle Staatsinstitutionen Plunder seien, nicht einmal gut, den Übergang zu etwas Besserem zu bilden‹.«

Zunächst müssen wir uns über die Art und Weise des Zitierens verständigen. Der Verfasser des quästionierten Artikels wirft sich die Frage auf, woher der scharfe Ton der Presse gerade in bezug auf Preußen komme? Er antwortet: »ich glaube, den Grund hauptsächlich in folgendem finden zu müssen«. Er behauptet nicht, was ihm die »Kölnische Zeitung« unterschiebt, |161| daß kein anderer Grund vorhanden sei, er gibt seine Ansicht vielmehr nur als seinen Glauben, als seine individuelle Meinung. Der Verfasser räumt ferner ein, was die »Kölnische Zeitung« verschweigt, daß »der Aufschwung von 1840 sich zum Teil in die Staatsformen hineingeworfen, ihnen Fülle und Leben zu geben versucht« habe. Dennoch fühle man, »daß der Volksgeist eigentlich an ihnen vorbeigehe, sie kaum streift und fast auch als Durchgang zu einer weitern Entwickelung noch nicht zu erkennen oder doch nicht zu achten versieht«. Der Verfasser fährt fort: »Ob dieselben ein Recht haben oder nicht, lassen wir dahingestellt sein: genug, das Volk sowie die Presse haben kein volles Vertrauen zu den Institutionen, noch weniger zu der Möglichkeit einer Entwicklung aus ihnen heraus und von unten herauf.« Die »Kölnische Zeitung« « verwandelt »kein volles Vertrauen« in kein Vertrauen und läßt von dem letzten Teile des angeführten Satzes die Worte aus: »und von unten herauf«, wodurch der Sinn wesentlich modifiziert wird.

Die Presse, fährt unser Verfasser fort, wandte sich daher beständig an die Regierung, weil es »sich noch um die Formen selbst zu handeln schien, innerhalb deren der berechtigte sittliche Willen, die heißen Wünsche, die Bedürfnisse des Volkes eine freie offene, gewichtige Sprache der Regierung gegenüber« führen könnten. Fassen wir nun diese Stellen zusammen, behauptet der quästionierte Artikel, was die »Kölnische Zeitung« ihn »der Regierung ins Gesicht« sagen läßt: »daß alle Staatsinstitutionen Plunder seien, nicht einmal gut, den Übergang zu etwas Besserem zu bilden«?

Handelt es sich hier um alle Staatsinstitutionen? Es handelt sich nur um die Staatsformen, in denen sich »der Volkswille« »frei, offen und gewichtig« aussprechen könne. Und welches waren bis vor kurzem diese Staatsformen? Offenbar nur die Provinzialstände. Hat das Volk den Provinzialständen besonderes Vertrauen geschenkt? Hat es eine große volkstümliche Entwickelung aus ihnen heraus erwartet? Hat der loyale Bülow-Cummerow sie für einen wahren Ausdruck des Volkswillens gehalten? Aber nicht nur das Volk und die Presse, die Regierung hat anerkannt, daß Staatsformen selbst noch fehlten, oder hätte sie ohne diese Anerkennung auch nur Anlaß gehabt, eine neue Staatsform, die »Ausschüsse« zu schaffen? Daß aber auch die Ausschüsse in ihrer jetzigen Gestalt nicht ausreichten, das haben nicht nur wir behauptet, das ist in der »Kölnischen Zeitung« von einem Ausschußmitglied behauptet worden.

Die fernere Behauptung, daß die Staatsformen eben noch als Formen dem Inhalt gegenüberstehen und der Volksgeist sich nicht in ihnen als seinen eigenen Formen »heimisch« fühle, sie nicht als die Formen seines eignen Lebens wisse, diese Behauptung wiederholt nur, was von vielen preußischen und auswärtigen Zeitungen, am meisten aber von konservativen Schriftstellern |162| ausgesprochen wurde, nämlich, daß die Bürokratie noch zu mächtig sei, daß weniger der ganze Staat als ein Teil des Staates, die »Regierung », ein eigentliches Staatsleben führe. Inwiefern die jetzigen Staatsformen geeignet seien, teils sich selbst mit lebendigem Inhalt zu füllen, teils die ergänzenden Staatsformen sich anzureihen, die Beantwortung dieser Frage mußte die »Kölnische Zeitung« da suchen, wo wir die Provinzialstände und Provinzialausschüsse in bezug auf unsere ganze Staatsorganisation betrachten, und sie hätte dort die sogar ihrer Weisheit verständliche Auskunft gefunden. »Wir verlangen nicht, daß man bei der Volksvertretung von den wirklich vorhandenen Unterschieden abstrahiere, wir verlangen vielmehr, daß man an die wirklichen, durch die innere Konstruktion des Staats geschaffenen und bedingten Unterschiede anknüpft.« »Wir verlangen nur konsequente und allseitige Durchbildung der preußischen Fundamentalinstitutionen, wir verlangen, daß man nicht plötzlich das wirkliche und organische Staatsleben verlasse, um in unwirkliche, mechanische, untergeordnete, unstaatliche Lebenssphären zurückzusinken.« (»Rheinische Zeitung«, Jahrgang 1842, Nr. 345.) Und was läßt uns die ehrenwerte »Kölnische Zeitung« sagen? - »daß alle Staatsinstitutionen Plunder seien, nicht einmal gut, den Übergang zu etwas Besserem zu bilden«! Es scheint beinahe, als glaube die »Kölnische Zeitung« den Mangel an eigner Kühnheit dadurch ersetzen zu können, daß sie andern die frechen Ausgeburten ihrer feigen, aber mutwilligen Phantasie unterschiebt.

Die Denunziation der »Kölnischen« und die Polemik der »Rhein- und Mosel-Zeitung«

[»Rheinische Zeitung« Nr. 13 vom 13. Januar 1843]

* Köln, 11. Januar.

»Votre front à mes yeux montre peu d'allégresse!
Serait-ce ma présence, Eraste, qui vous blesse?
Qu'est-ce donc? qu'avez-vous? et sur quels déplaisirs,
Lorsque vous me voyez, poussez-vous des soupirs?«

|»Eure Stirn scheint mir umwölkt, mein Freund. Wär' Euch etwa
mein Anblick nicht willkommen? Sprecht Eraste,
Was ist's? Was habt ihr nur? Was ist gescheh'n,
Das ich Euch seufzen hörte, wie ich kam?« Molière, »Die Lästigen«, 1. Akt, fünfte Szene|

Diese Worte zunächst der benachbarten »Kölnerin«! Die »Kölnische Zeitung« verbreitet sich nicht über ihre »angebliche Denunziation«, sie läßt |163| diesen Hauptpunkt fallen und beschwert sich nur, daß man die »Redaktion« bei dieser Gelegenheit nicht eben auf die angenehmste Weise in den Kampf verwickelt habe. Allein, beste Nachbarin, wenn ein Korrespondent der »Kölnischen Zeitung« eine unserer Berliner Korrespondenzen mit der »Rheinischen Zeitung« identifiziert, warum sollte die »Rheinische Zeitung« die erwidernde Rhein-Korrespondenz der »Kölnischen Zeitung« nicht mit der »Kölnischen Zeitung« identifizieren dürfen? Nun ad vocem Tatsache:

»Sie« (die »Rheinische Zeitung«) »wirft uns keine Tatsache, sondern eine Absicht vor!«

Wir werfen der »Kölnischen Zeitung« nicht nur eine Absicht, sondern Tatsache dieser Absicht vor. Eine Tatsache, die Aufnahme des Herweghschen Briefes, wurde der »Kölnischen Zeitung« durch äußere Zufälle in eine Absicht verwandelt, obgleich sich ihre Absicht schon in eine Tatsache verwandelt hatte. Jede vereitelte Tatsache sinkt zur bloßen Absicht zurück, gehört sie darum weniger vor die Gerichte? Jedenfalls wäre es eine sonderbare Tugend, welche die Rechtfertigung ihrer Taten in dem Zufall fände, der diese Taten vereitelte, sie zu keiner Tat, sondern zur bloßen Absicht der Tat werden ließ. Aber unsere loyale Nachbarin wirft die Frage auf, zwar nicht an die »Rheinische Zeitung«, die bei ihr in dem mißlichen Verdacht steht, von ihrer »Redlichkeit und Gewissenhaftigkeit« nicht so leicht um eine Antwort »in Verlegenheit« gelassen zu werden, sondern an »jenen geringen Teil des Publikums, der etwa noch nicht ganz im klaren darüber ist, welchen Glauben die Verdächtigungen« (soll wohl heißen: die Verteidigungen gegen Verdächtigungen) »dieses Blattes verdienen«; aber, fragt sie, woher weiß die »Rheinische Zeitung«, »daß wir mit dieser Absicht« (sc. der Mitteilung des Herweghschen Briefes) »nicht auch die andere« (signo haud probato) |Durch keinen Beweis konstatiert. Anm. K. M.| »Absicht verbanden, die Zurechtweisung hinzuzufügen, die der kindische Mutwillen des Verfassers verdient hatte?« Aber woher weiß die »Kölnische Zeitung«, welche Absicht die Veröffentlichung der »Leipziger Allgemeinen Zeitung« hatte? Warum nicht etwa die harmlose Absicht, eine Neuigkeit zuerst mitzuteilen? Warum nicht etwa die loyale Absicht, jenen Brief einfach vor den Richterstuhl der öffentlichen Meinung zu stellen? Wir wollen unserer Nachbarin eine Anekdote erzählen. In Rom ist der Druck des Korans verboten. Ein verschmitzter Italiener wußte sich zu helfen. Er gab eine Widerlegung des Korans heraus, d.h. ein Buch, welches auf dem Titelblatt sich »Widerlegung des Korans« benennt, aber hinter dem Titelblatt ein einfacher Abdruck des Korans ist. Und haben nicht alle Ketzer diese Finte zu spielen |164| gewußt. Ist nicht Vanini verbrannt worden, obgleich er in seinem Theatrum mundi, bei Verkündigung des Atheismus, sorgfältig und prunkend alle Gegengründe wider denselben geltend macht. Hat nicht selbst Voltaire in seiner »Bible enfin expliquée« im Text den Unglauben und in den Noten den Glauben gelehrt, und hat man an die purifizierende Kraft dieser Noten geglaubt? Aber, schließt unsere ehrenwerte Nachbarin,

»war, wenn wir diese Absicht hatten, unsere Aufnahme des ohnedies allgemein bekannten Schreibens mit der ursprünglichen Veröffentlichung in gleiche Reihe zu stellen?«

Aber, beste Nachbarin, auch die »Leipziger Allgemeine Zeitung« veröffentlichte nur ein Schreiben, was in vielen Abschriften zirkulierte. »Fürwahr, Mylord, ihr seid zu tadelsüchtig.«

In dem päpstlichen Enzyklikum ex cathedra vom 15. August 1832, Mariä Himmelfahrt, steht zu lesen:

»Wahnsinn (deliramentum) ist es, zu behaupten, jedem Menschen sei Gewissensfreiheit zuzugestehen; nicht genug zu verabscheuen ist Preßfreiheit.«

Diese Sentenz trägt uns von Köln nach Koblenz zu dem »mäßigen« Blatt, zu der »Rhein- und Mosel-Zeitung«, deren Wehgeschrei gegen unser Verfechten der Preßfreiheit nach jenem Zitat verständlich und gerechtfertigt sein wird, so sonderbar es hiernach auch lauten müßte, wollte sie etwa sich selbst »zu den sehr eifrigen Freunden der Presse« zählen. Aus den »mäßigen« Spalten des Blattes springen heut zwar nicht zwei Löwen, wohl aber ein Löwenfell und eine Löwenkutte heraus, denen wir die gebührende naturhistorische Aufmerksamkeit widmen wollen. Nr. 1 expektoriert sich unter anderm dahin:

»Der Kampf ist von ihrer Seite« (der »Rheinischen Zeitung«) »ein so loyaler, daß sie uns gleich von vornherein die Zusicherung erteilt, sogar gegen ein Verbot der ›Rhein- und Mosel-Zeitung‹ würde sie sich um des ihr so sehr am Herzen liegenden ›Rechtszustandes‹ willen aufmachen, eine Zusicherung, welche ebenso schmeichelhaft als beruhigend für uns wäre, wenn nur nicht zufällig in demselben Atem eine Schmähung gegen die bekanntermaßen längst wirklich bei uns verbotenen ›Münchener historisch-politischen Blätter‹ dem Ritter für jede gekränkte Preßfreiheit entschlüpfte.«

Sonderbar, daß in demselben Moment, wo die faktische Zeitungslüge mit einem Verdikt belegt wird, faktisch gelogen wird! Die Stelle, auf welche angespielt wird, lautet wörtlich: »Zunächst werden die alten Sünden der ›Leipziger |165|* Allgemeinen Zeitung‹ aufgezählt, ihr Verhalten zu den hannoverschen Angelegenheiten, ihre Parteipolemik gegen den Katholizismus (hinc illae lacrimae!); würde unsere Freundin dasselbe Verhalten, nur nach entgegengesetzter Richtung hin, zu den Todsünden der ›Münchener politischen Blätter‹ zählen?« In diesen Zeilen wird von den »Münchener politischen Blättern« eine »Parteipolemik« gegen den Protestantismus ausgesagt. Haben wir damit ihr Verbot gerechtfertigt? Konnten wir es dadurch rechtfertigen wollen, daß wir »dasselbe Verfahren«, welches wir bei der »Leipziger Allgemeinen Zeitung« als keine Ursache zu einem Verbot darstellen, »nur nach entgegengesetzter Richtung hin« in den »Münchener politischen Blättern« wiederfinden? Im Gegenteil! Wir fragten das Gewissen der »Rhein- und Mosel-Zeitung«, oh ihr dasselbe Verfahren auf der einen Seite ein Verbot rechtfertige und auf der andern ein Verbot nicht rechtfertige! Wir fragten sie also, oh sie das Verfahren selbst oder oh sie nicht vielmehr nur die Richtung des Verfahrens mit einem Verdikt belege? Und die »Rhein- und Mosel-Zeitung« hat unsere Frage beantwortet, sie hat dahin geantwortet, daß sie nicht, wie wir, die religiöse Parteipolemik, sondern nur die Parteipolemik verdammt, die so verwegen ist, protestantisch zu sein. Wenn wir in demselben Moment, wo wir die »Leipziger Allgemeine Zeitung« gegen »das eben erfolgte« Verbot in Schutz nahmen, ihrer Parteipolemik gegen den Katholizismus mit der »Rhein- und Mosel-Zeitung« erwähnten, durften wir die Parteipolemik der »längst verbotenen« »Münchener politischen Blätter« nicht ohne die »Rhein- und Mosel-Zeitung« erwähnen? Nr. 1 war also so gütig, die »geringe Öffentlichkeit des Staats«, die »Unfertigkeit« eines »täglichen«, lauten und ungewohnten »politischen Denkens«, den Charakter der »werdenden Zeitgeschichte«, lauter Gründe, womit wir die faktische Zeitungslüge entschuldigten, mit einem neuen Grund zu vermehren, mit der faktischen Verstandesschwäche eines großen Teiles der deutschen Presse. Die »Rhein- und Mosel-Zeitung« hat an sich selbst den Beweis geliefert, wie ein unwahres Denken notwendig und unabsichtlich unwahre Tatsachen, also Entstellungen und Lügen produziert.

Wir kommen zu Nr. 2, zu der Löwenkutte, denn die weitern Gründe von Nr. 1 machen hier weitläufiger den Prozeß ihrer Verwickelung durch. Die Löwenkutte unterrichtet zunächst das Publikum über ihre wenig interessanten Gemütszustände. - Sie habe einen »Zornerguß« erwartet. Nun brächten wir eine »anscheinend leicht hingeworfene, vornehme Abfertigung«. Ihrem Danke für diese »unerwartete Schonung« mischt sich der ärgerliche Zweifel bei,

|166| »ob jene unerwartete Schonung in der Tat als ein Zug der Milde oder vielmehr als eine Folge der geistigen Unbehaglichkeit und Ermattung anzusehen«.

Wir wollen unserm frommen Herrn nicht auseinandersetzen, wie geistliche Behaglichkeit wohl einen Grund zu geistiger Unbehaglichkeit abgeben könnte, wir wollen gleich zu dem »Inhalt der fraglichen Erwiderung« übergehen. Der fromme Herr gesteht, »leider nicht verhehlen zu können«, daß seinem »allermäßigstem Verstande« die »Rheinische Zeitung« »ihre Verlegenheit nur hinter leeren Wortfechtereien zu verbergen suche«, und um keinen Augenblick den Schein einer »geheuchelten Demut oder Bescheidenheit« aufkommen zu lassen, belegt der fromme Herr seinen »allermäßigsten« Verstand sogleich mit den schlagendsten, unwiderleglichsten Proben. Er beginnt wie folgt:

»›Die alten Sünden der »Leipziger Allgemeinen Zeitung«, ihr Verhalten zu den hannoverschen Angelegenheiten, ihre Parteipolemik gegen den Katholizismus, ihre Klatschereien‹ etc., nun ja, die können nicht geleugnet werden; aber - meint unsere vortreffliche Schülerin des großen Philosophen Hegel - diese Vergehen sind vollkommen dadurch entschuldigt, daß auch andere Blätter sich dergleichen haben zuschulden kommen lassen - (gerade wie ja auch ein Spitzbube vor Gericht sich nicht glänzender rechtfertigen kann, als indem er sich auf die schlechten Streiche seiner zahlreichen, noch frei in der Welt umherspazierenden Kameraden beruft).«

Wo haben wir gesagt, »die alten Sünden der ›Leipziger Allgemeinen Zeitung‹ seien vollkommen dadurch entschuldigt, daß auch andere Blätter sich dergleichen haben zuschulden kommen lassen?« Wo haben wir diese alten Sünden auch nur zu »entschuldigen« versucht? Unser wirkliches Räsonnement, welches sehr wohl zu unterscheiden ist von dem Widerschein unsers Räsonnements in dem Spiegel des »allermäßigsten Verstandes«, unser wirkliches Räsonnement lautete also: Zunächst zählt die »Rhein- und Mosel-Zeitung« die »alten Sünden« der »Leipziger Allgemeinen Zeitung« auf. Wir spezifizieren darauf diese Sünden und fahren dann fort: »wenn sämtliche deutsche Zeitungen alten Stils sich ihre Vergangenheit vorwerfen wollten, so könnte sich der Prozeß nur um die formelle Frage bewegen, ob sie gesündigt haben durch das, was sie taten, oder durch das, was sie nicht taten. Wir würden unserer Freundin, der ›Rhein- und Mosel-Zeitung‹, gern den harmlosen Vorzug vor der ›Leipziger Allgemeinen Zeitung‹ einräumen, nicht nur keine schlechte, sondern gar keine Existenz gewesen zu sein.

Wir sagen also nicht, daß auch andre Blätter, wir sagen, daß sämtliche deutsche Zeitungen älteren Stils, worunter wir ausdrücklich die »Rhein- und Mosel-Zeitung« begreifen, nicht sich miteinander vollständig entschuldigen, sondern sich mit Recht dieselben Vorwürfe machen können. Nur könne die |167| »Rhein- und Mosel-Zeitung« den zweideutigen Vorzug in Anspruch nehmen, durch das gesündigt zu haben, was sie nicht tat, also ihre Unterlassungssünden den Begehungssünden der »Leipziger Allgemeinen Zeitung« gegenüberstellen. Wir können der »Rhein- und Mosel-Zeitung« ihre passive Schlechtigkeit an einem frischen Beispiel erklären. Sie kühlt jetzt an der toten »Leipziger Allgemeinen Zeitung« ihr fanatisches Gelüste, während sie die »Leipziger Allgemeine Zeitung« bei Lebzeiten exzerpierte, statt sie zu widerlegen. Das Gleichnis, womit der »allermäßigste Verstand« unser Räsonnement sich zu verdeutlichen strebt, bedarf einer kleinen, aber wesentlichen Korrektur. Er hatte nicht von einem Spitzbuben sprechen müssen, der sich vor Gericht mit den andern frei umherlaufenden Spitzbuben entschuldigt. Er hätte von zwei Spitzbuben sprechen müssen, von denen der eine, der sich nicht gebessert hat und nicht eingesperrt wird, über den andern triumphiert, der eingesperrt wird, obgleich er sich gebessert hat.

»Zudem«, fährt der »allermäßigste Verstand« fort, »zudem ›wird der Rechtszustand durch den moralischen Charakter oder gar die politischen und religiösen Meinungen der Individuen nicht alteriert‹, und hat folglich selbst ein absolut schlechtes Blatt eben dadurch, daß es lediglich eine schlechte Existenz ist, auch ein Recht, eine solche schlechte Existenz zu sein (gerade wie allem übrigen Schlechten auf Erden, eben wegen seiner schlechten Existenz, auch das Recht zu existieren nicht bestritten werden kann).«

Es scheint, der fromme Herr will uns überzeugen, daß er nicht nur nicht bei keinem »großen«, sondern auch nicht einmal bei einem »kleinen« Philosophen in die Schule gegangen ist.

Der Passus, dem unser Freund so wunderlich verzerrte und verworrene Zuge andichtet, lautete, ehe er in dem Medium des »allermäßigsten Verstandes« sich gebrochen hatte, also:

»Indes unser inkriminierter Artikel sprach nicht von dem vergangenen, sondern von dem gegenwärtigen Charakter der ›Leipziger Allgemeinen Zeitung‹, obgleich wir, wie sich von selbst versteht, gegen ein Verbot etc. etc. der zu Koblenz erscheinenden ›Rhein- und Mosel-Zeitung‹ nicht minder ernstgemeinte Einwendungen zu machen hätten, denn der Rechtszustand wird durch den moralischen Charakter oder gar die politischen und religiösen Meinungen der Individuen nicht alteriert. Der rechtlose Zustand der Presse ist vielmehr über allen Zweifel erhaben, sobald man ihre Existenz von ihrer Gesinnung abhängig macht. Bis jetzt gibt es nämlich noch keinen Kodex der Gesinnung und keinen Gerichtshof der Gesinnung.«

Wir behaupten also nichts, als daß ein Mensch nicht eingesperrt oder seines Eigentums oder irgendeines andern juristischen Rechtes verlustig gehen |168| könne wegen seines moralischen Charakters, wegen seiner politischen und religiösen Meinungen, welche letztere Behauptung unseren religiösen Freund besonders zu alterieren scheint. Wir wollen den Rechtszustand einer schlechten Existenz ungefährdet wissen, nicht weil sie schlecht ist, sondern insoweit ihre Schlechtigkeit in der Gesinnung, für die es keinen Gerichtshof und keinen Kodex gibt, steckenbleibt. Wir stellen also die Existenz der schlechten Gesinnung, für die es keinen Gerichtshof gibt, der Existenz der schlechten Handlungen entgegen, die, wenn sie ungesetzmäßig sind, ihren Gerichtshof und ihre strafenden Gesetze finden. Wir behaupten also, daß eine schlechte Existenz, obschon schlecht, wenn nur nicht ungesetzmäßig, ein Recht zu existieren habe. Wir behaupten nicht, was unser Scheinecho zurückhallt, daß einer schlechten Existenz, eben weil sie »lediglich eine schlechte Existenz sei, »das Recht zu existieren nicht bestritten werden könne«. Vielmehr wird sich unser ehrwürdiger Gönner überzeugt haben, daß wir ihm und der »Rhein- und Mosel-Zeitung« das Recht, eine schlechte Existenz zu sein, bestreiten und sie daher möglichst zu guten Existenzen umwandeln wollen, ohne uns deswegen zu einem Angriff auf den »Rechtszustand« der »Rhein- und Mosel-Zeitung« und ihres Schildknappen berechtigt zu halten. Noch eine Probe von dem »Verstandesmaß« unseres frommen Eiferers:

»Wenn aber das Organ ›des politischen Gedankens‹ so weit geht, zu behaupten, daß solche Blätter wie die ›Leipziger Allgemeine Zeitung‹ (und ganz vorzüglich sie, die ›Rheinische‹, wie sich von selbst versteht), ›vielmehr zu loben und von Staats wegen zu loben‹ seien, weil sie auch angenommen, daß sie Unzufriedenheit und Verstimmung erregten, doch deutsche Unzufriedenheit und deutsche Verstimmung erregten, so können wir doch nicht umhin, unsern Zweifel an diesem seltsamen ›Verdienst um das deutsche Vaterland‹ auszusprechen.«

Die angezogne Stelle lautet im Original also: »Sind aber nicht vielmehr die Blätter zu loben und von Staats wegen zu loben, welche die Aufmerksamkeit, das fieberhafte Interesse, die dramatische Spannung, die alles Werdende, die vor allem die werdende Zeitgeschichte begleiten, dem Ausland entreißen und dem Vaterland erobern! Nehmt selbst an, sie erregten Unzufriedenheit, Verstimmung! So erregen sie doch deutsche Unzufriedenheit, deutsche Verstimmung, so haben sie dem Staat immer noch die abgewandten Gemüter zurückgeschenkt, wenn auch zunächst aufgeregte, verstimmte Gemüter! Und sie haben nicht nur Unzufriedenheit und Verstimmung etc., sie haben vor allem eine wirkliche Teilnahme am Staate erregt, sie haben den Staat zu einer Herzens-, zu einer Hausangelegenheit etc. gemacht.«

Unser Ehrwürdiger läßt also die verbindenden Mittelglieder aus. Es ist, als wenn wir ihm sagten: Bester Mann! Sein Sie uns dankbar, wir klären |169| Ihren Verstand auf, und wenn wir Sie auch ein wenig ärgern, so ist es doch immer Ihr Verstand, der dabei gewinnt - und unser Freund antwortete: Wie! ich soll Ihnen dankbar sein, weil Sie mich ärgern! Nach diesen Proben des »allermäßigsten Verstandes« wird man die unmäßige Phantasie unseres Verfassers, die uns schon kohortenweise »sengend und brennend die deutschen Gauen durchziehen« läßt, auch ohne tiefere psychologische Studien erklärlich finden. Zum Schlusse wirft unser Freund die Maske weg. »Ulrich v. Hutten und seine Genossen«, unter denen bekanntlich auch Luther zählt, werden der Löwenkutte in der »Rhein- und Mosel-Zeitung« ihren ohnmächtigen Ärger verzeihen. Wir können nur über eine Übertreibung erröten, die uns so großen Männern anreiht, und wollen, weil ein Dienst des andern wert ist, unseren Freund mit dem Hauptpastor Goeze zusammenstellen. Wir rufen ihm also mit Lessing zu:

»Und sonach meine ritterliche Absage nur kurz. Schreiben Sie, Herr Pastor, und lassen Sie schreiben, soviel das Zeug halten will; ich schreibe auch. Wenn ich Ihnen in dem geringsten Ding Recht lasse, wo Sie nicht recht haben: dann kann ich die Feder nicht mehr rühren.« |Aus Lessing, »Eine Parabel. Nebst einer kleinen Bitte und einem eventualen Absagungsschreiben.«|

Die »Rhein- und Mosel-Zeitung«

[»Rheinische Zeitung« Nr. 16 vom 16. Januar 1843]

*Köln, 15. Januar. Der Nr. 1 der »Rhein- und Mosel-Zeitung« vom 11. Januar, dem wir als Vorreiter des Löwenartikels eine flüchtige Aufmerksamkeit vor einigen Tagen gewidmet haben, sucht heute an einem Beispiel nachzuweisen, wie wenig

»die in ihrer Dialektik Überschlagende« (die »Rheinische Zeitung«) »einen einfachen, klar ausgesprochenen Satz klar aufzufassen« vermöge.

Er, Nr. 1, habe nämlich gar nicht gesagt, daß die »Rheinische Zeitung« das Verbot der »Münchener politischen Blätter« zu rechtfertigen gesucht,

»wohl aber, daß sie in demselben Moment, worin sie zur Verfechterin unbedingter Preßfreiheit sich aufwirft, keinen Anstand nimmt, ein wirklich verbotenes Blatt zu schmähen, daher die Ritterlichkeit, womit sie selbst gegen ein Verbot der ›Rhein- und Mosel-Zeitung‹ in die Schranken treten zu wollen versichert, nicht eben weit her zu sein scheine«.

Der Vorreiter Nr. 1 übersieht, daß zwei Gründe seine Unruhe über unser ritterliches Betragen bei einem etwaigen Verbot der »Rhein- und Mosel-Zeitung« verursachen konnten und daß auf beide Gründe geantwortet |170|* wurde. Der gute Vorreiter, mußten wir denken, traut entweder unserer Versicherung nicht, weil er in der angeblichen Schmähung auf die »Münchener politischen Blätter« eine versteckte Rechtfertigung ihres Verbots sieht. Wir konnten einen solchen Gedankengang bei dem guten Vorreiter um so mehr voraussetzen, als der gemeine Mann die eigentümliche Schlauheit besitzt, aus solchen, wie ihm scheint, unbewußt »entschlüpften« Äußerungen die wahre Meinung herausdeuten zu wollen. Für diesen Fall beruhigen wir den guten Vorreiter dadurch, daß wir ihm nachweisen, wie unmöglich ein Zusammenhang zwischen unserer Äußerung über die »Münchener politischen Blätter« und einer Rechtfertigung ihres Verbots vorhanden sein könne.

Oder Nr. 1, war die zweite Möglichkeit, findet es überhaupt bedenklich und unritterlich, daß wir einem wirklich verbotenen Blatt, wie den »Münchener politischen Blättern«, Parteipolemik gegen den Protestantismus vorwerfen? Er erblickt hierin eine Schmähung. Und für diesen Fall stellten wir an den guten Vorreiter die Frage: »Wenn wir in demselben Moment, wo wir die ›Leipziger Allgemeine Zeitung‹ gegen ›das eben erfolgte‹ Verbot in Schutz nahmen, ihrer Parteipolemik gegen den Katholizismus mit der ›Rhein- und Mosel-Zeitung‹ erwähnen, durften wir die Parteipolemik der ›längst verbotenen‹ ›Münchener politischen Blätter‹ nicht ohne die ›Rhein- und Mosel-Zeitung‹ erwähnen?« Das hieß: Wir schmähen die »Leipziger Allgemeine Zeitung« nicht, indem wir ihrer antikatholischen Parteipolemik mit dem Konsens der »Rhein- und Mosel-Zeitung« erwähnen. Wird unsere Behauptung von der katholischen Parteipolemik der »Münchener politischen Blätter« zur Schmähung werden, weil sie so unglücklich ist, nicht den Konsens der »Rhein- und Mosel-Zeitung« zu besitzen?

Weiter hat Nr. 1 doch nichts getan, als unsere Behauptung eine Schmähung genannt, und seit wann haben wir uns verpflichtet, dem Nr. 1 aufs Wort zu glauben? Wir sagten: Die »Münchener politischen Blätter« sind ein katholisches Parteiblatt und in dieser Rücksicht eine umgekehrte »Leipziger Allgemeine Zeitung«. Der Vorreiter in der »Rhein- und Mosel-Zeitung« sagt: Sie sind kein Parteiblatt und keine umgekehrte »Leipziger Allgemeine Zeitung«. Sie seien keine

»gleiche Niederlage von Unwahrheiten, dummen Klatschereien und Verhöhnungen gegen nicht-katholische Bekenntnisse«.

Wir sind weder theologische Klopffechter der einen noch der andern Seite, aber man lese nur die psychologische, klatschhaft-gemeine Schilderung Luthers in den »Münchener politischen Blättern«, man lese nur, was die »Rhein- und Mosel-Zeitung« von »Hutten und seinen Genossen« sagt, um |171| zu entscheiden, ob das »gemäßigte« Blatt den Standpunkt einnimmt, von dem es entscheiden könnte, was religiöse Parteipolemik sei und was nicht.

Schließlich verspricht uns der gute Vorreiter eine »nähere Charakterisierung der ›Rheinischen Zeitung‹«. Nous verrons. |Wir werden sehen| Die kleine Partei zwischen München und Koblenz fand schon einmal, daß der »politische« Sinn der Rheinländer entweder für gewisse unstaatliche Bestrebungen ausgebeutet oder als ein »Ärgernis« unterdrückt werden müsse. Sollte sie in der schnellen Verbreitung der »Rheinischen Zeitung« durch die Rheinprovinz ihre gänzliche Bedeutungslosigkeit konstatiert sehen, ohne sich zu ärgern? Ist der jetzige Moment ungünstig zum Ärgern? Wir finden das alles passabel gut überlegt und bedauern nur, daß jene Partei in Ermangelung eines bedeutenderen Organs mit dem guten Vorreiter und seinem unscheinbaren »gemäßigten« Blatte vorliebnehmen muß. Man mag aus diesem Organ auf die Macht der Partei schließen.


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